Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 120/15
Tenor
Das angefochtene Urteil wird wie folgt geändert: Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Unter Einbeziehung des rechtskräftigen Teils der erstinstanzlichen Kostenentscheidung trägt der Kläger die gesamten Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Beamter im Dienste des beklagten Landes und als solcher mit einem Satz von 50 v. H. beihilfeberechtigt. Mit Antrag vom 14. November 2011 beantragte er die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine zahnärztliche Behandlung.
3Die Bezirksregierung N. gewährte mit Bescheid vom 25. November 2011 eine Beihilfe nur für einen Teil der geltend gemachten Aufwendungen. Die Aufwendungen für die Gebührennummern 501, 502 und 507 GOZ erkannte sie nur bis zum Schwellenwert in Höhe des 2,3fachen Satzes an.
4Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 2. Dezember 2011 Widerspruch. Er legte eine Stellungnahme seines behandelnden Zahnarztes vom 24. Januar 2012 vor, in dem dieser u. a. die Schwellenwertüberschreitung und den jeweils 3,5fachen Satz bei den genannten Gebührennummern erläuterte.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2012 wies die Bezirksregierung N. den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Schwellenwertüberschreitung begründete sie dies im Wesentlichen damit, dass die vom Zahnarzt gegebene Begründung keine behandlungsassoziierten Schwierigkeiten aufzeige.
6Am 20. August 2012 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 4. März 2014 an das Verwaltungsgericht N. verwiesen.
7Der Kläger hat beantragt,
8den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2012 zu verpflichten, ihm auf die Rechnung des Zahnarztes E. L. vom 8. November 2011 eine weitere Beihilfe in Höhe von 199,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 20. August 2012 zu gewähren.
9Das beklagte Land hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung hat das beklagte Land ausgeführt, die vom behandelnden Zahnarzt gegeben Begründung gebe nur die Leistungsbeschreibungen der Gebührennummern wieder und rechtfertige keine Schwellenwertüberschreitung.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid teilweise aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 94,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 20. August 2012 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Begründung des behandelnden Zahnarztes zeige individuelle Besonderheiten auf und rechtfertige die Schwellenwertüberschreitung bei den Nummern 501, 502 und 507 GOZ. In Bezug auf die anderen geltend gemachten Gebührennummern stehe dem Kläger keine weitere Beihilfe zu.
13Zur Begründung der vom Senat durch Beschluss vom 1. Dezember 2015 zugelassenen Berufung bezieht sich das beklagte Land auf eine Stellungnahme von Herrn T. , Zahnarzt für öffentliches Gesundheitswesen vom zahnärztlichen Dienst der Stadt E1. , vom 10. Februar 2015. Danach begründen die vom behandelnden Zahnarzt angeführten Umstände keine Besonderheiten, sondern fallen bei jeder Behandlung dieser Art an.
14Das beklagte Land beantragt sinngemäß,
15das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das beklagte Land erstinstanzlich unterlegen ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
16Der Kläger beantragt sinngemäß,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (1 Beiakte) Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Im Einverständnis der Beteiligten erfolgt die Entscheidung durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung (§§ 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfeleistungen zu den im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Aufwendungen betreffend die Gebührennummern 501, 502 und 507 der Gebührenordnung für Zahnärzte – GOZ – (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der streitgegenständliche Bescheid der Bezirksregierung N. vom 25. November 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2012 ist insoweit rechtmäßig. Die Klage ist daher (auch) insoweit abzuweisen.
22Nach § 77 Abs. 3 LBG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW erhalten Beihilfeberechtigte – wie der Kläger – Beihilfen zu der Höhe nach angemessenen Aufwendungen für medizinisch notwendige Maßnahmen, deren Wirksamkeit und therapeutischer Nutzen nachgewiesen sind, u. a. zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit und zur Besserung des Gesundheitszustandes.
23Die Angemessenheit dieser Aufwendungen beurteilt sich grundsätzlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte, weil ärztliche bzw. zahnärztliche Hilfe in aller Regel nach Maßgabe dieser Gebührenordnungen zu erlangen ist. Damit setzt die Beihilfefähigkeit grundsätzlich voraus, dass der Arzt oder Zahnarzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung gestellt hat, dass es sich also im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO NRW um "notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfange" handelt. Daraus folgt, dass der Begriff der notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang gerichtlich voll überprüfbar ist.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 – 2 C 10.95 –, DVBl. 1996, 1159 = juris, Rn. 20.
25Die Rechtmäßigkeit der zahnärztlichen Abrechnung richtet sich nach der im Zeitpunkt der Behandlung am 14. Oktober 2011 geltenden Gebührenordnung für Zahnärzte.
26Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 GOZ in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316) (im Folgenden: a. F.) darf in der Regel eine Gebühr nur nach dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden. Ein Überschreiten des 2,3fachen Gebührensatzes ist nach Halbsatz 2 der Vorschrift nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Bemessungskriterien gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ a. F. sind die Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung. Dabei haben Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, bei der Bemessung der Schwierigkeit der Leistung außer Betracht zu bleiben (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOZ a. F.).
27Wegen der allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Überschreitung des Schwellenwertes nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (Seite 6 bis 7 Mitte des Urteilsabdrucks), die er sich zu eigen macht. Gemessen an diesen Vorgaben ist die Schwellenwertüberschreitung bei den Gebührennummern 501, 507 und 502 GOZ hier allerdings nicht gerechtfertigt. Im Einzelnen:
28Nr. 501 der Anlage zum Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen zur GOZ a. F. ist wie folgt definiert: „Versorgung eines Lückengebisses durch eine Brücke oder Prothese: je Pfeilerzahn als Brücken- oder Prothesenanker mit einer Vollkrone (Hohlkehl- und Stufenpräparation) oder Einlagefüllung“. In seiner Rechnung vom 8. November 2011 hat der behandelnde Zahnarzt L. die Nr. 501 GOZ a. F. für den Zahn 45 berechnet und angegeben „Krone als Brücken- oder Prothesenanker (Hohlkehlpräp.) - Konstruktionsbedingter zeitlicher und instrumenteller Mehraufwand bei der Anfertigung hochwertiger, komplizierter Prothetik“. In seinem Schreiben vom 24. Januar 2012 hat Herr L. erläutert, die Berechnung des 3,5fachen Satzes der Gebührennummern 501, 507 und 502 GOZ beziehe sich ausschließlich auf den Behandlungsfall des Klägers. Da die untere Versorgung an die bestehende, vollkeramische Versorgung des Oberkiefers habe angepasst werden müssen, sei eine besonders gestaltete Präparation notwendig gewesen. Um Schäden an der Keramik des Gegenkiefers zu verhindern, sei es unumgänglich, die Präparation der Kauflächen besonders sorgfältig und mit mehrfacher Kontrolle der Unterkieferbewegungen durchzuführen. Dies und die Gestaltung der Präparationsränder der Teilkrone (rundumlaufender Federrand) zwängen zu einem erheblich höheren Zeitaufwand der Präparation und der Herstellung der Versorgung des Klägers.
29Diese Erläuterungen begründen keine Besonderheiten gerade bei der Behandlung des Klägers. Denn nach den nachvollziehbaren Angaben von Herrn T. , Zahnarzt für öffentliches Gesundheitswesen vom zahnärztlichen Dienst der Stadt E1. , in dessen Stellungnahme vom 10. Februar 2015 ist Prothetik unter Beachtung der heutigen Standards in der Zahnmedizin immer hochwertig. Außerdem handele es sich bei der Anfertigung einer dreigliedrigen Brücke zum Ersatz eines Zahns um eine Routinebehandlung und nicht um komplizierte Prothetik. Den behaupteten zeitlichen und instrumentellen Mehraufwand, etwa im Verhältnis zu dem Aufwand für andere Kronen, die Brücken- oder Prothesenanker sind, habe Zahnarzt L. nicht näher erläutert.
30Auch die Ausführungen des Zahnarztes L. zur Anpassung der Versorgung an den Gegenkiefer begründen keine patientenbezogenen Besonderheiten. Wenn nämlich ein Patient eine Zahnbrücke oder -prothese erhält, ist es nach den Ausführungen von Herrn T. vielmehr immer notwendig, diese Brücke oder Prothese an die Zähne oder Prothesen des Gegenkiefers anzupassen, damit keine Schäden entstehen; dies gelte unabhängig davon, wie die Gegenbezahnung beschaffen sei. Diese Ausführungen leuchten unmittelbar ein. Ferner ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass bei jeder Präparation auch zu kontrollieren ist, ob diese ausreichend ist oder ob sie etwa Schäden am Gegenkiefer verursachen könnte.
31Nr. 507 der Anlage zum Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen zur GOZ a. F. ist wie folgt definiert: „Versorgung eines Lückengebisses durch eine Brücke oder Prothese: Verbindung von Kronen oder Einlagefüllungen durch Brückenglieder oder Stege, je zu überbrückende Spanne oder Freiendsattel“. In seiner Rechnung vom 8. November 2011 hat der Zahnarzt L. die Nr. 507 GOZ a. F. für den Zahn 46 berechnet und dieselbe Begründung wie für Nr. 501 GOZ a. F. angegeben. Im Übrigen hat er in seinem Schreiben vom 24. Januar 2012 dazu die schon oben wiedergegebenen Ausführungen gemacht.
32Diese Erläuterungen begründen aus denselben wie zu Nr. 501 GOZ a. F. genannten Gründen keine Besonderheiten gerade bei der Behandlung des Klägers.
33Nr. 502 der Anlage zum Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen zur GOZ a. F. ist wie folgt definiert: „Versorgung eines Lückengebisses durch eine Brücke oder Prothese: je Pfeilerzahn als Brücken- oder Prothesenanker mit einer Teilkrone mit Retentionsrillen oder -kästen oder mit Pinledges einschließlich Rekonstruktion der Kaufläche“. In seiner Rechnung vom 8. November 2011 hat Herr L. die Nr. 502 GOZ a. F. für den Zahn 47 berechnet und angegeben „Versorgung e. Lückengeb. d. Brücke o. Prothese (Teilkrone) – besonders aufwändige Präparation – rundumlaufender Federrand“. Außerdem hat er in seinem Schreiben vom 24. Januar 2012 dazu die oben wiedergegebenen Ausführungen gemacht.
34Hinsichtlich der Erläuterungen zur Anpassung der Prothese an den Gegenkiefer geltend die obigen Ausführen entsprechend. Sie rechtfertigen auch für Nr. 502 GOZ a. F. keine Schwellenwertüberschreitung.
35Zum Hinweis auf den umlaufenden Federrand hat Herr T. für das Gericht nachvollziehbar erläutert, das Anlegen eines Federrandes sei bei der hier erfolgten Versorgung mit einer Goldteilkrone notwendiger Bestandteil der Leistung und keine Besonderheit. Er hat dazu auf den Leitfaden Präparation der Universität zu Köln im Internet verwiesen, aus dem sich genau dies ergibt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO unter Einbeziehung des rechtskräftigen Teils der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
37Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind.
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Referenzen
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