Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 985/12
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.424,11 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
3Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der angefochtene Bescheid vom 1. Juni 2012 offensichtlich rechtmäßig ist, nicht in Frage.
41. Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.
5a) Die Einwendungen des Antragstellers gegen die Annahme seiner Haltereigenschaft sind unsubstanziiert. Halter im Sinne des § 31a StVZO ist nach einhelliger Auffassung derjenige, der ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Der Halterbegriff gilt einheitlich für alle straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, die diesen Begriff verwenden.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1987 - 7 C 14.84 -, NJW 1987, 3020; OVG NRW, Beschlüsse vom 29. April 2003 – 8 A 3435/01 –, vom 20. Juli 2011 – 8 A 927/10 -; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 7 StVG Rn. 14.
7Allerdings misst der Gesetzgeber den im Fahrzeugregister enthaltenen Eintragungen bei der Halterbestimmung erhebliches Gewicht bei. Insbesondere die Bestimmungen in §§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 32 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StVG legen nahe, dass der Fahrzeughalter mit demjenigen identisch ist, dem ein Kennzeichen für das Fahrzeug zugeteilt oder ausgegeben wird. Jedenfalls wird die erstmalige Zulassung in aller Regel auf den Halter zu erfolgen haben.
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1987 - 7 C 14.84 -, a. a. O.
9Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil das Straßenverkehrsrecht nahezu alle aus der Zulassung und dem Betrieb eines Fahrzeugs folgenden Pflichten ausdrücklich dem Halter auferlegt. Das schließt nicht aus, dass nachträglich infolge einer Änderung der tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Haltereigenschaft vom Zulassungsinhaber auf einen anderen Verantwortlichen übergehen kann.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1987 - 7 C 14.84 -, a. a. O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 2. September 1997 - 10 S 1670/97 -, NZV 1998, 47; Beschluss vom 30. Oktober 1991 - 10 S 2544/91 -, NZV 1992, 167.
11Hiervon ausgehend ist im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes von der Haltereigenschaft des Antragstellers, auf den das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen zugelassen ist, auszugehen. Es fehlt bei summarischer Prüfung an ausreichenden Anknüpfungspunkten für einen Übergang der Haltereigenschaft vom Antragsteller auf seine Tochter.
12b) Die Feststellung der Tochter des Antragstellers als verantwortlicher Fahrzeugführerin war unmöglich. Sie konnte ordnungswidrigkeitenrechtlich nicht belangt werden, ohne dass der Behörde ein Ermittlungsdefizit anzulasten ist, wobei der Antragsteller von vornherein nicht bereit war, an der Aufklärung der Ordnungswidrigkeit mitzuwirken. Dass er die Fahrereigenschaft seiner Tochter in dem gegen sie eingeleiteten Bußgeldverfahren lediglich nicht bestritten hat, ist - wie bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - unerheblich.
13Auf der Grundlage der von der Behörde - trotz der Verweigerung der Mitwirkung des Antragstellers - vorgenommenen Maßnahmen konnte die Fahrereigenschaft der Tochter des Antragstellers nicht ermittelt werden. Zwar wurde gegen sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet und mit dem Erlass des Bußgeldbescheides vom 11. November 2011 zum Abschluss gebracht. Auf den Einspruch der Tochter des Antragstellers wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren jedoch mit Beschluss des Amtsgerichts Olpe vom 2. März 2012 - 54 OWi-35 Js 137/12-65/12 - gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht ein bei ihm anhängiges Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen, wenn dieses eine Ahndung nicht für geboten hält. Ausweislich der in der gerichtlichen Verfügung des Amtsgerichts vom 26. Januar 2012 mitgeteilten Gründe lag der Einstellung die Erwägung zugrunde, dass die Beweislage unklar sei; die Identität des Fahrzeugführers mit der Person auf dem Bild Bl. 13 der Akte sei nicht gegeben. Es kann offen bleiben, ob in einem solchen Fall die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG mangels hinreichenden Tatverdachts gegenüber der Einstellung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG vorrangig gewesen wäre oder ob eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG deswegen angezeigt gewesen ist, weil nach Auffassung des Gerichts die Wahrscheinlichkeit einer Ordnungswidrigkeit gegeben gewesen ist, aber weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären, um die Wahrscheinlichkeit zu erhärten oder zu entkräften.
14Vgl. Seitz, in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Aufl. 2009, § 47 Rn. 22a.
15Denn jedenfalls ergibt sich aus der Begründung des Amtsgerichts hinreichend deutlich, aus welchem sachlichen Grund das Bußgeldverfahren eingestellt werden sollte, nämlich die aktuelle Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers. Auf das eventuelle Verhalten der Tochter des Antragstellers im Ordnungswidrigkeitenverfahren, wäre sie von der beabsichtigten Einstellung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG zuvor unterrichtet worden, kommt es für das vorliegende Verfahren schon deshalb nicht an, weil der Antragsteller selbst im Ermittlungsverfahren seine Mitwirkung verweigert hat.
16c) Die sinngemäße Rüge, es sei dem Antragsteller unmöglich, das Fahrtenbuch zu führen, weil alleinige Nutzerin und Halterin seine unter anderer Anschrift wohnhafte Tochter sei, hat keinen Erfolg. Gemäß § 31a Abs. 2 StVZO hat der Fahrzeughalter oder sein Beauftragter in dem Fahrtenbuch für ein bestimmtes Fahrzeug und für jede einzelne Fahrt vor deren Beginn Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers, amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs, Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und nach deren Beendigung unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen. Der Antragsteller hat hiernach sicherzustellen, dass seine Tochter als Beauftragte die gesetzlich vorgesehenen Eintragungen vornimmt.
172. Einwendungen gegen die Zwangsgeldandrohung sowie die Gebühren- und Auslagenfestsetzung sind nicht erhoben worden.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400,00 € zu Grunde und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich ergebenden Gesamtbetrages fest. Hinzu kommt ein Viertel der festgesetzten Gebühr nebst Auslagen.
20Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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