Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 178/15
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 23. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 20.000,- € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
3Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobenen Klage mit dem Aktenzeichen 4 K 2574/14 gegen den Zurückstellungsbescheid des Antragsgegners vom 18. August 2014 wiederherzustellen, zu Recht abgelehnt.
4Der angefochtene Bescheid, mit dem die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers vom 4. Februar 2014 auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-101 mit einer Leistung von 3.000 kW, einer Nabenhöhe von 149 m und einem Rotordurchmesser von 101 m auf dem Grundstück N. , Gemarkung N. , Flur X, Flurstück XXX für die Dauer eines Jahres ausgesetzt worden ist, erweist sich bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens aller Voraussicht nach als rechtmäßig (dazu I.). Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt auch nicht deshalb, weil das Interesse an der Zurückstellung des Vorhabens im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung entfallen wäre (dazu II.).
5I. Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Danach hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit unter anderem von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.
6§ 15 Abs. 3 BauGB ist im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren entsprechend anwendbar (dazu 1.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Sätze 1 und 3 BauGB sind erfüllt (dazu 2.). Die Zurückstellung für einen Zeitraum von einem Jahr ist nicht rechtswidrig (dazu 3.).
71. Die Regelung des § 15 Abs. 3 BauGB ist entsprechend anwendbar, wenn es - wie hier - nicht um eine baurechtliche, sondern um die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Vorhabens geht.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Februar 2010 ‑ 8 B 1652/09.AK -, NVwZ-RR 2010, 475 = juris Rn. 31, vom 11. März 2014 - 8 B 1339/13 -, juris Rn. 4, vom 25. November 2014 - 8 B 646/14 -, NVwZ-RR 2015, 323 = juris Rn. 6, und vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 5. Dezember 2013 - 22 CS13.1757 -, juris Rn. 19; Rieger, ZfBR 2012, 430, 432; a.A. Hinsch, NVwZ 2007, 770; siehe auch VG Göttingen, Beschluss vom 20. August 2013 - 2 B 306/13 -, juris Rn. 20.
9Auch nach Inkrafttreten des § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB zum 20. September 2013 ist von einer planwidrigen Regelungslücke im Sinne eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers auszugehen.
10Vgl. ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 5.
112. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Sätze 1 und 3 BauGB liegen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides als letzter behördlicher Entscheidung vor.
12Vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt: OVG NRW, Beschlüsse vom 17. März 2006 - 8 B 1920/05 -, NVwZ-RR 2006, 597 = juris Rn. 6, vom 4. Februar 2010- 8 B 1652/09.AK -, NVwZ-RR 2010, 475 = juris Rn. 49, vom 11. März 2014 - 8 B 1339/13 -, juris Rn. 6 und 7, und vom 25. November 2014 - 8 B 646/14 -, NVwZ-RR 2015, 323 = juris Rn. 3; Bay. VGH, Beschlüsse vom 5. Dezember 2013 - 22 CS 13.1757 -, juris Rn. 18, und vom 13. August 2014- 22 CS 14.1224 -, DVBl. 2014, 1406 = juris Rn. 28; VG Aachen, Urteil vom 15. November 2007 - 6 K 71/07 -, juris Rn. 60 ff. m.w.N.
13Die Gemeinde hat eine Änderung des Flächennutzungsplans, mit der die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen, beschlossen (siehe a.) und fristgemäß einen Zurückstellungsantrag gestellt (siehe b.). Eine Gefährdung der gemeindlichen Planung ist gegeben (dazu c.).
14a. Der Planungsausschuss des Rates der Beigeladenen hat in seiner Sitzung vom 25. Februar 2014 beschlossen, das Verfahren zur Aufstellung der 60. Änderung des Flächennutzungsplans erneut einzuleiten. Ziel der Planung ist die Darstellung von Windenergie-Konzentrationszonen, der die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zukommen soll. Der Aufstellungsbeschluss ist am 14. April 2014 im Amtsblatt der Beklagten bekanntgemacht worden.
15b. Die Beigeladene hat die Zurückstellung innerhalb der Frist des § 15 Abs. 3 Satz 3 BauGB beantragt. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Gemeinde von dem Vorhaben förmlich Kenntnis erlangt hat, zulässig. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 19. März 2014 bei dem Antragsgegner die Zurückstellung beantragt, nachdem dieser die Beigeladene mit Schreiben vom 4. Februar 2014 von dem Antrag förmlich in Kenntnis gesetzt und der zuständige Planungsausschuss der Beigeladenen am 25. Februar 2014 einen diesbezüglichen Beschluss gefasst hatte.
16c. Die Ausführungen in der Beschwerde vermögen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Durchführung der Planung der Beigeladenen werde durch das Vorhaben gefährdet, nicht in Frage zu stellen. Entgegen der Annahme des Antragstellers wird die Konzentrationsflächenplanung der Beigeladenen im maßgeblichen Zeitpunkt durch das Vorhaben des Antragstellers im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB gefährdet.
17(1) Die Befürchtung, dass die Flächennutzungsplanung mit dem Ziel der Ausweisung von Konzentrationszonen für Vorhaben u.a. nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde, besteht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der gemeindlichen Planung - nach dem jeweiligen Stand des Planungsverfahrens und gemessen an der Planungskonzeption und den Planzielen - widerspricht oder dass ein solcher Widerspruch zumindest möglich ist. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die künftige Nutzung des Grundstücks, auf dem das Vorhaben durchgeführt werden soll, noch nicht geklärt ist. Um eine Sicherung schon in einem möglichst frühen Planungsstadium zu ermöglichen, sind an den Nachweis des Sicherungserfordernisses keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Bloße Vermutungen reichen allerdings nicht aus.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 21; vgl. für Bebauungspläne OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 10 B 139/14 -, juris Rn. 10; zum Meinungsstand vgl. ferner Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Oktober 2014, § 15 Rn. 78 und 24 ff.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: November 2014, § 15 Rn. 71k und 31; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2009, Rn. 435; Scheidler, ZfBR 2012, 123; Rieger, ZfBR 2012, 430; Frey, DÖV 2013, 547; restriktiv hingegen Hinsch, NVwZ 2007, 770.
19Dabei sind die Besonderheiten, die Windkraftkonzentrationsflächenplanungen in der Regel gegenüber Bebauungsplänen aufweisen, zu berücksichtigen. Konzentrationszonenplanungen zielen konzeptionell neben der positiven Vorrangwirkung der Darstellung von Konzentrationsflächen insbesondere auf die den übrigen Außenbereich betreffende negative Ausschlusswirkung. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Die planerische Entscheidung für diese Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB setzt die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts voraus, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt. Die Ausarbeitung des Planungskonzepts für die Darstellung von Konzentrationszonen vollzieht sich abschnittsweise. In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als harte und weiche Tabuzonen zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Potentialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind dann in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d. h. die öffentlichen und privaten Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 23; vgl. hierzu grundlegend OVG NRW, Urteil vom 1. Juli 2013 - 2 D 46/12.NE -, ZNER 2013, 443 = juris Rn. 30 ff., m.w.N.
21Dieser Abwägungsprozess ist durch eine Offenheit gekennzeichnet, die im Verlaufe der Planung häufig zu einer Veränderung der Konzentrationsflächen führt, sei es dass die Flächen verkleinert oder vergrößert werden, sei es dass die Flächen verschoben oder geteilt werden, sei es dass Flächen ganz aufgegeben oder neu gebildet werden.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 25.
23Die Zulassung von Windenergieanlagen vor Abschluss einer solchen Planung kann die wirksame Umsetzung des planerischen Gesamtkonzepts in Frage stellen. Die Entscheidung des Plangebers, bestimmte Teile des Außenbereichs langfristig von der Windkraftnutzung freizuhalten, wird durch die Errichtung von Windenenergieanlagen dann unterlaufen, wenn sie auf Grundstücken erfolgt, die außerhalb der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationsflächen liegen. Dies gilt auch dann, wenn sich dort oder in der Umgebung - in Einklang mit der bisherigen Flächennutzungsplanung der Gemeinde - bereits andere Windenergieanlagen befinden. Auch die Anregungen und Einwendungen der nach §§ 3 und 4 BauGB beteiligten Öffentlichkeit und Behörden sowie der sonstigen Träger der öffentlichen Belange zu den Konzentrationsflächen und Ausschlussbereichen können der gesetzlichen Intention widersprechend ins Leere gehen, wenn durch die Errichtung von Windkraftanlagen bereits Fakten geschaffen worden sind. Eine Gefährdung der gemeindlichen Flächennutzungsplanung hinsichtlich des negativen Planungsziels ist deshalb schon dann zu befürchten, wenn es nach dem jeweiligen Stand der Planung aufgrund objektiver Anhaltspunkte möglich erscheint, dass das Vorhabengrundstück außerhalb der Konzentrationsflächen liegen wird. Ein Vorhaben gefährdet das negative Planungsziel erst dann nicht (mehr), wenn es hinreichend verlässlich innerhalb einer Konzentrationsfläche liegen wird. Jedenfalls mit dem Eintritt der Planreife im Sinne des § 33 Abs. 1 BauGB erreicht das Planungsverfahren ein Stadium, das einen solchen Schluss auf die Verwirklichung des Plans zulässt.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 26; vgl. zu einem Fall hinreichender Sicherheit: Bay. VGH, Beschluss vom 4. Februar 2015 - 22 CS 14.2872 -, juris Rn. 18 ff.
25Umgekehrt kann dies bedingt durch die Offenheit des Planungsprozesses in einem frühen Stadium der Planung, also etwa während der Ermittlung harter und weicher Tabuzonen sowie der grundsätzlichen Abwägung hinsichtlich der verbleibenden Potentialflächen bedeuten, dass das gesamte Gemeindegebiet oder jedenfalls weite Teile davon keiner sicheren Zuordnung hinsichtlich ihrer Lage in zukünftigen Konzentrationszonen unterliegen.
26Die insoweit erforderliche Gefährdungsprognose der Genehmigungsbehörde unterliegt der vollen gerichtlichen Prüfung.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 26.
28Das Beschwerdevorbringen gibt dem Senat keinen Anlass, diese Grundsätze zu modifizieren.
29(2) Dies vorausgesetzt liegt eine Gefährdung der Konzentrationsflächenplanung der Beigeladenen vor. Die Planung der Beigeladenen hat unter Berücksichtigung des frühen Stadiums des Verfahrens eine hinreichende Konkretisierung erfahren. So hat die Beigeladene in der Folge des Aufstellungsbeschlusses vom 25. Februar 2014 das Planungsbüro x , X. , beauftragt, die Änderungsplanung vorzubereiten. Dies erfolgte auf der Grundlage einer zuvor durch das Büro C. , Q. , erstellten Potentialflächenanalyse, die die Antragsgegnerin aber aufgrund der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts als überarbeitungsbedürftig ansah. Auf der Basis der Vorarbeiten hat das Planungsbüro x. eine Karte des Stadtgebietes mit Darstellungen harter und weicher Tabuzonen für Windenergieanlagen mit Datum vom 9. Mai 2014 vorgelegt. In dieser Darstellung hat das Planungsbüro zehn Betrachtungsräume bezeichnet, deren Eignung zur Ausweisung von Windenergiekonzentrationszonen überprüft werden solle. Der Standort der beantragten Anlage bzw. der durch sie zu ersetzenden bestehenden Anlage liegt außerhalb des Betrachtungsraums Nr. 1 unmittelbar an der Grenze der als weiches Tabu-Kriterium gekennzeichneten 300 m-Zone als Schutzabstand um Wohngebäude im Außenbereich. Dieses Maß der Konkretisierung erweist sich in diesem frühen Stadium der Planung als ausreichend. Erst das Durchlaufen dieses Planungsstadiums schafft die Grundlage für die konkretisierende, abwägende Befassung der Beigeladenen mit den verschiedenen verbleibenden Potentialflächen. Genügt die Konkretisierung der Planungsabsichten in der Folge des gefassten Aufstellungsbeschlusses den Anforderungen, kann der Antragsteller - die Richtigkeit seiner Annahme unterstellt - nichts Günstigeres aus einer Verwerfung früherer Planungen herleiten. Ein Anspruch eines von einer Planung Betroffenen, dass eine einmal begonnene Planung zu Ende geführt wird, besteht nicht. Auch das Aufgeben einer Planung ist von der Planungshoheit der Gemeinde aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 78 Abs. 1 LV NRW umfasst. Schließlich hat der Antragsteller im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte benannt, die darauf hindeuten könnten, dass es sich bei der Planung der Beigeladenen entgegen der in den Verwaltungsvorgängen manifestierten Absicht der positiven Ausweisung von Konzentrationsflächen lediglich um eine verschleierte Negativplanung handeln könnte.
303. Die Zurückstellung des Antrags für den nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB maximal möglichen Zeitraum eines Jahres erweist sich entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht als rechtswidrig. Der Antragsgegner hat das ihm insoweit zukommende Ermessen im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO rechtmäßig ausgeübt (siehe a.). Die Beschwerde legt auch nicht substantiiert dar, dass die Zeit zwischen dem Eingang des Gesuchs bei dem Antragsgegner und der Zustellung des Zurückstellungsbescheids auf die Jahresfrist anzurechnen gewesen wäre (dazu b.).
31a. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Bearbeitung des Antrags für ein Jahr auszusetzen, weist keine Ermessensfehler auf. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor und beantragt die Gemeinde die Zurückgestellung des Antrags auf Erteilung einer bau- bzw. hier immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, hat die Genehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB auszusetzen. Hinsichtlich der Länge der Zurückstellung bis zu einem Zeitraum von längstens einem Jahr kommt der Genehmigungsbehörde hingegen Ermessen zu.
32Vgl. VG Aachen, Urteil vom 15. November 2007- 6 K 71/07 -, juris Rn. 82; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: November 2014, § 15 Rn. 47; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Auflage 2015, § 15 Rn. 12; Hornmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Auflage 2014, § 15 Rn. 25, die jeweils von einer unterschreitbaren Höchstfrist ausgehen; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 1 LA 277/02 -, ZfBR 2003, 788 = juris Rn. 13, zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
33Im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO erweist es sich nicht als ermessensfehlerhaft, dass der Antragsgegner das Vorhaben für eine Frist von zwölf Monaten zurückgestellt hat. Bei der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens nach § 40 VwVfG NRW muss die Zurückstellung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Somit muss die Genehmigungsbehörde entscheiden, welche Frist erforderlich, aber auch ausreichend ist, um den von der (um-)planenden Gemeinde verfolgten Zweck zu erreichen, also dieser die Möglichkeit zu geben, das Planverfahren bei realistischem Verlauf abzuschließen.
34Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. November 2006 - 1 ME 147/06 -, BRS 70 Nr. 117 = juris Rn. 46; VG Aachen, Urteil vom 15. November 2007 - 6 K 71/07 -, juris Rn. 82.
35Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist dabei auf den derzeitigen Planungsstand abzustellen. Zweck der zeitweisen Zurückstellung von Vorhaben ist die Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Die Gemeinde soll Gelegenheit erhalten, ihre Vorstellungen der Bauleitplanung umzusetzen, ohne dass die Genehmigung von Vorhaben diesen hinreichend konkreten Planungsabsichten zuwiderläuft. Insoweit ist der zeitliche Umfang der Zurückstellung so zu bemessen, dass die Gemeinde ihre Planungen - unter angemessener Beschleunigung - abschließen kann. Keine Berücksichtigung findet vor diesem Hintergrund hingegen der bisherige Verlauf des Planungsverfahrens. Die zeitliche Begrenzung der Zurückstellung stellt einen Ausgleich zwischen der gemeindlichen Planungshoheit und der aus dem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Baufreiheit dar. Hat die Gemeinde in der Vergangenheit ein Planungsverfahren betrieben, ohne dass es - mangels zu bescheidender Anträge auf Genehmigungserteilung - einer Sicherung der Bauleitplanung bedurfte, fehlte es insoweit an einer rechtlich erheblichen Beschränkung der Baufreiheit. Es obliegt dem Bauwilligen, genehmigungsfähige Anträge auf Erteilung einer Bau- bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu stellen und somit aufgrund des Anspruchs auf Genehmigungserteilung aus § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW bzw. § 6 Abs. 1 BImSchG entweder eine solche zu erhalten oder die Gemeinde dazu zu bewegen, einen Antrag auf (zeitlich begrenzte) Zurückstellung zu stellen bzw. eine Veränderungssperre zu beschließen.
36Vgl. zu dem Erfordernis eines Bauantrags BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = juris Rn. 43 (zu § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB); Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Oktober 2014, § 15 Rn. 37.
37Angesichts der im entscheidungserheblichen Zeitpunkt allein vorliegenden Darstellung von Potentialflächen durfte der Antragsgegner davon ausgehen, dass der Abschluss der Änderung des Flächennutzungsplans durch die Beigeladene nicht weniger als zwölf Monate in Anspruch nehmen würde. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Planung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen sich nach ihrem Umfang und Schwierigkeitsgrad von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt. Gerade Windkraftkonzentrationszonen erfordern nach den Vorgaben der Rechtsprechung eine Vielzahl aufwändiger und vielschichtiger Planungs- und Verfahrensschritte einschließlich der Beteiligung der Öffentlichkeit und anderer Behörden sowie einer umfassenden Abwägung aller Belange vor der Beschlussfassung. Bei dieser Sachlage ist schon die maximale Zeitspanne von einem Jahr, innerhalb derer eine solche Windenergieplanung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB gesichert werden kann, auch nach der Einschätzung des Gesetzgebers sehr knapp bemessen und in der Regel für eine ausgewogene Planung sogar zu kurz.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2014 - 8 B 690/14 -, juris Rn. 17, unter Bezugnahme auf BT-Drucksache 17/13272, Seite 9; Frey, DÖV 2013, 547, 553; Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Oktober 2014, § 15 Rn. 84c; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: November 2014, § 15 Rn. 71p.
39b. Die Beschwerde legt nicht dar, warum entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ein Zeitraum seit der Antragstellung auf die Zurückstellungsfrist anzurechnen ist. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist auf den Zurückstellungszeitraum die Zeit zwischen dem Eingang des Baugesuchs bei der zuständigen Behörde bis zur Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs nicht anzurechnen, soweit der Zeitraum für die Bearbeitung des Baugesuchs erforderlich ist. Das Verwaltungsgericht hat das Unterlassen einer Anrechnung damit begründet, dass im Zeitpunkt der Zurückstellung das Gesuch des Antragstellers noch nicht bescheidungsfähig gewesen sei. Die nach § 10 Abs. 1 und 2 BImSchG vorzulegenden Unterlagen seien unvollständig gewesen und erst am 15. Januar 2015 vervollständigt worden. Hiermit setzt sich der Antragsteller in der von dem Senat allein zu prüfenden Beschwerdebegründung, § 146 Abs. 4 Satz 4 und 6 VwGO, nicht auseinander. Vielmehr wiederholt er allein sein Vorbringen erster Instanz, eine Genehmigung sei nach den § 75 VwGO und § 10 Abs. 6a BImSchG binnen drei Monaten zu erteilen gewesen. Im Übrigen bestimmt § 10 Abs. 6a Satz 1 BImSchG, dass die Frist erst mit der Einreichung der nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BImSchG erforderlichen Unterlagen beginnt. Letzteres hat das Verwaltungsgericht gerade verneint.
40II. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass das Interesse an der Aufrechthaltung der Zurückstellung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags des Antragstellers nachträglich entfallen wäre, weil der Vorhabenstandort nach dem aktuellen Planungsstand sicher oder zumindest hinreichend verlässlich innerhalb einer Windkraftkonzentrationsfläche liegen wird. Eine solche Prognose ist auch im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch nicht möglich. Die Planungen sind nach Durchführung der Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 1 BauGB und der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB, letztere beendet am 10. April 2015, noch nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB (analog) formell und materiell planreif. Nach dieser Vorschrift ist in Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ein Vorhaben u.a. dann zulässig, wenn die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 und 4a Abs. 2 bis 5 BauGB durchgeführt worden ist und wenn anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht. Dies ist hier noch nicht erfolgt. Derzeit bewertet die Beigeladene ausweislich der im Internet verfügbaren Verfahrensübersicht,
41abzurufen unter http://www.marsberg.de/fileadmin/ user_upload/Dokumente/Windenergie/voraussichtl._ Zeitplan_Windkraft_27.02.2015.pdf,
42die eingegangenen Einwendungen und Anregungen, um einen Entwurf des Teil-Flächennutzungsplans zu erstellen, der sodann öffentlich ausgelegt werden soll. Somit kann die Darstellung des Vorhabenstandorts (Stand: 27. Februar 2015) als gerade noch in einer Konzentrationszone liegend in der Karte „Standortkonzept für Windkraftanlagen“ vom 27. Februar 2015 - insbesondere aufgrund seiner Nähe zur Außenbereichsbebauung -,
43abzurufen unter http://www.marsberg.de/fileadmin/ user_upload/Dokumente/Windenergie/WEA-Konzept_marsberg _Karte_2_-_Entwurf_-_27-02-2015_-_300_dpi.pdf,
44noch nicht als hinreichend sicher angesehen werden.
45Vgl. hierzu Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Stand: November 2014, § 33 Rn. 39 ff.
46Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sich diese im Rechtsmittelverfahren zwar zur Sache geäußert, aber keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
47Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat bewertet die Bedeutung des die Zurückstellung des Genehmigungsantrags betreffenden Hauptsacheverfahrens mit 1 % der Investitionssumme.
48Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Februar 2010- 8 B 1652/09.AK -, NVwZ-RR 2010, 475 = juris Rn. 79, und vom 18. Dezember 2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 33.
49Der sich danach ergebende Betrag ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens zu halbieren.
50Vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, abzurufen unter http://www.bverwg.de/medien/pdf/streitwertkatalog.pdf.
51Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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