Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 2580/14
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das angefochtene Urteil wie folgt geändert: Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd – Außenstelle N. – vom 15. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bundesverwaltungsamts vom 19. September 2013 und dessen Änderung vom 12. November 2014 wird aufgehoben.
Unter Einbeziehung des rechtskräftigen Teils der erstinstanzlichen Kostenentscheidung trägt die Beklagte die gesamten Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
1
Tatbestand:
2Der Kläger steht als Berufssoldat im Dienst der Beklagten. Er wurde am 26. Juni 2009 zum Hauptmann befördert und rückwirkend zum 1. Mai 2009 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Die Wehrbereichsverwaltung Süd – Außenstelle N. – erfuhr erst am 7. Juli 2009 von dieser Beförderung. Die Beförderung wurde erstmals bei der Besoldung für den Monat August 2009 berücksichtigt. Bereits zum 1. Juli 2009 war das Grundgehalt des Klägers der Besoldungsgruppe A 10, Dienstaltersstufe 8, nach § 2 BesÜG der Überleitungsstufe zur Erfahrungsstufe 6 (SAP-Begriff 5+) zugeordnet worden. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 wurde die Stufe 6 festgesetzt. Nach den Angaben der Wehrbereichsverwaltung Süd im angefochtenen Bescheid vom 15. April 2013 wäre es richtig gewesen, ab dem 1. Juli 2009 die Stufe 5, ab dem 1. Oktober 2011 die Stufe 5+ und erst ab dem 1. Juli 2013 die Stufe 6 festzusetzen.
3Mit Bescheid vom 15. April 2013 forderte die Wehrbereichsverwaltung Süd– Außenstelle N. – nach Anhörung des Klägers 1.837,98 Euro zurück. Sie führte aus, der Kläger habe wegen der fehlerhaft festgesetzten Dienstaltersstufen insgesamt 2.625,69 Euro brutto zu viel erhalten. Aufgrund des behördlichen Mitverschuldens habe sie den Überzahlungsbetrag aus Billigkeitsgründen um 30% auf die genannte Rückforderungssumme reduziert.
4In seiner dagegen eingelegten Beschwerde machte der Kläger geltend, er sei entreichert und habe die Überzahlung im Übrigen nicht erkennen können.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch zurück. Es führte aus, der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf eine Entreicherung berufen, weil er verschärft hafte. Er habe die Überzahlung grob fahrlässig nicht bemerkt. Abgesehen davon hätten seine Besoldungszahlungen unter dem gesetzlichen Vorbehalt gestanden, dass die endgültige Zuordnung zu einer Stufe zu keiner abweichenden Besoldung führe.
6Am 8. Oktober 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, § 2 Abs. 5 BesÜG enthalte keinen gesetzlichen Vorbehalt. Außerdem hat er die Überzahlung nicht als offensichtlich angesehen. Der Kläger hat sich außerdem auf den Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 27. November 2013 – ZI1- 30200/1#7 – betreffend die Rückforderung überzahlter Bezüge und die verspätete Anwendung des § 2 Abs. 5 BesÜG berufen.
7In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 12. November 2014 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid mit Rücksicht auf die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs für das Jahr 2009 dahingehend abgeändert, dass der Rückforderungsbetrag 1.522,98 Euro beträgt. Hinsichtlich des aufgehobenen Teilbetrages haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
8Der Kläger hat daraufhin beantragt,
9den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2013 und der Änderung vom 12. November 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat zur Begründung im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Den vom Kläger zitierten Erlass hat sie nicht für anwendbar gehalten, weil die Beförderung und die Planstelleneinweisung des Klägers jeweils vor dem 1. Juli 2009 erfolgt seien.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe den streitgegenständlichen Betrag ohne Rechtsgrund erhalten. Ihm hätte die Überzahlung zwar nicht auffallen müssen. Er könne sich jedoch nicht auf eine Entreicherung berufen, weil er nach § 820 BGB verschärft hafte. Die streitgegenständlichen Bezüge seien nach § 2 Abs. 5 BesÜG unter Vorbehalt gezahlt worden.
14Die vom Senat durch Beschluss vom 9. Februar 2016 zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Die überzahlten Bezüge seien nicht unter Vorbehalt geleistet worden. Insbesondere begründe § 2 Abs. 5 BesÜG keinen gesetzesimmanenten Vorbehalt. Das Verwaltungsgericht habe die Verwaltungspraxis der Beklagten missachtet, wie sie in dem von ihm zitierten Erlass zum Ausdruck komme. Er habe einen Anspruch auf Gleichbehandlung.
15Der Kläger beantragt,
16unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen und
17die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf ihre bisherigen Ausführungen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (zwei Beiakten) Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 15. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bundesverwaltungsamts vom 19. September 2013 und dessen Änderung vom 12. November 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat den noch in Rede stehenden Betrag zwar ohne Rechtsgrund erhalten (dazu 1.). Er kann sich jedoch erfolgreich auf eine Entreicherung berufen (dazu 2.). Er ist nicht mehr bereichert (dazu 2.b). Die überzahlten Bezüge standen weder unter einem gesetzlichen Vorbehalt (dazu 2.b), noch haftet der Kläger wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Überzahlung verschärft (dazu 2.c).
24Anspruchsgrundlage für die Rückforderungsansprüche ist § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
251. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Der Kläger hat den allein noch streitgegenständlichen Betrag (1.522,98 Euro) ohne Rechtsgrund durch Leistung der Beklagten erlangt, weil diese bei der Zuordnung des Klägers in die neue Erfahrungsstufe zum 1. Juli 2009 dessen Beförderung zunächst nicht berücksichtigt hatte. Zur näheren Begründung wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (Seite 1 unten und Seite 2 oben), die sich der Senat zu eigen macht und denen der Kläger nichts entgegengesetzt hat.
262. Der Kläger kann sich mit Erfolg darauf berufen, entreichert zu sein (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB).
27a) Nach § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat die zu viel gezahlten Bezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht.
28Bei geringfügigen Überzahlungen, die monatlich nicht mehr als 10 Prozent der an sich zustehenden Bezüge betragen, wird ein offenbarer Wegfall der Bereicherung unterstellt.
29Vgl. Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 27. November 2013 – ZI1-30200/1#7 –, der auf Nr. 12.2.12 BBesGVwV Bezug nimmt und nunmehr einen Wegfall der Bereicherung bis zu einem Betrag von 200 Euro unterstellt (zuvor 300 DM = 153,39 Euro); ebenso Nds. OVG, Urteil vom 28. April 2015 – 5 LB 149/14 –, juris, Rn. 36; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24. Januar 2014 – 10 A 11010/13.OVG –, n. v., Urteilsabdruck, S. 6 f.; Hamb. OVG, Urteil vom 27. Januar 1995– Bf I 3/94 –, juris, Rn. 26 (jeweils zu 10%-Grenze); zur Entreicherung bei geringfügigen Überzahlungen siehe auch BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 – 2 C 4.11 –, Schütz BeamtR ES/C V 5 Nr. 84 = juris, Rn. 8, und vom 10. Oktober 1961 – 6 C 25.60 –, BVerwGE 13, 107 (109 ff.).
30Bei den relativ geringen Beträgen von monatlich etwa 30 Euro bis etwa 76 Euro ist dies hier anzunehmen.
31b) Die Berufung auf Entreicherung ist dem Kläger nicht deshalb verwehrt, weil die Zahlung der Bezüge ab dem 1. Juli 2009 unter einem gesetzlichen Vorbehalt gestellt gewesen wäre. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 24. Januar 2014 – 10 A 11010/13.OVG – zu einem vergleichbaren Fall (die Beförderung erfolgte vor dem 1. Juli 2009 und wurde erst danach berücksichtigt) Folgendes ausgeführt:
32„Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. § 820 Abs. 1 Satz 2, § 818 Abs. 4 BGB ist eine Berufung auf Entreicherung ausgeschlossen, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund erfolgt ist, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde und der Rechtsgrund sodann tatsächlich weggefallen ist. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass diese Vorschrift – ebenso wie im Zivilrecht – auch auf Leistungen unter Vorbehalt anzuwenden ist. Solche Vorbehaltsleistungen sind beispielsweise Abschlagszahlungen, bei denen sich bereits aus dem Begriff und Wesen der Leistung ergibt, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig festgesetzt werden sollen. Ein weiteres Beispiel stellt die Fortzahlung der Bezüge eines entlassenen Beamten auf Grund eines gerichtlichen Beschlusses über die Aussetzung der Vollziehung dar. Einen gesetzesimmanenten Vorbehalt hat das Bundesverwaltungsgericht schließlich bei Regelungen über das Ruhen von Versorgungsbezügen angenommen (zum Ganzen ausführlich BVerwG, Urteil vom 28.02.1985– 2 C 16/84 – BVerwGE 71, 77, juris-Rn. 22 ff. mit weiteren Nachweisen).
33Diese Rechtsprechung lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Leistungen, bei denen ein Vorbehalt anerkannt ist, zeichnen sich dadurch aus, dass sie aufgrund unsicherer Tatsachengrundlage (noch) nicht sicher zutreffend festgesetzt werden konnten, so dass nach abschließender Prüfung von der Verwaltungsbehörde, aber auch dem Leistungsempfänger mit einer Rückforderung gerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 25.11.1985 – 6 C 37/83 –, Juris-Rn. 21 und 22). Eine solche Situation ist durch das Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes aber zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BesÜG erfolgt die Zuordnung zu einer Stufe oder einer Überleitungsstufe zunächst vorläufig und wird, sofern im Übergangszeitraum keine Beförderung erfolgt, mit Ablauf des 30. Juni 2013 zu einer endgültigen Zuordnung. Wird im Übergangszeitraum eine Ernennung durch Verleihung eines Amtes oder Dienstgrades einer höheren Besoldungsgruppe wirksam, erfolgt nach Satz 2 der Vorschrift die endgültige Zuordnung mit dem Wirksamwerden dieser Ernennung, wobei die Ernannten so gestellt werden, als ob die Ernennung am 30. Juni 2009 wirksam gewesen wäre.
34Da der Dienstherr Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe der Besoldungsempfänger unter der alten Rechtslage kannte, konnte er unmittelbar zum Stichtag die zutreffende Erfahrungsstufe bestimmen. Sofern keine Beförderung mehr im Übergangszeitraum erfolgte, war nichts weiter zu veranlassen oder neu festzusetzen. Aber auch wenn im Übergangszeitraum ein höher besoldetes Amt verliehen wurde, führte dies nicht zu einer ungewissen Tatsachengrundlage. Erforderlich war lediglich die Anpassung der Besoldungsgruppe und Neuberechnung der Erfahrungsstufe zum Stichtag 30. Juni 2009. Diese Neufestsetzung konnte – nicht anders, als bei der ersten Umstellung zum 1. Juli 2009 auch – sofort und automatisch erfolgen. Die einzige Besonderheit bestand darin, dass die Erfahrungsstufe im Übergangszeitraum neu berechnet werden musste und dies – abweichend von § 27 Abs. 3 BBesG, nach dem in einer Stufe bereits erbrachte Erfahrungszeiten erhalten bleiben – dazu führen konnte, dass dem Besoldungsempfänger in der neuen Besoldungsgruppe eine niedrigere Erfahrungsstufe zuzuweisen war. Auch daraus folgte aber weder eine Unsicherheit in der Tatsachengrundlage, noch die Notwendigkeit einer Rückforderung von Besoldungsteilen, sondern lediglich ein etwas geringerer Anstieg des Grundgehalts anlässlich der Beförderung.
35Abgesehen davon, dass es in den vorliegenden Fällen an dem Element der Unsicherheit fehlt, entsprach es auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, die Besoldung insgesamt unter einen Zahlungsvorbehalt [zu] stellen. Er wollte lediglich stichtagsbedingte Ungerechtigkeiten vermeiden und eine Gleichbehandlung von Beförderungen vor und innerhalb des Übergangszeitraums zu ermöglichen. Dies ergibt sich sowohl aus den Gesetzesmaterialien[,] als auch der Regelungssystematik des Besoldungsüberlei[s]tungsgesetzes. In der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 5 BesÜG wird ausgeführt (BT‑Drs. 16/10850, S. 238):
36‚Der Gesetzesentwurf wahrt das bisherige Lebenserwerbseinkommensniveau. Allerdings kann sich im Zuge der Überleitung eine Beförderung – abhängig von ihrem Zeitpunkt (vor oder nach der Überleitung) – umstellungstechnisch unterschiedlich auswirken, insbesondere kann in bestimmten Konstellationen ein späterer Beförderungszeitpunkt zu relativen Nachteilen für leistungsstarke Beamte und Soldaten führen. Um solchen stichtagsbedingten Auswirkungen entgegenzuwirken, erfolgt die Überleitung aufgrund der vorgenommenen Änderung zunächst vorläufig. Zu einem späteren Zeitpunkt Beförderte werden– dann endgültig – so übergeleitet, als wäre die Beförderung bereits vor der Einführung der neuen Grundgehaltstabelle erfolgt. Dies gilt für die erste Beförderung innerhalb von vier Jahren nach Einführung der neuen Grundgehaltstabelle. Erfolgt in diesem Vierjahres-Zeitraum keine Beförderung, wird die zunächst vorläufige Überleitung automatisch endgültig. Einer gesonderten Feststellungsentscheidung hierfür bedarf es nicht.‘
37Hätte die Besoldung demgegenüber tatsächlich unter den Vorbehalt einer abschließenden Prüfung gestellt werden sollen, hätte der Gesetzgeber die Vorschrift anders ausgestalten müssen. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BesÜG wird die vorläufige Zuordnung ohne weiteres eine endgültige, sofern keine Beförderung erfolgt. Eine irgendwie geartete Überprüfungsmöglichkeit oder Nachfestsetzung ist für diesen – hier vorliegenden – Fall gerade nicht vorgesehen. Findet demgegenüber eine Beförderung im Übergangszeitraum statt, erfolgt die endgültige Zuordnung nach Satz 2 der Vorschrift unmittelbar mit Wirksamwerden dieser Ernennung. Auch hier ist eine nachträgliche Festsetzung weder vorgesehen, noch notwendig. In beiden Fällen dient die Vorläufigkeit der Stufenfestsetzung daher erkennbar nicht dazu, Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die Umstellung im Besoldungssystem verursacht werden, sondern eröffnet lediglich rechtstechnisch die Möglichkeit, die Erfahrungsstufe neu festzusetzen, um Beförderungen innerhalb des Übergangszeitraums mit solchen vor dem Stichtag gleichbehandeln zu können.
38Die Annahme eines generellen Besoldungsvorbehalts, wie ihn die Beklagte vertritt, wäre schließlich auch unbillig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Berufung auf einen gesetzesimmanenten Vorbehalt ausscheidet, wenn es an dem maßgebenden Kriterium der Unsicherheit fehlt und die Bezüge nur deshalb unzutreffend festgesetzt wurden, weil die Verwaltungsbehörde einschlägige Rechtsvorschriften nicht oder falsch angewandt hat. Eine solch fehlerhafte Rechtsanwendung sei ausschließlich dem Verantwortungsbereich der Behörde zuzuordnen und es sei nicht gerechtfertigt, das Risiko eines Fehlers durch die Annahme eines Vorbehalts dem Versorgungsempfänger aufzubürden (BVerwG, Urteil vom 25.11.1985 – 6 C 37/83 – Juris-Rn. 22; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 28.02.1985 – 2 C 16/84 –, juris Rn. 23). Nicht anders liegt der Fall hier. Die Beklagte hat sich entschieden, die Besoldung durch ein automatisiertes Personalverwaltungssystem vornehmen zu lassen. Wenn den Programmierern bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften Fehler unterlaufen oder besoldungsrelevante Daten zu spät eingepflegt werden, liegt dies allein in der Sphäre der Beklagten. Es besteht daher keinen Grund, die rechtstechnisch notwendige Anordnung der Vorläufigkeit der Stufenfestsetzung anlässlich solcher Fehler zu einem generellen Besoldungsvorbehalt auszuweiten (im Ergebnis ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 12.11.2012 – 1 K 1808/12 –, Juris-Rn 41 ff.; VG Regensburg, Urteil vom 13.11.2012 – RN 1 K 12.617 –, Juris-Rn. 26; VG Köln, Urteil vom 01.02.2013 – 9 K 3785/11 – Juris-Rn. 42 ff.; a.A. OVG Nds., Beschluss vom 22.07.2013 – 5 LA 111/13.OVG –, Juris-Rn. 15 ff. Soweit der Senat diese Frage in einem ähnlich gelagerten Verfahren mit Beschluss vom 27.12.2012 – 10 A 10962/12 –, n. V. anders gewertet hat, wird daran nicht mehr festgehalten).“
39Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie sich zu eigen.
40Einen gesetzlichen Vorbehalt in § 2 Abs. 5 Satz 1 BesÜG verneinen – neben den eben bereits vom OVG Rheinland-Pfalz zitierten Gerichten – auch VG Potsdam, Urteil vom 11. Juni 2015 – 2 K 269/14 –, juris, Rn. 17 ff.; VG Aachen, Urteil vom 2. Oktober 2014 – 1 K 725/14 –, juris, Rn. 31 ff.; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 25. Februar 2013 – 3 K 791/12.NW –, juris, Rn. 37 ff.; VG Köln, Urteil vom 1. Februar 2013– 9 K 4961/11 –, juris, Rn. 48 ff.
41Während des vorliegenden Klageverfahrens hat sich im Übrigen auch die Beklagte nicht länger auf § 820 BGB und eine Zahlung unter Vorbehalt berufen.
42Ergänzend zur oben zitierten Argumentation verweist der Senat auf § 2 Abs. 6 BesÜG. Nach § 2 Abs. 6 Satz 3 BesÜG ist die Zuordnung zu einer Stufe oder Überleitungsstufe des Grundgehaltes für die in diesem Absatz genannten Fälle (Gewährung einer Ausgleichszulage am 30. Juni 2009 wegen der Verminderung von Dienstbezügen) endgültig; Absatz 5 gilt nicht. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass eine endgültige richtige Zuordnung zu einer Stufe oder Überleitungsstufe auch schon direkt zum 1. Juli 2009 möglich ist. Die Zuordnung nach § 2 Abs. 5 BesÜG ist demnach nicht deswegen vorläufig, weil die zuständigen Behörden bis zu vier Jahre benötigen könnten, um die neue Zuordnung korrekt vorzunehmen. Die Übergangsfrist in § 2 Abs. 5 BesÜG soll vielmehr – wie oben ausgeführt – nur stichtagsbedingte Ungerechtigkeiten bei Beförderungen vermeiden.
43c) Das Geltendmachen der Entreicherung ist schließlich nicht nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG i. V. m. § 819 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Weder kannte der Kläger die Überzahlung seiner Bezüge positiv, noch hätte er sie kennen müssen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 7 und 8 des Urteilsabdrucks verwiesen, denen sich der Senat anschließt.
44Der Hinweis der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 19. September 2013 (dort S. 5) auf ihre Informationen zur Neuregelung der Besoldung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz, die der Kläger als Anlage zu seiner Bezügeabrechnung für Juli 2009 erhalten hatte, begründet keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Überzahlung. Diese kleinzeilig und eng gedruckten Hinweise verweisen sowohl für die neuen Grundgehaltstabellen als auch für „eine Reihe von speziellen Ausnahmeregelungen, deren Darstellung den Rahmen eines Merkblattes überschreiten würden“ auf Intranetseiten der Bundeswehr. Im Widerspruchsbescheid (dort Seite 4) wird eine 11-seitige Broschüre im Intranet der Bundeswehr dazu erwähnt. Dass ein besoldungsrechtlicher Laie aufgrund dieser umfangreichen Hinweise auf Grund- und Ausnahmeregelungen seine zutreffende Erfahrungsstufe selbst ermitteln könnte, hält der Senat für ausgeschlossen. Daher führt auch der Hinweis der Beklagten nicht weiter, der Kläger hätte erkennen können, dass er in Juli und August 2009 jeweils der Stufe 5+ zugeordnet worden und dass dies ab August 2009 falsch gewesen sei. Es ist nicht ersichtlich, wieso der Kläger als besoldungsrechtlicher Laie hätte erkennen können, dass sich die Stufenzuordnung nach einer Beförderung ändern müsste. Wenn die Zuordnung so einfach gewesen wäre, wie die Beklagte behauptet, hätte es nicht so umfangreicher Hinweise bedurft. Wie im Übrigen eine Vielzahl von bundesweit entschiedenen Verfahren zeigt, war es offenbar selbst für die Bezügestellen der Bundeswehr schwierig, die Erfahrungsstufen jeweils fehlerfrei zuzuordnen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass die Bezügemitteilung für August 2009, die erstmals die Beförderung berücksichtigte, auch Nachberechnungen für die Monate Mai bis einschließlich Juli 2009 enthielt, welche die Vergleichbarkeit mit früheren Bezügemitteilungen erschwerte. Außerdem wurde zum 1. Juli 2009 das Weihnachtsgeld anteilig in die monatliche Besoldung integriert. Bei diesen gleichzeitig erfolgten Änderungen der Besoldung musste sich dem Kläger als besoldungsrechtlichem Laien auch im Hinblick auf die relativ geringe Höhe der Überzahlung nicht aufdrängen, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen konnten. Etwaige Zweifel genügen nicht für die Annahme grober Fahrlässigkeit.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 15.10 –, IÖD 2012, 175 = juris, Rn. 17, eine verschärfte Haftung wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von besoldungsrechtlichen Laien im Zusammenhang mit der Stufenzuordnung nach § 2 BesÜG lehnen ebenfalls ab OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 10 A 10505/14.OVG – n. v., Beschlussabdruck, S. 2 ff., und Urteil vom 24. Januar 2014 – 10 A 11010/13.OVG – n. v., Urteilsabdruck, S. 11 f.; VG Potsdam, Urteil vom 11. Juni 2015 – 2 K 269/14 –, juris, Rn. 26; VG Aachen, Urteil vom 2. Oktober 2014 – 1 K 725/14 –, juris, Rn. 22 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 4. Dezember 2013 – AN 11 K 12.02325 –, juris, Rn. 27; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 25. Februar 2013 – 3 K 791/12.NW –, juris, Rn. 35 f.; VG Köln, Urteil vom 1. Februar 2013 – 9 K 4961/11 –, juris, Rn. 40 ff.; VG Regensburg, Urteil vom 13. November 2012 – RN 1 K 12.617 –, juris, Rn. 25; VG Sigmaringen, Urteil vom 12. November 2012 – 1 K 1808/12 –, juris, Rn. 40.
46Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Sie berücksichtigt, dass der Teil der erstinstanzlichen Kostenentscheidung, der sich auf den erledigten Teil des Verfahrens bezieht, rechtskräftig ist.
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Dem Kläger war es angesichts der schwierigen und ungeklärten Rechtslage nicht zuzumuten, das Vorverfahren selbst zu führen.
49Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG nicht gegeben sind. Nach den Angaben des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist keine nennenswerte Anzahl derartiger Verfahren mehr anhängig.
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