Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 16 B 797/14
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist unbegründet. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
3Die Auffassung des Antragstellers, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens sei das Straßenverkehrsgesetz in seiner ab 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit dem Bewertungssystem des § 4 StVG statt des früheren Punktesystems anzuwenden, trifft nicht zu. Dass die Antragsgegnerin ihre Ordnungsverfügung vom 17. März 2014 noch auf der Grundlage der vormaligen Bestimmungen über das Punktesystem zu treffen hatte, wird vom Antragsteller nicht in Frage gestellt und liegt angesichts der Fortgeltung des § 4 StVG a. F. bis zum Inkrafttreten der Neuregelung, d.h. bis einschließlich zum 30. April 2014, auch auf der Hand. Die Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 StVG n. F. enthält keine Bestimmungen, die daran Zweifel aufwerfen könnten. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Ordnungsverfügungen ist nach gesicherter Auffassung in der Rechtsprechung auf die Sach‑ und Rechtslage im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten.
4BVerwG, Urteil vom 27. September 1995 ‑ 11 C 34.94 ‑, BVerwGE 99, 249 = NZV 1996, 84 = DAR 1996, 70 = juris, Rn. 9, und Beschluss vom 22. Januar 2001 ‑ 3 B 144.00 ‑, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Mai 2006 ‑ 16 B 1093/05 ‑, VRS 111 (2006), 230 = DAR 2007, 164 = juris, Rn. 5 f., und vom 23. April 2012 ‑ 16 E 22/12 ‑.
5Dies entspricht im Übrigen auch dem Zeitpunkt, der grundsätzlich bei – wie hier – in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklagen als maßgeblich angenommen wird.
6Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 97 ff. m.w.N.
7Nach dem Wegfall des Widerspruchsverfahrens ist dies der Zeitpunkt des Erlasses der streitbefangenen Ordnungsverfügung. Es spricht nichts dafür, hier von diesem Grundsatz abzuweichen.
8Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2014- 16 B 752/14 -, juris, Rn. 6.
9Das materielle Recht kann zwar zu Abweichungen von diesem Grundsatz führen. Speziell mit Blick auf das Punktesystem war indessen klargestellt, dass eine Abweichung vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Erlasses der abschließenden Verwaltungsentscheidung zwar in Frage kommt, dann aber gleichsam in die andere als die dem Antragsteller vorschwebende Richtung. Denn im Fall des Erreichens eines Punktestandes von 18 war die Rechtmäßigkeit einer die Fahrerlaubnis entziehenden behördlichen Entscheidung auch dann nicht in Frage gestellt, wenn sich schon im Zeitpunkt dieser Entscheidung ‑ insbesondere durch Tilgung ‑ der Punktestand schon wieder auf unter 18 vermindert hatte.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 ‑ 3 C 21.07 ‑, BVerwGE 132, 57 = NJW 2009, 610 = VRS 115 (2008), 451 = DAR 2009, 102 = juris, Rn. 9.
11Das Argument des Antragstellers, aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW lasse sich ableiten, dass es auf die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankomme, verfängt nicht. Dies folgt schon daraus, dass der Wiederaufnahmegrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW in aller Regel nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung greift und nicht auch Verwaltungsakte erfasst, die auf eine einmalige Gestaltung der Rechtslage gerichtet sind,
12vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 -, BVerwGE 104, 115 = juris, Rn. 23; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 51 Rn. 35.
13wie es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis der Fall ist,
14vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1976 - VII C 28.74 -, BVerwGE 51, 359 = juris, Rn. 29.
15Dass hier dennoch der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sein könnte, zeigt der Antragsteller auch mit seinem Vergleich mit baurechtlichen Beseitigungsanordnungen nicht auf.
16Die Richtigkeit der Punktebewertung wird durch die Beschwerdebegründung nicht erschüttert. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Mitteilungen an das Kraftfahrt-Bundesamt, denen Parkverstöße zugrunde lagen, seien falsch, weil diese Verstöße nicht zur Eintragung von Punkten führen könnten. Dabei übersieht der Antragsteller, dass gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG in der bis zum 30. April 2014 geltenden Fassung im Verkehrszentralregister u.a. Daten über rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 24, 24a oder 24c StVG gespeichert werden, wenn gegen den Betroffenen – wie hier wegen der Parkverstöße – eine Geldbuße von mindestens vierzig Euro festgesetzt ist. Diese Ordnungswidrigkeiten wurden nach Nr. 7 der Anlage 13 zur FeV a.F. mit einem Punkt bewertet. Der Eintragung der Punkte stand auch nicht § 28a Satz 1 Nr. 2, Satz 2 StVG entgegen. Nach den vom Antragsteller nicht bestrittenen Angaben der Antragsgegenerin sind die erhöhten Bußgelder nicht seinen wirtschaftlichen Verhältnissen geschuldet, sondern allein dem Umstand, dass es sich beim Antragsteller um einen Wiederholungstäter handelt. An die rechtskräftigen Entscheidungen über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG a.F. gebunden. Auch nach dem Vorbringen des Antragstellers ist davon auszugehen, dass die von ihm bemängelten Entscheidungen über die begangenen Ordnungswidrigkeiten rechtskräftig sind. Der Einwand des Antragstellers, es habe keine Geldbuße in Höhe von 40 Euro oder mehr für die Parkverstöße verhängt werden dürfen, ist aus diesem Grund nicht beachtlich.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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