Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 274/12
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die zulässige Klage richtet sich – wie im Rubrum berichtigt – gegen die S. G. -X. -Universität C. , vertreten durch den Rektor (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 2 HG NRW).
4Aus den im Zulassungsverfahren innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
5Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die mit Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2010 durch den Dekan ihrer Medizinischen Fakultät verfügte Entziehung der dem Kläger verliehenen Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ sei formell und materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Zuständigkeit des Fachbereichs für die Entscheidung über die Entziehung der Bezeichnung ergebe sich als „actus contrarius“ aus seiner Zuständigkeit für ihre Verleihung. Letztere folge aus der in den §§ 16, 26 HG NRW gesetzlich geregelten Aufgabenverteilung zwischen Rektorat und Fachbereich. Die Regelung des § 18 Abs.1 der Fakultätsordnung der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 19. August 2003 in der hier maßgeblichen Fassung der Änderungsordnung vom 13. Juli 2005 (nachfolgend: FakultätsO 2005) stehe dem nicht entgegen, da sie im „Lichte der Vorgaben“ des Hochschulgesetzes auszulegen sei. Auch sei diese Aufgabe durch die Grundordnung der Beklagten nicht auf andere zentrale Organe der Hochschule verlagert worden. Rechtsgrundlage für die angefochtene Rücknahme der Verleihung sei § 18 Abs. 6 Satz 3 FakultätsO 2005, dessen Voraussetzungen hier erfüllt seien. Hiernach könne die Verleihung zurückgenommen werden, wenn ein Grund vorliege, der bei einem Beamten die Rücknahme der Ernennung rechtfertigen würde. Die Annahme, der Kläger sei wegen seiner Verurteilung zu der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 11 Monaten als unwürdig im Sinne von §§ 12 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG anzusehen, begegne keinen Bedenken. Das abgeurteilte Vergehen der Bestechlichkeit stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wirken des Klägers bei der Beklagten und stelle eine nachhaltige Störung des Wissenschaftsbetriebes der Beklagten dar. Mit der Annahme von Geld für die Übernahme von Promotionskandidaten sei der Anschein erweckt worden, Doktortitel seien käuflich bzw. die Zahlung eines Geldbetrages erleichtere deren Erwerb. Die Entscheidung sei ermessensfehlerfrei getroffen worden. Schließlich sei die Rücknahme auch rechtzeitig vorgenommen worden.
6Diese vom Verwaltungsgericht eingehend begründeten Annahmen werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
7Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Fachbereich und (für ihn als ausführendes Organ) der Dekan seien für die angefochtene Rücknahme der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ nicht zuständig gewesen. Diese Auffassung trifft nicht zu. Gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 HG NRW wird die Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ von der Hochschule verliehen. Rücknahme und Widerruf der Bezeichnung werden gemäß § 41 Abs. 4 Satz 2 HG NRW durch die Hochschule geregelt. Zuständig für die Entscheidung über die Verleihung der Bezeichnung und damit als „actus contrarius“ auch für deren Rücknahme ist mangels anderer ausdrücklicher Regelung gemäß §§ 16, 26 ff. HG NRW der Fachbereich. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 HG NRW obliegen dem Präsidium der Hochschule, d.h. hier gemäß § 14 Abs. 2 HG NRW i.V.m. § 5 der Grundordnung der Beklagten in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 24. Mai 2007 (nachfolgend: Grundordnung) dem Rektorat, alle Angelegenheiten und Entscheidungen der Hochschule, soweit in den Bestimmungen des HG NRW nicht ausdrücklich eine andere Zuständigkeit festgelegt ist. Eine solche Festlegung ist für die außerplanmäßige Professur getroffen worden. Die Zuständigkeit des Fachbereichs für deren Verleihung und deren Rücknahme ergibt sich aus § 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 HG NRW. Hiernach erfüllt der Fachbereich als organisatorische Grundeinheit für sein Gebiet die Aufgaben der Hochschule. Dabei handelt er durch seine Organe. Dies sind der Dekan und der Fachbereichsrat (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 1 HG NRW). Seine Organisation regelt der Fachbereich durch eine Fachbereichsordnung und erlässt die sonstigen zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Ordnungen (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 2 HG NRW). Die Beschlussfassung über die Verleihung und Rücknahme der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ obliegt dem Fachbereichsrat als eine Angelegenheit des Fachbereichs, für die nicht die Zuständigkeit des Dekans oder eine andere Zuständigkeit bestimmt ist (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 HG NRW).
8Vgl. zur gleichgelagerten Zuständigkeit für die Honorarprofessur OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2013 - 6 A 839/11 -, juris, Rn. 53 – 56 m.w.N.
9Die Regelung des § 18 Abs. 1 FakultätsO 2005, wonach das Rektorat auf Antrag der Fakultät nach Zustimmung des Senats - bei Vorliegen der im Weiteren genannten Voraussetzungen - die Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ verleihen kann, begründet die Zuständigkeit des Rektorats nicht. Diese Regelung ist unwirksam, da sie mit den genannten Bestimmungen des Hochschulgesetzes nicht in Einklang steht. Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 HG NRW kann nur die Grundordnung regeln, dass Aufgaben der Fachbereiche auf zentrale Organe - hierzu zählen u.a. der Rektor und das Rektorat (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 HG NRW) - verlagert werden. Eine derartige Regelung enthält die Grundordnung der Beklagten jedoch nicht.
10Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochten Entscheidung weckt auch das Vorbringen nicht, die Wertungen und Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts zu der Annahme, der Kläger sei zu Recht als unwürdig im Sinne der §§ 12 Abs. 1 Nr. 2 und 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG angesehen worden, seien durch den maßgeblichen, seit dem 3. Januar 2009 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichtes C1. -H. vom 8. Dezember 2008 - 46 Cs 550/08 – (114 Js 74/08 Staatsanwaltschaft L. ) und den darin zugrunde gelegten Sachverhalt nicht gedeckt. Das Fehlverhalten betreffe ausschließlich die Vermittlung von Promotionsmöglichkeiten, nicht dagegen die Beeinflussung der Promotionsverfahren bzw. deren Ergebnisse. Nichts anderes hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt. Es hat zu Recht entscheidend darauf abgestellt, dass die für die angefochtene Rücknahme maßgebliche Rechtsgrundlage des § 18 Abs. 6 Satz 3 FakultätsO 2005 i.V.m. §§ 12 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG an die strafrechtliche Verurteilung anknüpft, mit der der Unwertgehalt des Verhaltens des Klägers als Vergehen der Bestechlichkeit im Rahmen seines Wirkens bei der Beklagten festgestellt worden ist. Den Strafbefehl und die darin enthaltene strafrechtliche Würdigung seines Verhaltens hat der Kläger akzeptiert und nicht durch Einspruch angefochten. Gemäß § 410 Abs. 3 StPO steht der Strafbefehl damit einem rechtskräftigen Urteil gleich. Das Verwaltungsgericht ist hierbei nicht davon ausgegangen, die von dem Kläger betreuten Promotionen seien nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es hat lediglich angenommen, durch das Fehlverhalten des Klägers sei „der Anschein“ erweckt worden, Doktortitel seien käuflich bzw. die Zahlung eines Geldbetrages erleichtere den Erwerb. Gründe, die diese Annahme unzutreffend erscheinen lassen, legt der Kläger nicht dar. Auf die Frage, ob die Betreuung von Doktoranden zu seinen arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgaben gehörte, kommt es nicht an. Der Kläger hat diese Aufgabe jedenfalls im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellter der Beklagten in dem fraglichen Zeitraum von 2001 bis 2003 wahrgenommen. Auch steht außer Zweifel, dass er als Betreuer und damit erster Gutachter nicht berechtigt war, für die Annahme der Promotionskandidaten Geldzahlungen entgegenzunehmen.
11Der Kläger beruft sich ferner ohne Erfolg darauf, die Rücknahme der Bezeichnung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht rechtzeitig erfolgt. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Regelung der § 18 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW für nicht anwendbar gehalten. Im Übrigen sei selbst die für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte allgemein geltende Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW nicht eingehalten worden. Dem Schreiben der Beklagten an die Staatsanwaltschaft L. vom 4. September 2009 und den vorgelegten Presseberichten vom 22. September und 6. Oktober 2009 sei zu entnehmen, dass der Dekan und damit der Fachbereich bereits ab September 2009 von dem gegen den Kläger ergangenen Strafbefehl vom 8. Dezember 2008 Kenntnis erhalten und die internen Überprüfungen eingesetzt hätten. Die diesbezüglichen Hausakten hierzu habe die Beklagte nicht vollständig vorgelegt.
12Die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW, wonach in den Fällen des § 12 BeamtStG die Ernennung eines Beamten innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden muss, nachdem die dienstvorgesetzte Stelle von der Ernennung und dem Grund der Rücknahme Kenntnis erlangt hat, ist hier weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Bei der Rücknahme der Verleihung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ handelt es sich nicht um die Rücknahme einer Ernennung als statusrechtliche Maßnahme zur Begründung oder im Rahmen eines Beamtenverhältnisses (vgl. § 8 BeamtStG). Gemäß § 41 Abs. 3 Satz 4 HG NRW begründet die Bezeichnung weder ein Dienstverhältnis noch den Anspruch auf Übertragung eines Amtes. Auch weist § 18 Abs. 6 Satz 3 FakultätsO 2005 für die Rücknahme der Verleihung nicht auf die Frist des § 18 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW hin. Für eine analoge Anwendung fehlt es an der hierfür erforderlichen Regelungslücke. Auch verlangt die Interessenlage keine entsprechende Anwendung dieser Sonderbestimmung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die verkürzte Frist des § 18 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW auf dem gesteigerten Interesse sowohl des Beamten als auch des Dienstherrn beruht, den Status eines Beamten angesichts der daran geknüpften beamten-, besoldungs- und versorgungsrechtlichen Rechtsfolgen frühzeitig zu klären. Die mit dem Verlust der Bezeichnung vom Kläger befürchteten nachteiligen finanziellen Folgen und die Ansehenseinbuße zeigen keine vergleichbare Interessenlage auf.
13Maßgeblich für die streitige Rücknahme ist § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW. Hiernach ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhalten hat, welche die Rücknahme rechtfertigen. Das Vorbringen des Klägers weckt keine Zweifel daran, dass die am 17. Dezember 2010 bekanntgegebene Rücknahme rechtzeitig erfolgt ist. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW verlangt für den Beginn der Frist, dass der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Hierzu gehören auch alle für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Die Behörde erlangt positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt.
14Vgl. BVerwG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1984 – GrSen 1.84 und GrSen 2.84 -, juris.
15Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist erst beginnen kann, gehört regelmäßig auch die Anhörung des Betroffenen (vgl. § 28 VwVfG NRW). Die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss der Anhörung offen hält. Das gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen.
16Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, juris, Rn.13.
17Die Annahme des Verwaltungsgerichts, frühester Zeitpunkt der Kenntnisnahme im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW sei hier der Zeitpunkt der Mitteilung des Rektors an den Fachbereich vom 22. Dezember 2009, mit der der Rektor den Dekan über den rechtskräftigen Strafbefehl und die darin vorgeworfenen Verfehlungen des Klägers informierte, begegnet hiernach im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln. Umstände, die für einen früheren Zeitpunkt als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntnisnahme sprechen, hat der Kläger nicht dargelegt. Sein Einwand, der Dekan sei den Presseberichten zufolge bereits im September 2009 von den Vorgängen allgemein unterrichtet gewesen, reicht hierfür nicht aus. Zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen waren zunächst die Akten der Staatsanwaltschaft beizuziehen. Ferner war der Kläger anzuhören, um im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung alle für und gegen ihn sprechenden Umstände hinreichend würdigen zu können. Dass die Voraussetzungen für einen solchen Kenntnisstand beim Fachbereich bereits vor der Mitteilung durch den Rektor vom 22. Dezember 2009 vorgelegen haben könnten, macht der Kläger nicht geltend. Insbesondere trägt er nicht vor, zu diesem Zeitpunkt bereits angehört worden zu sein. Auf die Frage, ob die Annahme des Klägers zutrifft, weitere bereits vor diesem Mitteilungsschreiben seit September 2009 entstandene Verwaltungsvorgänge seien bislang nicht vorgelegt worden, kommt es vorliegend nicht an. Eine bereits durchgeführte Anhörung wäre dem Kläger bekannt.
18Es lassen sich auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO feststellen. Zur Frage der Zuständigkeit ist bereits das Erforderliche ausgeführt worden. Allein mit dem nicht weiter begründeten Vorbringen, es bedürfe der Überprüfung, ob § 18 FakultätsO 2005 eine formell und materiell ordnungsgemäße Regelung im Sinne des § 41 Abs. 4 Satz 2 HG NRW darstelle, sind solche besonderen Schwierigkeiten ebenfalls nicht dargetan.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
20Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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