Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 21/14
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 24.280,31 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die (sinngemäß) geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO sind bereits nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen auf der Grundlage der maßgeblichen, fristgerecht vorgelegten Darlegungen nicht vor.
31. Die Berufung kann zunächst nicht nach dem sinngemäß (vgl. etwa: „Ferner irrt das Verwaltungsgericht …“) geltend gemachten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen werden. Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der die Zulassung der Berufung beantragende Beteiligte hat gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung (seiner Ansicht nach) zuzulassen ist. Darlegen in diesem Sinne bedeutet, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
4Vgl. etwa Beschluss des Senats vom 18. November 2010 – 1 A 185/09 –, juris, Rn. 16 f. = NRWE; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124a Rn. 186, 194.
5Auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stehe wegen der von ihm im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 geleisteten Mehrarbeitsstunden, soweit diese noch nicht vergütet worden seien, weder ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich noch auf Freizeitausgleich zu, weil die in Betracht kommenden Ausgleichsansprüche jedenfalls verjährt seien.
6a) Der Kläger wendet sich zunächst gegen Auffassung des Verwaltungsgerichts, hinsichtlich der monatsweise entstandenen Ausgleichsansprüche habe die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit dem Schluss des jeweils betroffenen Jahres (2002 bis 2006) zu laufen begonnen, weil er schon vor dem 1. Januar 2002 von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt habe i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Denn er habe, so das Gericht weiter, bereits vor diesem Zeitpunkt von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 3. Oktober 2000 – C-303/98 –, juris, Kenntnis gehabt, seit welchem hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs wegen der in Rede stehenden Zuvielarbeit bestanden hätten und eine (für den Kläger verjährungsrechtlich günstigere) verworrene Rechtslage nicht mehr gegeben gewesen sei. Die Kenntnis des Klägers von dem angesprochenen Urteil ergebe sich aus seinem unter Berufung auf eben dieses Urteil formulierten, bestandskräftig abgelehnten Antrag aus dem Jahre 2001 auf volle Anerkennung des von ihm zu leistenden Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit.
7Der Kläger führt insoweit zunächst aus, aufgrund des rechtswidrigen (mit Wirkung ab dem 10. August 2000 geltenden) Arbeitszeiterlasses seines Dienstherrn seien monatsweise gerade keine Ausgleichsansprüche entstanden; Entstehungszeitpunkt der eingeklagten Ansprüche sei vielmehr erst das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 –, BVerwGE 140, 351 = NVwZ 2012, 643 = juris. Dieses Vorbringen verkennt, dass das Entstehen der geltend gemachten (und vom Verwaltungsgericht als gegeben unterstellten) Ansprüche nicht von einer (ggf. rechtswidrigen) früheren Einschätzung der Beklagten oder von einem Gerichtsurteil abhängt, sondern allein von der wirklichen Sach- und Rechtslage.
8Gegen die Annahme seiner Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen macht der Kläger allein geltend, der eingeklagte Anspruch werde durch den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom „08.08.2002“ nicht tangiert, da dieser nur den davorliegenden Zeitraum bestandskräftig ergreife und nicht den hier fraglichen Zeitraum betreffe. Dieses Vorbringen liegt neben der Sache und verfehlt die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Die Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen ergibt sich nämlich nach der – zutreffenden – Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht aus dem Ablehnungsbescheid bzw. dessen Regelungsgehalt, sondern schon aus seinem eigenen, auf das Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 gestützten Antrag.
9Ferner rügt der Kläger die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, er habe aus der zugrundegelegten Kenntnis die richtigen Rechtsfolgerungen ziehen können, und macht weiter geltend, bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2011 seien die Sach- und Rechtslage nicht einheitlich zeitnah beurteilt worden und es habe deswegen eine verworrene Rechtslage bestanden. Der erste Teil dieser Rüge kann ernstliche Zweifel an dem angefochtenen Urteil schon deshalb nicht wecken, weil das Verwaltungsgericht eine solche Einschätzung nicht geäußert hat. Es hat vielmehr (im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. das Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 70.11 –, NVwZ 2012, 1472 = juris, Rn. 35 ff., 37) ausgeführt, es sei (aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich) nicht Voraussetzung für den Verjährungsbeginn, dass der Betroffene aus seiner Kenntnis auch die richtigen Rechtsfolgerungen ziehe. Der zweite Teil der Rüge genügt schon nicht den oben dargestellten Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Denn er stellt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine verworrene (also selbst von einem rechtskundigen Dritten nicht zuverlässig zu beurteilende, vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2008 – III ZR 220/07 –, NJW-RR 2008, 1237 = juris, Rn. 7) Rechtslage habe bereits spätestens seit dem Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 nicht mehr vorgelegen, nur ergebnishaft seine eigene – abweichende – Ansicht entgegen, ohne sich mit der einschlägigen Begründung des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen. Dieses hat – insoweit dem soeben zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 folgend – im angegriffenen Urteil ausgeführt, der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch sei schon 1991 entwickelt worden; zudem sei ein hinreichend qualifizierter Verstoß der Beklagten gegen Unionsrecht schon seit dem Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 anzunehmen, so dass spätestens seit dieser Entscheidung hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme bestanden hätten, ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen der fraglichen Zuvielarbeit könne Erfolg versprechen.
10b) Ferner wendet der Kläger gegen das angefochtene Urteil ein, er habe keinen Anlass gehabt, den rechtswidrigen Arbeitszeiterlass seines Dienstherrn in Frage zu stellen, da er auf die Richtigkeit dieses Erlasses vertraut habe. Dieser Vortrag, mit dem der Kläger erstinstanzliches Vorbringen lediglich wiederholt, verfehlt schon die Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Denn es setzt sich in keiner Weise mit der einschlägigen Begründung im angefochtenen Urteil auseinander (UA, S. 9 f.). Danach hat ein (schutzwürdiges) Vertrauen in die Richtigkeit des Arbeitszeiterlasses bezogen auf den hier relevanten Zeitraum von 2002 bis 2006 schon deshalb nicht mehr bestehen können, weil der Kläger die unionsrechtliche, durch das Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 geklärte Rechtslage ausweislich seines im Jahre 2001 gestellten Antrags bereits vor diesem Zeitraum gekannt habe. Da ihm zudem aufgrund des darauf ergangenen förmlichen Bescheides die diesbezügliche ablehnende Haltung der Beklagten bekannt geworden sei, sei es seine Sache gewesen, die Durchsetzung seiner (berechtigten) Ausgleichsansprüche weiter zu betreiben.
11c) Schließlich richtet sich das Zulassungsvorbringen gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte sei auch unter dem Aspekt von Treu und Glauben bzw. unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nicht gehindert gewesen, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen. Der Kläger rügt, hierdurch werde er trotz seines besonderen Status als Beamter rechtsschutzlos gestellt; das sei treuwidrig und konterkariere die Fürsorgepflicht. Da hier zudem atypische Umstände – die begehrte Gleichbehandlung mit Feuerwehrmännern in Landesbeamtenstellung – vorlägen, reiche es nicht aus, die Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede nur auf die Bindung der Beklagten an den Grundsatz sparsamer Haushaltsführung zu stützen.
12Dieses Vorbringen greift insgesamt nicht durch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Dienstherr nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung auch verpflichtet, gegen Besoldungs- und Versorgungsansprüche die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Damit wird dem Rechtsfrieden wie auch möglichen Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen, ohne dass der Grundsatz der Alimentationspflicht prinzipiell in Frage gestellt wird. Die Geltendmachung der Einrede kann jedoch unter besonderen Umständen des einzelnen Falls als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung greift dabei aber nicht bei jedem Fehlverhalten der Behörde. Andernfalls wäre die Erhebung der Einrede der Verjährung schon bei jedem rechtswidrigen Verhalten unzulässig. Erforderlich ist vielmehr ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn, das nicht notwendig schuldhaft zu sein braucht, das aber angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Beamte veranlasst worden ist, verjährungsunterbrechende oder – nunmehr – verjährungshemmende Schritte zu unterlassen. Zwar ist im Rahmen der Prüfung des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu berücksichtigen. Stellt die Erhebung der Verjährungseinrede aber keine unzulässige Rechtsausübung dar, kann sie nicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermessensfehlerhaft sein.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2006 – 2 C 14.05 –, ZBR 2006, 347 = juris, Rn. 23, Beschluss vom 30. Juni 1992 – 2 B 23.92 –, NVwZ 1993, 70 = juris, Rn. 12, und Urteil vom 25. November 1982– 2 C 32.81 –, BVerwGE 66, 256 = NVwZ 1983, 740 = juris, Rn. 16 ff., insb. 19 f.
14Nach den nicht substantiiert angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts verstößt die Erhebung der Verjährungseinrede hier indes nicht gegen Treu und Glauben und stellt sich insbesondere auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar (UA S. 8 oben bis S. 9 oben). Sind mithin diese Ausführungen als unbeanstandet zugrundezulegen, so kann die Erhebung der Einrede der Verjährung nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen nicht wegen einer Verletzung der Fürsorgepflicht ermessensfehlerhaft sein. Eine abweichende Bewertung kann sich auch nicht aus dem Vortrag ergeben, der Fall des Klägers müsse mit gleich gelagerten, aber anders entschiedenen Fällen von Feuerwehrleuten in Landesbeamtenstellung gleichbehandelt werden. Denn dieser Vortrag bleibt schon jede substantiierte Darstellung schuldig. Außerdem und vor allem aber kann der Kläger nicht mit Erfolg eine Gleichbehandlung mit Beamten eines anderen Dienstherrn einfordern. Denn jeder Träger öffentlicher Gewalt hat den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) grundsätzlich nur innerhalb seines eigen Zuständigkeitsbereichs zu beachten, und dieser begrenzten Bindung entspricht ein – in gleicher Weise eingeschränkter – Gleichheitsanspruch nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt.
15Vgl. etwa das Senatsurteil vom 17. März 2004– 1 A 661/02 –, Schütz/Maiwald, BeamtR ES/B I 2.4 Nr. 59 = juris, Rn. 43 f. = NRWE, m.w.N.
162. Ungeachtet der Frage hinreichender Darlegung weist die Rechtssache mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen auch nicht die geltend gemachten tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf; namentlich können die Erfolgsaussichten des angestrebten Rechtsmittels danach nicht schon als offen bezeichnet werden.
173. Schließlich kann eine Zulassung der Berufung auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
18Vgl. Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2011– 1 A 1925/09 –, juris, Rn. 31 m. w. N. = NRWE.
19Vorliegend fehlt es schon an der Ausformulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage im o.g. Sinne und damit an einer hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
21Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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