Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 B 1422/13
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Die Beschwerde hat nicht die nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
3Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle an einem Anordnungsanspruch, weil der Antragstellerin das begehrte Pflegewohngeld bei summarischer Prüfung gemäß § 12 PflG NRW nicht zustehe, da berechtigte Zweifel an der geltend gemachten Mittellosigkeit bestünden, ist auch unter Berücksichtigung der vom Senat allein zu prüfenden Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht zu beanstanden.
4Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich ist die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruches als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
5Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, soll grundsätzlich wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden; eine solche Vorwegnahme träte mit der begehrten Regelung aber ein. Wegen des Gebots des Art. 19 Abs. 4 GG, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, kommt allerdings eine Ausnahme von diesem Grundsatz in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2012
7- 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011
8- 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010
9- 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
10Dabei stellt die Vorwegnahme der Hauptsache auch gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010 - 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
12Eine solche hohe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des von der Antragstellerin klageweise verfolgten Pflegewohngeldanspruchs lässt sich indes nicht feststellen. Denn nach derzeitigem Erkenntnisstand sprechen Gründe für einen Anspruchsausschluss wegen einzusetzenden Vermögens, die jedenfalls so gewichtig sind, dass keine Rede davon sein kann, ein Klageerfolg sei hochgradig wahrscheinlich.
13Eine Gewährung von Pflegewohngeld setzt nach § 12 Abs. 3 Satz 1 PflG NRW voraus, dass das Einkommen und das Vermögen des Heimbewohners zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten ganz oder teilweise nicht ausreicht.
14Das Verwaltungsgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Bewilligung von Pflegewohngeld auch solche Beträge als Vermögen des Pflegebedürftigen zu berücksichtigen sind (soweit sie die Schonvermögensgrenze nach § 12 Abs. 3 PflG NRW überschreiten), deren Verbleib ungeklärt ist. Dieser Ansatz folgt dem Grundprinzip, dass Unklarheiten hinsichtlich des Nichtvorhandenseins von Vermögen bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Pflegewohngeld zu Lasten des Anspruchstellers gehen,
15vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. September 2012 - 12 A 2248/11 -, juris, vom 17. November 2010 - 12 A 2648/09 - und - 12 A 2146/10 -, beide juris, vom 26. Mai 2009 - 12 E 1498/08 -, juris, und vom 15. April 2008 - 16 A 2291/06 ,
16hier also der Antragstellerin.
17Überzeugend hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt, dass vor allem angesichts der dürftigen Angaben der Frau L1. I. , einer Tochter der Antragstellerin, nach wie vor unklar sei, wo ein Großteil des im April 2006 vereinnahmten Erlöses verblieben sei, den die Antragstellerin aus der Veräußerung einer ihr gehörenden Immobilie zum Kaufpreis von 117.000 Euro erzielt habe. Dem setzt die Beschwerde nichts Gewichtiges entgegen. Die nach Auffassung der Antragstellerin „unmissverständliche“ Erklärung des - erst im September 2012 - bestellten Berufsbetreuers, Herrn N1. N2. , es seien keine liquiden Mittel vorhanden, vermag insbesondere nicht zu aufzuhellen, ob und gegebenenfalls wofür die vom Konto der Antragstellerin in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Eingang der Kaufpreiszahlung ausgezahlten Barbeträge, welche sich nach der Aufstellung des Antragsgegners in seiner Erwiderung vom 21. Oktober 2013 auf immerhin 93.000 Euro summierten, verausgabt worden sind. Ebenso bleibt weiterhin im Dunkeln, welchem konkreten Zweck der Anfang Mai 2006 an eine Versicherung überwiesene Betrag in Höhe von 20.000 Euro diente. Die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe „keinerlei Unterlagen angefordert, die der gesetzliche Betreuer hätte vorlegen können“, wird dadurch kontrastiert, dass der Antragsgegner den Betreuer bereits unter dem 11. Dezember 2012 gebeten hat nachzuweisen, „wer diese Abhebungen vorgenommen hat“, und mit Schreiben vom 16. April 2013 ausdrücklich dazu aufgefordert hat, die unterschriebenen Auszahlungsbelege einzureichen. Einen Eingang dieser Unterlagen weisen die Akten ebenso wenig aus wie eine Äußerung des Betreuers dazu, dass eine Vorlage nicht möglich gewesen sei, was in Anbetracht der im Bankwesen üblichen Aufbewahrungsfristen auch nicht naheläge. Die Beibringung dieser Belege dürfte aber schon insofern unverzichtbar für eine weitere Aufklärung des Verbleibs des Geldes sein, als Frau L1. I. , wie aus den Ergebnissen des von der Antragsgegnerin veranlassten Kontenabrufs hervorgeht, in der Zeit vom 18. Januar 1994 bis zur Schließung im Januar 2012 verfügungsberechtigt für die bei der E. Bank geführten Konten der Antragstellerin ( und ) war. Auch stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise Frau I. bei der Zahlung des Betrages von 20.000 Euro an die Q. involviert war; ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Kopie bzw. Reproduktion des Überweisungsträgers trägt selbiger zwar die Unterschrift der Antragstellerin, im Übrigen indes ähnelt die Handschrift auffallend dem Duktus, der etwa in dem von der Tochter der Antragstellerin ausgefüllten Sozialhilfeantrag aus Januar 2012 zum Ausdruck kommt.
18Der Mutmaßung der Beschwerde, die demente Antragstellerin habe das Geld „schlichtweg verpulvert‘“, ist der Antragsgegner mit guten Gründen begegnet, denen die Antragstellerin ihrerseits nichts entgegengesetzt hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das im Betreuungsverfahren erstattete Gutachten des Dr. med. G. vom 2. November 2012, auf das sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang beruft, ihr zwar eine „fortgeschrittene Demenz“ bescheinigt, allein diese Diagnose jedoch für den Geisteszustand der Antragstellerin vor etlichen Jahren nichts Wesentliches hergibt, weil sie offenlässt, wann die Demenz einsetzte, und insofern nicht zu erklären vermag, welche Bewandtnis es mit den bemerkenswerten Barabhebungen im Zeitraum März bis Juli 2006 hatte. Hinzu kommt, dass eine weitere Tochter der Antragstellerin, Frau B. Q1. , einem Aktenvermerk vom 12. Juli 2012 zufolge gegenüber dem Sozialamt der Antragsgegnerin angegeben hat, ihre Mutter habe „immer sehr sparsam gelebt“.
19Soweit die Beschwerde auf einen unverschuldeten Beweisnotstand abhebt, zwänge dieser, selbst wenn er vorläge, wovon nach den vorstehenden Ausführungen gegenwärtig nicht auszugehen ist, nicht zu dem Schluss, es existiere kein verwertbares Vermögen mehr. Ein solcher Beweisnotstand würde im Rahmen der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Würdigung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen nur die Möglichkeit eröffnen, von der Wahrheit substantiierter schlüssiger und plausibler Darlegungen im Sinne wohlwollender Beurteilung auszugehen. Die Beweisnot eines Beteiligten führt nicht dazu, dass an seine Behauptung ein geringerer Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen oder von einer deren Würdigung vorangehenden Sachaufklärung abzusehen ist. Auch bewirkt die Beweisnot weder eine Beweislastumkehr noch eine Verringerung des Beweismaßes.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009
21- 19 A 448/07 -, juris, m. w. N.; Beschluss vom 17. November 2010 - 12 A 2146/10 -, juris; VG Münster, Urteil vom 18. Januar 2010 - 6 K 1848/08 -, juris.
22Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
23Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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