Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 14 A 2687/13
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger betrieb seit dem 15.8.2004 die Gaststätte E. in Köln, die er anfänglich von der E1. GmbH gepachtet hatte. Nach Auslaufen des Pachtvertrags pachtete der Kläger die Gaststätte vom Eigentümer. Nach § 17 des Pachtvertrags vom 11.8.2004 mit der E1. durften Automaten und Spielgeräte nur nach vorheriger Genehmigung der Verpächterin aufgestellt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift wird der Aufsteller von der Verpächterin bestimmt. Der Kläger beließ die bereits von Herrn D. aufgestellten Geldspielgeräte im Pachtobjekt.
3Zwischen dem Aufsteller D. und dem Kläger wurde mündlich vereinbart, dass vom Kasseninhalt die zu zahlenden Steuern (Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer) abgezogen werden. Diesen Betrag behielt der Aufsteller. Der Rest wurde zwischen Aufsteller und Kläger hälftig aufgeteilt. Regelmäßig erschien der Aufsteller am Ende des Monats, um mit einem Schlüssel die Automaten zu öffnen und den Kasseninhalt zu entnehmen. Über einen solchen Schlüssel verfügte der Kläger nicht. Zum Teil rechnete der Aufsteller sofort mit dem Kläger ab, zum Teil aber auch nachträglich. Der Aufsteller gab Steuererklärungen bezüglich des Aufstellorts "E. " für die Zeiträume 31.3. bis 30.4. und 1.7. bis 30.9.2007 unter dem 12.11.2007 und weitere Erklärungen unter dem 28.4.2008 ab. Mit Bescheid vom 14.5.2009 setzte die Beklagte gegen den Aufsteller Vergnügungssteuer für das Jahr 2007 in einer Gesamthöhe von 39.765,04 Euro fest, davon für den Aufstellort "E. " 4.368,04 Euro. Mit Bescheid vom 20.5.2009 setzte die Beklagte gegenüber dem Aufsteller für den Zeitraum Juli bis Dezember 2006 Vergnügungssteuern in einer Gesamthöhe von 1.710,82 Euro fest, davon für den Aufstellort "E. " 1.003,65 Euro. Zahlungen leistete der Aufsteller nie mit vier Ausnahmen: Am 26.8.2009 zahlte er an einen Vollstreckungsbeamten der Beklagten 14.975,50 Euro auf seine gesamten Steuerschulden bei der Beklagten, und am 6.5. und 8.6.2011 zog die Beklagte im Wege der Vollstreckung jeweils 150 Euro ein. Weitere 4.147,37 Euro erhielt die Beklagte aus dem Insolvenzverfahren des Aufstellers für ihre gesamten Steuerforderungen. Von diesen Zahlungen, die die Beklagte auch auf Steuerforderungen für andere Aufstellorte anrechnete, rechnete sie bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat 2.403,52 Euro auf den Aufstellort "E. " für das Jahr 2007 an.
4Im September 2009 wurden in einer landesweiten Aktion u. a. alle Geldautomaten des Aufstellers D. beschlagnahmt und ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet.
5Mit Schreiben vom 24.8.2010 setzte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis, dass gegen den Aufsteller D. für den Aufstellort "E. " für den Zeitraum Mai 2006 bis Dezember 2008 Vergnügungssteuern in Höhe von 44.874,17 Euro festgesetzt worden seien, die jedoch nicht hätten eingezogen werden können. Daher prüfe sie, die Beklagte, ob der Kläger als Mitunternehmer gesamtschuldnerisch für die Steuerschulden heranzuziehen sei. Die Beklagte bat den Kläger um Darlegung der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Aufsteller. Mit Bescheid vom 14.12.2010 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Vergnügungssteuer für den Aufstellort "E. " für den Zeitraum 1.5.bis 31.12.2006 in Höhe von 1.003,65 Euro fest, mit Bescheid vom 20.7.2011 für das Jahr 2007 in Höhe von 4.368,04 Euro, wobei darauf (damals noch nur) eine Zahlung von 1.677,96 Euro angerechnet wurde. Die Restsumme von 2.690,08 Euro bat die Beklagte bis zum 30.7.2011 zu überweisen.
6Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen den letztgenannten Bescheid gewandt. Er hat vorgetragen: Die Vergnügungssteuersatzung messe sich unzulässigerweise Rückwirkung zu. Nach den ihm vom Aufsteller ausgestellten Abrechnungen habe dieser 3.971,82 Euro Vergnügungssteuer für das Jahr 2007 einbehalten. Richtig sei das im angefochtenen Bescheid vermerkte Jahreseinspielergebnis von 33.394,84 Euro. Angesichts des vom Aufsteller einbehaltenen Betrages für die Steuer seien somit nur noch 696,22 Euro offen. Erst infolge der Beschlagnahme der Spielgeräte habe er, der Kläger, erfahren, dass der Aufsteller wohl verhaftet worden sei. Erst Ende 2010/Anfang 2011 habe er davon erfahren, dass Steuerforderungen gegen ihn erhoben würden. Die Beklagte hätte daher früher einschreiten müssen. Die Steuerforderung bedrohe ihn in seiner Existenz, so dass im Ermessenswege eine Beschränkung auf den oben genannten Differenzbetrag geboten sei. Jedenfalls hätte dies im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden müssen. Auch die Anrechnung erzielter Einnahmen sei fehlerhaft, da Geräte und Automatengelder beschlagnahmt worden seien.
7Der Kläger hat beantragt,
8den Vergnügungssteuerbescheid vom 20. Juli 2011 aufzuheben.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat vorgetragen: Die Satzung messe sich zulässigerweise Rückwirkung zu. Die Vergnügungssteuer habe vom Aufsteller nicht vollständig beigetrieben werden können. Die Zahlung des Aufstellers vom 26.8.2009 sei anteilig auf alle vom Aufsteller betriebenen Aufstellorte aufgeteilt worden. Der Inhaber der Räume, in denen die Veranstaltung stattfinde, sei nach der Satzung bei einer Ertragsbeteiligung als gesamtschuldnerischer Mitunternehmer steuerpflichtig. Bei erfolgloser oder aussichtsloser Inanspruchnahme des Aufstellers werde nach der Ermessenspraxis der Beklagten der Rauminhaber herangezogen. Dabei werde nicht weiter nach der Ausgestaltung der Ertragsbeteiligung des Gastwirts differenziert. Das sei im Interesse der Steuergerechtigkeit und Einnahmesicherung zulässig. Wenn dabei Härten für den Gastwirt entstünden, könne im Einzelfall an eine Stundung gedacht werden. Einnahmen aus den Beschlagnahmen durch die Staatsanwaltschaft habe die Beklagte nicht gehabt.
12Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil die Steuerpflicht des Gastwirts gegen das rechtsstaatliche Gebot der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast und das Gebot der Besteuerungsgleichheit verstoße. Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt: Zu Unrecht stelle das Verwaltungsgericht in Abrede, dass der Gastwirt zum Steuerschuldner der Vergnügungssteuer für die in seiner Gaststätte betriebenen Geldspielgeräte bestimmt werden dürfe. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Gastwirt in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand stehe oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des Tatbestands leiste. Das sei bei einem Gastwirt, der die Räumlichkeiten für das Automatenspiel zur Verfügung stelle, der Fall. Außerdem bestehe auch eine wirtschaftliche Beziehung, wenn er ‑ wie hier ‑ am Ertrag beteiligt sei. Die steuerlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten könne der Gastwirt erfüllen, denn er habe zivilrechtlich wegen seiner Ertragsbeteiligung einen Anspruch auf Auskunft und Belegerteilung, notfalls sogar auf eine eidesstattliche Versicherung. Für den Fall einer Umsatzmiete sei dies etwa anerkannt. Im Übrigen könne er sich die entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten auch vertraglich einräumen lassen. Die Tatsache, dass die Zählwerksausdrucke der Automaten nur einmal existierten, hinderten die Steuerschuldnerschaft nicht, da es sich um ein allgemeines Problem von Gesamtschuldnern bei nur einmal vorhandenen Belegen handele. Die steuerlichen Informationen befänden sich jedenfalls in der auch dem Gastwirt zuzurechnenden Sphäre. Die Belege könne der Gastwirt im Fall seiner Inanspruchnahme vom Aufsteller einfordern. Im Einzelfall möge die Forderung gegenüber dem Gastwirt, Belege vorzulegen, ermessenwidrig sein, das stehe aber der Begründung der Steuerschuldnerschaft des Gastwirts nicht entgegen.
13Die Beklagte beantragt,
14das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
15Der Kläger beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er trägt vor: Zu Recht habe das Verwaltungsgericht die Möglichkeit verworfen, den Gastwirt zum Steuerschuldner zu bestimmen. Er könne weder die anfallende Steuer vorhersehen, noch habe er die Möglichkeit, eine Steuererklärung abzugeben. Er könne das Einspielergebnis nicht verifizieren. Der Verweis auf die Beschaffung der Unterlagen vom Aufsteller auf dem Zivilrechtsweg sei lebensfremd. Der Kläger könne nicht garantieren, dass der Aufsteller seine steuerlichen Pflichten erfülle. Vielmehr habe er, der Kläger, sich darauf verlassen dürfen, dass der Aufsteller die von ihm einbehaltenen Steuerbeträge auch abführe. Der Kläger habe alles seinerseits Erforderliche getan, dass die Vergnügungssteuer gezahlt werde. Die für einen späteren Steuerzeitraum vorgenommene Schätzung sei unrealistisch.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die zulässige Klage ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihr zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
21Der Bescheid kann sich allerdings auf § 3 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ KAG ‑ i. V. m. der Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005 i. d. F. der 4. Änderungssatzung vom 12.3.2008 (VS) stützen. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a VS wird die entgeltliche Benutzung von Geldspielgeräten u. a. in Gastwirtschaften besteuert. Steuerschuldner ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VS der Unternehmer der Veranstaltung (Veranstalter). Nach Abs. 2 der Vorschrift gilt als Unternehmer (Mitunternehmer) der Veranstaltung auch der Inhaber der Räume, in denen die Veranstaltung stattfindet, wenn er im Rahmen der Veranstaltung an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt ist. Die Personen, die nebeneinander die Steuer schulden, sind nach § 6 Abs. 3 VS Gesamtschuldner. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VS das Einspielergebnis als - näher beschriebener ‑ Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Die Steuer beträgt vierteljährlich 13,08 vom Hundert dieser Bemessungsgrundlage (§ 5 Nr. 1 VS). Bis zum 15. Tag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres ist eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen, für das 1. bis 4. Kalendervierteljahr 2006 und das 1. und 2. Kalendervierteljahr 2007 hatte dies bis spätestens 15.4.2008 zu geschehen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 3 VS). Nach Satz 4 der Vorschrift sind der Beklagten auf Anforderung sämtliche bzw. ausgewählte Zählwerkausdrucke (Kassenstreifen) der Geräte für den Besteuerungszeitraum vorzulegen. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist Veranlagungszeitraum das Kalendervierteljahr, wobei die Steuer durch Steuerbescheid festgesetzt wird.
22In der Fassung der Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005 (VS 2006) war ebenfalls die Vergnügungssteuerpflicht auch des Gastwirts geregelt, allerdings betrug die Steuer noch 5 vom Hundert von der Bemessungsgrundlage des Spieleinsatzes (§§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 VS 2006), den vierteljährlichen Steuererklärungen waren zwingend die Zählwerksausdrucke beizufügen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VS 2006). Es waren vierteljährliche Vorauszahlungen zu leisten (§ 8 Abs. 2 VS 2006), die Jahressteuerschuld war nach Vorlage der Steuererklärung für das vierte Kalendervierteljahr (abzugeben bis zum 15. Januar des Folgejahres) und Erlass des daraufhin ergehenden Steuerbescheides unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen auszugleichen (§ 8 Abs. 4 VS 2006). Diese Vorauszahlungspflicht mit Jahressteuerbescheid wurde rückwirkend mit der 2. Änderungssatzung vom 7.5.2007 zugunsten einer vierteljährlichen Steuerfestsetzung beseitigt. Mit der 3. Änderungssatzung vom 13.9.2007 (VS 2007) wurden die nach der geltenden Satzungsfassung maßgeblichen Regelungen getroffen, die mit der 4. Änderungssatzung vom 12.3.2008 um die Regelung zur Vorlage von Steuerklärungen für 2006 und das erste Halbjahr 2007 ergänzt wurden.
23Hier wurde im maßgeblichen Steuerzeitraum 2007 in der vom Kläger betriebenen Gaststätte vom Aufsteller D. die entgeltliche Benutzung von Geldspielgeräten angeboten. An den Einnahmen aus der Benutzung der Geldspielgeräte war der Kläger insofern beteiligt, als nach der Absprache zwischen Aufsteller und Kläger von den Einnahmen die zu zahlende Umsatz- und Vergnügungssteuer vorweg abgezogen wurden und der Rest sodann hälftig geteilt wurde. Damit wurde der Steuertatbestand erfüllt, und der Kläger war als Mitunternehmer neben dem Aufsteller Steuerschuldner für die angefallene Vergnügungssteuer.
24Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gibt es gegen die Steuerschuldnerschaft des Klägers nach den genannten satzungsrechtlichen Vorschriften nichts zu erinnern. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG schreibt vor, dass die Satzung den Kreis der Abgabeschuldner angeben muss. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) bestimmt die Satzung, wer Steuerschuldner ist. Dem Satzungsgeber wird damit ein Spielraum eröffnet. Allerdings ist er begrenzt: Der Satzungsgeber ist an die Grundentscheidungen des Kommunalabgabengesetzes gebunden, insbesondere daran, dass es für das Entstehen der Abgabeschuld an einen Abgabetatbestand anknüpft.
25Vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2014), § 2 Rn. 52; Lenz in: Hamacher u. a., KAG NRW, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 2 Rn. 50 f.
26Das gilt auch für die Steuer. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daher muss die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben. Diese Grundentscheidung des Kommunalabgabengesetzes, das Entstehen der Steuerschuld an die Verwirklichung eines Steuertatbestands zu knüpfen, begrenzt den Kreis der in der Satzung zu bestimmenden möglichen Steuerschuldner. Nur wem die Erfüllung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, darf zum Steuerschuldner bestimmt werden. Daher ist es zumindest erforderlich, dass der Steuerschuldner in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2013 ‑ 14 A 316/13 ‑, NRWE Rn. 123 f.; ähnlich schon Urteil vom 2.10.1957 ‑ III A 1779/56 ‑, KStZ 1957, 271 (272), zur Zulässigkeit der Haftung der verpachtenden Brauerei für die Schankerlaubnissteuerschuld des Gastwirts; dazu BVerwG, Urteil vom 14.8.1959 ‑ VII CB 231.57 ‑, KStZ 1959, 228 (229); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (235); ähnlich bereits RVerwG, Entscheidung vom 24.2.1942 ‑ VIII C 18/41 ‑, RVBl. 1943, 74 (75).
28Steuergegenstand ist das Steuergut mit dem Inhalt und Umfang der Tatbestandsverwirklichung. Steuergut ist hier der Aufwand des Spielers, den er treibt, um sich durch die entgeltliche Benutzung der Geldspielgeräte zu vergnügen,
29vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.2010 ‑ 9 CN 1.09 ‑, BVerwGE 137, 123 (129), Rn. 13; Beschluss vom 26.1.2010 ‑ 9 B 40.09 ‑, Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 6,
30hier repräsentiert durch das erzielte Einspielergebnis. Dem Kläger kann die Erfüllung des Tatbestands zugerechnet werden, weil er dadurch, dass er dem Aufsteller vertraglich das Recht einräumt, das Vergnügen durch Aufstellung der Geldspielgeräte in den Räumen der Gaststätte zu veranstalten, dem Spieler die Gelegenheit gibt, den steuerlich relevanten Aufwand durch Benutzung der Geldspielgeräte zu treiben. Der Kläger steht dadurch in einer besonderen rechtlichen Beziehung zum Steuergegenstand und leistet einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des Steuertatbestands. Er steht auch in einer besonderen wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand, da er am aus dem Aufwand der Spieler generierten Einspielergebnis als Ertrag der Geldspielgeräte beteiligt ist.
31Richtig ist es, wenn das Verwaltungsgericht im Tatsächlichen annimmt, dass der Kläger auf die für die Steuerpflicht maßgebenden Daten keinen Zugriff hatte, da allein der Aufsteller vermittels des dazu erforderlichen Schlüssels das Gerät öffnen und sich damit Zugriff auf die Zählwerksausdrucke mit den dort vermerkten Daten verschaffen konnte. Dennoch war auch für den Kläger die Abgabenlast vorhersehbar. Für alle Abgaben muss der abgabenbegründende Tatbestand so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallenden Abgaben ‑ in gewissem Umfang ‑ vorausberechnen kann.
32Vgl. BVerfG, Urteil vom 17.7.2003 ‑ 2 BvL 1/99 ‑, NVwZ 2003, 1241 (1247); BVerwG, Urteil vom 27.6.2012 ‑ 9 C 7/11 ‑, NVwZ 2012, 1413 (1415).
33Bei der Forderung der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast geht es somit um die hinreichende Bestimmtheit einer Abgabennorm, um ein Mindestmaß an Orientierungssicherheit, nicht aber um arithmetische Berechenbarkeit.
34Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3, Rn. 246,
35Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit einer Norm,
36zu dem dazu anzulegenden Maßstab vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.11.2006 ‑ 2 BvR 578, 796/02 ‑, BVerfGE 117, 71 (111),
37gibt es gegen den Steuertatbestand der §§ 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 VS nichts zu erinnern. Anhand des Einspielergebnisses lässt sich die Steuer sogar exakt vorausberechnen. Richtig ist alleine, dass bei der Ausgestaltung des konkreten Vertragsverhältnisses zwischen Kläger und Aufsteller der Kläger nicht über die erforderlichen Informationen für die Steuerschuld verfügte. Es kommt jedoch für die Frage, wer zum Steuerschuldner bestimmt werden darf, nicht darauf an, ob der Steuerschuldner infolge der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zu einem anderen Steuerschuldner nicht in die Lage versetzt ist, die Höhe der Steuerschuld zu erkennen, sondern darauf, ob es dem Steuerschuldner prinzipiell unmöglich ist, seine wirkliche Steuerschuld festzustellen.
38So etwa bei der Zurechnung des Steuergegenstands der sog. Bettensteuer an den Hotelier, da die Steuerbarkeit von dem inneren Umstand beim Gast über den Zweck der Übernachtung abhängt, vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2013 ‑ 14 A 316/13 ‑, NRWE Rn. 128 ff.
39Dem Gastwirt ist es möglich, seine Steuerschuld festzustellen. Es hängt ausschließlich von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Gastwirt und Aufsteller ab, ob ersterer hinsichtlich der Steuerschuld in dieselbe Lage versetzt wird wie der Aufsteller selbst. Der Gastwirt kann vertraglich vereinbaren, dass das Gerät nur in seiner Anwesenheit geöffnet wird und er die Kontrollstreifen aufbewahrt. Letztlich kann er sich sogar die Abwicklung der Steuerschulden gegenüber der Beklagten vorbehalten.
40Der Gastwirt ist aber zur Verhinderung eines Steuerschadens ohnehin nicht auf eine derartig vollständige Übernahme der Abwicklung des Steuerschuldverhältnisses angewiesen. Der Gastwirt kann sich nämlich vertraglich Kontrollrechte einräumen lassen, ob der Aufsteller den steuerlichen Verpflichtungen nachkommt. Schließlich sind auch alternative Sicherungsmöglichkeiten denkbar, die zwar den Gastwirt weder in dieselbe Lage versetzen wie den Aufsteller, noch es ihm ermöglichen, den Aufsteller hinsichtlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten effektiv zu kontrollieren, ihn aber im Falle einer Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Aufsteller sichern (Sicherheitsleistung durch den Aufsteller). Ob dies so praktiziert wird oder auch nur am Markt von den Gastwirten gegenüber den Aufstellern durchsetzbar ist, ist unerheblich. Es ist Sache des Gastwirtes zu entscheiden, ob er einen Aufstellvertrag nur unter solchen Kautelen abzuschließen bereit ist. Wenn er auf solche Kautelen verzichtet, geht er damit das Risiko eines Steuerschadens ein, kann aber nicht die Zurechenbarkeit des Steuergegenstands an ihn verhindern. Daraus ergibt sich auch, dass es unerheblich ist, ob ‑ wie hier ‑ der pachtende Gastwirt von der verpachtenden Brauerei gezwungen wird, den vom Verpächter benannten Aufsteller zu wählen. Es ist Sache des Gastwirtes zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Kautelen er sich einem solchen Bestimmungsrecht des Verpächters unterwirft.
41Schließlich stehen auch die in der Satzung geregelten Steuererklärungspflichten einer Steuerschuldnerschaft des Gastwirts nicht entgegen. Die steuerlichen Erklärungspflichten treffen auch den Gastwirt. Der Wortlaut der Normen ergibt zwar, dass die Steuererklärung nur eines der Steuerschuldner ausreicht, nicht aber, dass nur der Aufsteller erklärungspflichtig sein soll. Es ist auch der Sache nach nicht anzunehmen, dass eine Besteuerung des Gastwirts unabhängig von der durch die Kontrollstreifen feststellbaren und durch eine Steuererklärung anzugebenden Bemessungsgrundlage erfolgen soll. Richtig ist im Tatsächlichen allein, dass dann, wenn ‑ wie regelmäßig ‑ der Aufsteller die Erfüllung der steuerlichen Pflichten übernommen hat, der Gastwirt kaum oder überhaupt nicht in der Lage ist, seinen Erklärungspflichten zu genügen: Wenn keine Auszüge aus den oder Ablichtungen der Kontrollstreifen gefertigt werden, ist der Gastwirt auf die Kooperation des Aufstellers angewiesen. Hinsichtlich der Vorlage der Originale der Kontrollstreifen kann er dies ohnehin nur tun, wenn der Aufsteller sie ihm aushändigt. All dies führt jedoch nur dazu, dass im Regelfall zuerst der Aufsteller als derjenige, der mutmaßlich im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Gastwirt die Erfüllung der steuerlichen Pflichten übernommen hat, von der Beklagten in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens heranzuziehen ist.
42Vgl. zu den Ermessensgesichtspunkten bei der Auswahl zwischen mehreren Gesamtschuldnern Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 44 AO Rn. 46 ff.
43Scheitert diese Heranziehung ‑ wie hier ‑, verbleibt es bei dem anderen Gesamtschuldner. Umständen, die diesen Steuerschuldner im Einzelfall an der Erfüllung seiner Pflichten hindern, ist mit dem gewöhnlichen steuerrechtlichen Instrumentarium zu begegnen: Wenn der Gastwirt seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllen kann, darf die Mitwirkung von ihm nicht verlangt werden. Unmögliches darf nicht verlangt werden.
44Vgl. zur Beschränkung der Auskunftspflicht auf dem Verpflichteten im Gedächtnis vorhandene oder ihm aus zur Verfügung stehenden Unterlagen zugängliche Informationen BFH, Urteil vom 23.8.1994 ‑ VII R 134/92 ‑, juris Rn. 16 f.; zur Beschränkung der Pflicht zur Vorlage von Urkunden auf solche, die sich in der Verfügungsmacht des Verpflichteten befinden, vgl. Wünsch in: Koenig, AO, 3. Aufl., § 97 Rn. 6; Rätke in: Klein, AO, 12. Aufl., § 97 Rn. 12.
45Solche Hinderungsgründe führen jedoch nicht dazu, dass eine Besteuerung zu unterbleiben hätte. Soweit der Gastwirt mangels entsprechender Vereinbarung nicht selbst über die notwendigen Informationen verfügt, ist die Beklagte im Rahmen ihrer Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO) gehalten, den Aufsteller zu Auskünften oder zur Urkundsvorlage heranzuziehen (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i. V. m. §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 AO). Bleibt dies unergiebig, hat die Gemeinde die Besteuerungsgrundlagen nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen, wenn sie sie nicht ermitteln kann. Das gilt auch dann, wenn auf Unterlagen unverschuldet nicht zugegriffen werden kann.
46Vgl. für Verlust durch Hochwasser vgl. BFH, Beschluss vom 26.10.2011 ‑ X B 44/11 ‑, juris Rn. 12, und Seer in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 162 AO Rn. 37, durch Brand Trzaskalik in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 162 AO Rn. 25.
47Der Unterschied zu den üblichen Schätzungsfällen wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht besteht allein darin, dass kein Zuschlag dadurch angesetzt werden darf, dass sich die Schätzung an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientiert.
48Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 1903/13 ‑, NRWE Rn. 3 ff.; zu Sicherheitszu‑ und ‑abschlägen vgl. Trzaskalik in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 162 AO Rn. 39.
49Das gibt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch keinen Anlass, am Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) zu zweifeln. Zwar umfasst dieses Gebot nicht nur die Gleichheit bei der Rechtssetzung, sondern auch die Gleichheit in der Rechtsanwendung, Dieses Gebot ist verletzt, wenn die Ungleichbehandlung auf einem strukturellen, dem Gesetzgeber zurechenbaren Vollzugsdefizit beruht.
50Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3 Rn. 111 ff.
51Davon kann bei der Besteuerung der Gastwirte keine Rede sein. Hier richtet sich die Besteuerung nach denselben Maßstäben wie die Besteuerung der Aufsteller. Sie ist insbesondere nicht darauf angelegt, in Abweichung von der Bemessungsgrundlage des in der Steuererklärung anzugebenden und durch Kontrollstreifen feststellbaren Einspielergebnisses nur auf Schätzungsbasis zu besteuern. Wenn dies erforderlich wird, ist dies Folge der tatsächlichen Konstellation im Einzelfall, was die Gleichheit in der Rechtsanwendung nicht in Frage stellt.
52Stehen somit der Heranziehung des Gastwirts als Gesamtschuldner für die Vergnügungssteuer nach dem Satzungsrecht und höherrangigem Recht keine Hindernisse entgegen, so erweist sich jedoch die Heranziehung hier als rechtswidrig, da sie treuwidrig ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Er wird unmittelbar aus der Gerechtigkeitsidee abgeleitet und ist ungeschriebenes Recht mit Rechtsquelleneigenschaft. Der Grundsatz von Treu und Glauben gibt nur Richtlinien, aus denen nach den Umständen des Einzelfalles Tatbestand und Rechtsfolgen hergeleitet werden müssen. Er bringt nicht etwa Steueransprüche und ‑schulden zum Entstehen oder zum Erlöschen; er kann allenfalls das Steuerrechtsverhältnis modifizieren und verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden darf. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann indes nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen.
53Vgl. BFH, Urteil vom 15.5.2013 ‑ VII R 18/10 ‑, BFHE 241, 206 Rn. 14; Urteil vom 30.3.2011 ‑ XI R 30/09 ‑, BFHE 233, 18 Rn. 28 f.; Urteil vom 29.11.2000 ‑ X R 25/97 ‑, juris Rn. 18; Urteil vom 9.8.1989 ‑ I R 181/85 ‑, BFHE 158, 31 (33 f.) m. w. N.
54Voraussetzung für ein auf Treu und Glauben beruhendes Hindernis der Rechtsausübung ist somit, dass in einem konkreten Rechtsverhältnis eine Seite einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, auf Grund dessen die andere Seite nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat.
55Vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 4 AO Rn. 138 ff.; Koenig in: ders., AO, 3. Aufl. § 4 Rn. 25 ff.; Gersch in: Klein, AO, 12. Aufl., § 4 Rn. 15 ff.
56Das Vertrauen begründende Verhalten kann auch in einem Schweigen oder Unterlassen bestehen, wenn Erklärungen oder Handlungen erwartet werden konnten und durften.
57Vgl. BFH, Urteil vom 4.7.1979 ‑ II R 74/77 ‑, BFHE 129, 201 (202); Drüen in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 4 AO Rn. 142.
58So können sich etwa Hinweispflichten des Steuergläubigers gegenüber Steuerpflichtigen ergeben, die erfahrungsgemäß mit Buchführungs- und Steuerfragen nicht sehr vertraut sind.
59BFH, Urteil vom 9.5.1957 ‑ IV 383/55 U ‑, BFHE 65, 151, (154), zur Pflicht auf einen Hinweis auf den Eintritt der Buchführungspflicht für einen Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
60Die Beklagte war nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten, nach einer Störung bei der gewöhnlichen, nach dem Satzungsrecht der Beklagten vorgesehenen Vergnügungssteuerfestsetzung und ‑erhebung im Verhältnis zum erstrangig in Anspruch zu nehmenden Aufsteller rechtzeitig zur Prüfung der Gesamtschuldnerstellung an den Kläger heranzutreten und ihn bejahendenfalls auf die offenen Steuerforderungen hinzuweisen. Mit einem solchen Herantreten an den Kläger wäre diesem Gelegenheit gegeben, den Aufsteller zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu veranlassen oder anstelle des Aufstellers die Erfüllung der steuerlichen Pflichten in die Hand zu nehmen oder sich sonst für den Fall des Einstehenmüssens für weiter anfallende Steuerschulden zu sichern, in letzter Konsequenz auch durch Beendigung des zur Steuerpflicht führenden Aufstellvertrags.
61Die sich so aus Treu und Glauben ergebenden Hindernisse der Rechtsausübung ähneln damit denen der Verwirkung, die aber im Unterschied zum vorliegenden Fall davon gekennzeichnet ist, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit und bei einem entsprechenden Verhalten des Berechtigten (auch einem Unterlassen gebotenen Handelns) ein Vertrauen begründet wurde, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde, und der Begünstigte sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, so dass deshalb die spätere Rechtsausübung als treuwidrig erscheint.
62Vgl. BFH, Urteil vom 14.9.1978 ‑ IV R 89/74 ‑, BFHE 126, 130 (137 ff.); Gersch in: Klein, AO, 12. Aufl., § 4 Rn. 21.
63Hier liegt die Treuwidrigkeit nicht in der späten Geltendmachung des Steueranspruchs, sondern in der fehlenden Warnung vor dem Auflaufen einer beträchtlichen Steuerschuld im Vorfeld der Geltendmachung des Steueranspruchs und damit in der Inanspruchnahme gleichsam "aus heiterem Himmel". Es geht nicht um Schutz des Vertrauens darauf, dass ein Steueranspruch nicht mehr geltend gemacht wird, sondern um den Schutz des Vertrauens darauf, dass die ständig neu entstehenden Steueransprüche satzungsgemäß getilgt werden.
64Diese Pflicht zum rechtzeitigen Herantreten an den Gastwirt als Gesamtschuldner ergibt sich aus Folgendem: Der Beklagten musste bekannt sein, dass der Kläger als Gastwirt regelmäßig und so auch hier im Verhältnis zum Aufsteller nicht mit der Abwicklung der vergnügungssteuerlichen Angelegenheiten in Bezug auf die in seiner Gaststätte aufgestellten Geldspielgeräte betraut war. Gleichzeitig war ihr ‑ wie sich schon aus ihrer Satzungsvorschrift des § 6 Abs. 2 VS ergibt ‑ bekannt, dass der Gastwirt, sofern er an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt ist, ebenfalls die steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen hatte. Der Gastwirt erfährt von Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung der steuerlichen Pflichten durch den Aufsteller im Allgemeinen erst, wenn die Geschäftsbeziehung zu ihm zusammengebrochen ist (etwa wegen Insolvenz des Aufstellers oder gar wie hier durch strafprozessuale Beschlagnahme der Geräte) oder wenn der Steuergläubiger an ihn zwecks Inanspruchnahme herantritt. Erfolgt diese Inanspruchnahme warnungslos erst zu einem Zeitpunkt, in dem der Steuergläubiger nach Auflaufen beträchtlicher Steuerschulden sich nicht mehr beim Aufsteller befriedigen kann, hat der Gastwirt somit erst weit nach Entstehen der Steuerschulden überhaupt Veranlassung, sich in die Abwicklung der steuerlichen Pflichten einzuschalten, und muss darüber hinaus den Steuerschaden im Verhältnis zum Aufsteller tragen. Diese spezifischen Belange des Gastwirts als Steuerschuldner für die Vergnügungssteuer erfordern eine entsprechende Rücksichtnahme des Steuergläubigers, wenn er sich dessen Inanspruchnahme offen halten will. Dem Steuergläubiger ist es nach Treu und Glauben verwehrt, die Erfüllung der Steuerschulden über längere Zeit erfolglos beim Aufsteller zu versuchen und erst spät ‑ möglicherweise erst kurz vor der Festsetzungsverjährung ‑ und ohne Warnung den Gastwirt in Anspruch zu nehmen. Vielmehr ist er gehalten, auf dessen Belange in der Form Rücksicht zu nehmen, dass er nach einer Störung der Abwicklung des Steuerverhältnisses, wie es die jeweilige Satzung vorsieht, rechtzeitig an den Gastwirt herantritt, um dessen Steuerschuldnerschaft festzustellen und ihm bejahendenfalls dann Gelegenheit zu geben, auf die Störung in seinem Rechtsverhältnis zum Aufsteller zu reagieren, um dem Auflaufen weiterer Steuerschulden entgegenzuwirken.
65Dieses rechtzeitige Herantreten an den Kläger hat die Beklagte verabsäumt. Im Jahre 2006 waren in der Gaststätte des Klägers Geldspielgeräte aufgestellt, wie der Beklagten durch Überprüfung ihres Ermittlungsbeamten vom 7.8.2006 bekannt war. Nach der seinerzeit maßgeblichen Satzung (Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005) war eine kalendervierteljährliche Steuervorauszahlung mit Abrechnung der Jahressteuerschuld nach Abgabe der letzten Quartalssteuererklärung vorgesehen, die bis zum 15. Januar des Folgejahres abzugeben war. Das war der Regelungszustand bis zur 2. Änderungssatzung vom 7.5.2007, die mit Rückwirkung zum 1.1.2006 die Vorauszahlungspflicht abschaffte und einen vierteljährlichen Veranlagungszeitraum einführte. So wurde aber die Steuerschuld nie erfüllt. Der Aufsteller hat Steuererklärungen überhaupt erstmals unter dem 12.11.2007 und sodann unter dem 28.4.2008 abgegeben (nach der 4. Änderungssatzung vom 12.3.2008 waren die Steuererklärungen für 2006 und die beiden ersten Kalendervierteljahre 2007 bis spätestens 15.4.2008 einzureichen), nachdem die Bemessungsgrundlage mit der 3. Änderungssatzung vom 13.9.2007 rückwirkend geändert worden war. Festgesetzt wurde die Steuer für 2006 erst mit Bescheid vom 20.5.2009, für 2007 mit Bescheid vom 14.5.2009. Gezahlt hat der Aufsteller auf seine gesamte Vergnügungssteuerschuld bis zur Einschaltung eines Vollstreckungsbeamten im August 2009 gar nichts. Die Beklagte ist an den Kläger erstmals mit Schreiben vom 24.8.2010 herangetreten, mit dem sie unter Hinweis auf den erfolglosen Versuch der Realisierung der Steuerschuld des Aufstellers in die Prüfung der Schuldnerschaft des Klägers eingetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger allerdings wegen der Beschlagnahme der Geräte im September 2009 bereits von Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf die Geräte.
66Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) steht dem geforderten Herantreten an den Gastwirt nicht entgegen. Zwar dürfen dem Gastwirt, wenn dessen Steuerschuldnerschaft nicht feststeht, die Verhältnisse des Aufstellers nicht offenbart werden (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 AO). Daher kann im ersten Schritt nur die Stellung des Gastwirts als Steuerschuldner neben dem Aufsteller geprüft werden. Ergibt die Prüfung sodann die Gesamtschuldnerstellung des Gastwirts, darf er in die auch ihn betreffenden Steuerschuldverhältnisse des Aufstellers eingeweiht werden (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO).
67Vgl. zur beschränkten Bedeutung des Steuergeheimnisses unter Gesamtschuldnern BFH, Beschluss vom 15.6.2000 ‑ IX B 13/00 ‑, BFHE 191, 247 (249); Rüsken in: Klein, AO, 12. Aufl., § 30 Rn. 44a; Koenig in: ders., AO, 3. Aufl. § 30 Rn. 58; Alber in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 30 AO Rn. 82; Drüen in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 30 AO Rn. 22; Tormöhlen in: Beermann/Gosch, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: 1.8.2013), § 30 AO Rn. 38.
68Durch das Unterlassen eines Herantretens an den Kläger für die Steuerschuld 2006 spätestens ab dem 16.1.2007 zur Prüfung der Gesamtschuldnerstellung des Klägers hat die Beklagte ihm gegenüber einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass hinsichtlich der Vergnügungssteuer für die in seiner Gaststätte aufgestellten Geräte "alles in Ordnung" sei und ein Einstehen für sie nicht drohe. Der Kläger durfte darauf vertrauen, dass die Erfüllung der Steuerschulden so verlief, wie es die sich damals Geltung beimessende Vergnügungssteuersatzung vorsah, nämlich durch kalendervierteljährliche Steuervorauszahlungen mit Jahresabrechnung zu Beginn des Folgejahres. Darauf hat er auch vertraut, denn er hat keinerlei Sicherungsmaßnahmen getroffen für die Erfüllung der ständig weiter anfallenden, jedoch nicht beglichenen Steuerschulden, auch der hier in Rede stehenden aus dem Jahre 2007. Er hat solche mangels Kenntnis der Unregelmäßigkeiten bei der bisherigen Erfüllung der Steuerschulden gar nicht treffen können. Wäre die Beklagte an ihn herangetreten, hätte der Kläger das Auflaufen weiterer Steuerschulden nicht so hingenommen, wie er es arglos objektiv getan hat. Die Beklagte hat den Kläger für den Fall seiner Inanspruchnahme bei einem Ausfall des Aufstellers für die hier in Rede stehende Steuerschuld sehenden Auges "ins Messer laufen lassen". Ein solches Verhalten ist treuwidrig, wie in der Rechtsprechung für ähnliche Fallkonstellationen anerkannt ist.
69Etwa bei der Inanspruchnahme eines Haftenden, wenn der für den späteren Steuerausfall Haftende Gründe hatte anzunehmen, dass die Steuer vom Schuldner längst gezahlt sei oder sie bei ordnungsgemäßem Ablauf hätte gezahlt sein müssen, und wenn ihn das Finanzamt trotzdem nicht rechtzeitig auf seine mögliche Inanspruchnahme hingewiesen hat, BFH, Urteil vom 28.2.1973 ‑ II R 57/71 BFHE 109, 164 (166 f.); bei Unterlassen einer gebotenen Information des Schuldners über seine mögliche Inanspruchnahme, BFH, Urteil vom 4.7.1979 ‑ II R 74/77 ‑, BFHE 129, 201 (202 f.); bei der Grunderwerbsteuer, wenn der Erwerber als erstrangiger Steuerschuldner bei Fälligkeit keine Zahlung leistet und das Finanzamt nicht unverzüglich den Veräußerer als zweiten Gesamtschuldner in Anspruch nimmt, BFH, Urteil vom 16.5.1962 ‑ II 67/61 U ‑, BFHE 75, 128 (133); wenn das Finanzamt den Veräußerer über Hindernisse, die der Grunderwerbsteuerzahlung durch den Erwerber entgegenstehen, oder eine etwaige Stundung nicht unterrichtet, BFH Urteil vom 12.5.1976 ‑ II R 187/72 ‑, BFHE 119, 188 (189).
70Auch hier hindert die Tatsache, dass die Beklagte nicht rechtzeitig an den Kläger wegen einer eventuellen Inanspruchnahme herangetreten ist und dadurch die hier in Rede stehenden Steuern als Schaden des Klägers angefallen sind, die Beklagte nach Treu und Glauben, ihn noch in Anspruch nehmen.
71Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie keine Veranlassung hatte, an der Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Aufstellers zu zweifeln, da im hier in Rede stehenden Zeitraum das Vergnügungssteuerrecht wegen der Kommunalisierung des Rechtsgebiets mit der Folge, dass die Beklagte eine eigenständige Vergnügungssteuersatzung erlassen musste, und wegen der von der Rechtsprechung erzwungenen Aufgabe des Stückzahlmaßstabs ständig im Fluss war und daher erst bei einer geklärten Rechtslage von den Aufstellern Steuererklärungen und Zahlungen erwartet werden konnten. Es kommt nicht darauf an, worauf die Beklagte vertrauen konnte, sondern worauf der Kläger als weiterer Gesamtschuldner vertrauen konnte. Das war ‑ unbeschadet aller rechtlichen Schwierigkeiten ‑ die Abwicklung des Steuerrechtsverhältnisses nach den von der Beklagten gesetzten Regeln. Wenn dieses Vertrauen enttäuscht wurde, war es nicht Sache der Beklagten, das Risiko eines letztlichen Einstehenmüssens des Klägers einzuschätzen und davon ihr Verhalten hinsichtlich einer Prüfung der Inanspruchnahme des Klägers abhängig zu machen. Vielmehr war es ausschließlich Sache des Klägers zu entscheiden, wie er auf die Störung des Steuerrechtsverhältnisses reagieren wollte. An dieser Entscheidung hat ihn die Beklagte durch die warnungslose späte Inanspruchnahme treuwidrig gehindert.
72Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
73Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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