Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 17 B 890/15
Tenor
Der angefochtene Beschluss (Nr. 2 der Beschlussformel) wird geändert.
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 EUR festgesetzt
1
Gründe:
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Der Antrag des Antragstellers,
4der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihn bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuschieben, und ihm zu erlauben, sein Studium und studienbegleitende Erwerbstätigkeit gemäß § 16 Abs. 3 AufenthG fortzuführen,
5ist bereits unstatthaft. Ob diesem Antrag zudem das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegensteht, kann dahingestellt bleiben.
6Die Beschwerde führt u.a. aus: Bei rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrages hätte die Prüfung seines vorgeblichen Anspruchs nach § 16 Abs. 1 AufenthG im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgen können. Dieses Versäumnis des Antragstellers falle allein in dessen Sphäre. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Berücksichtigung des von ihm behaupteten Anspruchs als Anordnungsanspruch im Sinne von § 123 VwGO angezeigt wäre um sicherzustellen, dass eine Inanspruchnahme der gesetzlichen Regelung nicht unmöglich gemacht werde. Allein eine – vom Verwaltungsgericht angenommene – Erfüllung des Tatbestandes einer aufenthaltsrechtlichen Anspruchsgrundlage – hier § 16 Abs. 1 AufenthG – reiche für die Annahme eines Ausnahmefalles nicht aus, da anderenfalls im Eilverfahren auch bei nicht eingetretener Fiktionswirkung und entsprechender Unzulässigkeit eines vorläufigen Rechtsschutzantrages nach § 80 Abs. 5 VwGO stets zu prüfen wäre, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorlägen und bejahendenfalls die Verpflichtung zur Erteilung eines Duldung auszusprechen wäre. Dies widerspräche der gesetzgeberischen Wertung, eine solche Prüfung regelmäßig auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen einem Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels eine Fiktionswirkung zukomme.
7Diesem Monitum ist zuzustimmen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in seinem vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO versagenden Beschluss gleichen Rubrums vom 27. Mai 2015 – 8 L 544/14 – bereits ausgeführt, dass dem nach Ablauf der bis zum 19. Juli 2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken gestellten Verlängerungsantrag des Antragstellers vom 16. August 2011 die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht zukommt. In einem solchen Fall – der Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis entbehrt einer Fiktionswirkung mit einhergehendem Bleiberecht – scheidet aus gesetzessystematischen Gründen die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Erteilungsverfahrens grundsätzlich aus. Denn dies widerspräche der in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung, für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 81 AufenthG ein Bleiberecht zu gewähren.
8OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2008 – 18 B 1197/08 –, juris, Rdn. 4 f.; s.a. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Oktober 2009 – 2 M 142/09 –, juris, Rdn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 – OVG 7 S 65.05 –, juris, Rdn. 5, jeweils m.w.N.
9Ein nicht gemäß § 81 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AufenthG geschützter Ausländer muss grundsätzlich ausreisen und die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis im Ausland abwarten.
10Von diesem Grundsatz ist zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, eine Ausnahme zu machen, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung – die jeweils einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt – einem möglicherweise Begünstigten zugutekommt.
11OVG NRW, Beschluss vom 05. Dezember 2011– 18 B 910/11 –, juris, Rdn. 35 ff. m.w.N.
12So bedingt etwa die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG einen Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 1 C 5.10 –, juris, Rdn. 10.
14Des Weiteren kann ein Ausländer einen möglichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG nach einer Abschiebung in sein Heimatland nicht mehr geltend machen, da hierfür Voraussetzung ist, dass er sich seit mindestens acht bzw. sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2008 ‑ 18 B 230/08 –, juris, Rdn. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Oktober 2009 – 2 M 142/09 –, juris, Rdn. 8;s.a. für Härtefallregelungen für ausländische Familien mit langjährigem Aufenthalt: OVG NRW, Beschluss vom 20. April 1999 – 18 B 1338/97 –, juris, Rdn. 6; für die Bleiberechtsanordnung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2006 – 15-39-08.01.3 –: OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2007 – 18 B 1349/07 –, juris, Rdn. 3.
16Auch § 39 der Aufenthaltsverordnung, der die Einholung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet ermöglicht, hindert, den Ausländer auf die Einholung des Aufenthaltstitels vom Ausland aus zu verweisen.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05. Dezember 2011 – 18 B 910/11 –, juris, Rdn. 10.
18Eine diesen aufgeführten Ausnahmesituationen vergleichbare Situation lässt sich in Bezug auf den Antragsteller nicht ausmachen. Die von ihm bemühte Regelung des § 16 Abs. 1 AufenthG zwingt nicht zu seiner ununterbrochenen Anwesenheit im Bundesgebiet, solange über die verspätet beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht abschließend entschieden ist. Die mit einem (vorübergehenden) Verlassen des Bundesgebietes einhergehenden, vom Verwaltungsgericht erwähnten nachteiligen Folgen für sein Studium (s. Beschlussabdruck Seite 5 zweiter Absatz) sind der verspäteten Antragstellung geschuldet und notwendige Folge der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 4 AufenthG. Der Antragsteller hat diese hinzunehmen.
19Der Antragsteller ist darauf zu verweisen, das Klageverfahren vom Ausland aus fortzuführen und im Erfolgsfalle ggf. sein Fachhochschulstudium im Bundesgebiet zu beenden.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
21Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
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Referenzen
- 2 M 142/09 2x (nicht zugeordnet)
- 18 B 1197/08 1x (nicht zugeordnet)
- 8 L 544/14 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 1338/97 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 910/11 2x (nicht zugeordnet)
- 18 B 230/08 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 1349/07 1x (nicht zugeordnet)