Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 B 1348/18
Tenor
1. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U. aus I. bewilligt.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
1
Gründe:
21.
3Der Antragstellerin ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann.
42.
5Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
6Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens, auf das sich die Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ist der angegriffene Beschluss, soweit er die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erbringung von Leistungen an die Antragstellerin verpflichtet, nicht zu beanstanden.
7Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, ergibt sich die Zuständigkeit und damit die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung im Außenverhältnis zur Antragstellerin aus § 14 SGB IX, weil der Beigeladene zu 1. den bei ihm gestellten Leistungsantrag der Antragstellerin gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX rechtzeitig an die Antragsgegnerin weitergeleitet hat.
8Zwar ist mit der Beschwerdebegründung davon auszugehen, dass mit Blick auf die beim Beigeladenen zu 1. beantragten Leistungen ein Verlängerungsantrag in Rede steht, weil es um die (unveränderte) Fortsetzung der mit einer stationären Unterbringung der Antragstellerin im L. -H. -Haus in C. verbundenen Maßnahme geht. Auch trifft es zu, dass die Beigeladene zu 2. insoweit als erstangegangener Rehabilitationsträger angesehen werden kann, als die zuvor bezeichnete Maßnahme ursprünglich bei ihr beantragt worden ist und sie die Leistungen im ursprünglichen Bewilligungszeitraum sowie in dem sich anschließenden Verlängerungszeitraum erbracht hat. Dies führt indes bei der in einem einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung nicht dazu, dass der hier von der Antragstellerin bei dem Beigeladenen zu 1. gestellte Leistungsantrag als ein Verlängerungsantrag anzusehen ist, für den § 14 Abs. 1 SGB IX nicht gilt. Solches dürfte sich auch aus der von der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung zitierten Rechtsprechung nicht ergeben.
9Diese lautet zusammengefasst dahingehend, dass ein Verlängerungsantrag nicht gemäß § 14 SGB IX zu behandeln sei, weil bei einem einheitlichen Leistungsfall dieser von dem zunächst leistenden Träger zu Ende zu führen sei. Bei unveränderter Sachlage sei auf einen Verlängerungsantrag hin keine Zuständigkeitsprüfung gemäß § 14 SGB IX mehr angezeigt, weil die einmal begründete Zuständigkeit des leistenden Trägers bestehen bleibe. Diese Auffassung erscheint indes nur dann sinnvoll und folgerichtig, wenn der Verlängerungsantrag bei dem zunächst leistenden und damit im Außenverhältnis zum Antragsteller zuständig gewordenen Rehabilitationsträger gestellt wird. Dieser hat kein schützenswertes Interesse, die bei ihm begründete Zuständigkeit anlässlich eines Verlängerungsantrags im Außenverhältnis erneut zur Prüfung zu stellen.
10Anderes gilt jedoch, wenn der Verlängerungsantrag - wie hier - bei einem anderen, vormals nicht involvierten Rehabilitationsträger (hier: beim Beigeladenen zu 1.) gestellt wird. In einem solchen Fall liegt insoweit eine andere Sachlage vor, als der Antragsteller selbst die Zuständigkeitsfrage neu aufgeworfen hat dadurch, dass er den Leistungs-/Verlängerungsantrag nicht bei dem bisher leistenden, sondern bei einem anderen Rehabilitationsträger gestellt hat. Dies gilt auch in Ansehung dessen, dass hier die Antragstellung bei dem Beigeladenen zu 1. darauf beruhen dürfte, dass die Beigeladene zu 2. gegenüber der Rehabilitationseinrichtung angekündigt hatte, einen etwaigen Verlängerungsantrag an den ihrer Ansicht nach in der Sache zuständigen Beigeladenen zu 1. weiterzuleiten. Dies ändert nichts daran, dass der Beigeladene zu 1. auf den Antrag der Antragstellerin hin die Zuständigkeitsfrage zu prüfen und klären hatte. Wollte man auch in einem solchen Fall einen Verlängerungsantrag annehmen, für den § 14 Abs. 1 SGB IV nicht gilt, hätte dies für einen Antragsteller die negative Konsequenz, dass eine schnelle Klärung der Zuständigkeit, die durch die zuletzt genannte Vorschrift bewirkt werden soll, nicht erfolgte. Auch wenn man mit der Antragsgegnerin die Zuständigkeitsfrage bei Verlängerungsanträgen grundsätzlich dahingehend als geklärt ansähe, dass jedenfalls im Außenverhältnis stets der bisher leistende Rehabilitationsträger zuständig ist, änderte dies nichts daran, dass der angegangene (andere) Rehabilitationsträger, wie zuvor ausgeführt, die Zuständigkeitsfrage prüfen muss und auf der Grundlage der Auffassung der Antragsgegnerin zu dem Ergebnis kommen müsste, dass jedenfalls im Außenverhältnis nicht er, sondern der bisher leistende Rehabilitationsträger zuständig ist und zu leisten hat. Eine diesbezügliche schnelle Klärung im Außenverhältnis zum Antragsteller, mit der zugleich eine unverzügliche Leistungsgewährung sichergestellt werden soll, wäre in diesem Fall indes bei Nichtanwendbarkeit von § 14 Abs. 1 SGB IX nicht gewährleistet. Zunächst einmal könnte der angegangene Rehabilitationsträger sich mit der Antragsbearbeitung Zeit lassen, weil er keine Zuständigkeitsbegründung bei sich selbst durch unterlassene Weiterleitung befürchten müsste. Folgte er der Auffassung der Antragsgegnerin, dass auf jeden Fall im Außenverhältnis der erstleistende Rehabilitationsträger zuständig ist, könnte er den Antrag mangels Zuständigkeit sogar schlicht ablehnen. Entschiede er sich für eine Abgabe des Antrags an den bisher leistenden Rehabilitationsträger, hätte dies nicht die im Fall der Weiterleitung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eintretende zuständigkeitsbegründende Wirkung. Zwar bedürfte es einer solchen in der Sache nicht, wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausginge, dass aufgrund des Verlängerungsantrags unabhängig davon, bei wem dieser gestellt wird, im Außenverhältnis auf jeden Fall die Zuständigkeit des erstleistenden Rehabilitationsträgers begründet ist. Gerade mit Blick auf das Außenverhältnis zum Antragsteller besteht jedoch auch in diesem Fall ein Bedürfnis für eine zuständigkeitsbegründende Weiterleitung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Denn der Antragsteller hätte seinen Verlängerungsantrag bei einem unzuständigen Rehabilitationsträger gestellt, so dass ihm erst die Weiterleitung des Antrags nach der zuvor genannten Norm Gewissheit hinsichtlich des zuständigen Rehabilitationsträgers gäbe.
11Das Vorstehende spricht jedenfalls bei summarischer Prüfung dafür, § 14 Abs. 1 SGB IX auch auf einen Verlängerungsantrag anzuwenden, der bei einem bisher nicht leistenden Rehabilitationsträger gestellt worden ist. Dies hat zunächst einmal zur Konsequenz, dass der angegangene Rehabilitationsträger eine Weiterleitung auch an einen anderen, bisher ebenfalls nicht leistenden Rehabilitationsträger - hier die Antragsgegnerin - vornehmen kann. Zwar könnte erwogen werden, ob der mit einem Verlängerungsantrag angegangene, bisher nicht leistende Rehabilitationsträger bei der Prüfung der Zuständigkeit insoweit beschränkt ist, als er nur die Zuständigkeit des bisher leistenden Rehabilitationsträgers annehmen kann. Dies dürfte jedoch im hier in Rede stehenden Außenverhältnis zum Antragsteller, der sich auf die über § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX begründete Zuständigkeit verlassen können muss, ohne Relevanz sein.
12Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den streitigen Bewilligungszeitraum kein Verlängerungsantrag bei der Beigeladenen zu 2. gestellt worden ist, der eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte. Die von dritter Seite (M. -Klinik C. ) an die Beigeladene zu 2. gerichtete Empfehlung oder Anregung einer Fortführung der Maßnahme stellt keinen Verlängerungsantrag dar, erst recht keinen der Antragstellerin. Das Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 22. Februar 2018 an die Einrichtung, in welcher die Antragstellerin untergebracht ist, beinhaltet offensichtlich keine Entscheidung über einen Verlängerungsantrag. Die Beigeladene zu 2. war zudem ohne einen ihr vorliegenden Antrag der Antragstellerin nicht verpflichtet, über eine Verlängerung der von ihr zeitlich befristet bewilligten Maßnahme zu entscheiden. Dies gilt auch deshalb, weil die von dritter Seite geäußerte Einschätzung eines bei der Antragstellerin fortbestehenden Hilfebedarfs sich nicht mit der Einschätzung der Antragstellerin selbst decken muss und dementsprechend einen Antrag der Antragstellerin nicht zu ersetzen vermag. Im Übrigen war das in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Schreiben des L. -H. -Hauses, in dem von einem fortbestehenden Hilfebedarf der Antragstellerin die Rede ist, nicht an die Beigeladene zu 2. adressiert.
13Die dargelegten Beschwerdegründe stellen schließlich die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend infrage, der Verlängerungsantrag sei rechtzeitig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX an die Antragsgegnerin weitergeleitet worden. Die Antragsgegnerin zeigt nicht hinreichend auf, dass das Verwaltungsgericht relevante Tatsachen ausgeblendet hat. Den Eingang des Leistungs-/Verlängerungsantrags bei der Antragstellerin hat es nachvollziehbar mit dem auf dem Posteingangstempel angegebenen Datum angenommen und darin zugleich einen ausreichenden Nachweis gesehen. Die solchermaßen angenommene Indizwirkung des Posteingangsstempels wird durch das Beschwerdevorbringen nicht hinreichend infrage gestellt. Die Antragsgegnerin trägt keinen annähernd gesicherten Geschehensablauf vor, der die Indizwirkung des Stempels erschüttert. Soweit sie sich darauf beruft, dass die Beschwerdegegnerin - gemeint ist damit die Antragstellerin - angegeben habe, den Antrag am 27. Februar 2018 an den Beigeladenen versandt zu haben, greift das schon deshalb nicht durch, weil nach den Verwaltungsvorgängen der Einrichtungsträger den Antrag dem Beigeladenen zu 1. übersandt haben dürfte und nicht die Antragstellerin selbst. Auf die an eine Übersendung des Antrags durch die Antragstellerin anknüpfenden Spekulationen der Antragsgegnerin dazu, wann der Antrag bei dem Beigeladenen zu 1. eingegangen sein müsste oder könnte, kommt es demzufolge nicht an. Da zwischen dem oben auf dem Antrag angegebenen Datum (2. Januar 2018) und dem bei der Unterschrift der Antragstellerin angegebenen Datum (14. Februar 2018) bereits mehrere Wochen liegen, erscheint es zudem nicht ungewöhnlich, dass der Eingang beim Beigeladenen zu 1. laut dessen Posteingangsstempel erst am 8. März 2018 erfolgt ist. Dementsprechend geben die Umstände keinen Anlass für die Annahme der Antragsgegnerin, der Beigeladene zu 1. habe über die Anbringung des Posteingangsstempels hinausgehende Dokumentationspflichten hinsichtlich des Zugangs gehabt.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
15Dieser Beschluss ist insgesamt nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.