Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 B 866/13
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die angegriffene Entscheidung abzuändern.
3Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2013. Dies gilt sowohl hinsichtlich des bis zum 31. Oktober 2013 befristeten Ausreiseverbots nach Ziffer 1 als auch bezüglich der Herausgabeanordnung hinsichtlich der Pässe und Passersatzpapiere des Antragstellers gemäß den Ziffern 2 und 3.
4Diese Interessenabwägung hat hier unabhängig von dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu erfolgen, weil sich dieser gegenwärtig nicht hinreichend sicher prognostizieren lässt.
5Maßgebliche Rechtsgrundlage für das den Kern des Rechtsstreits bildende Ausreiseverbot ist § 46 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach kann einem Ausländer die Ausreise in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 1 und 2 des Passgesetzes (PassG) untersagt werden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG kann einem Deutschen die Ausreise in das Ausland u.a. dann untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere und äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
6Derzeit ist offen, ob der Tatbestand dieser Ermächtigungsgrundlage gegeben ist.
7Die angegriffene Ordnungsverfügung stützt sich insoweit maßgeblich auf das Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 9. Juli 2013, das an das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen gerichtet ist und nachrichtlich an das Bundeskriminalamt C. übersandt wurde. Das Behördenzeugnis hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:
8„Der türkische Staatsangehörige C1. B. , geb. in P. /TR, whft. I. Str. , O. , plant im Rahmen eines Syrien-Konvois des Vereins „ e.V.“ am 14. Juli 2013 aus Deutschland auszureisen.
9Am 8. Juli 2013 konnte die Information erlangt werden, dass der Nutzer der Rufnummer 0049………… B. über den Aufenthalt einer hier unbekannten Person namens „Z. aus C2. “ in der Türkei informierte. „Z. “ wolle nach I1. und „dann rein“. B. weist seinen Gesprächspartner an, dass „Z. “ im IHH-Büro in S. /Zentrum auf ihn (B. ) warten solle. Auf die Frage „Und was ist, wenn der sagt: ´Ich will aber nicht warten auf Stoff! Ich bin sofort bereit!´“, reagiert B. aufgrund der Unbekümmertheit und mangelnden Konspirativität seines Gesprächspartners ungehalten….“
10Dieses Behördenzeugnis begründet für sich genommen noch nicht die Annahme, dass der Antragsteller sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gefährdet, weil er – wie die Antragsgegnerin meint – einer Kontaktperson im Ausland Sprengstoff übergeben wolle. Diese Annahme ist aufgrund des Behördenzeugnisses aber auch nicht etwa von vornherein ausgeschlossen oder fernliegend. Insoweit wird der Sachverhalt also gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären sein. Diese Notwendigkeit erübrigt sich nicht aufgrund der vorgelegten Erklärungen des Antragstellers, des Herrn W. C3. und des Herrn Z. F. . Vielmehr wirft die im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn Z. F. vom 5. August 2013, bei dem es sich um die im Telefongespräch als „Z. aus C2. “ bezeichnete Person handeln soll, weitere Fragen auf. Die in dieser eidesstattlichen Versicherung gemachten Angaben des Herrn F. lassen sich nämlich nicht recht mit dem im Behördenzeugnis dargelegten Inhalt des Telefongesprächs bzw. u.a. den Angaben des Herrn C3. in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juli 2013 in Einklang bringen. Herr F. , der angibt, er habe dem Herrn C3. mitgeteilt, dass er beim Transport von Hilfsgütern nach Syrien helfen wolle, trägt nämlich des Weiteren vor, er habe auf die Mitteilung des Herrn C3. , dass er warten solle, bis die Hilfsgüter herangeschafft seien, auch gewartet, denn „es hätte keinen Sinn gemacht, wenn ich allein nach Syrien gefahren wäre, ich kann zum Beispiel kein Arabisch.“ Weshalb dann jedoch, wie Herr W. C3. in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juli 2013 vorträgt, „Z. “ gesagt haben soll, er wolle nicht warten, was im Übrigen auch mit dem im Behördenzeugnis dargestellten Inhalt des Telefongesprächs, „Z. “ wolle nach I1. und „dann rein“ sowie die an den Antragsteller gerichtete, vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss gewürdigte Frage („Und was ist, wenn der sagt: ´Ich will aber nicht warten auf Stoff! Ich bin sofort bereit“) in Einklang steht, ist nicht erkennbar. Es ist im Übrigen auch nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, inwiefern bzw. welche Tätigkeiten des Herrn Z. in Bezug auf eine Hilfsgüterlieferung nach Syrien angestanden haben sollen, weshalb er geäußert hat, nicht warten zu wollen, wenn der Hilfsgütertransport, bei dem er angeblich helfen wollte, erst später in S. eintreffen sollte. Erst recht fehlt eine plausible Erklärung dafür, weshalb der Antragsteller seinen Gesprächspartner anweisen muss, dass „Z. “ im IHH-Büro in S. /Zentrum auf ihn persönlich warten solle, wenn „Z. “ bei der geplanten, erst später (und zwar planungsgemäß doch zusammen mit dem Antragsteller) eintreffenden Hilfsgüterlieferung angeblich ohnehin lediglich helfen will.
11Erweist sich das unter Ziffer 1. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2013 bis zum 31. Oktober 2013 verfügte Ausreiseverbot mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen bei der gebotenen summarischen Überprüfung im Eilverfahren somit weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig, hat vorliegend eine von der Einschätzung der Erfolgsaussichten unabhängige allgemeine Interessenabwägung zu erfolgen, die gegenwärtig zu Ungunsten des Antragstellers ausfällt.
12Zwar wird durch das gegen den Antragsteller verfügte Ausreiseverbot in dessen Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, eingegriffen. In die Interessenabwägung sind aber, wie bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss in zutreffender Weise ausgeführt hat, die Folgen einzustellen, die sich im Falle einer Stattgabe des Aussetzungsantrags und einer Realisierung der von der Antragsgegnerin angenommenen Gefahrenlage ergeben würden. In diesem Fall käme es bei einer Beteiligung des Antragstellers als einem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer an einem Anschlag im syrischen Kriegsgebiet unter Umständen zu in ihren Ausmaßen derzeit nicht abschätzbaren Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit im Zielstaat des Anschlags durch die Anwendung von Gewalt gegen Personen und/oder Sachen und damit einhergehend auch zu erheblichen Beeinträchtigungen von Belangen der Bundesrepublik Deutschland. Deren Schutz gebührt Vorrang gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, vom Ausreiseverbot vor dem 31. Oktober 2013 verschont zu bleiben. Dabei berücksichtigt der Senat insbesondere auch, dass dem Antragsteller mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung die Ausreise lediglich bis zum 31. Oktober 2013 untersagt, d.h. das Ausreiseverbot nur für einen beschränkten Zeitraum von ca. 3 ½ Monaten verfügt worden ist und dass des Weiteren mit der Beschwerde nichts dafür dargetan und erst recht vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht worden ist, dass etwaige weitere bis zum 31. Oktober 2013 stattfindende Hilfsgüterlieferungen des Vereins „ e.V.“ nicht ohne den Antragsteller stattfinden könnten.
13Nichts anderes gilt, sofern sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde gegen Ziffer 2. und 3. der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2013 wendet. Denn die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich insoweit um eine Annexmaßnahme handle, die grundsätzlich das rechtliche Schicksal der Hauptmaßnahme teile, wird mit dem Beschwerdevorbringen nicht in Zweifel gezogen.
14Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde schließlich weiterhin beantragt, „die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Pass des Ast. herauszugeben“, bleibt ihr auch insoweit der Erfolg versagt. Das Beschwerdevorbringen setzt sich schon nicht ansatzweise mit der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts unter II. des angefochtenen Beschlusses auseinander, dieser Antrag sei unzulässig, weil er gemäß § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft sei.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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