Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 413/13
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
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G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers, ihm für das Zulassungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war abzulehnen. Die Rechtsverfolgung bietet - wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt - nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
3Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zwar zulässig, aber nicht begründet, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gegeben ist.
4Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es vermag die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die im Streit stehende Maßnahme des Jugendamtes der Beklagten sei keine Inobhutnahme i. S. v. § 42 SGB VIII gewesen, sondern vielmehr in Ausübung der durch familiengerichtlichen Beschluss vom 2. Juli 2010 übertragenen Amtspflegschaft erfolgt, nicht in Frage zu stellen.
5Soweit der Kläger meint, aus dem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. November 2006 - 9 UF 142/06 -, JAmt 2007, 165, juris, ableiten zu können, dass die Voraussetzungen für eine Maßnahme in Ausübung der dem Jugendamt übertragenen Amtspflegschaft nicht vorgelegen hätten und „somit“ die streitgegenständliche Verbringung seines Sohnes L. in eine Jugendhilfeeinrichtung keine solche Maßnahme dargestellt habe, zeigt er nicht in einer den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise auf, warum die behauptete Rechtswidrigkeit eines Handelns in Ausübung der Amtspflegschaft Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Würdigung des Verwaltungsgerichts, es handele sich um ein Vorgehen in Ausübung der Amtspflegschaft, begründen sollte. Anlass zu entsprechenden Ausführungen hätte allein deshalb bestanden, weil der Kläger einerseits von einer Inobhutnahme ausgeht, andererseits aber der Auffassung ist, dass auch deren rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen seien. Davon abgesehen missversteht er die Relevanz des herangezogenen Beschlusses des Oberlandesgerichts, da der Wohnsitz des Kindes angesichts des vorläufigen Charakters der streitigen Maßnahme ersichtlich unberührt blieb.
6Vgl. insoweit zum sozial- und zivilrechtlichen Begriff des Wohnsitzes nur: BSG, Urteil vom 28. Mai 1997
7- 14/10 RKg 14/94 -, FEVS 48, 236, juris; Hauck/
8Noftz, SGB I, Stand Juli 2013, § 30 Rn. 11 f.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 7 Rn. 7; Schmitt, in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage 2001, § 7 Rn. 26 ff.
9Auch die weiteren Ausführungen des Klägers lassen eine substantiierte Auseinandersetzung mit der Gedankenführung des Verwaltungsgerichts vermissen. Das Argument, die Sachbearbeiterin des Jugendamtes sei im Verhältnis zur Amtspflegerin lediglich in einer unterstützenden Weise tätig geworden, die nicht auf eine Entscheidungshoheit der Erstgenannten schließen lasse (S. 11 des amtl. Abdrucks des angefochtenen Urteils, 2. Abs.), greift der Zulassungsantrag nicht auf. Die Darstellung des Klägers, die Maßnahme sei „überall“ als Inobhutnahme deklariert worden, befasst sich nicht näher mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass mitunter auch eine Bezeichnung als „Herausnahme“ stattgefunden habe (S. 12 des amtl. Abdrucks des angefochtenen Urteils, 2. Abs.), und zeigt insbesondere nicht deren tatsächliche Unrichtigkeit auf. Ebenso wenig geht der Kläger auf die Annahme ein, der Terminologie komme hier ohnehin kein entscheidendes Gewicht zu; soweit sich das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf gestützt hat, dass die Amtspflegerin keine Juristin sei, belässt es der Kläger bei der im Grunde inhaltsleeren Einwendung, ein solches Vorgehen könne „nicht wirksam sein“.
10Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie im betreffenden Berufungsverfahren eine klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
11Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 124 Rn. 126 ff., § 124 a Rn. 211 ff.
12Daran fehlt es hier. Mit der angestrebten Klärung, „ob das Jugendamt offensichtlich unzulässige Maßnahmen, hier Inobhutnahme, als solche deklarieren und durchführen kann, im Zweifelsfall sich aber darauf berufen darf etwas anderes gewollt oder durchgeführt zu haben“, genügt der Kläger den Darlegungsanforderungen jedenfalls insofern nicht, als er nicht herausarbeitet, inwieweit es für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Inobhutnahme darauf ankommen könne, dass sich das beklagte Jugendamt darauf beruft, „etwas anderes gewollt oder durchgeführt zu haben“, und auch keine fallübergreifende Bedeutung seiner Frage aufzeigt. Soweit es dem Kläger ferner darum geht, „dass der Unterschied und die verschiedenen Voraussetzungen für die beiden Maßnahmen ‚Inobhutnahme‘ gem. § 42 SGB VIII und ‚Herausnahme‘ klar definiert werden“, formuliert er keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, die in einem Berufungsverfahren mit positivem oder negativem Ergebnis beantwortet werden könnte.
13Schließlich greift auch die vom Kläger erhobene Divergenzrüge nicht. Nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Zulassungsantrag keine divergenzfähige Entscheidung benennt, von der das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll. Die bloße Bezugnahme auf eine „allgemeine Rechtsprechung“ genügt den Darlegungsanforderungen ersichtlich nicht; auf die konkret bezeichnete Entscheidung eines Oberlandesgerichts kann eine Divergenz nach dem eindeutigen Wortlaut des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von vornherein nicht gestützt werden.
14Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
15Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist damit rechtskräftig, vgl. § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Referenzen
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- VwGO § 154 1x
- VwGO § 124 4x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 188 1x
- § 42 SGB VIII 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 2x
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- 10 RKg 14/94 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x