Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 E 51/14
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwältin I. in C. beigeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beklagten ist eine Fassung des vorliegenden Beschlusses zu übermitteln, in welcher der zweite Absatz der Gründe gelöscht ist.
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Gründe:
2Die Prozesskostenhilfebeschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.
3Die Klage hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die nach § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Die Verfassungsmäßigkeit insbesondere des hier auf den Kläger angewendeten Verlusttatbestandes in § 29 Abs. 3 Satz 2 StAG ist in der Literatur umstritten und in der Rechtsprechung bislang ungeklärt.
4Vgl. dazu Berlit, in: GK-StAR, Stand: Dezember 2013, IV-2 § 29 StAG, Rdn. 13 ‑28 m. w. Nachw.
5Das Verwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage weder im angefochtenen Beschluss noch in dem darin in Bezug genommenen Urteil vom 25. Juli 2013 ‑ 11 K 482/13 ‑, juris, auseinander gesetzt. Hierzu bestand jedoch Veranlassung, weil der Kläger sich in der Klageschrift und auch in seinem Aussetzungsantrag 11 L 709/13 ausdrücklich auf „die ungeklärten Fragen zur Verfassungsmäßigkeit des § 29 StAG“ und das Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung hierzu berufen hatte.
6Aus Anlass der Eingangsverfügungen des Verwaltungsgerichts in Eil- und Klageverfahren regt der Senat nach § 86 Abs. 3 VwGO an, den Antrag im erstinstanzlichen Klageverfahren im Sinne einer Anfechtungsklage gegen den Verlustfeststellungsbescheid nach § 29 Abs. 6 StAG vom 19. September 2013 umzustellen. Der Feststellungsantrag, den der Kläger auf Anregung des Verwaltungsgerichts im Schriftsatz vom 8. November 2013 angekündigt hat, ist wegen Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig. Seit dem 28. August 2007 sehen die §§ 29 Abs. 6 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 1 StAG die förmliche Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit durch feststellenden Verwaltungsakt vor. Diese behördliche Statusfeststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StAG). Für eine Klage auf eine positive behördliche Statusfeststellung (Staatsangehörigkeitsausweis, Abs. 3 Satz 1) ist die Verpflichtungsklage, für eine Klage gegen eine von Amts wegen getroffene negative behördliche Statusfeststellung die Anfechtungsklage statthaft.
7Vgl. SächsOVG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 3 A 793/12 ‑, juris, Rdn. 23; OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2009 ‑ 12 E 205/09 ‑, S. 2 des Beschlussabdrucks; Bay. VGH, Beschluss vom 18. Januar 2010 ‑ 5 C 09.3155 ‑, juris, Rdn. 3; VG München, Urteil vom 5. Oktober 2009 ‑ M 25 K 08.2073 ‑, juris, Rdn. 16; VG Ansbach, Urteil vom 8. Dezember 2010 ‑ AN 15 K 10.01598 ‑, juris, Rdn. 16.
8Die frühere Rechtsprechung, nach der für ein Begehren auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft war,
9BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 ‑ 1 C 16.87 ‑, NVwZ 1993, 781, juris, Rdn. 20; Urteil vom 6. Dezember 1983 ‑ 1 C 122.80 ‑, BVerwGE 68, 220, juris, Rdn. 12,
10ist seit der Neufassung des § 30 StAG durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz mit Wirkung vom 28. August 2007 obsolet.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
12Die Beiordnung des Rechtsanwalts erfolgt gemäß § 121 Abs. 2 ZPO.
13Die Anordnung, der Beklagten den zweiten Absatz der Gründe dieses Beschlusses vorzuenthalten, beruht auf § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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