Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 20 B 530/13
Tenor
Der angegriffene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (VG Gelsenkirchen 17 K 2897/13) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2013 wird hinsichtlich der Nr. I der Ordnungsverfügung wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. III der Ordnungsverfügung angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2Die Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
3Der angegriffene Beschluss ist zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin ist zu entsprechen, weil die von der Antragstellerin mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Gründe die entscheidungstragenden Erwägungen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durchgreifend in Frage stellen und sich der angegriffene Beschluss auch nicht aus anderen Gründen als (im Ergebnis) richtig erweist.
4Im Hinblick auf die mit der angefochtenen Ordnungsverfügung unter I. verfügte Untersagung der Sammlung der Abfallfraktionen Bekleidung (AVV-Code: 20 01 10), Textilien (AVV-Code: 20 01 11) und Verpackungen aus Textilien (AVV-Code: 15 01 09) - im Folgenden zusammenfassend als Alttextilien bezeichnet - durch die Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht seine im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulasten der Antragstellerin ausgefallene Interessenabwägung damit begründet, dass die Untersagung nach summarischer Prüfung auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG offensichtlich rechtmäßig sei, weil die Antragsgegnerin als untere Umweltschutzbehörde für die Untersagung zuständig gewesen sei und in materiell-rechtlicher Hinsicht Tatsachen vorlägen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin ergäben. Diese habe systematisch Sammelcontainer im öffentlichen Verkehrsraum ohne Sondernutzungserlaubnis aufgestellt.
5Dem setzt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde jedenfalls und zunächst insoweit Durchgreifendes entgegen, als nach dem Beschwerdevorbringen nicht von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Sammlungsuntersagung, soweit sie auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG gestützt ist, ausgegangen werden kann. Die Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht und vorangehend die Antragsgegnerin eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin begründet haben, werden jedenfalls insoweit in Frage gestellt, als bei der in diesem Verfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung mit dem Beschwerdevorbringen Umstände aufgezeigt werden, die eine weitere Aufklärung des im Raum stehenden Unzulässigkeitsvorwurfs in der Hauptsache erforderlich erscheinen lassen.
6Vom Grundsatz her dürfte § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG als Ermächtigungsgrundlage für eine Sammlungsuntersagung von vornherein in gewisser Weise einer einschränkenden Auslegung bedürfen. Da eine Untersagung auf der zuvor genannten Grundlage bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend ist, d. h. kein Ermessen der Behörde besteht, und eine Untersagung jedenfalls hinsichtlich gewerblicher Sammlungen regelmäßig den Schutzbereich der Art. 12, 14 GG tangieren dürfte,
7vgl. in diesem Sinne auch BayVGH, Beschluss vom 2. Mai 2013 - 20 AS 13.700 -, juris,
8spricht Einiges dafür, dass, anders als es der Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG nahe legt, beliebige (bloße) Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nicht für eine Untersagung ausreichen. Vielmehr müssen die Bedenken ein so starkes Gewicht haben, dass sie, gemessen am Rang der Grundrechte und der Schwere des potentiellen Schadens, eine Untersagung rechtfertigen.
9Andererseits dürfte es vom Ansatz her aber nicht zu beanstanden sein, dass die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin daraus abgeleitet haben, dass diese verantwortlich handelnd durch ihren ehemaligen Geschäftsführer häufig durch unerlaubte Sondernutzungen "aufgefallen" ist, weil Sammelcontainer ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis im öffentlichen Straßenraum aufgestellt wurden.
10Entgegen dem Beschwerdevorbringen dürfte allerdings kein Anlass bestehen, die für eine Untersagung relevante Frage der (Un-)Zuverlässigkeit allein anhand der oder über die in § 8 Abs. 2 der Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV) genannten Kriterien zu konkretisieren und damit in gewisser Weise einzuschränken, weil insbesondere Verstöße gegen straßenrechtliche Vorschriften, die hier bei der unerlaubten Containeraufstellung im öffentlichen Straßenraum in Rede stehen, von der zuletzt genannten Norm nicht erfasst werden dürften. Unabhängig davon, ob im Rahmen der Entsorgungsfachbetriebeverordnung von einer abschließenden Konkretisierung der Zuverlässigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EfbV durch Abs. 2 der Vorschrift auszugehen ist, lässt sich den Gesetzesmaterialien zum Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine einschränkende Auslegung des Zuverlässigkeitsbegriffs in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG in der Weise im Blick hatte, es solle allein auf die in § 8 Abs. 2 EfbV genannten Kriterien ankommen. Denn im Allgemeinen ist unzuverlässig, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die in Rede stehende Tätigkeit zukünftig ordnungsgemäß ausübt. Das schließt sämtliche Anforderungen an die Tätigkeit ein. In systematischer Hinsicht stellen die Zuverlässigkeitsregelungen in § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 EfbV speziellere Regelungen im Verhältnis zu § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG dar, weil sie nur für Inhaber und verantwortliche Personen von Entsorgungsfachbetrieben gelten, während die Durchführung einer Sammlung nach § 18 KrWG nicht voraussetzt, dass das Sammlungsunternehmen Entsorgungsfachbetrieb sein muss. Entsprechendes gilt für die Person, welche eine Sammlung anzeigt oder für die Sammlung verantwortlich ist. Auch aus § 53 KrWG ergibt sich nicht, dass ein Sammler von (nicht gefährlichen) Abfällen Entsorgungsfachbetrieb sein muss. Daher mögen die in § 8 Abs. 2 EfbV genannten Kriterien eine Orientierungshilfe bei der Auslegung des Zuverlässigkeitsbegriffs in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG darstellen, sie bilden jedoch keine Grenze in dem Sinne, dass nur die in § 8 Abs. 2 EfbV genannten Kriterien zur Beurteilung der Zuverlässigkeit im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG herangezogen werden dürfen und dementsprechend straßenrechtliche Aspekte außer Betracht zu bleiben haben.
11Auch sonst erschließt sich nicht, warum straßenrechtliche Aspekte bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG (generell) ausgenommen sein sollten. Dies macht jedenfalls dann keinen Sinn, wenn diese Aspekte im unmittelbaren Zusammenhang mit dem im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelten Vorgang der Sammlung stehen. Davon ist hier aber auszugehen, da nach § 3 Abs. 15 KrWG eine Sammlung durch das Einsammeln von Abfällen charakterisiert wird, das Aufstellen von Containern (der Antragstellerin) unmittelbar dem Einsammeln von Abfällen (Alttextilien) dient und es gerade dabei oder dadurch zu den erwähnten straßenrechtlichen Verstößen - sowie darüber hinaus wohl zur unberechtigten Inanspruchnahme von Privatgrundstücken - gekommen ist.
12Auch der Ansatz des Verwaltungsgerichts, (durchgreifende) Bedenken gegen die Zuverlässigkeit im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG dann anzunehmen, wenn systematisch Sammelbehälter im öffentlichen Verkehrsraum ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis aufgestellt werden, dürfte nicht zu beanstanden sein. Allerdings muss ein systematisches und massives Fehlverhalten in diesem Sinne feststehen und es muss ferner bei prognostischer Betrachtung die Gefahr bestehen, dass es im Fall der Durchführung der Sammlung ebenfalls zu gewichtigen Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften, also zu unerlaubten Sondernutzungen, kommen wird. Letzteres dürfte allerdings bei systematischen und massiven Verstößen in der Vergangenheit in der Regel angenommen werden können. Die solchermaßen konkretisierten (verschärften) Anforderungen für die Annahme durchgreifender Bedenken gegen die Zuverlässigkeit gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG dürften zum einen deshalb erforderlich sein, weil unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mit Blick auf die Art. 12, 14 GG die (vollständige) Untersagung einer gewerblichen Sammlung nur als letztes Mittel in Betracht kommen dürfte. Zum anderen dürften vom Grundsatz her andere Mittel als eine vollständige Sammlungsuntersagung zur Verfügung stehen, um gegen unerlaubt im öffentlichen Verkehrsraum aufgestellte Container vorzugehen.
13Hiervon ausgehend fehlt es in Ansehung des Beschwerdevorbringens derzeit an einer ausreichenden Tatsachengrundlage, auf welche bei der in diesem Verfahren gebotenen Prüfungstiefe die Annahme eines systematischen Fehlverhaltens in dem zuvor bezeichneten Sinne und einer hinreichend gewichtigen Gefahr des Eintritts unerlaubter Sondernutzungen bei Durchführung der Sammlung gestützt werden kann. Nach den unwidersprochenen Angaben der Antragstellerin während des Anzeigeverfahrens erfolgt die Sammlung im Gebiet der Antragsgegnerin im Prinzip auf Privatgelände. Das Verwaltungsgericht hat - wie zuvor die Antragsgegnerin - lediglich auf zwei konkrete Fälle unerlaubter Sondernutzung im Gebiet der Antragsgegnerin sowie - durch Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2013 - 16 K 673/13 - auf weitere, im Einzelnen nicht näher bezeichnete Fälle im Gebiet der Stadt N. sowie (möglicherweise) in der Stadt S. hingewiesen. Demgegenüber hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung eine Reihe von Kommunen benannt, in denen sie auf der Grundlage von Sondernutzungserlaubnissen oder abgeschlossenen Verträgen zur Aufstellung von Containern berechtigt sein will. Ferner bemüht sich die Antragstellerin anscheinend um die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Aufstellung von Sammelcontainern sowohl im Gebiet der Antragsgegnerin als auch in anderen Kommunen, was möglicherweise indiziert, dass sie das Erfordernis von Sondernutzungserlaubnissen für die Aufstellung von Sammelcontainern im öffentlichen Straßenraum jedenfalls nicht (mehr) systematisch außer Acht lässt. Schließlich hat erstinstanzlich keine Berücksichtigung finden können, dass die Antragstellerin - während des Beschwerdeverfahrens - ihren (alten ehemaligen) Geschäftsführer abberufen hat, so dass dessen Fehlverhalten, wie es sich unter anderem aus sieben unerlaubte Sondernutzungenbetreffenden Eintragungen in dem zu seiner Person erstellten (hier als verwertbar unterstellten) Gewerbezentralregisterauszug ergibt, jedenfalls zukünftig nicht mehr ohne weiteres der Antragstellerin zugerechnet und entgegengehalten werden kann. Vor diesem Hintergrund bedarf es gegebenenfalls weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren, ob - bezogen auf den für die gerichtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt - eine hinreichende Tatsachengrundlage besteht, welche die Annahme eines systematischen Fehlverhaltens und die weitere Annahme rechtfertigen, es werde bei Durchführung der Sammlung zu gewichtigen Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften (unerlaubte Sondernutzungen) kommen. Dies gilt auch in Ansehung dessen, dass sich aus dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie aus weiteren von der Antragstellerin geführten Beschwerdefahren (20 B 122/13 und 20 B 607/13) Hinweise auf unerlaubte Sondernutzungen der Antragstellerin in zahlreichen weiteren Kommunen ergeben, wobei den Hinweisen allerdings nicht durchgängig entnommen werden kann, ob es sich um der Antragstellerin zurechenbare Verstöße ihres ehemaligen Geschäftsführers handelt.
14Der Umstand, dass die Antragstellerin mithin mit ihrem Beschwerdevorbringen den die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Gesichtspunkt, die Sammlungsuntersagung sei auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG offensichtlich rechtmäßig, durchgreifend in Frage gestellt hat, reicht für sich allein aber noch nicht, den angegriffenen Beschluss zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin zu entsprechen. Vielmehr bedarf es darüber hinaus der Feststellung, dass sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht aus anderen Gründen als (im Ergebnis) richtig erweist. Bei dieser Prüfung ist das Oberverwaltungsgericht nicht darauf beschränkt, allein die vorgebrachten Gründe zu berücksichtigen. Vielmehr ist ihm - auch mit Blick auf den in § 144 Abs. 4 VwGO zum Ausdruck kommenden Gedanken - eine von der Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO losgelöste Prüfung eröffnet, ob dem Begehren der Antragstellerin anhand der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltenden allgemeinen Maßstäbe zu entsprechen ist.
15Ausgehend von diesen Erwägungen kann nicht festgestellt werden, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis zutrifft.
16Der angegriffene Beschluss ist nicht deshalb als richtig anzusehen, weil die angefochtene Sammlungsuntersagung auf der Grundlage einer anderen als der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlage offensichtlich rechtmäßig ist.
17Insbesondere erweist sich die Sammlungsuntersagung bei summarischer Prüfung nicht auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG als (offensichtlich) rechtmäßig.
18Die in der Untersagungsverfügung zum Ausdruck kommende Auffassung der Antragsgegnerin, die genannte Vorschrift sei (auch) dann anwendbar oder einschlägig, wenn aufgrund einer unvollständigen Anzeige nicht geprüft werden könne, ob die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen gewährleistet sei, begegnet Bedenken. Mit Blick auf die einschneidenden Wirkungen einer (vollständigen) Sammlungsuntersagung für den betroffenen Gewerbetreibenden sprechen gewichtige Gründe dafür, dass eine Untersagung auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG die (positive) Feststellung durch die zuständige Behörde voraussetzt, dass ohne die Untersagung die Erfüllung oder Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen nicht gewährleistet ist, also bei Durchführung der Sammlung entweder keine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung erfolgt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 KrWG) oder überwiegende öffentliche Interessen der Sammlung entgegenstehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 KrWG). Diesbezügliche Feststellungen hat die Antragsgegnerin teilweise deshalb nicht getroffen, weil sie sich aufgrund der von ihr angenommenen Unvollständigkeit der Anzeige der Antragstellerin, insbesondere fehlenden Angaben zu den Standorten der Sammelcontainer, zu einer Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht in der Lage gesehen und - wohl deshalb - von einer Aufforderung zur Stellungnahme an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG abgesehen hat. Es kann dahinstehen, ob die Kenntnis der genauen Containerstandorte, selbst wenn diese unter "Ausmaß" gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 KrWG zu subsumieren sein sollten, zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG erforderlich ist.
19Vgl. dazu VG Würzburg, Beschlüsse vom 11. Oktober 2012 - W 4 S 12.820 - und vom 16. Oktober 2012 - W 4 S 12.833 -; VG Augsburg, Urteil vom 27. Februar 2013 - Au 6 K 12.1415 -, jeweils juris.
20Jedenfalls dürfte die von der Antragsgegnerin angenommene Nichtprüfbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen der zuletzt genannten Norm nicht mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen gleichgesetzt werden können.
21Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin dürfte ferner nicht feststehen, dass bei der Sammlung der Antragstellerin keine ordnungsgemäße Verwertung im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 KrWG erfolgt, weil bei der Aufstellung der Container (unterstellt) gegen straßenrechtliche Vorschriften verstoßen wird. Zwar trifft es zu, dass nach § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG eine ordnungsgemäße Verwertung nur dann vorliegt, wenn sie auch im Einklang mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Es liegt aber - gerade mit Blick auf die Neuregelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (vgl. etwa dessen § 3 Abs. 14 und 23) - schon nicht ohne weiteres auf der Hand, dass ein (Ein-)Sammeln von Abfällen, wie es von der Antragstellerin zum Gegenstand ihrer Anzeige gemacht worden ist, sich als ein Teilakt der Verwertung darstellt. Aber auch wenn das hier in Rede stehende (Ein-)Sammeln schon dem Verwertungsvorgang zuzurechnen wäre, erscheint es zweifelhaft, ob eine Verwertung deshalb als nicht im Einklang mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehend anzusehen ist, weil ein Verstoß gegen straßenrechtliche Vorschriften durch das Aufstellen von Containern ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis vorliegt. Vor dem Hintergrund der Funktion dieses Merkmals in § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG ist es nicht zwingend, dass jeder beliebige Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die bei einzelnen Teilakten der Verwertung zu beachten sind, entscheidungserheblich ist. Denn die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG dürfte auf die Einhaltung materieller Standards beim Umgang mit dem zu verwertenden Abfall zielen.
22Vgl. in diesem Zusammenhang Beckmann/Kersting in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 KrW-/AbfG Rn. 68 f., m. w. N.
23Derartige Anforderungen stehen hinsichtlich der (Nicht-)Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen aber nicht in Rede.
24Die Untersagungsverfügung erweist sich ferner nicht auf der Grundlage von § 62 KrWG als (offensichtlich) rechtmäßig. Unabhängig davon, ob im Fall einer unvollständigen Sammlungsanzeige eine Untersagung der Sammlung gemäß § 62 KrWG in Betracht kommt und ob die Anzeige der Antragstellerin hier wegen Nichtangabe der genauen Containerstandorte unvollständig ist, stehen Entscheidungen nach § 62 KrWG im Ermessen der Behörde. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der zuvor genannten Vorschrift treffen wollte und getroffen hat, lassen sich der angefochtenen Verfügung schon deshalb nicht entnehmen, weil § 62 KrWG in der Verfügung nicht angesprochen wird und die zweifache Erwähnung, dass die Untersagung "in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens" erfolgt sei, nicht recht verständlich erscheint, weil sich die Antragsgegnerin ausdrücklich auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG als Ermächtigungsgrundlage berufen hat, der gerade kein Ermessen der Behörde vorsieht.
25Kann der angegriffene Beschluss nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig angesehen werden, weil sich die angefochtene Untersagungsverfügung auf der Grundlage einer anderen Ermächtigungsgrundlage als offensichtlich rechtmäßig erweist, ist vor der Prüfung, ob die verwaltungsgericht-liche Entscheidung aufgrund einer allgemeinen, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin in der Hauptsache losgelösten Interessenabwägung im Ergebnis richtig ist, zunächst zu prüfen, ob das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht bereits deshalb als vorrangig zu bewerten ist, weil sich die Untersagungsverfügung bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig darstellt. Denn nach den für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO Satz 1 geltenden allgemeinen Maßstäben bedarf es im Fall eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts keiner von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelösten Interessenabwägung mehr, weil an der Vollziehung eines (offensichtlich) rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann und sich schon deshalb das private Aussetzungsinteresse durchsetzen muss. Indes kann bei summarischer Prüfung eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung nicht festgestellt werden.
26Soweit die Untersagung auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG gestützt ist, kann nach dem Vorstehenden von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Verfügung keine Rede sein. Eine (offensichtliche) Rechtswidrigkeit ergibt sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ferner nicht aus einer (möglichen) Unzuständigkeit der Antragsgegnerin.
27Unter dem Gesichtspunkt des Neutralitätsgebots des Staates hat das Verwaltungsgericht es durchaus als nicht unproblematisch angesehen, dass bei der Antragsgegnerin in gewisser Weise widerstreitende Interessen zusammenfallen, weil sie einerseits öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und andererseits die unter anderem für das Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG zuständige untere Umweltschutzbehörde ist. Allerdings ist das Verwaltungsgericht unter Zitierung einschlägiger Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine neutrale Aufgabenwahrnehmung hier durch eine behördeninterne organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche (des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers einerseits und der unteren Umweltschutzbehörde andererseits) gewährleistet ist. Mit Blick darauf erschließt sich nicht ohne weiteres, warum die Antragstellerin nach ihrer Beschwerdebegründung selbst ein Mindestmaß an organisatorischer Trennung nicht für gegeben hält. Der Umstand, dass beide Aufgabenbereiche in einem Fachbereich und in einer Abteilung der Antragsgegnerin wahrgenommen werden, ändert nichts daran, dass durch die vom Verwaltungsgericht berücksichtigte Organisationsverfügung der Antragsgegnerin eine Trennung innerhalb der Abteilung gewährleistet wird. Maßgeblich dürfte insoweit weniger die Bezeichnung der Organisationseinheiten sein, in denen die Aufgaben wahrgenommen werden, sondern die Sicherstellung, dass unterschiedliche natür-liche Personen (einschließlich der jeweiligen Vorgesetzten) in den beiden Aufgabenbereichen entscheidungsbefugt sind. Hierfür dürfte die angesprochene Organisationsverfügung sorgen. Soweit die Antragstellerin eine "weitergehende Trennung der Aufgaben bei der Antragsgegnerin" für erforderlich hält, konkretisiert sie dies weder weiter noch legt sie dar, dass bei der (unterstellten) Erforderlichkeit einer wie auch immer gearteten weitergehenden Trennung gerade die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die streitgegenständliche Ordnungsverfügung in Frage stünde. Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass eine neutrale Aufgabenwahrnehmung nur in der Weise erreicht und sichergestellt werden kann, dass beide Aufgabenbereiche bei unterschiedlichen Rechtsträgern angesiedelt werden, etwa indem der sich aus § 3 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) ergebende Rechtsgedanke herangezogen wird mit der Folge, dass die Zuständigkeit für das Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG bei den Bezirksregierungen liegt, wenn bei den Kreisen und kreisfreien Städten die Aufgaben der unteren Umweltschutzbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zusammenfallen.
28Sind danach die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin in der Hauptsache, also ihrer Klage, als offen anzusehen und bedarf es dementsprechend einer von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelösten Interessenabwägung, führt auch diese nicht dazu, dass sich der angegriffene Beschluss als im Ergebnis richtig erweist. Denn die allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus.
29Wird die Vollziehbarkeit der Untersagung bestätigt und der Antragstellerin damit jedenfalls vorübergehend ein Sammeln verwehrt, tritt auf ihrer Seite eine schwerwiegende und stark ins Gewicht fallende Rechtsbeeinträchtigung ein, wenn sich die Untersagung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist. Denn ihre Sammlungstätigkeit, die sie jedenfalls nach ihren Angaben im Rahmen des Anzeigeverfahrens, denen die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten ist, bereits bei Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 1. Juni 2012 ausgeübt hat, fällt in den Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 12, 14 GG. Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Untersagung eine Existenzgefährdung der Antragstellerin eintritt sowie in welchem Umfang ihr während der Dauer der Untersagung Einnahmen (unwiederbringlich) verloren gehen und bereits getätigte Investitionen, etwa für die Anmietung von Containerstellplätzen, sich als nutzlos erweisen.
30Eine vergleichbar starke Beeinträchtigung öffentlicher Interessen für den Fall, dass die Vollziehung der Untersagung ausgesetzt wird und die Antragstellerin dementsprechend vorläufig weitersammeln kann, im Hauptsacheverfahren jedoch die Rechtmäßigkeit der Untersagung festgestellt wird, lässt sich demgegenüber nicht feststellen.
31Soweit die öffentlichen Interessen dadurch beeinträchtigt würden, dass ein "Unzuverlässiger" (vorübergehend) eine Sammlung durchgeführt hat, gibt das allein für die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nichts her. Da eine Sammlungsuntersagung wegen Unzuverlässigkeit kein Selbstzweck ist, sondern in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Interessen dient, die im Fall der Tätigkeit des Unzuverlässigen beeinträchtigt werden, hängt der Schweregrad der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen vor allem davon ab, welche öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufgrund der Tätigkeit eines unzuverlässigen Sammlers beeinträchtigt oder gefährdet werden.
32Hier stehen insbesondere Verstöße gegen straßenrechtliche Vorschriften in Rede. Unabhängig davon, ob deren Verletzung im Verhältnis zu der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin überhaupt als gleich- oder höhergewichtig angesehen werden kann, bedeutete die Aussetzung der Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht, dass die Beeinträchtigung öffentlich-rechtlicher Interessen in Gestalt von Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften (unerlaubte Sondernutzungen) in der Weise feststünde, dass sie von der Antragsgegnerin hinzunehmen wäre. Vielmehr wäre die Antragsgegnerin im Fall der Aussetzung der Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht gehindert, gegen unerlaubte Sondernutzungen der Antragstellerin auf straßenrechtlicher Grundlage einzuschreiten. Deshalb ist das Gewicht der öffentlichen Interessen, die im Fall der Sammlungstätigkeit der als unzuverlässig unterstellten Antragstellerin beeinträchtigt werden, eher als gering einzuschätzen.
33Der Hinweis der Antragsgegnerin im Rahmen der Begründung der Vollziehungsanordnung, die Antragstellerin nehme (auch) unberechtigt Privatgrundstücke für das Aufstellen von Containern in Anspruch und verschaffe sich dadurch einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil, ist unabhängig davon, dass die Annahme einer unberechtigten Inanspruchnahme von Privatgrundstücken nach den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen gegebenenfalls ebenfalls näherer Überprüfung im Hauptsacheverfahren bedarf, nicht dazu geeignet, eine (schwerwiegende) Beeinträchtigung gerade öffentlicher Interessen darzutun.
34Soweit die Antragsgegnerin auf eine geordnete und funktionierende Abfallwirtschaft als öffentliches Gut von hoher Bedeutung abgestellt hat, ist weder konkret vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass es diesbezüglich allein und gerade dadurch zu einer Beeinträchtigung kommt, dass die (unterstellt) unzuverlässige Antragstellerin Abfälle einsammelt.
35Anhaltspunkte dafür, dass die öffentlichen Interessen in Gestalt der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung von Abfällen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 KrWG beeinträchtigt wären, liegen ebenfalls nicht vor.
36Was schließlich die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines (möglicherweise) von diesem beauftragten Dritten als öffentliche Interessen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2, Abs. 3 Satz 1 KrWG) anbelangt, lassen sich weder der angefochtenen Verfügung noch dem sonstigen Vortrag der Antragsgegnerin Anhaltspunkte für eine schwerwiegende diesbezügliche Beeinträchtigung für den Fall entnehmen, dass die Antragstellerin ihre Sammlung jedenfalls vorübergehend fortsetzt. Es ist bisher noch nicht einmal ersichtlich, ob die Antragstellerin mit ihrer Sammlung überhaupt in Konkurrenz zu einer vergleichbaren Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten steht. Selbst wenn dies unterstellt würde und trotz der nur vorübergehenden Sammlungstätigkeit zudem mit Blick auf § 17 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 und 2 KrWG - unter Ausblendung von sich aus europarechtlichen Vorschriften ergebenden gravierenden Bedenken gegen eine uneingeschränkte Heranziehung dieser Regelungen,
37vgl. dazu etwa VG Würzburg, Beschluss vom
3828. Januar 2013 - W 4 S 12.1130 -, juris, m. w. N. -
39von einer diesbezüglichen erheblichen Gefährdung oder Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auszugehen wäre, wäre das Gewicht der solchermaßen bestimmten öffentlichen Interessen nach dem in § 18 Abs. 7 KrWG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken hier als deutlich reduziert anzusehen. Denn die Antragstellerin hat nach ihrem unwidersprochenen Vortrag im Anzeigeverfahren bereits vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht unerhebliche Mengen an Alttextilien im Gebiet der Antragsgegnerin gesammelt. Dafür, dass es dadurch in der Vergangenheit zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten gekommen ist, liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch die Antragsgegnerin, die diesbezüglich gegebenenfalls darlegungspflichtig sein dürfte, hat bisher nichts Entsprechendes vorgetragen.
40Ist nach den vorstehenden Ausführungen eine Aussetzung der Vollziehung der Untersagungsverfügung geboten, d. h. insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen, gilt Entsprechendes für die Zwangsgeldandrohung unter III. der angefochtenen Verfügung, die an die Untersagung anknüpft.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die verfügte Sammlungsuntersagung einer partiellen Gewerbeuntersagung gleichkommt, erscheint eine Orientierung an der Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit als interessengerecht. Der danach entscheidende Jahresgewinn ist anhand der von der Antragstellerin selbst in der Sammlungsanzeige angegebenen maximal erwarteten Jahressammelmenge (100 t) zu bestimmen. Ausgehend von einem erzielbaren Erlös pro Tonne Alttextilien von 400,00 €, wie er in zahlreichen anhängigen Beschwerdeverfahren betreffend die Untersagung von Alttextiliensammlungen genannt wird, und einer (geschätzten) Gewinnmarge von 50 % ergibt sich hier ein Jahresgewinn von 20.000,00 €, der im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Rechtsschutzverfahrens zu halbieren ist.
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