Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 1292/09
Tenor
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 5. August 2008 verpflichtet, den vom Kläger zu entrichtenden Kostenbeitrag für die Monate Juni 2008 bis Oktober 2008 sowie die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 auf 575,- € herabzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens sämtlicher Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger wendet sich gegen den für die Monate Juni 2008 bis Januar 2009 auf jeweils 635,- € festgesetzten kinder- und jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag.
3Die Beklagte gewährte dem im Jahr 1993 geborenen Sohn C. des Klägers seit dem 26. Januar 2008 vollstationäre Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen nach § 35a SGB VIII in der Einrichtung der Jugend- und Behindertenhilfe N. , S. . Mit Bescheid vom 29. Februar 2008 informierte die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau über den Beginn des Leistungsbezugs und bat um Vorlage von Einkommensnachweisen, um über einen möglichen Kostenbeitrag entscheiden zu können. Dem Anschreiben war das sog. Merkblatt „Information zur pauschalierten Kostenbeteiligung“ beigefügt.
4Der Kläger legte in der Folgezeit unter anderem eine Bescheinigung seines Arbeitgebers über seinen Arbeitsverdienst in den Monaten März 2007 bis Februar 2008, den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2005 sowie Versicherungsnachweise zu einer Lebensversicherung, einer Direktversicherung und einer zusätzlichen privaten Krankenversicherung (Ergänzungstarif) vor.
5Mit Bescheid vom 16. April 2008 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 635,- € fest. Dabei ging sie auf der Grundlage des vom Kläger während des Zeitraums März 2007 bis Februar 2008 durchschnittlich erzielten Nettomonatseinkommens zuzüglich des Kindergeldes in Höhe von 154,- € und bei Abzug der Kosten für die zusätzliche private Kranken- und Rentenversicherung in Höhe von 19,48 € bzw. 112,23 € sowie bei einem pauschalen Abzug von 25% von einem anrechenbaren monatlichen Einkommen in Höhe von 2.416,- € aus.
6Die Ehefrau des Klägers machte Angaben zu den von ihr erzielten Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit sowie aus Vermietung- und Verpachtung. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 16. April 2008 mit, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse bis auf weiteres keine Kostenbeiträge leisten müsse, aber Änderungen ihrer Einkommensverhältnisse mitzuteilen habe.
7Mit Schreiben vom 1. Juli 2008 bat der Kläger u.a. unter Beifügung der Gehaltsabrechnung für Juni 2008 um Anpassung des Kostenbeitrags. Aus der Gehaltsabrechnung ergab sich gegenüber dem Monat Juni 2007 mit 4.704,28 € ein um etwa 150,- € höheres Bruttoeinkommen und mit 1.918,72 € ein um etwa 900,- € niedrigeres Nettoeinkommen. Er bat ferner um Berücksichtigung der Aufwendungen, die ihm anlässlich der Wochenendbesuche seines Sohnes im elterlichen Haushalt entstünden.
8Mit Schreiben vom 3. Juli 2008 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags an und erklärte, das gegenüber dem Vorjahr niedrigere Nettoeinkommen könne nicht berücksichtigt werden. Dieses beruhe den Angaben des Arbeitsgebers zufolge auf einem Wechsel des Klägers von der bisherigen Lohnsteuerklasse III in die Lohnsteuerklasse V. Der Steuerklassenwechsel sei vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Klägers, seine Leistungsfähigkeit nicht ohne Grund zu reduzieren, unbeachtlich, weil ein nachvollziehbarer Grund hierfür nicht zu erkennen sei. Die Besuche seines Sohnes bei den Eltern rechtfertigten als normale Umgangskontakte keine Beitragsbefreiung.
9Der Kläger erwiderte unter dem 21. Juli 2008, der Wechsel der Lohnsteuerklasse sei erfolgt, weil die bislang nicht berücksichtigten, vierteljährlich fälligen Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 448,- € vermieden werden sollten. Außerdem versuche seine Ehefrau, durch die eventuelle Aufnahme einer weiteren Berufstätigkeit den von der Beklagten auferlegten finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
10Mit Bescheid vom 5. August 2008 lehnte die Beklagte den Herabsetzungsantrag des Klägers vom 1. Juli 2008 ab.
11Der Kläger hat am 5. September 2008 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe aufgrund der Einkommensverminderung nach dem Wechsel der Steuerklasse Anspruch auf Änderung des Kostenbeitragsbescheides vom 16. April 2008 mit Wirkung ab dem 1. Juni 2008. Für die Berechnung des jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags sei das tatsächliche Nettoeinkommen maßgeblich mit der Folge, dass dessen Verminderung auch zu einer Herabstufung des Kostenbeitrages führen müsse. Er habe für den Steuerklassenwechsel nachvollziehbare Gründe benannt, insbesondere habe er auf den Wegfall der vierteljährlichen Steuervorauszahlungen in Höhe von jeweils 448,- € hingewiesen. Auf Antrag vom 10. September 2008 habe das Finanzamt Bergheim mit Vorauszahlungsbescheid vom 26. September 2008 die vierteljährlich jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember fälligen Vorauszahlungen ab September 2008 von vorher 448,- € auf 0,- € herabgesetzt. Die Leistungsfähigkeit des Klägers habe sich daher insgesamt nicht verringert. Die Verpflichtung zur Zahlung der Steuervorauszahlung treffe auch den Kläger und sein Einkommen, das mindestens 80% des gemeinsamen ehelichen Einkommens ausmache. Es handele sich daher auch bei den Vorauszahlungen um abzugsfähige, im Sinne des Gesetzes „auf das Einkommen“ gezahlte Steuern. Anders als die Beklagte meine, seien auch abhängig Beschäftigte zur Leistung von Einkommenssteuervorauszahlungen verpflichtet, wenn etwa der andere Ehepartner Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit beziehe. Bei einer Einordnung in die Steuerklasse III würden mit der Lohnsteuer in diesem Fall nämlich insgesamt zu wenig Steuern erhoben. So habe auch in seinem Fall die Lohnsteuer der Steuerkasse III seine und seiner Ehefrau Steuerlast nicht abgedeckt und es sei zu einer durch die Vorauszahlungen aufgefangenen Schieflage in der Steuerbelastung gekommen.
12Auch bei einer von ihm grundsätzlich abgelehnten Anwendung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung zu den Auswirkungen eines die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten verringernden Steuerklassenwechsels könne bei einer fiktiven Einkommensberechnung nicht die Lohnsteuer der Steuerklasse III, sondern allenfalls die sich aus der Steuerklasse IV ergebende Lohnsteuer in Abzug gebracht werden. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 lägen nicht vor, für das Jahr 2007 sei die Einkommensteuererklärung zwar eingereicht worden, der Steuerbescheid des Finanzamts stehe jedoch noch aus.
13Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Klage insoweit zurückgenommen, als sie sich auf die Anerkennung der Aufwendungen für die Wochenendaufenthalte seines Sohnes im elterlichen Haushalt gerichtet hat.
14Der Kläger hat noch beantragt,
15den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 5. August 2008 und der Änderungen vom 16. Januar 2009 sowie 5. Februar 2009 aufzuheben, soweit er von Juni 2008 bis 31. Januar 2009 den Steuerklassenwechsel in der Berechnung des Kostenbeitrags nicht berücksichtigt hat.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat vorgetragen, der Steuerklassenwechsel sei kostenbeitragsrechtlich nicht zu berücksichtigen. Der Steueranspruch des Staates als solcher bleibe von der Steuerklasse unberührt, lediglich die vorläufig erhobenen monatlichen Steuerbeträge würden verändert. Der Ausgleich finde dann jeweils in dem jährlichen Einkommensteuerbescheid statt.
19Der vom Kläger vorgenommene Steuerklassenwechsel verstoße außerdem gegen den im Sozialrecht geltenden Grundsatz, dass ein Leistungsempfänger sich leistungsfähig halten müsse und zunächst alles in seinen Kräften Stehende unternehmen müsse, um sich selbst zu helfen. Der Kläger verstoße mit der Steuerklassenwahl auch gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen Lebensführung, der in § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII ausdrücklich zugrunde gelegt werde. Auch danach sei er gehalten, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht ohne nachvollziehbaren Grund zu reduzieren. Die vom Kläger für den Steuerklassenwechsel angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die Einstufung des Klägers in die Steuerklasse V mache von vornherein keinen Sinn, weil das Einkommen der Ehefrau des Klägers erheblich niedriger sei als das Einkommen des Klägers. Ebenso wenig mache es Sinn, wenn der Kläger mit dem Steuerklassenwechsel sein monatliches Einkommen um etwa 900,- € reduziere, nur um eine auf den Monat umgerechnete Steuervorauszahlung in Höhe von 149,- € zu vermeiden.
20Es sei daher davon auszugehen, dass der Steuerklassenwechsel allein dazu dienen solle, den Kostenbeitrag zu reduzieren, und der Kläger die Steuererstattung erst dann geltend machen wolle, wenn die Eingliederungshilfemaßnahme beendet und die Kostenbeitragspflicht entfallen sei. Der Kläger habe auch nicht nachweisen können, dass er als abhängig Beschäftigter tatsächlich zur Leistung der Steuervorauszahlungen verpflichtet sei. Diese beträfen nämlich nur die Einkünfte seiner selbständig tätigen Ehefrau. Auch die vom Kläger alternativ angeregte Berücksichtigung der Abzüge aus der Steuerklasse IV komme nicht in Betracht, da der Kläger auch in diesem Fall sein Einkommen bewusst reduziere, um eine Verringerung des Kostenbeitrags zu erreichen. Beim Mutterschaftsgeld werde in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein wirtschaftlich unsinniger Steuerklassenwechsel als rechtsmissbräuchlich angesehen. Dies gelte auch hier.
21Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Festsetzung des Kostenbeitrags auf der Grundlage des ab Juni 2008 tatsächlich erzielten Nettoeinkommens. Die Beklagte habe vielmehr zu Recht nur die sich aus der Steuerklasse III ergebenden Abzüge und nicht die sich aus der Steuerklasse V ergebenden Abzüge berücksichtigt. Zwar sei das Einkommen nach § 93 SGB VIII grundsätzlich unter Abzug der tatsächlich auf das Einkommen gezahlten Steuern zu ermitteln. Gegen Treu und Glauben verstoßende Gestaltungen zur Reduzierung des Einkommens müssten jedoch grundsätzlich unbeachtlich bleiben. Eine solche Gestaltung liege hier auch vor. Der Kläger habe gegen die im Kostenbeitragsrecht zu beachtende unterhaltsrechtliche Verpflichtung verstoßen, seine Leistungsfähigkeit zu erhalten, indem unnötige hohe gesetzliche Abzüge vermieden würden. Die vom Kläger für den Steuerklassenwechsel angeführten Gründe seien nicht nachvollziehbar, für die von ihm behauptete Schieflage in der Steuerlast aufgrund der Steuervorauszahlungen sei nichts zu erkennen. Der Kläger habe ein Steuermodell gewählt, für das sich ein vernünftig denkender Steuerzahler mit einer nur geringfügig berufstätigen Ehefrau und in seinem Haushalt lebenden Kindern nicht entscheiden würde. Eine Berechnung nach der Steuerklasse IV scheide ebenfalls aus, weil der Kläger diese Steuerklasse nie gewählt habe. Auch insoweit liege zudem der festgestellte Verstoß gegen Treu und Glauben vor.
22Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 22. April 2010 zugelassenen Berufung hat der Kläger geltend gemacht, der Steuerklassenwechsel von der Steuerklasse III in die Steuerklasse V sei bei der Ermittlung des Kostenbeitrags zu berücksichtigen. Unterhaltsrechtliche Gesichtspunkte spielten keine Rolle, weil § 93 SGB VII eine abschließende öffentlich-rechtliche Regelung enthalte. Auch die im Juni 2008 gezahlte Steuervorauszahlung sei jedenfalls teilweise als auf das Einkommen des Klägers gezahlte Steuern abzusetzen, da sie nicht auf dem zu berücksichtigenden Einkommen der Ehefrau, sondern auf der früheren Ein-ordnung des Klägers in die Steuerklasse III beruht habe. Die Einkommensberechnungen des Verwaltungsgerichts seien auch deshalb defizitär, weil Zahlen berücksichtigt worden seien, die bei der Erstellung des Kostenbeitragsbescheides noch nicht existent gewesen seien und sie entgegen der ausdrücklich vom Verwaltungsgericht aufgestellten Vorgaben nicht auf einer monatsweisen Betrachtung, sondern auf einer Mittelung des Einkommens - und dies auch nur aus dem Einkommen in dem ersten Halbjahr 2008 - beruhten. Der Kläger hat auf Aufforderung des Senats die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 vorgelegt.
23Der Kläger hat beantragt,
24das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5. August 2008 zu verpflichten, den vom Kläger zu entrichtenden Kostenbeitrag für den Zeitraum von Juni 2008 bis Januar 2009 monatlich auf der Grundlage des tatsächlichen Nettoeinkommens auch unter Berücksichtigung der gewählten Steuerklasse und der im Juni 2008 geleisteten Einkommenssteuervorauszahlungen neu zu berechnen.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie hat den Standpunkt vertreten, dass das kostenbeitragsrechtlich anrechenbare Einkommen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung abweichend vom sogenannten Zuflussprinzip jedenfalls bei einem im Wesentlichen gleichbleibenden monatlichen Einkommen auf der Grundlage eines Durchschnittseinkommens berechnet werden könne. Nur mit dieser Methode sei der Aufwand sowohl beim Jugendhilfeträger als auch beim Kostenbeitragspflichtigen in angemessenen Grenzen zu halten. Die Durchschnittsmethode werde bei der zivilrechtlichen Unterhaltsberechnung angewendet und sei vor der Neufassung des Kostenbeitragsrechts im Jahr 2005 auch bei der Kostenbeitragsberechnung angewandt worden. Lediglich bei stark schwankenden Einkommen sei es angebracht, hiervon abzuweichen, weil der Kostenbeitragspflichtige ansonsten über Gebühr belastet werde. Anders als der Kläger meine, seien unterhaltsrechtliche Grundsätze bei der Berechnung des Kostenbeitrags zu berücksichtigen, weil die beiden Rechtsgebiete auch nach der Novelle des Kostenbeitragsrechts noch eng verzahnt seien. Schließlich habe der Kläger einen vernünftigen Grund für die wirtschaftlich unsinnige Wahl der Steuerklasse V auch weiterhin nicht benennen können.
28Der Senat hat der Berufung stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, den Kostenbeitragsbescheid vom 16. April 2008 für den Zeitraum Juni 2008 bis Januar 2009 aufzuheben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils vom 1. April 2011 verwiesen.
29Zur Begründung der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte geltend gemacht, der Senat habe an den Umfang der behördlichen Aufklärungspflicht zu strenge Maßstäbe angelegt. Er habe ferner zu Unrecht nur das tatsächlich im jeweiligen Monat erzielte Monatseinkommen berücksichtigt, weil vom durchschnittlichen Monatseinkommen des Elternteils auszugehen sei. Gegen Bundesrecht verstoße auch die Ansicht des Senats, dass stets der tatsächlich erhobene Steuerabzug zu berücksichtigen sei. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs greife ein, wenn der Verpflichtete in zumutbarer Weise erzielbare Steuervorteile nicht nutze oder unnötig hohe gesetzliche Abzüge zulasse. Insoweit sei die vom Bundesgerichtshof und vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Rechtsprechung zur Rechtsmissbräuchlichkeit des Steuerklassenwechsels bei Gläubigerschädigung heranzuziehen.
30Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision stattgegeben und den Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an den Senat zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entscheidung des Senats verletzte Bundesrecht, weil sie die Anforderungen an die Informationspflicht nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, die bei der Einkommensberechnung nach § 93 Abs. 1 SGB VIII maßgeblichen Grundsätze und die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben für das jugendhilferechtliche Kostenbeitragsrecht ergebenden Folgerungen verkannt habe. Da für die Prüfung der Frage des Rechtsmissbrauchs notwendige tatrichterliche Feststellungen fehlten, sei der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
31Die Aufklärungspflicht nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bestehe zwar grundsätzlich sowohl gegenüber bar- als auch gegenüber naturalunterhaltspflichtigen Elternteilen. Da der naturalunterhaltspflichtige Elternteil in Bezug auf den Unterhaltsanspruch keine besonderen vermögensrechtlichen Dispositionen treffen müsse, könne sich bei ihm die unterhaltsrechtliche Aufklärung entsprechend dem Wortlaut des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII jedoch darauf beschränken, dass die Jugendhilfeleistung unterhaltsrechtlich entlastende Auswirkungen habe. Besondere Bedeutung erlange bei ihm der Hinweis auf das Entstehen der Kostenbeitragspflicht. Hier habe die Beklagte den Kläger über den Beginn der jugendhilferechtlichen Maßnahme und über die Möglichkeit der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag in Kenntnis gesetzt sowie darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Jugendhilfemaßnahme der Unterhalt des Jugendlichen aus öffentlichen Mitteln sichergestellt wird. Diese Information genüge, um den zuvor naturalunter-haltspflichtigen Kläger vor vermögensrechtlichen Fehldispositionen zu schützen.
32Im Rahmen der kostenbeitragsrechtlichen Einkommensermittlung könnten die im Sozialhilferecht geltenden Einkommensberechnungen sinngemäß Anwendung finden, wenn sie dem gesetzgeberischen Ziel einer einfachen und schnellen Einkommensberechnung Rechnung trügen, und wenn sie mit den sonstigen Besonderheiten des jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsrechts in Einklang stünden. Nach diesen Maßstäben begegne es keinen Bedenken, bei der Ermittlung des Einkommens im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf die zum Sozialhilferecht entwickelte Zuflusstheorie zurückzugreifen und das vom Kläger bezogene Arbeitsentgelt in voller Höhe als Einkommen anzusehen. In der Kostenbeitragsberechnung sei auf das Monatseinkommen abzustellen. Dies ergebe sich bereits aus der zu § 94 Abs. 5 SGB VIII erlassenen Kostenbeitragsverordnung, deren Anlage auf das bereinigte Monatseinkommen abstelle. Ferner entspreche es der realen Einkommenssituation der Betroffenen und der Abrechnungspraxis der Leistungsträger, an das im jeweiligen Bedarfskalendermonat zur Verfügung stehende bereinigte Nettoeinkommen anzuknüpfen. Eine streng an den jeweiligen Monatsbezügen ausgerichtete Einzelberechnung sei jedoch nicht zu fordern. Bestehe bei einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit die berechtigte Erwartung, dass der Pflichtige hieraus im Leistungszeitraum im Wesentlichen gleichbleibende monatliche Einkünfte erziele, sei die Behörde vielmehr berechtigt, aus dem Gesamteinkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zu ermitteln und dieses der Berechnung des monatlichen Kostenbeitrags zugrunde zu legen.
33Die Durchschnittswertbildung müsse allerdings auf der Grundlage einer valide und aktuelle Einkommensnachweise einbeziehenden Prognose vorgenommen werden. Dies sei der Fall, wenn aus dem vor dem Leistungszeitraum über eine längere Zeit erzielten Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen ermittelt und dieses zur Grundlage der Berechnung des monatlichen Kostenbeitrags gemacht werde. Der vorliegende Fall gebe keinen Anlass, abschließend zu den rechtmäßigen Berechnungs- und Festsetzungsmethoden Stellung zu nehmen. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall bilde die von der Beklagten zu Beginn der Kostenbeitragserhebung anhand der letzten zwölf Monate durchgeführte Jahresdurchschnittsberechnung eine aussagekräftige Prognosegrundlage für das zu erwartende monatliche Durchschnittseinkommen des Klägers im Beitragszeitraum.
34Der Senat habe schließlich die kostenbeitragsrechtlichen Auswirkungen des vom Kläger vorgenommenen Steuerklassenwechsels teilweise fehlerhaft bewertet. Er sei allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des für die Beitragserhebung maßgeblichen bereinigten Einkommens nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII alle „auf das Einkommen gezahlte Steuern" vom Bruttogehalt abzuziehen seien. Unter den Begriff der auf das Einkommen gezahlten Steuern könnten nach dem Zweck des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII auch tatsächlich geleistete Einkommenssteuervorauszahlungen eines Elternteils fallen. Da die Elternteile im Kostenbeitragsrecht gemäß § 92 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VIII getrennt zu Beiträgen herangezogen würden, könne jeder Elternteil im Rahmen des Steuerabzugs nach § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII aber nur die auf sein Einkommen gezahlten Steuern abziehen, so dass ein Abzug von Einkommensteuervorauszahlungen für die freiberufliche Tätigkeit der Ehefrau des Klägers abzulehnen sei.
35Das Gebot des vollen Abzugs gezahlter Steuern schließe es jedoch nicht aus, dass die Berufung des Kostenbeitragsschuldners auf eine erhöhte Steuerlast im Einzelfall treuwidrig sein könne. Der Grundsatz von Treu und Glauben gelte als allgemeiner Rechtsgedanke auch im Verwaltungsrecht. Er bedürfe wegen seiner Allgemeinheit jedoch der Konkretisierung. Diese erfolge durch Typisierung anhand von Fallgruppen. Im Öffentlichen Recht spiele vornehmlich die unzulässige Ausübung von Rechten eine Rolle, die dann gegeben sei, wenn eine atypische Situation vorliege, die die Geltendmachung eines an sich vorgesehenen Rechtes als missbräuchlich erscheinen lasse. Dabei sei für den Rechtsmissbrauch die Herbeiführung eines grob unbilligen Ergebnisses typisch. Eine unzulässige Rechtsausübung könne insbesondere gegeben sein, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines (vertraglichen oder gesetzlichen) Anspruchs in missbil-ligenswerter Weise begründet worden seien. Der Anwendungsfall, dass in einer manipulativen Schaffung von Anspruchsvoraussetzungen der Grund für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung liege, finde einen gesetzlichen Ausdruck in § 162 Abs. 2 BGB und sei in der Rechtsprechung anerkannt. Unter diese Fallgruppe könne auch ein Steuerklassenwechsel fallen, wenn er in missbilligens-werter Weise der Herbeiführung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine jugendhilferechtliche Kostenbeitragsreduzierung diene. Die Ausübung des dem Bürger generell zustehenden Steuerklassenwahlrechts sei im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich, wenn dafür keine schutz-würdigen Gründe vorlägen und deshalb anzunehmen sei, dass der Steuerklassenwechsel zumindest vorwiegend zur Schmälerung des dem Jugendhilfeträger zustehenden Kostenbeitrags erfolgt sei. Ein Steuerklassenwechsel, der zwar das monatliche Nettoeinkommen verringere, aber hohe Steuererstattungsansprüche begründe, führe zu einer unrealistischen Verzerrung der tatsächlich in einem Monat gegebenen finanziellen Belastbarkeit. Soweit ein Steuerklassenwechsel keine anderen wirtschaftlich nachvollziehbaren und schützenswerten Gründe habe, sei anzunehmen, dass er vorwiegend einer der Zielsetzung des § 93 SGB VIII widersprechenden Verschleierung der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit diene und damit den Zweck der jugendhilferechtlichen Kostenbeitragspflicht konterkariere, die Eltern entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an den Kosten einer ihrem Kind zugute kommenden Jugendhilfemaßnahme zu beteiligen.
36Der Kläger trägt zu Begründung der erneut zu verhandelnden Berufung ergänzend vor, im Rahmen der Bewertung des Steuerklassenwechsels müssten die wirtschaftlichen Auswirkungen auf beide Eheleute gemeinsam betrachtet werden. Es sei dem Kläger nicht, wie noch vom Bundesverwaltungsgericht angenommen, darum gegangen, Steuervorauszahlungen auf das zu erwartende Einkommen seiner Ehefrau aus selbständiger Tätigkeit und Vermietung und Verpachtung zu vermeiden. Zu den Steuervorauszahlungen sei es gekommen, weil die Lohnsteuerabzüge nach Steuerklasse III nicht ausgereicht hätten, die Steuerlast des Klägers und seiner Ehefrau , die gemeinsam steuerlich veranlagt würden, in ausreichendem Maße abzudecken. Ferner sei zu beachten, dass nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von der tatsächlich gezahlten Steuer bei der Bemessung der Höhe des Kostenbeitrags nur insoweit abzuweichen sei, als es für den Steuerklassenwechsel keine schutzwürdigen Gründe gebe. Daher sei auch zu überprüfen, wie die Verhältnisse sich gestaltet hätten, wenn der Kläger statt in die Steuerklasse V in die Steuerklasse IV gewechselt wäre. Insoweit lege er Zahlenmaterial vor, welches belege, dass der Kläger bei einem Verbleib in der Steuerklasse III zu einem höheren Kostenbeitrag herangezogen werde, als ein nicht verheirateter oder geschiedener Elternteil, der in die Lohnsteuerklasse I oder II eingestuft sei. Dies verstoße gegen Art. 6 GG und den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Durch den Steuerklassenwechsel hätten der Kläger und seine Ehefrau die verfassungswidrige Schlechterstelllung ausgleichen wollen.
37Die im Juni 2008 gezahlte Steuervorauszahlung sei zumindest teilweise (auch) dem Kläger zuzuordnen, weil sie nicht wegen des Einkommens der Ehefrau erfolgt, sondern wegen seiner Einstufung in die Steuerklasse III.
38Der Kläger beantragt,
39das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5. August 2008 zu verpflichten, den vom Kläger zu entrichtenden Kostenbeitrag für den Zeitraum von Juni 2008 bis Januar 2009 monatlich auf der Grundlage des tatsächlichen Nettoeinkommens auch unter Berücksichtigung der gewählten Steuerklasse und der im Juni 2008 geleisteten Einkommenssteuervorauszahlungen neu zu berechnen.
40Die Beklagte beantragt,
41die Berufung zurückzuweisen.
42Sie hält zur Begründung an ihrem erst- und zweitinstanzlichen Vortrag fest.
43Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 16. April 2013 verwiesen.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
45E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
46Die zulässige Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat bezogen auf die Monate Juni 2008 bis Oktober 2008 sowie die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 Anspruch auf Abänderung des Kostenbeitragsbescheides vom 16. April 2008 und auf Herabsetzung des monatlichen Kostenbeitrags auf einen Betrag in Höhe von 575,- €. Insoweit ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 5. August 2008 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO. Für den Monat November 2008 verbleibt es bei dem festgesetzten Kostenbeitrag in Höhe von 635,- €.
47Der Anspruch des Klägers auf Herabsetzung des Kostenbeitrags findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, der - wie der Bescheid über die Höhe laufender Kostenbeitragszahlungen - Dauerwirkung entfaltet,
48vgl. zur Dauerverwaltungsaktqualität von Bescheiden über laufende Beiträge z.B. BSG, Urteil vom 26. September 1991- 4 RK 5/97 -, BSGE 69, 255, juris,
49für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB X. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums, § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X.
50Diese Voraussetzungen sind in den Monaten Juni 2008 bis Oktober 2008 sowie Dezember 2008 und Januar 2009 erfüllt. Nur in diesen Monaten haben sich die für die Bestimmung des Kostenbeitrags maßgeblichen Einkommensverhältnisse im Sinne des § 93 SGB VIII gegenüber den bei Erlass des Kostenbeitragsbescheides vom 16. April 2008 zu Grunde gelegten Einkommensverhältnissen zugunsten des - unstreitig - nach § 91 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII kostenbeitragspflichtigen Klägers geändert.
51Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Einkommensermittlung nach § 93 SGB VIII ist gemäß § 93 Abs. 1 und 2 SGB VIII das bereinigte monatliche Nettoeinkommen des Kostenbeitragspflichtigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Revisionsurteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 22.11 -, juris, in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Senats in dem Urteil vom 1. April 2011 ausgeführt, dass im Rahmen der kostenbeitragsrechtlichen Einkommensberechnung in Anlehnung an sozialhilferechtliche Grundsätze auf die dort entwickelte Zufluss-theorie zurückgegriffen werden könne, dass das vom Pflichtigen bezogene Arbeitsentgelt in voller Höhe als Einkommen anzusehen und dabei grundsätzlich auf das Monatseinkommen abzustellen sei. Dabei entspreche es der realen Einkommenssituation der Betroffenen und der Abrechnungspraxis der Leistungsträger, an das im jeweiligen Bedarfskalendermonat zur Verfügung stehende bereinigte Nettoeinkommen anzuknüpfen. Das Bundesverwaltungsgericht führt weiter - ebenfalls in sachlicher Übereinstimmung mit dem Senat - aus, Ziel des § 93 SGB VIII sei es, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kostenbeitragspflichtigen auf einfache und realitätsnahe Weise zu ermitteln. Unrealistische Verzerrungen der tatsächlich in einem Monat gegebenen finanziellen Belastbarkeit seien nicht hinzunehmen. Diese für den Senat nach § 144 Abs. 6 VwGO bindende, rechtliche Beurteilung kann nur dahingehend verstanden werden, dass sowohl die Behörde als auch das Gericht bei der Ermittlung des einkommensbezogenen Sachverhalts einem monatsgenauen Wirklichkeitsmaßstab verpflichtet sind.
52Diesem - vom Senat in dem Urteil vom 1. April 2011 schon angewandten - Wirklichkeitsmaßstab des § 93 SGB VIII hat die Behörde gemäß den Anforderungen des Untersuchungsgrundsatzes des § 20 Abs. 1 und 2 SGB X Rechnung zu tragen. Danach ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Welche Fakten relevant sind, bestimmt in erster Linie das materielle und prozedurale Fachrecht, während die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen bestimmt. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Die Behörde hat daher bei der Ermittlung des Sachverhalts alle vernünftigerweise zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet erscheinen, die für die Entscheidung notwendige Überzeugung zu gewinnen. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit richten sich dabei - anders als im gerichtlichen Verfahren - nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Ermittlungen müssen insbesondere angemessen sein, und zwar im Hinblick auf Art, Umfang, Zeit, Auswahl der Mittel und Belastung für den Betroffenen und die Allgemeinheit. Ferner ist von der Gewichtigkeit des öffentlichen Interesses an der Verwaltungsmaßnahme abhängig, ob eine zeitraubende oder kostspielige Ermittlungstätigkeit angebracht ist. Hierbei ist eine Abwägung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Interesse an einer schnellen Erledigung und dem an einer gründlichen, umfassenden und vollständigen Tatsachenbeschaffung erforderlich. In diese Abwägung ist auch das in § 9 SGB X verankerte Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung des Verfahrens, das sog. Beschleunigungs- und Effektivitätsgebot, mit seiner Verpflichtung zu rascher Durchführung und raschem Abschluss des Verfahrens, einzustellen. Innerhalb der vom materiellen Recht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gezogenen Grenzen können je nach Einzelfall auch Schätzungen aufgrund gesicherter Erfahrungssätze zulässig sein. Im Rahmen einer Schätzung ist zukunfts-, gegenwarts- oder vergangenheitsbezogen der wahrscheinlichste Sachverhalt zu ermitteln.
53Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 24, Rn. 36 bis 38; Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Auflage 2010, § 24, Rn. 11 und 12, jeweils m.w.N.; Rixen/Waschull, in: LPK-SGB X, 3. Auflage 2011, § 20, Rn. 3; auch: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 24, Rn. 15ff. sowie § 10, Rn. 17.
54Die nach § 93 SGB VIII materiell-rechtlich dem Wirklichkeitsmaßstab verpflichtete Behörde ist danach gehalten, im Einzelfall den Sachverhalt zu ermitteln, der nach den konkreten Umständen im gebotenen Zeitpunkt der Entscheidung unter verhältnismäßigem Aufwand am besten die tatsächlichen Einkommensverhältnisse im Kostenbeitragszeitraum wiedergibt. Ist es etwa mit Blick auf den im Beschleunigungsgebot verankerten Anspruch des Bürgers, schnell Klarheit über zu erwartenden Belastungen oder auch Vergünstigungen zu erhalten,
55vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 10, Rn. 20,
56in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer schnellen, aber umfassenden Aufklärung angemessen, eine zukunftsbezogene Entscheidung über den Kostenbeitrag zu treffen, können die Einkommensverhältnisse im Bedarfszeitraum, die im Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht eingetreten sind, nur - und damit auch am besten - mit Hilfe einer prognostischen Schätzung erreicht werden. Bei einer solchen Prognose trifft der Entscheidende aufgrund aller schon bekannten Merkmale des Sachverhalts eine Aussage über ein zukünftig eintretendes, hypothetisches Ereignis. Restzweifel sind dabei (notwendig) in Kauf zu nehmen.
57Vgl. zum Begriff der Prognose: BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 - B 7 AL 18/99 R -, SozR 3-4100 § 36 Nr. 5, juris.
58Eine prognostische Schätzung dürfte - ohne dass es hier darauf ankäme - mangels Vorliegens anderer, verlässlicherer Nachweise auch bei der Ermittlung des Einkommens selbständig Erwerbstätiger zulässig sein. Die tatsächliche Höhe des Einkommens eines Selbständigen ist nämlich wegen der Besonderheiten bei der Gewinnermittlung endgültig immer nur zeitversetzt und regelmäßig erst nach Ablauf des Bedarfszeitraums feststellbar, und zwar (ausschließlich) anhand des entsprechenden Jahreseinkommenssteuerbescheides.
59Vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009- B 12 KR 21/08 R -, BSGE 104, 153, juris,
60Auch in diesem Zusammenhang ist es eine Frage der Umstände des Einzelfalls, aus welchem konkreten Vorzeitraum Jahreseinkommensteuerbescheide heranzuziehen sind, um eine möglichst verlässliche Prognose des zukünftigen Einkommens zu ermöglichen.
61Ist allerdings eine verlässliche Aussage über die zukünftigen Einkommensverhältnisse, etwa wegen eines in der Vergangenheit schwankenden oder noch gar nicht bezogenen Einkommens, nicht möglich oder sind die - in der Vergangenheit liegenden - tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung bereits bekannt oder mit zumutbarem Aufwand nachweisbar, ist die Behörde gerade wegen der im materiellen Recht begründeten Bindung an den Wirklichkeitsmaßstab auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten grundsätzlich verpflichtet, die tatsächlichen Verhältnisse zu ermitteln und diese ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Für eine wesensmäßig immer zukunftsbezogene Prognose ist dann ohnehin kein Raum mehr. Eine vergangenheitsbezogene Schätzung kommt allenfalls in Betracht, wenn die tatsächlichen Verhältnisse zwar grundsätzlich einem Nachweis zugänglich, der Behörde aber nicht bekannt und weitere Erkenntnismittel unter Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität und des Verwaltungsaufwands auch nicht zumutbar zu erlangen sind, weil konkretere Ermittlungen mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wären.
62Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 24, Rn. 38; Ritgen, in: Knack/Henn-ecke, VwVfG, 9. Auflage 2010, § 24, Rn. 12, jeweils m.w.N.
63Eine solche vergangenheitsbezogene Schätzung der Einkommenssituation dürfte ferner zulässig sein, wenn und solange der für den Bedarfs- und Kostenbeitragszeitraum maßgebliche Jahreseinkommenssteuerbescheid bei selbständig Tätigen noch nicht vorliegt und damit die Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse objektiv unmöglich ist.
64Ob und unter welchen Voraussetzungen weitere Ermittlungen der Behörde unzumutbar sind, weil der Pflichtige unter Verletzung seiner Mitwirkungspflicht auf entsprechende behördliche Aufforderung aktuelle Einkommensnachweise nicht vorlegt, muss hier nicht abschließend entschieden werden. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass von einer Behörde im Rahmen eines ordnungsgemäßen Gesetzesvollzugs auch im Lichte des § 9 SGB X nicht mehr verlangt werden kann, als sie zu leisten vermag.
65Vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997 - 14 REg 10/96 -, SozR 3-1300 § 20 Nr. 1, juris.
66Der vorliegende Sachverhalt gibt dem Senat zwar keinen Anlass vertieft zu prüfen, ob Entsprechendes - dann allerdings unter Berücksichtigung der Anforderungen des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO - auch für das Gerichtsverfahren fruchtbar gemacht werden kann. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass § 86 Abs. 1 VwGO die Amtsermittlungspflicht des Gerichts unmissverständlich formuliert und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine Anwendung findet. Die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts ist daher immer dann verletzt, wenn nicht oder nicht ausreichend unter Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten ermittelt wurde. Verbleiben Zweifel hinsichtlich des festgestellten Sachverhalts und sind die in der Unzumutbarkeit oder der Unmöglichkeit liegenden Grenzen der Aufklärungspflicht noch nicht erreicht, ist das Gericht zu weiterer Aufklärungsarbeit verpflichtet. Die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit weiterer Sachverhaltsaufklärung kann sich allerdings auch hier aus dem (Prozess)Verhalten der Beteiligten ergeben.
67Vgl. hierzu z.B. Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 86, Rn. 15, m.w.N.
68Danach ergeben sich für das Gericht unter Gesichtspunkten der Amtsermittlung jedenfalls für die Fallkonstellationen der "ex-post"-Überprüfung zurückliegender Kostenbeitragszeiträume auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine anderen Maßgaben als für die Behörde. Auch das Gericht hat in den Grenzen der Amtsaufklärungspflicht die tatsächlichen Einkommensverhältnisse in diesem Zeitraum zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, und zwar auch dann, wenn die Behörde zulässigerweise auf der Grundlage einer Einkommensprognose entschieden hat. Etwaige Schätzungsbefugnisse des Gerichts bestimmen sich anhand der Grenzen der Amtsaufklärungspflicht.
69In den oben dargelegten Anforderungen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 SGB X in Verbindung mit dem Beschleunigungs- und Effektivitätsgebot des § 9 SGB X findet nach alledem nicht nur die vom Bundesverwaltungsgericht ohne ausdrückliche gesetzliche Anbindung für den Zeitpunkt der erstmaligen behördlichen Kostenbeitragsfestsetzung für zulässig erachtete Einkommensprognose - jedenfalls, soweit in dem Bescheid vom 16. April 2008 ein Kostenbeitrag für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum festgesetzt wurde - ihre Ermächtigung. Auch der nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts „im Jugendhilferecht geltende“, aber im Revisionsurteil nicht eigens normativ unterlegte „Grundsatz der einfachen und schnellen Einkommensberechnung“ hat hier seine gesetzliche Grundlage und seine rechtliche Relevanz. Es ist den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen, dass dem Beschleunigungsgrundsatz im Jugendhilferecht ein über diese allgemeinverfahrensrechtlichen Regelungen hinausgehender Bedeutungsgehalt zukommen soll. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, da das Gebot des § 9 SGB X, das Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen, für die Veranlagung zu Kostenbeiträgen nach §§ 91 ff. SGB VIII ohnehin gilt.
70Nach alledem hat der Senat keine Veranlassung für den hier zu entscheidenden Fall der gerichtlichen "ex-post" Betrachtung bereits bekannter Einkommensverhältnisse des Pflichtigen seine in dem Urteil vom 1. April 2011 im Einzelnen begründete Ansicht aufzugeben, dass grundsätzlich eine an den jeweiligen Monatsbezügen ausgerichtete Einzelberechnung erforderlich ist. Vorliegend ist daher auf das jeweils in den Monaten Juni 2008 bis Januar 2009 bezogene bereinigte Nettomonatseinkommen des Klägers abzustellen. Die (weitere) Heranziehung der früheren Einkommenslage zum Zwecke einer Prognose scheidet - wie oben dargelegt - wegen des Vorliegens aktueller Einkommensnachweise ebenso aus wie eine Schätzung.
71Der Senat hält in Ansehung des in § 93 SGB VIII niedergelegten Wirklichkeitsmaßstabes ferner an seiner Ansicht fest, dass die Bildung eines Durchschnittswerts aus dem in der Vergangenheit bezogenen Gesamteinkommen nicht in Betracht kommt. Der Wirklichkeitsmaßstab wird nämlich bezogen auf die tatsächliche finanzielle Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit eines Pflichtigen in dem einzelnen Bedarfskalendermonat durch eine an den entsprechenden Monatsbezügen ausgerichtete Einzelberechnung in höchstmöglichem Grad erfüllt. Eine Durchschnittswertberechnung wird den Anforderungen an den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X nicht gerecht. Die Bildung eines Durchschnittswerts, die sich nach den stichprobenartigen Berechnungen des Senats aufgrund der Struktur der Tabelle im Anhang zu § 1 der KostenbeitragsV, was die Jahresgesamtsumme der Kostenbeiträge betrifft, auch regelmäßig zum Nachteil der öffentlichen Hand auswirkt, nivelliert nämlich die tatsächlichen Einkommensverhältnisse mit der Folge einer im Vergleich zur „spitzen“ Monatsberechnung herabgestuften Realitätsnähe. Etwas anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots. Die Bildung eines Durchschnittswerts ist bei einer "ex-post" Betrachtung bekannter Einkommensverhältnisse weder einfacher noch schneller, sondern ist, wie vom Senat schon im Urteil vom 1. April 2011 dargelegt, sogar aufwändiger, weil sie wenigstens einen weiteren Rechenschritt voraussetzt. Hinzu kommt, dass der Beitragszeitraum und damit der Zeitraum für die Durchschnittswertberechnung hier durch den Leistungszeitraum bestimmt wird. Die - im Übrigen nach völlig anderen Kriterien bestimmte, zum Teil auch zufällige - Dauer des Leistungszeitraums würde danach über den Umfang des monatlichen Durchschnittseinkommens bestimmen. Dass dem Zeitmoment der Leistungsgewährung über die Festlegung des Beginns und des Endes des Beitragszeitraums hinaus auch bestimmende Bedeutung bei der Festlegung der Höhe des beitragsrelevanten Einkommens zukommen soll, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
72Die vom Bundesverwaltungsgericht - allerdings in dem hier nicht einschlägigen Zusammenhang der Zulässigkeit einer "ex-ante" Prognoseentscheidung der Behörde im Zeitpunkt der erstmaligen Kostenbeitragsfestsetzung und damit für die vorliegende, abweichende Fallkonstellation nicht bindend - sonst noch vorgebrachten Argumente für eine Durchschnittswertberechnung überzeugen den Senat nicht. Der Hinweis auf die normative Abweichung vom Prinzip des tatsächlichen Zuflusses speziell in § 3 Abs. 3 VO zu § 82 SGB XII greift schon mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen, diese Verordnung im Kostenbeitragsrecht nicht anzuwenden, erkennbar nicht durch. Das weitere Argument, die Berechnung des spitzen Monatseinkommens trage nicht dem in § 94 Abs. 5 SGB VIII zum Ausdruck kommende Anliegen des Gesetzgeber, für bestimmte Einkommensgruppen gleichbleibende monatliche Pauschalbeiträge festzusetzen, Rechnung, ist so nicht nachvollziehbar. Nach § 94 Abs. 5 SGB VIII werden für die Festsetzung der Kostenbeiträge nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge durch Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt. Nach der Tabelle Anlage 1 zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung bestimmt sich die Einkommensgruppe anhand des maßgeblichen Einkommens nach § 93 Abs. 1 bis 3 SGB VIII. Dieser Vorschrift ist jedoch, wie der vorliegende Rechtsstreit deutlich macht, nicht ohne weiteres zu entnehmen, ob es sich dabei um ein Durchschnitts - oder ein spitz berechnetes Monatseinkommen, sondern nur, dass es sich überhaupt um ein Monatseinkommen handelt. Die Annahme, § 94 Abs. 5 SGB VIII i.V. mit Anhang 1 zu § 1 Kostenbeitragsverordnung spreche für eine Durchschnittsberechnung, setzt damit die durch sie erst zu begründende Auslegung, § 93 Abs. 1 bis 3 SGB VIII bestimme ein Durchschnittseinkommen, schon voraus und ist daher zirkulär.
73Der Senat ist auch nicht aus Gründen der Bindungswirkung gemäß § 144 Abs. 6 VwGO gehindert, für die vorliegende Entscheidung an seiner Ansicht festzuhalten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Beklagte nach den Gründen des Revisionsurteils im Zeitpunkt des Erlasses des Kostenbeitragsbescheides vom 16. April 2008 auf der Grundlage einer “validen, aktuelle Einkommensnachweise einbeziehenden Prognose“ für den Bedarfszeitraum ab dem 26. Januar 2008 von einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 635,- € ausgehen konnte.
74Dass diese Prognose zulässig ist, folgt allerdings nicht nur aus der Bindungswirkung der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgericht, wonach die zu Beginn der Kostenbeitragserhebung vorgenommene Einkommensermittlung auf der Grundlage des vom Kläger in den Monaten März 2007 bis Februar 2008 erzielten Einkommens nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte sei aufgrund der berechtigten Erwartung, dass der Kläger aus seiner nichtselbständigen Erwerbstätigkeit auch im Leistungszeitraum im wesentlichen gleichbleibende monatliche Einkünfte erzielen werde, berechtigt gewesen, aus dem anhand der letzten zwölf Monate vor dem Leistungszeitraum erzielten Gesamteinkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zu ermitteln und dieses der Berechnung des monatlichen Kostenbeitrags zugrunde zu legen. Diese Durchschnittswertbildung entspreche dem Erfordernis, dass sie die im Festsetzungszeitraum zu erwartende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegele, sowie der Vorgabe, dass die Durchschnittsbildung auf der Grundlage einer validen, aktuelle Einkommensnachweise einbeziehenden Prognose vorgenommen werden müsse.
75Wie oben dargelegt, geht der Senat jedenfalls, soweit eine Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalls unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten für die Zukunft getroffen werden soll - was vorliegend für die Monate Januar und März 2008 allerdings nicht der Fall war - ebenfalls davon aus, dass eine prognostische Einkommensermittlung je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls den Erfordernissen des Untersuchungsgrundsatzes entsprechen kann und dann auch - bezogen auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung - rechtmäßig ist.
76Dass der Senat mit Blick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip und die verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 GG vorgegebene Gleichbehandlung der Kostenbeitragspflichtigen - wozu im Revisionsurteil jegliche Ausführungen fehlen - zum einen nicht unerhebliche Bedenken hat, völlig offen zu lassen, auf welchen Einkommensgrundlagen noch eine verlässliche Prognose getroffen werden kann, bedarf hier mangels Entscheidungserheblichkeit keiner vertieften Erörterung. Kommen allerdings nach der Vorstellung des Bundesverwaltungsgerichts mehrere rechtmäßige Berechnungs- und Festsetzungsmethoden und damit auch andere Zeitansätze (4, 6, 8, 10 oder 18 Monate, ggf. auch mehr) für Durchschnittswertberechnungen in Betracht, wird gegebenenfalls kritisch in den Blick zu nehmen sein, ob dies wegen des Umstands, dass damit nach Gutdünken des einzelnen Sachbearbeiters bestimmte Einkommensentwicklungen, insbesondere Einmalzahlungen, ein- oder ausgeschlossen werden, noch dem Erfordernis einer „aussagekräftigen Prognosegrundlage“ genügt.
77Der Senat muss gemäß § 144 Abs. 6 VwGO jedoch auch nur davon ausgehen, dass die in dem Kostenbeitragsbescheid vom 16. April 2008 vorgenommene Einkommensberechnung auf der Grundlage einer Einkommensprognose und Durchschnittswertbildung im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides - also weit vor Ablauf des hier streitigen Heranziehungszeitraumes - rechtmäßig war. Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverwaltungsgericht ferner mit Bindungswirkung für den Senat festgestellt hat, dass die Anforderungen an die Aufklärungspflicht des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vorliegend eingehalten worden seien, kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. April 2008 auch sonst - bezogen auf den Zeitpunkt seines Erlasses - vorliegend nicht mehr in Frage gestellt werden.
78Um die Frage der Rechtmäßigkeit einer im Zeitpunkt des Erlasses des Kostenbeitragsbescheides getroffenen Prognose ging und geht es hier jedoch nicht; die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts gehen an der hier entscheidungserheblichen Sachverhaltskonstellation vorbei. Gegenstand schon des erstinstanzlichen Verfahrens war der Antrag des Klägers in seinem Schreiben vom 1. Juli 2008 auf Anpassung des Kostenbeitrags. Beigefügt war dem Antrag die - in der Prognoseentscheidung der Beklagten vom 16. April 2008 naturgemäß noch gar nicht berücksichtigte - Gehaltsabrechnung von Juni 2008, aus der sich gegenüber dem Monat Juni 2007 mit 4.704,28 € ein um etwa 150,- € höheres Bruttoeinkommen und mit 1.918,72 € ein um etwa 900,- € niedrigeres Nettoeinkommen ergab. Das hieraus ohne weiteres ersichtliche Anpassungsbegehren des Klägers richtete sich folglich nicht gegen die getroffene Prognoseentscheidung als solche, sondern zielte mit der Geltendmachung geänderter tatsächlicher Verhältnisse (geringeres Einkommen im Juni 2008) auf die Inanspruchnahme der Rechtsstellung, die § 48 SGB X gewährt, und die auch das Bundesverwaltungsgericht mit der Bemerkung in Rn. 22 des Abdrucks der genannten Entscheidung, dem Kläger habe es „jederzeit offen(gestanden), bei einer Verschlechterung seines Nettoeinkommens eine Neuberechnung und Abänderung des Kostenbeitrags nach § 48 SGB X zu beantragen“, trotz der zuerkannten Prognosebefugnis ausdrücklich nicht ausgeschlossen hat. Genau dies hat der Kläger hier getan und genau dieser Anspruch war Gegenstand des vom Senat erlassenen Urteils.
79Vgl. die Ausführungen zur Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf S. 10 f. des vom Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf die Prognosebefugnis jedoch aufgehobenen Urteils vom 1. April 2011:
80„Der Anspruch des Klägers auf Herabsetzung des Kostenbeitrags findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, der wie der Bescheid über die Höhe laufender Kostenbeitragszahlungen, Dauerwirkung entfaltet,
81vgl. zur Dauerverwaltungsaktqualität von Bescheiden über laufende Beiträge z.B. BSG, Urteil vom 26. September 1991- 4 RK 5/97 -, BSGE 69, 255, juris,
82für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB X. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums, § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X.“
83Die Darlegungen des Bundesverwaltungsgerichts brechen - für den Senat nicht nachvollziehbar - unvermittelt ab. Es hat sich insbesondere nicht dazu verhalten, auf welcher Einkommensgrundlage und anhand welcher Berechnungsmethode im Rahmen der hier - allein - zur rechtlichen Prüfung stehenden Verpflichtungsklage auf Abänderung des Kostenbeitrags nach § 48 SGB X die Überprüfung zu erfolgen hat.
84Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts geben auch nichts für die Annahme her, der Verwaltung stehe bei der Einkommensermittlung nach § 93 SGB VIII ein sogenannter Prognosespielraum zu mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dahingehend, ob zutreffende Ausgangswerte zugrunde gelegt wurden, ob sich die Prognose methodisch auf ein angemessenes Progno-severfahren stützen lässt und ob dieses Verfahren auch konsequent verfolgt wurde.
85Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 3 C 27/08 -, BVerwGE 135, 188, juris, m.w.N.; BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997 - 14 REg 19/96 -, SozR 3-1300 § 20 Nr. 1, juris.
86Ein solcher Prognosespielraum müsste, weil Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen sowie deren vollständige Nachprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich den Verwaltungsgerichten überträgt, zumindest im Gesetz angelegt sein, d.h. sich durch dessen Auslegung ermitteln lassen.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 3 C 27/08 -, BVerwGE 135, 188, juris, m.w.N..
88Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht dargelegt, dass sich den §§ 91ff. SGB VIII mit der rechtsstaatlich gebotenen Sicherheit und Bestimmtheit ein Anhalt für eine solche Auslegung entnehmen lässt. Dies drängt sich auch dem Senat nicht auf.
89Dass das Bundesverwaltungsgericht nicht angenommen hat, dass die zu Beginn der Kostenbeitragsfestsetzung getroffene sachlich und methodisch unbeanstandete Prognose abschließend und endgültig (als Prognose) richtig bleiben soll, selbst wenn sich die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Klägers im Nachhinein anders entwickeln, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass es, wie bereits dargelegt, den Kläger ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen hat, bei einer Verschlechterung seines Nettoeinkommens eine Neuberechnung und Abänderung des Kostenbeitrags nach § 48 SGB X zu beantragen. Dieser eher überraschende Hinweis wäre bei gleichzeitiger Zuerkennung eines Prognose-spielraums nämlich völlig unverständlich. Stünde der Verwaltung hinsichtlich der Einkommensermittlung die Letztentscheidungsbefugnis zu, würde eine nachträgliche Änderung der Einkommensverhältnisse des Klägers keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X begründen.
90Vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2007 - B 11a AL 47/06 R -, SozR 4-4300 § 71 Nr. 3, juris.
91Zudem spricht auch der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht trotz der Annahme, für die Prognose seien innerhalb der methodischen Bandbreite noch valider und damit verlässlicher Einkommensnachweise unterschiedliche Berechnungs- und Festsetzungsmethoden rechtmäßig anwendbar, keinen Anlass gesehen hat, hierzu abschließend Stellung zu nehmen, dafür, dass eine Erstreckung des Prognosespielraums in den Anwendungsbereich des § 48 SGB X nicht intendiert gewesen ist.
92Nach alledem ergibt sich vorliegend bei einem Bruttoeinkommen des Klägers in den Monaten Juni 2008 und August bis Oktober 2008 sowie Dezember 2008 in Höhe von jeweils 4.704, 28 € - bei Zugrundelegung der Steuerklasse III - ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.029,32 € und ein kostenbeitragsrechtlich bereinigtes monatliches Einkommen in Höhe von 2.288,71. Mit einem monatlichen Einkommen dieser Höhe korrespondiert ein monatlicher Kostenbeitrag in Höhe von 575,- €. Im Monat Juli 2008 folgt aus dem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 4.872,15 € und einem bereinigten Nettoeinkommen in Höhe von 2.358,45 € ebenfalls ein Kostenbeitrag in dieser Höhe; dasselbe gilt für den Monat Januar 2009 mit einem Bruttoeinkommen in Höhe von 4.778,- € und einem bereinigten Nettoeinkommen in Höhe von 2.363,07 €. Im Monat November 2008 belief sich das Bruttoeinkommen des Klägers allerdings auf 9.367,28 € und das bereinigte Nettoeinkommen auf 5.712,71 €. Diesem Monatseinkommen entspricht ein Kostenbeitrag in Höhe von 1.100,- €. Eine Anhebung des Kostenbeitrags scheidet im Rahmen der Zugunsten-Abänderung indes aus, weshalb es bei dem ursprünglich festgesetzten Kostenbeitrag in Höhe von 635,- € bleibt.
93Der Kläger kann schließlich weder den Abzug der zuletzt im Juni 2008 gezahlten Einkommensteuervorauszahlung in Höhe von 448,- €, noch die Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels von der Steuerklasse III in die Steuerklasse V verlangen.
94Der Kläger hat auch unter Berücksichtigung seines neuesten Vortrags nicht darzulegen vermocht, dass es sich bei der Steuervorauszahlung im Juni 2008 um Steuervorauszahlungen auf seine Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit gehandelt hat. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Lohnsteuerabzüge in der Steuerklasse III nicht ausgereicht hätten, die isoliert aus diesen, kostenbeitragsrechtlich allein maßgeblichen Einnahmen voraussichtlich zu erwartende Steuerlast abzudecken. Das Vorliegen einer solchen Sachlage hat der Kläger jedoch auch mit dem wohl ohnehin auf die gemeinsame Steuerlast der Eheleute bezogenen pauschalen Hinweis, er zahle mit Steuerklasse III „tendenziell“ zu wenig Steuern, nicht behauptet. Er hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, dass die Steuervorauszahlungen aufgrund der Einnahmen seiner Ehefrau insbesondere aus selbständiger Tätigkeit eingefordert wurden. Diese sachliche Zuordnung der Steuervorauszahlungen zu den Einnahmen seiner - wegen der geringen Höhe des Einkommens nicht kostenbeitragspflichtigen - Ehefrau ändert sich nicht dadurch, dass sie wegen der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten nicht gefordert worden wären (und tatsächlich auch nicht gefordert wurden), wenn der Kläger eine andere Steuerklasse - nämlich Steuerklasse IV oder (hier) V - gewählt hätte. Dass die Steuervorauszahlungen nach der Einstufung des Klägers in die Steuerklasse V entfallen sind, beruht nämlich nicht auf einer Verschiebung der Einnahmen der Ehefrau zum Kläger, sondern nur auf einer letztlich rein rechnerischen Verschiebung der Steuerlast seiner Ehefrau in die Lohnsteuervorauszahlungen des Klägers. Ob und wenn ja, auf welcher Grundlage und in welcher Weise das Vorliegen einer solchen Sachlage kostenbeitragsrechtlich zulasten des Klägers zu berücksichtigen gewesen wäre, wenn er schon vor Beginn des Kostenbeitragszeitraums in der Steuerklasse IV oder V gewesen wäre und damit seine Lohnsteuervorauszahlungen von vorneherein die isoliert aus seinen eigenen Einnahmen zu erwartende Steuerlast signifikant überstiegen hätten, kann hier offen bleiben.
95Der nach Beginn des Kostenbeitragszeitraums vorgenommene Steuerklassenwechsel in die Steuerklasse V ist ebenfalls nicht kostenbeitragssenkend berücksichtigungsfähig. Nach der - für den Senat bindenden - Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt ein Steuerklassenwechsel gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er in missbilligenswerter Weise der Herbeiführung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine jugendhilferechtliche Kostenbeitragsreduzierung dient. Die Ausübung des dem Bürger generell zustehenden Steuerklassenwahlrechts ist dabei im Einzelfall rechtsmissbräuchlich, wenn dafür keine schutzwürdigen Gründe vorliegen und deshalb anzunehmen ist, dass der Steuerklassenwechsel zumindest vorwiegend zur Schmälerung des dem Jugendhilfeträger zustehenden Kostenbeitrags erfolgt ist. Soweit ein Steuerklassenwechsel keine anderen wirtschaftlich nachvollziehbaren und schützenswerten Gründe hat, ist anzunehmen, dass er vorwiegend einer der Zielsetzung des § 93 SGB VIII widersprechenden Verschleierung der tatsächlichen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dient.
96Der Kläger hat andere, d.h. von dem Effekt der Kostenbeitragsreduzierung unabhängige, nachvollziehbare und schützenswerte Gründe für den Steuerklassenwechsel nicht benannt. Der Hinweis, es müssten in diesem Zusammenhang die wirtschaftlichen Auswirkungen auf beide Ehegatten berücksichtigt werden, greift schon deshalb nicht, weil das Kostenbeitragsrecht in § 92 Abs. 2 2. Halbsatz SGB VIII ausdrücklich die getrennte Heranziehung der Elternteile und damit auch eine getrennte Einkommensberechnung vorsieht. Auch die Absicht des Klägers, neben seiner eigenen Steuerlast aus seinen eigenen Einnahmen auch die Steuerlast seiner Ehefrau aus deren Einnahmen - anders als zuvor - allein aus seinen Lohnsteuervorauszahlungen abzudecken, ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund weder nachvollziehbar noch schützenswert. An der Nachvollziehbarkeit fehlt es schon bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung. Die monatliche Steuermehrbelastung in der Steuerklasse V übersteigt nämlich mit 900,- € die monatliche Einsparung durch den Wegfall der Steuervorauszahlung in Höhe von etwa 150,- € um ein Mehrfaches. Die - steuerrechtlich zulässige - Konstruktion, die wie oben ausgeführt nicht mit einer sachlichen Verschiebung der steuerauslösenden Einnahmen verbunden ist, ist auch nicht schützenswert. Würde sie einkommensmindernd berücksichtigt, könnte der Kläger nämlich im Ergebnis eine Belastung als Abzugsposten geltend machen, die das Jugendhilferecht ausdrücklich nur seiner Ehefrau zuweist. Dasselbe - nicht schützenswerte und damit unter Gesichtspunkten von Treu und Glauben nicht hinnehmbare - Ergebnis wäre, die Berechnungen des Klägers zugrundegelegt, auch eingetreten, wenn der Kläger statt der Steuerklasse V die Steuerklasse IV mit einer monatlichen Steuermehrbelastung gegenüber Steuerklasse III in Höhe von etwa 650,- € gewählt hätte. Insoweit würde auch die vom Kläger gewünschte fiktive Berechnung seines Einkommens nach Steuerklasse IV zu keinem für diesen günstigeren Ergebnis führen.
97Im Übrigen missversteht der Kläger die Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts, „soweit“ ein Steuerklassenwechsel keine anderen wirtschaftlich nachvollziehbaren und schützenswerten Gründe habe, sei anzunehmen, dass er vorwiegend einer der Zielsetzung des § 93 SGB VIII widersprechenden Verschleierung der tatsächlichen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit diene. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Wort „soweit“ in dem vorliegenden Zusammenhang ersichtlich in der Bedeutung von „wenn“ genutzt und nicht die Möglichkeit zu einer weiteren „Fiktionalisierung“ des tatsächlichen monatlichen Einkommens eröffnen wollen. Alles andere widerspräche dem in § 93 SGB VIII verankerten und vom Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich anerkannten Wirklichkeitsmaßstab.
98Der Kläger hat schließlich zu guter Letzt der Sache nach sogar eingeräumt, dass er die Steuerklasse mit dem ausdrücklichen Ziel gewechselt hat, den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag zu senken. Diese Zielsetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von vorne herein nicht zu billigen. Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick darauf, dass der Kläger nur die Absicht verfolgt haben will, den Kostenbeitrag auf das mit einem nicht verheirateten oder einem geschiedenen Elternteil vergleichbare Niveau zu senken. Der Kläger hat nämlich seine Steuerlast nicht nur in diesem Umfang erhöht. Er hat nicht die - nach seinen Angaben der Steuerlast eines Ledigen entsprechende - Steuerklasse IV gewählt, sondern die Steuerklasse V. Auf diese Weise hat er sein Nettoeinkommen jedoch noch weit unter das selbst aus seiner Sicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gebotene Maß abgesenkt. Eine fiktive Berechnung des Einkommens nach der Steuerklasse IV scheidet - wie oben ausgeführt - aus.
99Im Übrigen geht der Kläger auch fehl in der sinngemäßen Annahme, die gesetzliche Anbindung des Kostenbeitrags an das monatliche Nettoeinkommen des Pflichtigen verstoße gegen die Gewährleistungen der Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 GG. Er verkennt, dass dem Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, der seine Grenze im Bereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Familienschutzes letztlich erst im Willkürverbot findet. Dass jedoch die gesetzgeberische Intention, den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag an die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Pflichtigen und damit an das ihm im Bedarfsmonat tatsächlich zur Verfügung stehende Nettoeinkommen anzubinden, unsachlich oder willkürlich wäre, ist nicht zu erkennen. Dass einem Alleinstehenden aus steuerrechtlichen Gründen tatsächlich im Einzelfall ein geringeres Nettoreinkommen zur Verfügung steht als einem verheirateten Pflichtigen mit vergleichbarem Bruttoeinkommen, führt auch unter Berücksichtigung der Gewährleistungen des Art. 6 GG nicht zu einem anderen Ergebnis. Art. 6 GG verlangt nicht, dass familienbedingte wirtschaftliche Belastungen in jedem Fall auszugleichen sind. Vor diesem Hintergrund reicht es aus, dass der Kläger und seine Ehefrau - anders als ein unverheirateter Pflichtiger - steuerrechtlich weiter in den Genuss des Ehegattensplittings kommen.
100Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Dies gilt auch, soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2013 die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des ursprünglichen Streitgegenstandes bemängelt. Ungeachtet der Frage, ob die erstinstanzliche Kostenentscheidung insoweit im Berufungsverfahren überhaupt noch angegriffen werden kann, stellt sich das Unterliegen der Beklagten selbst unter Einbeziehung dieses Begehrens noch als geringfügig dar.
101Das Verfahren ist gemäß 188 Satz 2 2. Halbsatz VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
102Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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