Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 2086/14
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin betreute seit dem Jahr 2008 mit entsprechenden Erlaubnissen der Beklagten, die bis zum 1. Juli 2013 befristet waren, an ihrer damaligen Wohnanschrift J. K. 9 in O. Kinder in Tagespflege. Gleiches gilt für den Ehemann der Klägerin, der erstmals im Jahr 2011 eine Kindertagespflegeerlaubnis von der Beklagten erhielt.
3Laut einem Aktenvermerk der Beklagten über einen im November 2012 bei der Klägerin durchgeführten "Regelhausbesuch" beabsichtigten letztere und ihr Ehemann, im April 2013 in ein Einfamilienhaus in der M.-----straße 28 umziehen, unter anderem um mehr Platz für die Tageskinder zu haben. Mit Schreiben vom 25. November 2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihre (der Klägerin) neue Anschrift ab April 2013 M.-----straße 28 in O. lautet.
4Unter dem 15. April 2013 beantragte die Klägerin mit/unter der Anschrift J. K. 9, O. erneut eine Tagespflegeerlaubnis für bis zu fünf Kinder, welche die Beklagte unter dem 18. April 2013 erteilte. In dem entsprechenden Bescheid wurde als Tagespflegeperson die Klägerin mit der Anschrift J. K. 9 in O. genannt und darauf hingewiesen, dass die Erlaubnis widerrufen werden kann, wenn das Wohl des Kindes es erfordert, und dass wichtige Veränderungen in der Betreuungssituation unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen sind.
5Zum 1. August 2013 zogen die Klägerin und ihr Ehemann in die M.-----straße 28 in O. und setzten dort ihre Betreuungstätigkeit fort. Ausdrückliche Mitteilung hiervon machten sie der Beklagten nicht. Eine neue Erlaubnis wurde weder beantragt noch erteilt.
6Die Klägerin und ihr Ehemann boten zusammen auch Wochenend- und Ferienbetreuungen für Kinder an, die auf einem Campingplatz in den Niederlanden erfolgten. Ab dem 14. August 2013 führten sie dort eine zehntägige Betreuung durch, an der unter anderem drei Töchter der Familie I. /T. im Alter von damals fünf (N. ), acht (D. ) und elf (E. ) Jahren teilnahmen. Da es mit diesen drei Mädchen Schwierigkeiten bei der Betreuung gab, brachte der Ehemann der Klägerin sie am 17. August 2013 nachmittags zu ihren Eltern zurück.
7Nach einem polizeilichen Aktenvermerk zeigte die Mutter der Mädchen noch am selben Tag gegen 16.45 Uhr telefonisch an, dass es während der Ferienbetreuung zu sexuellen Übergriffen auf ihre Töchter durch den Ehemann der Klägerin gekommen sei. Die Polizei leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Handlungen nach § 176 Abs. 1 und 2 StGB ein. Näheres zu den sexuellen Übergriffen ist in dem polizeilichen Aktenvermerk über die telefonische Strafanzeige der Mutter nicht festgehalten. Nach der späteren Aussage der Mutter der Mädchen vom 24. September 2013 hatte sie im Rahmen der telefonischen Anzeigeerstattung lediglich mitgeteilt, dass ihre Tochter E. , als sie im Bett gelegen habe, von dem Ehemann der Klägerin am Arm gestreichelt worden sei.
8Am 19. August 2013 sprach die Mutter der Mädchen bei der Beklagten vor. Nach dem von der Beklagten aufgenommenen Gesprächsvermerk berichtete sie (die Mutter) unter anderem von den Schwierigkeiten bei der Ferienbetreuung ihrer Töchter durch die Klägerin und deren Ehemann und gab an, dass ihre Tochter E. in der Nacht vom Ehemann der Klägerin gestreichelt und davon wach geworden sei, sie (die Mutter) diesen Vorfall bereits bei der Polizei gemeldet habe und sie von der Polizei angewiesen worden sei, nicht mit ihrer Tochter über den Vorfall zu sprechen, bis diese von der Polizei vernommen worden sei.
9In der Folgezeit wurden die drei Mädchen der Familie I. /T. von der Polizei vernommen, und zwar E. am 20. August 2013, N. am 29. August 2013 und D. am 3. September 2013. Nach den - hier auf den Kern reduzierten - Aussagen der Mädchen erhoben diese Vorwürfe gegen den Ehemann der Klägerin dahingehend, dieser habe E. zwei Mal am Arm "gekrauelt" und D. und N. unter der Dusche eingeseift (gewaschen), N. auch im Intimbereich zwischen den Beinen.
10Die Klägerin und ihr Ehemann wurden jeweils in Gestalt einer polizeilichen Vorladung vom 4. September 2013 von dem Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt. Mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 7. September 2013 bat der Ehemann der Klägerin bei der Polizei um Akteneinsicht und erklärte, dass vorerst weder er noch die Klägerin sich zur Sache äußern würden.
11Nach einem von der Beklagten gefertigten Aktenvermerk wurde ihr am 10. September 2013 die polizeiliche Ermittlungsakte zur Verfügung gestellt, wodurch sie Kenntnis von den Aussagen der Mädchen gegenüber der Polizei erhielt. Noch am selben Tag wurde die Klägerin telefonisch gebeten, zur Sicherstellung des Kindeswohls die Betreuung zunächst für die kommenden Tage selbstständig einzustellen, und eingeladen, zur Erörterung der Situation am nächsten Tag mit ihrem Ehemann bei der Beklagten vorzusprechen. Nach dem Aktenvermerk sprach die Klägerin am 11. September 2013 bei der Beklagten vor. Ein Mitarbeiter der Beklagten erläuterte den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs dahingehend, dass laut Ermittlungsakte dem Ehemann der Klägerin zur Last gelegt werde, mit Mädchen geduscht zu haben und ein Mädchen mit der Hand eingeseift und u. a. im Intimbereich gewaschen zu haben. Die Beklagte bot der Klägerin an, dass diese und ihr Ehemann bis zur Klärung des Ermittlungsverfahrens freiwillig ihre Pflegeerlaubnisse zurückgeben und die Erlaubnisse als ruhend angesehen werden. Für diesen Fall bot die Beklagte unter der weiteren Voraussetzung, dass die Klägerin und ihr Ehemann "nachweislich zur kurzfristigen umfassenden Klärung des Sachverhaltes beitragen", an, die Zahlung der laufenden Geldleistung fortzusetzen. Zur Annahme dieses Angebots räumte die Beklagte der Klägerin eine Frist bis zum nächsten Tag (12. September 2013) ein und kündigte für den Fall der Nichtannahme des Angebots an, beide Pflegeerlaubnisse mit sofortiger Wirkung befristet zu widerrufen.
12Mit Telefaxschreiben vom 12. September 2013 machte der Ehemann der Klägerin gegenüber der Beklagten sinngemäß geltend, dass er mangels Akteneinsicht zu einer umfassenden Aufklärung derzeit nicht in der Lage sei. Zudem forderte er die Beklagte auf, den Sachverhalt unter anderem durch Vernehmung weiterer Teilnehmer der Ferienbetreuung weiter aufzuklären. Schließlich erklärt er sich bereit, freiwillig vorübergehend etwa für einen Monat keine Tageskinder mehr zu betreuen und die Pflegeerlaubnis, wie von der Beklagten vorgeschlagen, ruhen zu lassen. Ebenfalls mit Telefaxschreiben vom 12. September 2013 bat auch die Klägerin die Beklagte darum, den Sachverhalt weiter aufzuklären und zuvor keine Entscheidung in der Sache zu treffen. Ferner wies sie darauf hin, aus Gründen der Existenzsicherung auf ihre Tagespflegeerlaubnis angewiesen zu sein.
13Mit Bescheid vom 16. September 2013 widerrief die Beklagte, gestützt auf § 47 Abs. 1 SGB X, die der Klägerin unter dem 18. April 2013 erteilte Erlaubnis unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Ebenso widerrief sie die Erlaubnis des Ehemanns der Klägerin. Zur Begründung führte sie gegenüber der Klägerin im Wesentlichen aus: Mit Blick darauf, dass gegen den Ehemann der Klägerin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Sexualdelikten laufe und die Klägerin mit ihrem Ehemann die Ferienbetreuung in den Niederlanden durchgeführt habe, sei derzeit nicht erkennbar, dass die Klägerin dort aktiv und in vollem Umfang ihre Verantwortung als Aufsichtsperson ausgeübt habe. Über die dort aufgetretenen Probleme sei sie (die Beklagte) nicht informiert worden. Dies deute auf mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der Klägerin hin. Der Widerruf beruhe auch darauf, dass die Klägerin das unterbreitete Angebot, die Pflegetätigkeit freiwillig ruhend zu stellen, abgelehnt habe, was sich als fehlende Anerkennung und Unterstützung ihres (der Beklagten) Schutzauftrags darstelle. Dies alles führe zu dem Schluss, dass die Klägerin ihren Förderauftrag des § 22 SGB VIII nicht wahrnehme. Da sie mit ihrem Ehemann in denselben Räumen, in denen die Tagespflege betrieben werde, zusammenwohne, nehme sie eine potentielle Gefährdung der Kinder in Kauf. Sie könne nicht sicherstellen, dass von ihrem Ehemann kein Gefährdungspotenzial für die betreuten Kinder ausgehe. Damit fehle es an dem erforderlichen vollsten Verantwortungsbewusstsein. Da die Klägerin nicht bereit sei, ihre Tätigkeit in den zusammen mit ihrem Ehemann genutzten Räumen zu beenden, sei es zur Vermeidung von möglichen Gefahren des Wohls von anvertrauten Kindern erforderlich, die Pflegeerlaubnis zu widerrufen. Andere mildere Mittel, um das Schutzgut des Kindeswohls sicherzustellen, seien nicht vorhanden. Das Schutzgut Kindeswohl überwiege zudem die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.
14Der Ehemann der Klägerin zog Ende Oktober 2013 aus der gemeinsamen Wohnung in der M.-----straße 28 aus, um damit der Klägerin dort die Fortführung der Betreuungstätigkeit zu ermöglichen, und versicherte an Eides statt, die zuvor genannte Wohnung nicht zu betreten, wenn sich dort zu betreuende Kinder aufhalten. Anfang Dezember 2013 zog die Klägerin mit ihrer Familie in die M.-----straße 3 in O. .
15Bereits am 16. Oktober 2013 die Klägerin Klage erhoben.
16Im zugleich von der Klägerin angestrengten vorläufigen Rechtschutzverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 19 L 2097/13 - in Unkenntnis von dem Umzug in die M.-----straße 3 zunächst die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid vom 16. September 2013 mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass sich der Ehemann der Klägerin während der Betreuungszeiten nicht in den Räumlichkeiten der Wohnung M.-----straße 28 in O. aufhalten darf. Anschließend hat es seinen Beschluss von Amts wegen mit weiterem Beschluss vom 17. Januar 2014 - 19 L 91/14 - geändert und den vorläufigen Rechtsschutzantrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, es fehle für den Antrag an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Erlaubnis vom 18. April 2013 durch den Umzug in die M.-----straße 3 erledigt habe.
17Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin sinngemäß im Wesentlichen vorgetragen: Der Widerruf der Tagespflegeerlaubnis sei rechtswidrig gewesen. Hinsichtlich ihrer (der Klägerin) Tätigkeit habe es keine Beanstandungen gegeben. Sie habe auch mit der Beklagten kooperiert. Die von ihr betreuten Kinder seien keinen für ihre Entwicklung schädlichen Risiken oder Gefährdungen ausgesetzt gewesen. Mit Blick auf die gegen ihren Ehemann erhobenen Vorwürfe hätte es einer Risikoabschätzung durch die Beklagte bedurft, welche diese nicht ordnungsgemäß vorgenommen habe. Eine solche Abschätzung hätte ergeben, dass keinerlei Verdachtsmomente von einigem Gewicht vorgelegen hätten. Ferner sei der Widerruf unverhältnismäßig gewesen. Als milderes Mittel hätte sie die Betreuung in Räumlichkeiten durchführen können, zu denen ihr Ehemann keinen Zugang gehabt hätte.
18Die Klägerin hat beantragt
19festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2013 rechtswidrig war.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung ihres Antrags hat sie Bezug genommen auf die Begründung des angefochtenen Widerrufsbescheids und ergänzend sinngemäß im Wesentlichen geltend gemacht: Ihr Angebot, die Tagespflegeerlaubnis während des Ermittlungsverfahrens freiwillig ruhend zu stellen, die Geldleistungen jedoch vorläufig weiter zu erhalten, habe die Klägerin abgelehnt. Diese habe auch keine Betreuungssituation dargestellt, in welcher ihr Ehemann keinen Zugang gehabt hätte. Mangels einer von der Klägerin abgelehnten einvernehmlichen Regelung sei der Widerruf das einzige in Betracht kommende Mittel gewesen. Zum Schutz des Kindeswohls sei der Widerruf erforderlich gewesen, weil die Klägerin eine Gefahreneinsicht nicht habe erkennen lassen. Der zur Strafanzeige führende Vorfall habe auch nicht isoliert betrachtet werden können, da die Rolle der Klägerin bei den geschilderten Vorfällen unklar gewesen sei und teilweise dieselben Kinder, die an der Ferienbetreuung teilgenommen hätten, auch im Haushalt der Klägerin betreut worden wären.
23Mit dem angegriffenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Widerrufsbescheids festgestellt.
24Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte zusammengefasst im Wesentlichen geltend: Die angefochtene Maßnahme sei unabhängig von der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage rechtmäßig gewesen, weil im Widerrufszeitpunkt eine Kindeswohlgefährdung vorgelegen habe. Mit Blick darauf hätten weitere Ermittlungen nicht angestellt oder abgewartet werden können. Die beruflichen und finanziellen Interessen der Klägerin seien hinreichend dadurch berücksichtigt worden, dass ihr angeboten worden sei, die Geldleistungen im Falle des Ruhenlassens der Erlaubnis fortzusetzen. Eine Auflage zu der Erlaubnis mit dem Ziel, den Ehemann der Klägerin von den zu betreuenden Kindern fernzuhalten, sei nicht als milderes Mittel in Betracht gekommen, weil sich eine solche Auflage praktisch nicht hätte umsetzen und kontrollieren lassen.
25Die Beklagte beantragt,
26das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
27Die Klägerin beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Zur Begründung ihres Antrags macht sie zusammengefasst im Wesentlichen geltend: Eine Kindeswohlgefährdung habe mangels hinreichend gewichtiger Verdachtsmomente gegen ihren Ehemann nicht vorgelegen. Im Übrigen habe die Beklagte den Sachverhalt nicht ausreichend von Amts wegen aufgeklärt. Zudem sei eine Nebenbestimmung zur Erlaubnis als milderes Mittel nicht in Betracht gezogen worden.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der ebenfalls beigezogenen Ermittlungsakte Js der Staatsanwaltschaft E1. und der von den Beteiligten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe
32Die Berufung ist unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2013 über den Widerruf der der Klägerin unter dem 18. April 2013 erteilten Erlaubnis gemäß § 43 SGB VIII rechtswidrig gewesen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
34Die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin ist zulässig.
35Der angefochtene Widerruf hat sich jedenfalls dadurch im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erledigt, dass die Beklagte der Klägerin während des Berufungsverfahrens eine neue unbeschränkte Erlaubnis gemäß § 43 SGB VIII erteilt hat.
36Ferner besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in einem Amtshaftungsprozess. Auch wenn sich die Klägerin nicht konkreter zu einzelnen Schadenspositionen geäußert hat, liegt es auf der Hand, dass es solche gibt, und zwar insbesondere in Gestalt der ihr entgangenen Geldleistungen in der Zeit, als sie wegen des Widerrufs der Erlaubnis ihre Betreuungstätigkeit nicht ausüben durfte oder konnte. Darauf, dass die Beklagte - für einen vorübergehenden Zeitraum unter weiteren Bedingungen - die Fortzahlung der der Klägerin für ihre Betreuungstätigkeit zustehenden Geldleistungen zugesagt hatte, kommt es im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht an, weil damit Fragen der (haftungsbegründenden/-ausfüllenden) Kausalität angesprochen sind, die gegebenenfalls im Amtshaftungsprozess zu klären sind, nicht jedoch dazu führen, dass ein Amtshaftungsprozess als offensichtlich aussichtslos
37- vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 4 B 42.14 -, juris Rn. 17, m. w. N. -
38zu qualifizieren ist. Als weitere Schadensposition kommen die Kosten des Umzugs von der M.-----straße 28 in die M.-----straße 3 in Betracht, da sich der Umzug nach dem Vorbringen der Klägerin als Folge des Widerrufs darstellt.
39Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet.
40Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 16. September 2013 ist rechtswidrig gewesen.
41Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob sich die Rechtswidrigkeit des verfügten Widerrufs bereits daraus ergibt, dass er sich - unabhängig von der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage - auf einen erledigten Verwaltungsakt, von dem keine Rechtswirkungen mehr ausgingen, bezog. Eines Widerrufs der unter dem 18. April 2013 erteilten Erlaubnis gemäß § 43 SGB VIII hätte es nämlich nicht bedurft, weil sich die Erlaubnis zum Widerrufszeitpunkt bereits nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt hatte und damit unwirksam war. In diesem Zusammenhang geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht aus den im Beschluss des Senats vom 14. Mai 2014 - 12 E 250/14 - im einzelnen ausgeführten Gründen davon aus, dass eine Erlaubnis gemäß § 43 SGB VIII auch objektbezogen ist und dementsprechend gegenstandslos wird, wenn die Räumlichkeiten, für die oder in Bezug auf die die Erlaubnis erteilt wurde, dauerhaft aufgegeben werden. Hier ist die Erlaubnis vom 18. April 2013 durch die dauerhafte Aufgabe der Räumlichkeiten in der Straße J. K. 9 in O. , die im Zuge des Umzugs in die M.-----straße 28 zum 1. August 2013 erfolgte, gegenstandslos geworden. Nach nochmaliger Überprüfung hält der Senat an seiner in dem zuvor genannten Beschluss geäußerten Auffassung, die Erlaubnis vom 18. April 2013 habe sich auf die Räumlichkeiten in der M.-----straße 28 bezogen, nicht fest. Sie bezog sich vielmehr auf die Räumlichkeiten in der Straße Im K. 9 in O. . Unter und für diese Anschrift ist die Erlaubnis nämlich von der Klägerin unter dem 15. April 2013 beantragt und dementsprechend auch erteilt worden. Dort übte die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch noch danach bis Ende Juli 2013 ihre Betreuungstätigkeit aus. Weder in dem Erlaubnisantrag noch in der Erlaubnis selbst findet sich ein Anhaltspunkt für die Annahme, die Erlaubnis werde (auch) für (zukünftige) Räumlichkeiten unter einer anderen Anschrift beantragt/erteilt. Dass die Klägerin bei einem von der Beklagten im November 2012 durchgeführten Hausbesuch geäußert hatte, im April 2013 in die M.-----straße 28 umziehen zu wollen, und sie diese neue Adresse der Beklagten bereits Ende November 2012 mitgeteilt hatte, ist ohne Relevanz, weil dies in keiner Weise in dem maßgeblichen Antrag vom 15. April 2013 und der daraufhin erteilten Erlaubnis vom 18. April 2013 anklingt und zudem der Umzug, wie bereits erwähnt, erst deutlich später stattgefunden hat.
42Unabhängig davon ist der Widerruf jedenfalls wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig gewesen.
43In diesem Zusammenhang bedarf keiner Entscheidung, ob der gegenüber dem Ehemann der Klägerin geäußerte Verdacht einer Straftat gemäß § 176 Abs. 1 und 2 StGB im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des verfügten Widerrufs ein solches Gewicht hatte, um aufgrund dessen eine Kindeswohlgefährdung annehmen zu können.
44Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2015 - 12 E 413/15 -.
45Zwar läge gegebenenfalls grundsätzlich ein Widerrufs- oder Rücknahmegrund vor, und zwar entweder gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGB X in Verbindung mit dem Widerrufsvorbehalt in der Erlaubnis vom 18. April 2013 für den Fall "wenn das Wohl des Kindes es erfordert", oder aber nach dem vorrangigen § 18 AG KJHG, anwendbar über § 43 Abs. 5 SGB VIII, § 4 Abs. 6 KiBiz, entweder in Gestalt einer Gefährdung des sittlichen Wohls der Kinder im Sinne von § 17 Buchstabe c AG KJHG oder aber in Gestalt einer Kindeswohlgefährdung in sonstiger Weise im Sinne von § 18 AG KJHG. Indes ist der Widerruf oder die Rücknahme jedenfalls unverhältnismäßig gewesen.
46Da die Aufhebung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) darstellt, stellt der Entzug der Erlaubnis stets das letzte Mittel zur Gewährleistung des Kindeswohls dar.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2015- 12 E 413/15 -, m. w. N.
48Hier stand ein für die Klägerin milderes Mittel zur Verfügung. Statt eines Widerrufs oder einer Rücknahme hätte der - hier als wirksam unterstellten - Erlaubnis vom 18. April 2013 eine nach § 43 Abs. 3 Satz 5 SGB VIII, § 32 Abs. 1 SGB X grundsätzlich zulässige Nebenbestimmung beigefügt werden können, mit welcher der (unterstellten) Kindeswohlgefährdung gleich wirksam, aber für die Klägerin weniger belastend als ein Widerruf/eine Rücknahme hätte begegnet werden können.
49Vorauszuschicken ist, dass sich die (unterstellte) Kindeswohlgefährdung, insbesondere was den Grad einer zu unterbindenden zukünftigen Gefährdung anbelangt, nach den Gesamtumständen des Einzelfalls, wie sie sich im Zeitpunkt der behördlichen Widerrufsentscheidung darstellten, jedenfalls an der unteren Grenze der Tatbestandsmäßigkeit bewegte. Diese Einschätzung stützt sich auf folgende Umstände: Die Klägerin hatte ihre Betreuungstätigkeit seit dem Jahr 2008 soweit ersichtlich beanstandungsfrei ausgeübt. Die Grundlage für den gegen den Ehemann der Klägerin erhobenen strafrechtlichen Vorwurf war im Tatsächlichen so "dünn", dass das Verwaltungsgericht (später) sinngemäß sogar einen hinreichend konkreten Tatverdacht verneint hat. Die Beklagte selbst ging nach ihrem Gesprächsvermerk vom 11. September 2013 davon aus, dass der angezeigte Vorfall weiterer Aufklärung bedurfte. Die strafrechtliche Bewertung des angezeigten Geschehens - als wahr unterstellt - erschien ebenfalls nicht völlig eindeutig. Der angezeigte Vorfall - wiederum als wahr unterstellt - hatte sich außerhalb der regelmäßigen (Tages-)Betreuungstätigkeit der Klägerin ereignet, was bereits situationsbedingt die Annahme einer (gleichartigen) Wiederholung nicht nahelegte. Dies gilt im Übrigen auch deshalb, weil dem Ehemann der Klägerin angesichts des erklärten (vorübergehenden) Verzichts auf die Ausübung der eigenen Betreuungstätigkeit eine gewisse Einsichtsfähigkeit in die "Problematik" nicht abgesprochen werden konnte.
50Vor diesem Hintergrund erweist sich der verfügte Widerruf als unverhältnismäßig, weil der (unterstellten) Kindeswohlgefährdung mit einer Nebenbestimmung zur Erlaubnis hinreichend hätte Rechnung getragen werden können. Diese Einschätzung lässt sich zudem damit untermauern, dass die Beklagte selbst nach ihrem Gesprächsvermerk vom 11. September 2013 anscheinend davon ausging, dass es eines (endgültigen) Entzugs (Widerrufs) der Erlaubnis nicht bedurfte, weil sie- unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit eines solchen - lediglich einen befristeten Widerruf der Erlaubnis angekündigt hatte. Darüber hinaus klingt in dem Gesprächsvermerk die Auffassung an, die Klägerin könne ihre Betreuungstätigkeit fortsetzen, falls sichergestellt sei, dass ihr Ehemann keinen Zugang zu dem Betreuungsort der Kindertagespflege habe. Warum die Beklagte dies nicht durch Nebenbestimmung zur Erlaubnis angeordnet hat, wenn sie meinte, zum sofortigen Handeln verpflichtet zu sein, erschließt sich nicht, zumal die Anordnung einer solchen Nebenbestimmung nicht davon abhing, dass die Klägerin zuvor entsprechende Vorschläge machte oder Vorkehrungen unterbreitete.
51Anknüpfend daran ist auch der mögliche Inhalt einer als milderes Mittel in Betracht kommenden Nebenbestimmung bezeichnet, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. Die von der Beklagten gegen eine solche Nebenbestimmung vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.
52Soweit die Beklagte tatsächliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer entsprechenden Nebenbestimmung geltend macht, die sich (seinerzeit) aus dem zeitlichen Umfang der Betreuungstätigkeit der Klägerin einerseits und den Arbeitszeiten ihres Ehemanns andererseits ergeben hätten, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Beklagte gegebenenfalls zusätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, den zeitlichen Umfang der Betreuungstätigkeit der Klägerin entsprechend einzuschränken. Unabhängig davon wäre es Sache der Klägerin und ihres Ehemanns gewesen, eine Nebenbestimmung umzusetzen, d. h. ihr nachzukommen, die eine Betreuungstätigkeit davon abhängig macht, dass sich der Ehemann nicht in der gemeinsamen Wohnung aufhält, solange dort Kinder betreut werden. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung waren die Kinder zudem nicht in den auch von ihrem Ehemann genutzten gemeinsamen Wohnräumen betreut worden, sondern in einem separaten Bereich im Keller/Souterrain. Auch sonst hätte sich eine solche Nebenbestimmung - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - praktisch umsetzen lassen, was der (spätere) Auszug des Ehemanns aus der gemeinsamen Wohnung zeigt. Die Einhaltung einer solchen Nebenbestimmung hätte sich weiterhin durch (unangemeldete) Kontrollbesuche auch überwachen lassen. Da es sich bei einer solchen Nebenstimmung quasi um eine vorübergehende Maßnahme gehandelt hätte, bis der angezeigte Vorfall aufgeklärt ist, kann sich die Beklagte ferner nicht auf unzumutbaren Kontrollaufwand berufen, zumal kein greifbarer Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Klägerin und ihr Ehemann einer entsprechenden Nebenbestimmung zuwider gehandelt hätten.
53Eine solche Nebenbestimmung scheidet außerdem nicht deshalb als ein milderes Mittel aus, weil die Beklagte sinngemäß meint, die Nebenbestimmung wäre wirkungslos geworden, wenn sie (die Beklagte) "die Kindeseltern aus Gründen äußerster Vorsicht und unter Berücksichtigung der ihr obliegenden Sorgfalts- und Obliegenheitspflichten über die massiven Vorwürfe gegen den Ehemann der Klägerin hätte informieren müssen." Abgesehen davon, dass die Annahme massiver Vorwürfe aus den zuvor dargelegten Gründen heraus Zweifeln begegnet und bloße Vorwürfe kein tauglicher Maßstab für die Annahme einer sich daraus ergebenden Informationsverpflichtung sein dürften, hätte keine Informationsverpflichtung der Beklagten bezüglich der Eltern der von der Klägerin betreuten Kinder bestanden, wenn mittels einer Nebenbestimmung zur Erlaubnis sichergestellt worden wäre, dass sich die (unterstellte) Kindeswohlgefährdung nicht realisiert.
54Mit Blick auf das weitere Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend darauf hinzuweisen, dass sich der verfügte Widerruf nicht deshalb als verhältnismäßiges, insbesondere erforderliches Mittel darstellte, weil die Klägerin auf ein Angebot der Beklagten, die Erlaubnis gegen Weiterzahlung der Vergütung ruhen zu lassen, nicht eingegangen war. Dagegen spricht schon, dass das entsprechende Angebot der Beklagten nach dem bereits erwähnten Gesprächsvermerk vom 11. September 2013 unter der zu unbestimmten Bedingung stand, dass die Klägerin und ihr Ehemann "nachweislich zur kurzfristigen umfassenden Klärung des Sachverhaltes beitragen", und zweifelhaft erscheint, ob eine solche Mitwirkung angesichts bestehender Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte überhaupt verlangt werden konnte. Jedenfalls aber war das Angebot (ebenfalls) nicht verhältnismäßig, weil es zwingend mit der Einstellung der beruflichen Tätigkeit verbunden war, obwohl sich diese Folge mit der hier befürworteten Nebenbestimmung hätte vermeiden lassen.
55Soweit in der Begründung des Widerrufsbescheids auch gegen die Klägerin selbst gerichtete Vorwürfe - mangelnde Wahrnehmung der Verantwortung als Aufsichtsperson, fehlende Kooperationsbereitschaft, ungenügende Wahrnehmung des Förderauftrags gemäß § 22 SGB VIII, unzureichendes Verantwortungsbewusstsein - erhoben werden, ist klarzustellen, dass diese nicht geeignet waren, eine Rücknahme auf der Grundlage von § 18 AG KJHG oder aber einen Widerruf gemäß § 47 Abs. 1 SGB X zu tragen. Nach dem Gesamtzusammenhang der Begründung des angefochtenen Bescheids handelte es sich nicht um Rücknahme-/Widerrufsgründe, die selbstständig neben der hier unterstellten, vom Ehemann der Klägerin ausgehenden Kindeswohlgefährdung standen. Lässt man die (unterstellt) vom Ehemann der Klägerin ausgehende Kindeswohlgefährdung außer Betracht, waren die Vorwürfe teilweise nicht hinreichend konkretisiert, teilweise auch nicht berechtigt und keinesfalls so schwerwiegend, dass sie eine Rücknahme oder einen Widerruf der Erlaubnis rechtfertigten. Dies wird auch daran deutlich, dass die Beklagte der Klägerin nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen deren Ehemann erneut eine Erlaubnis gemäß § 43 SGB VIII erteilt hat, ohne auf die zuvor angesprochenen Vorwürfe einzugehen.
56Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass mit Blick auf die sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Besonderheiten, insbesondere die Aufklärungsbedürftigkeit der gegenüber dem Ehemann der Klägerin erhobenen Vorwürfe, hier kein Fall vorliegt, in dem eine Nebenbestimmung als milderes Mittel im Verhältnis zu einem Entzug der Erlaubnis deshalb ausgeschlossen war, weil grundlegende Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung in Frage standen.
57Abgrenzung zu den Senatsbeschlüssen vom 28. Juli 2015 - 12 E 413/15 -, vom 2. September 2008 - 12 B 1224/08 -, vom 27. Juni 2011 - 12 B 507/11 - und vom 27. November 2007 - 12 A 4697/06 - sowie zu BSG, Urteil vom 31. Oktober 2001 - B 6 KA 16/00 R -, sämtlich juris; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2006- 12 B 800/06 -, juris Rn. 3.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
59Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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