Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 20 B 607/13
Tenor
Der angegriffene Beschluss (Nr. 1) wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (VG Gelsenkirchen 9 K 5640/12) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. November 2012 wird hinsichtlich der Nr. I der Ordnungsverfügung wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. II der Ordnungsverfügung angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt
1
Gründe
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Der angegriffene Beschluss ist zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin ist zu entsprechen, weil die von der Antragstellerin mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Gründe die entscheidungstragenden Erwägungen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durchgreifend in Frage stellen und sich der angegriffene Beschluss auch nicht aus anderen Gründen als (im Ergebnis) richtig erweist.
4Im Hinblick auf die mit der angefochtenen Ordnungsverfügung unter I. verfügte Untersagung der Sammlung von Alttextilien und Altschuhen - im Folgenden zusammenfassend als Alttextilien bezeichnet - durch die Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht seine im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulasten der Antragstellerin ausgefallene Interessenabwägung damit begründet, dass die Rechtmäßigkeit der Untersagung nach summarischer Prüfung offen sei und bei einer offenen Interessenabwägung die öffentlichen Interessen überwögen, weil die Sammlungsuntersagung auf der Seite der Antragstellerin nicht zu einer Existenzgefährdung führe, während auf der anderen Seite das gewichtige öffentliche Interesse stehe, dass Abfallsammlungen ausschließlich durch zuverlässige Sammler durchgeführt würden.
5Dem setzt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde jedenfalls insoweit Durchgreifendes entgegen, als die von den Erfolgsaussichten ihres Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfällt. Demgegenüber ist entgegen dem Beschwerdevorbringen der angegriffene Beschluss nicht schon deshalb zu ändern, weil sich die Untersagungsverfügung bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist und bereits aus diesem Grund ihr Aussetzungsinteresse als vorrangig zu bewerten ist.
6Die Untersagungsverfügung dürfte zunächst nicht wegen Unzuständigkeit der Antragsgegnerin formell rechtswidrig sein. Zwar mag es unter dem Gesichtspunkt des Neutralitätsgebots des Staates durchaus problematisch erscheinen, wenn bei einem Rechtsträger unterschiedliche Aufgaben, bei deren Wahrnehmung es zu einem Interessenkonflikt kommen kann, zusammenfallen. Eine derartige Konstellation dürfte hier jedoch nicht gegeben sein, weil die Antragsgegnerin zwar die unter anderem für das Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG zuständige untere Umweltschutzbehörde ist, dagegen die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers der "entsorgung herne", einer Anstalt öffentlichen Rechts und damit einem anderen Rechtsträger, obliegen. Angesichts dessen ist jedenfalls bei summarischer Prüfung hier nicht davon auszugehen, dass zur Gewährleistung einer neutralen Aufgabenwahrnehmung zwingend der sich aus § 3 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) ergebende Rechtsgedanke heranzuziehen ist mit der Folge, dass die Zuständigkeit für das Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG bei den Bezirksregierungen liegt, wenn bei den Kreisen und kreisfreien Städten die Aufgaben der unteren Umweltschutzbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zusammenfallen.
7Die Ordnungsverfügung dürfte auch nicht wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit (offensichtlich) materiell rechtswidrig sein. Wenn eine Alttextiliensammlung mittels Containern angezeigt und diese Sammlung untersagt wird, kann, wie bereits vom Verwaltungsgericht angenommen, nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, dass eine Auslegung dieser Untersagung von einem objektivierten Empfängerhorizont aus zu dem Ergebnis kommen muss, dass bereits aufgestellte Container zu entfernen sind, weil zum einen die angezeigte Sammlung eben mit dem Aufstellen der Container beginnt oder begonnen hat und zum anderen die Ordnungsverfügung bereits in ihrem Tenor unter I. ausdrücklich auf "illegal" aufgestellte Behältnisse (Container) Bezug nimmt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn ein Sammlungsbeginn in der Praxis nicht bereits an der Aufstellung von Containern festgemacht würde oder werden könnte, sondern über die Ver- oder Entriegelung von aufgestellten Containern "gesteuert" würde. Hierfür ist indes weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Allein die theoretische Möglichkeit, das Sammeln mittels Containern durch eine wie auch immer geartete Verriegelung oder Blockierung bereits aufgestellter Container ausschließen zu können, führt nicht dazu, dass diese Möglichkeit als im Rahmen der Auslegung einer Sammlungsuntersagung, die auch auf illegal aufgestellte Container Bezug nimmt, ernsthaft in Betracht kommende Variante anzusehen ist und dementsprechend durchgreifende Bestimmtheitszweifel hervorruft. Ferner ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass nach dem Tenor der Ordnungsverfügung auch "Straßensammlungen" - was auch immer die Antragstellerin genau darunter verstehen möchte - untersagt werden, soweit sie gerade mittels Behältnissen erfolgen, da die Ordnungsverfügung zwar nicht auf Straßensammlungen abstellt, aber- unzweifelhaft - jegliche Alttextiliensammlung mittels Behältnissen untersagt. Ob Anlass für eine solchermaßen auch "Straßensammlungen" erfassende Untersagung bestand, ist keine Frage der Bestimmtheit.
8Jedenfalls soweit die Untersagung auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG (Unzuverlässigkeit der Antragstellerin) als Ermächtigungsgrundlage gestützt ist, kann von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit ebenfalls keine Rede sein. Vielmehr erweist sich die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der in der Sache von der Antragsgegnerin erhobene Unzuverlässigkeitsvorwurf bedürfe weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren, auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens als zutreffend.
9Vom Grundsatz her dürfte § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG als Ermächtigungsgrundlage für eine Sammlungsuntersagung von vornherein in gewisser Weise einer einschränkenden Auslegung bedürfen. Da eine Untersagung auf der zuvor genannten Grundlage bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend ist, d. h. kein Ermessen der Behörde besteht, und eine Untersagung jedenfalls hinsichtlich gewerblicher Sammlungen regelmäßig den Schutzbereich der Art. 12, 14 GG tangieren dürfte,
10vgl. in diesem Sinne auch BayVGH, Beschluss vom 2. Mai 2013 - 20 AS 13.700 -, juris,
11spricht Einiges dafür, dass, anders als es der Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG nahe legt, beliebige (bloße) Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nicht für eine Untersagung ausreichen. Vielmehr müssen die Bedenken ein so starkes Gewicht haben, dass sie, gemessen am Rang der Grundrechte und der Schwere des potentiellen Schadens, eine Untersagung rechtfertigen.
12Andererseits dürfte es vom Ansatz her nicht zu beanstanden sein, dass die Antragsgegnerin Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin daraus abgeleitet hat, dass diese verantwortlich handelnd durch ihren ehemaligen Geschäftsführer häufig durch unerlaubte Sondernutzungen "aufgefallen" ist, weil Sammelcontainer ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis im öffentlichen Straßenraum aufgestellt wurden.
13Entgegen dem Beschwerdevorbringen dürfte allerdings kein Anlass bestehen, die für eine Untersagung relevante Frage der (Un-)Zuverlässigkeit allein anhand der oder über die in § 8 Abs. 2 der Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV) genannten Kriterien zu konkretisieren und damit in gewisser Weise einzuschränken, weil insbesondere Verstöße gegen straßenrechtliche Vorschriften, die hier bei der unerlaubten Containeraufstellung im öffentlichen Straßenraum in Rede stehen, von der zuletzt genannten Norm nicht erfasst werden dürften. Unabhängig davon, ob im Rahmen der Entsorgungsfachbetriebeverordnung von einer abschließenden Konkretisierung der Zuverlässigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EfbV durch Abs. 2 der Vorschrift auszugehen ist, lässt sich den Gesetzesmaterialien zum Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine einschränkende Auslegung des Zuverlässigkeitsbegriffs in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG in der Weise im Blick hatte, es solle allein auf die in § 8 Abs. 2 EfbV genannten Kriterien ankommen. Denn im Allgemeinen ist unzuverlässig, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die in Rede stehende Tätigkeit zukünftig ordnungsgemäß ausübt. Das schließt sämtliche Anforderungen an die Tätigkeit ein. In systematischer Hinsicht stellen die Zuverlässigkeitsregelungen in § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 EfbV speziellere Regelungen im Verhältnis zu § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG dar, weil sie nur für Inhaber und verantwortliche Personen von Entsorgungsfachbetrieben gelten, während die Durchführung einer Sammlung nach § 18 KrWG nicht voraussetzt, dass das Sammlungsunternehmen Entsorgungsfachbetrieb sein muss. Entsprechendes gilt für die Person, welche eine Sammlung anzeigt oder für die Sammlung verantwortlich ist. Auch aus § 53 KrWG ergibt sich nicht, dass ein Sammler von (nicht gefährlichen) Abfällen Entsorgungsfachbetrieb sein muss. Daher mögen die in § 8 Abs. 2 EfbV genannten Kriterien eine Orientierungshilfe bei der Auslegung des Zuverlässigkeitsbegriffs in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG darstellen, sie bilden jedoch keine Grenze in dem Sinne, dass nur die in § 8 Abs. 2 EfbV genannten Kriterien zur Beurteilung der Zuverlässigkeit im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG herangezogen werden dürfen und dementsprechend straßenrechtliche Aspekte außer Betracht zu bleiben haben.
14Auch sonst erschließt sich nicht, warum straßenrechtliche Aspekte bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG (generell) ausgenommen sein sollten. Dies macht jedenfalls dann keinen Sinn, wenn diese Aspekte im unmittelbaren Zusammenhang mit dem im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelten Vorgang der Sammlung stehen. Davon ist hier aber auszugehen, da nach § 3 Abs. 15 KrWG eine Sammlung durch das Einsammeln von Abfällen charakterisiert wird, das Aufstellen von Containern (der Antragstellerin) unmittelbar dem Einsammeln von Abfällen (Alttextilien) dient und es gerade dabei oder dadurch zu den erwähnten straßenrechtlichen Verstößen - sowie darüber hinaus wohl zur unberechtigten Inanspruchnahme von Privatgrundstücken - gekommen ist.
15Steht eine Unzuverlässigkeit wegen Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften im Raum, muss allerdings ein systematisches und massives Fehlverhalten in diesem Sinne feststehen und es muss ferner bei prognostischer Betrachtung die Gefahr bestehen, dass es im Fall der Durchführung der Sammlung ebenfalls zu gewichtigen Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften, also zu unerlaubten Sondernutzungen, kommen wird. Letzteres dürfte allerdings bei systematischen und massiven Verstößen in der Vergangenheit in der Regel angenommen werden können. Die solchermaßen konkretisierten (verschärften) Anforderungen für die Annahme durchgreifender Bedenken gegen die Zuverlässigkeit gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG dürften zum einen deshalb erforderlich sein, weil unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mit Blick auf die Art. 12, 14 GG die (vollständige) Untersagung einer gewerblichen Sammlung nur als letztes Mittel in Betracht kommen dürfte. Zum anderen dürften vom Grundsatz her andere Mittel als eine vollständige Sammlungsuntersagung zur Verfügung stehen, um gegen unerlaubt im öffentlichen Verkehrsraum aufgestellte Container vorzugehen.
16Hiervon ausgehend haben sowohl die Antragsgegnerin in der angefochtenen Ordnungsverfügung als auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auf eine Vielzahl von Fällen unerlaubter Sondernutzung hingewiesen, die jedenfalls bei summarischer Prüfung auch in Ansehung der sich insoweit aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Anforderungen eine Bewertung dahingehend, der erhobene Unzuverlässigkeitsvorwurf sei offensichtlich haltlos und dementsprechend die darauf gestützte Untersagung offensichtlich rechtswidrig, nicht zulassen. Dies gilt auch in Anbetracht der von der Antragstellerin während des Beschwerdeverfahrens vorgenommenen Auswechslung ihres Geschäftsführers.
17Das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin könnte zunächst bei wertender Betrachtung durchaus dahingehend zu verstehen sein, dass jedenfalls konkludent die ungenehmigte oder unerlaubte Containeraufstellung in einem größeren Umfang für die Vergangenheit eingeräumt wird. Wenn die Antragstellerin ausführt, dass sie mit der Berufung des neuen Geschäftsführers ihre Unternehmenspraxis auf den Prüfstand gestellt habe, sie die Standorte ihrer Sammelcontainer auf die Vereinbarkeit mit Straßenrecht prüfe und sich darum bemühe, schriftliche Vereinbarungen für die privaten Containerstellplätze zu schließen, ergibt das vor dem Hintergrund der aufgezeigten "Unregelmäßigkeiten" bei der Containeraufstellung vor allem dann Sinn, wenn man darin das konkludente Eingeständnis eben dieser "Unregelmäßigkeiten" sieht. Ist danach eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin aufgrund eines ihr zuzurechnenden Fehlverhaltens ihres alten Geschäftsführers nicht völlig von der Hand zu weisen, entfällt diese (unterstellte) Unzuverlässigkeit nicht automatisch mit der Auswechslung des Geschäftsführers. Zwar liegen hinsichtlich des neuen Geschäftsführers keine Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit vor, so dass gegenwärtig insoweit der Antragstellerin nichts zuzurechnen ist. Bei prognostischer Betrachtung kann die in der Vergangenheit (unterstellt) bestehende, über den ehemaligen Geschäftsführer quasi vermittelte Unzuverlässigkeit der Antragstellerin jedoch nur dann als ausgeräumt angesehen werden, wenn aufgrund oder in Verbindung mit der Auswechselung des Geschäftsführers zugleich von einer Änderung der Unternehmenspraxis ausgegangen werden könnte. Hierfür ist indes mit der Beschwerde nichts Hinreichendes vorgetragen worden. Die zuvor wiedergegebenen, eher unbestimmt formulierten, sich auf Prüfungen und Bemühungen beschränkende Absichtserklärungen reichen insoweit nicht aus, zumal dem alten Geschäftsführer zugleich mit seiner Abberufung Einzelprokura erteilt worden ist und er dementsprechend weiterhin bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenspraxis nehmen kann. Anhaltspunkte dafür, dass dies durch verbindliche und klare Anweisungen oder Regelungen entweder des (alleinigen) Gesellschafters der Antragstellerin oder des neuen Geschäftsführers ausgeschlossen ist, liegen nicht vor. Mit Blick darauf erscheint die Auswechselung des Geschäftsführers eher als situations- oder verfahrensangepasstes Verhalten, um dem nicht nur in diesem Verfahren im Raum stehenden Unzuverlässigkeitsvorwurf quasi formal die Grundlage zu entziehen, und weniger als überzeugende Abkehr von einer "regelwidrigen" Sammelpraxis des Unternehmens. Andererseits ist dem Beschwerdegericht aus dem weiteren von der Antragstellerin geführten Beschwerdeverfahren 20 B 530/13 sowie aus weiteren von der Antragstellerin geführten Berufungszulassungsverfahren bekannt, dass sie sich in einigen Kommunen um die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für die Aufstellung von Sammelcontainern bemüht, was möglicherweise indiziert, dass sie das Erfordernis von Sondernutzungserlaubnissen für die Aufstellung solcher Container im öffentlichen Straßenraum jedenfalls nicht (mehr) systematisch außer Acht lässt.
18Erweist sich die Untersagungsverfügung danach jedenfalls auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG nicht als offensichtlich rechtswidrig und kann dementsprechend unter diesem Gesichtspunkt ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht festgestellt werden, bedarf es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens an sich keiner Ausführungen mehr dazu, ob die Untersagung, soweit sie auch auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG gestützt worden ist, sich als (offensichtlich) rechtswidrig erweist. Gleichwohl sei angemerkt, dass die bereits vom Verwaltungsgericht angesprochenen Rechtmäßigkeitszweifel nicht völlig von der Hand zu weisen dürften. Ergänzend dazu ist auf Folgendes hinzuweisen:
19Die in der Untersagungsverfügung zum Ausdruck kommende Auffassung der Antragsgegnerin, § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG sei (auch) dann anwendbar oder einschlägig, wenn aufgrund einer unvollständigen Anzeige nicht geprüft werden könne, ob die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen gewährleistet sei, begegnet Bedenken. Mit Blick auf die einschneidenden Wirkungen einer (vollständigen) Sammlungsuntersagung für den betroffenen Gewerbetreibenden sprechen gewichtige Gründe dafür, dass eine Untersagung auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG die (positive) Feststellung durch die zuständige Behörde voraussetzt, dass ohne Untersagung die Erfüllung oder Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen nicht gewährleistet ist, also bei Durchführung der Sammlung entweder keine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung erfolgt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 KrWG) oder überwiegende öffentliche Interessen der Sammlung entgegenstehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 KrWG). Die von der Antragsgegnerin angenommene Nichtprüfbarkeit des Vorliegens dieser Voraussetzungen dürfte nicht mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen gleichgesetzt werden können. Im Übrigen erschließt sich bei vorläufiger Betrachtung nicht, dass die von der Antragsgegnerin im Wesentlichen vermisste Liste mit den konkreten Containerstandorten, selbst wenn sie unter "Ausmaß" gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 KrWG zu subsumieren sein sollte, für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen gerade des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG erforderlich ist.
20Vgl. dazu VG Würzburg, Beschlüsse vom 11. Oktober 2012 - W 4 S 12.820 - und vom 16. Oktober 2012 - W 4 S 12.833 -; VG Augsburg, Urteil vom 27. Februar 2013 - Au 6 K 12.1415 -, jeweils juris.
21Der in diesem Zusammenhang anklingenden Auffassung der Antragsgegnerin, dass bei der Sammlung der Antragstellerin keine ordnungsgemäße Verwertung im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 KrWG erfolge, weil bei der Aufstellung der Container gegen straßenrechtliche Vorschriften verstoßen werde, dürfte ebenfalls nicht zu folgen sein. Zwar trifft es zu, dass nach § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG eine ordnungsgemäße Verwertung nur dann vorliegt, wenn sie auch im Einklang mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Es liegt aber - gerade mit Blick auf die Neuregelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (vgl. etwa dessen § 3 Abs. 14 und 23) - schon nicht ohne weiteres auf der Hand, dass ein (Ein-)Sammeln von Abfällen, wie es von der Antragstellerin zum Gegenstand ihrer Anzeige gemacht worden ist, sich als ein Teilakt der Verwertung darstellt. Aber auch wenn das hier in Rede stehende (Ein-)Sammeln schon dem Verwertungsvorgang zuzurechnen wäre, erscheint es zweifelhaft, ob eine Verwertung deshalb als nicht im Einklang mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehend anzusehen ist, weil ein Verstoß gegen straßenrechtliche Vorschriften durch das Aufstellen von Containern ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis vorliegt. Vor dem Hintergrund der Funktion dieses Merkmals in § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG ist es nicht zwingend, dass jeder beliebige Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die bei einzelnen Teilakten der Verwertung zu beachten sind, entscheidungserheblich ist. Denn die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG dürfte auf die Einhaltung materieller Standards beim Umgang mit dem zu verwertenden Abfall zielen.
22Vgl. in diesem Zusammenhang Beckmann/Kersting in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 KrW-/AbfG Rn. 68 f., m. w. N.
23Derartige Anforderungen stehen hinsichtlich der (Nicht-)Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen aber nicht in Rede.
24Ob Angaben zu den konkreten Containerstandorten aus anderen Gründen, insbesondere weil dies für die (allgemeine) Überwachung der Sammlung erforderlich ist, gefordert werden können, bedarf hier keiner Entscheidung, weil das Fehlen von Angaben, die für die allgemeine Überwachung einer Sammlung von Relevanz sind, keine Untersagung auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG rechtfertigen dürfte. Ob im Fall einer unvollständigen Anzeige § 62 KrWG als Ermächtigungsgrundlage für eine Untersagung in Betracht kommt, kann ebenfalls offen bleiben, weil die hier verfügte Untersagung jedenfalls deshalb nicht auf der Grundlage von § 62 KrWG als rechtmäßig angesehen werden kann, da es an einer entsprechenden Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin fehlt.
25Anhaltspunkte dafür, dass der angegriffene Beschluss bereits deshalb im Ergebnis richtig sein könnte, weil das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin bereits wegen offensichtlicher Rechtmäßigkeit der verfügten Untersagung zurückzutreten hat, liegen nicht vor. Nach den vorstehenden Ausführungen kann die Untersagung auf der Grundlage der zuvor behandelten Ermächtigungsgrundlagen jedenfalls nicht als offensichtlich rechtmäßig angesehen werden.
26Sind danach die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin mit Blick auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG als offen anzusehen, ist der angegriffene Beschluss zu ändern, weil die von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelöste (allgemeine) Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfällt.
27Wird die Vollziehbarkeit der Untersagung bestätigt und der Antragstellerin damit jedenfalls vorübergehend ein Sammeln verwehrt, tritt auf ihrer Seite eine schwerwiegende und stark ins Gewicht fallende Rechtsbeeinträchtigung ein, wenn sich die Untersagung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist. Denn ihre Sammlungstätigkeit, die sie jedenfalls nach ihren Angaben im Rahmen des Anzeigeverfahrens, denen die Antragsgegnerin jedenfalls nicht grundsätzlich entgegengetreten ist, bereits bei Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 1. Juni 2012 ausgeübt hat, fällt in den Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 12, 14 GG, ohne dass es diesbezüglich einer Existenzgefährdung der Antragstellerin bedürfte. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin während der Dauer der Untersagung Einnahmen (unwiederbringlich) verloren gingen und bereits getätigte Investitionen, etwa für die Anmietung von Containerstellplätzen, sich als nutzlos erwiesen.
28Dagegen erscheint der von der Antragstellerin geltend gemachte Verlust von Marktchancen durch den Verlust von Containerstellplätzen eher unwahrscheinlich, weil bei (privatrechtlich) angemieteten Stellplätzen allein der Abzug der Container durch die Antragstellerin aufgrund der (unterstellt) vollziehbaren Untersagungsverfügung dem Vermieter kein Recht zur Vertragsbeendigung geben dürfte und die (unterstellt) vollziehbare Untersagungsverfügung die Antragstellerin zudem nicht daran hinderte, vorsorglich weitere Containerstellplätze anzumieten. Ferner erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Besitzer von zu entsorgenden Alttextilien, die diese bisher in Container der Antragstellerin eingeworfen haben, die Container der Antragstellerin dauerhaft meiden würden, wenn sie vorübergehend abzogen werden (müssten). Ein solchermaßen dauerhafter Akzeptanzverlust könnte allenfalls dann zu befürchten sein, wenn davon auszugehen wäre, dass Container von mit der Antragstellerin konkurrierenden Sammlungsunternehmen unmittelbar an die Stelle der (unterstellt) von der Antragstellerin entfernten eigenen Container träten. Hierfür spricht indes wenig, weil die Antragstellerin, wie zuvor dargelegt, die von ihr angemieteten Stellplätze nicht allein durch die (vorübergehende) Entfernung ihrer Container verlieren würde und ungewiss ist, ob es den Konkurrenzunternehmen gelingen würde, jeweils in der Nähe der Stellplätze der Antragstellerin eigene Stellplätze aufzutun.
29Ausgehend von einer ins Gewicht fallenden grundrechtlichen Beeinträchtigung der Antragstellerin lässt sich eine vergleichbar starke Beeinträchtigung öffentlicher Interessen für den umgekehrten Fall, dass die Vollziehung der Untersagung ausgesetzt wird und die Antragstellerin dementsprechend vorläufig weitersammeln kann, sich im Hauptsacheverfahren die Untersagung jedoch als rechtmäßig erweist, nicht feststellen.
30Soweit die öffentlichen Interessen dadurch beeinträchtigt würden, dass ein (unterstellt) "Unzuverlässiger" (vorübergehend) eine Sammlung durchgeführt hat, gibt das allein für die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nichts her. Da eine Sammlungsuntersagung wegen Unzuverlässigkeit kein Selbstzweck ist, sondern in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Interessen dient, die im Fall der Tätigkeit des Unzuverlässigen beeinträchtigt werden, hängt der Schweregrad der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen vor allem davon ab, welche öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufgrund der Tätigkeit eines unzuverlässigen Sammlers voraussichtlich beeinträchtigt oder gefährdet werden.
31Hier stehen insbesondere Verstöße gegen straßenrechtliche Vorschriften in Rede. Unabhängig davon, ob deren Verletzung im Verhältnis zu der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin überhaupt als gleich- oder höhergewichtig angesehen werden kann, bedeutete die Aussetzung der Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht, dass die Beeinträchtigung öffentlich-rechtlicher Interessen in Gestalt von Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften (unerlaubte Sondernutzung) in der Weise feststünde, dass sie von der Antragsgegnerin hinzunehmen wäre. Vielmehr wäre die Antragsgegnerin im Fall der Aussetzung der Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht gehindert, gegen unerlaubte Sondernutzungen der Antragstellerin auf straßenrechtlicher Grundlage einzuschreiten. Deshalb ist das Gewicht der öffentlichen Interessen, die im Fall der Sammlungstätigkeit der als unzuverlässig unterstellten Antragstellerin beeinträchtigt werden, eher als gering einzuschätzen.
32Soweit darüber hinaus in Rede steht, dass die Antragstellerin auch Privatgrund-stücke für das Aufstellen von Containern unberechtigt in Anspruch nimmt und sich dadurch möglicherweise einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil verschafft, gibt dies für eine (schwerwiegende) Beeinträchtigung gerade öffentlicher Interessen wenig her.
33Anhaltspunkte dafür, dass die öffentlichen Interessen bei einem vorübergehenden Weitersammeln der Antragstellerin aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen oder nicht schadlosen Verwertung von Abfällen beeinträchtigt wären (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 KrWG), liegen nicht vor; die diesbezüglich vom Verwaltungsgericht geäußerten Befürchtungen erscheinen eher theoretisch.
34Was schließlich die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten als öffentliche Interessen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 KrWG) anbelangt, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es insoweit zu einer Gefährdung oder wesentlichen Beeinträchtigung (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG) kommt, wenn die Antragstellerin ihre Sammlung (vorübergehend) fortsetzt. Solche Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht aus der Stellungnahme (gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG) des öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträgers ("entsorgung h. ") im Anzeigeverfahren. Dieser kann lediglich entnommen werden, dass im Gebiet der Antragsgegnerin mit deren Einverständnis karitative Verbände (wohl flächendeckend) Alttextilien sammeln und (wohl auch) der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die karitativen Verbände insoweit gewähren lässt. Angesichts dessen kann noch nicht einmal sicher beurteilt werden, ob es sich bei den karitativen Verbänden um Drittbeauftragte des öffentlichen Entsorgungsträgers handelt. Selbst wenn dies unterstellt würde und trotz der hier anzunehmenden vorübergehenden Sammlungstätigkeit der Antragstellerin zudem mit Blick auf § 17 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 KrWG - unter Ausblendung von sich aus europarechtlichen Vorschriften ergebenden gravierenden Bedenken gegen eine uneingeschränkte Heranziehung dieser Regelungen,
35vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 28. Januar 2013- W 4 S 12.1130 -, juris -
36von einer Gefährdung oder wesentlichen Beeinträchtigung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auszugehen wäre, wäre das Gewicht der solchermaßen bestimmten öffentlichen Interessen nach dem in § 18 Abs. 7 KrWG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken hier als deutlich reduziert anzusehen. Denn die Antragstellerin hat nach ihrem Vortrag im Anzeigeverfahren bereits vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Alttextilien im Gebiet der Antragsgegnerin gesammelt. Vorbehaltlich eines diesbezüglich noch von der Antragstellerin zu erbringenden Nachweises, auch was den Umfang der vor dem 1. Juni 2012 betriebenen Sammlung anbelangt, liegen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Nebeneinander der Sammlungen der Antragstellerin einerseits und der karitativen Verbände andererseits in der Vergangenheit zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten geführt hat. Auch die Antragsgegnerin, die diesbezüglich gegebenenfalls darlegungspflichtig sein dürfte, hat bisher nichts Entsprechendes vorgetragen.
37Ist nach den vorstehenden Ausführungen eine Aussetzung der Vollziehung der Untersagungsverfügung geboten, d. h. insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen, gilt Entsprechendes für die Zwangsgeldandrohung unter II. der angefochtenen Verfügung, die an die Untersagung anknüpft.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
39Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die verfügte Sammlungsuntersagung einer partiellen Gewerbeuntersagung gleichkommt, erscheint eine Orientierung an der Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit als interessengerecht. Der danach entscheidende Jahresgewinn ist anhand der von der Antragstellerin selbst in der Sammlungsanzeige angegebenen maximal erwarteten Jahressammelmenge (100 t) zu bestimmen. Ausgehend von einem erzielbaren Erlös pro Tonne Alttextilien von 400,00 €, wie er in zahlreichen anhängigen Beschwerdeverfahren betreffend die Untersagung von Alttextiliensammlungen genannt wird, und einer (geschätzten) Gewinnmarge von 50 % ergibt sich hier ein Jahresgewinn von 20.000,00 €, der im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Rechtsschutzverfahrens zu halbieren ist.
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