Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 1335/18
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. August 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Sein Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den erstinstanzlichen Beschluss nicht durchgreifend in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2017 zum Rückbau einer befestigten Fläche und Ersatzpflanzung von Sträuchern wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ordnungsverfügung sei trotz der Falschbezeichnung des Flurstücks hinreichend bestimmt i. S. v. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, weil für den Antragsteller aus den objektiven Umständen ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, welche konkrete Fläche der Bescheid betreffe. Auch im Übrigen sei die Ordnungsverfügung rechtmäßig.
41. Der Antragsteller trägt mit seiner Beschwerde ohne Erfolg vor, der angefochtene Beschluss verstoße gegen seinen Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil ein Einzelrichter anstelle der Kammer entschieden habe, ohne dass der Einzelrichterübertragungsbeschluss zuvor wirksam geworden sei. Der Übertragungsbeschluss und der Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes seien ihm gleichzeitig zugestellt worden.
5Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann sich aus der Entscheidung durch den Einzelrichter an Stelle der Kammer ergeben. Dafür reicht jedoch nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen aus. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die fehlerhafte Auslegung und Anwendung einfachen Rechts willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist. Eine verfassungsrechtlich relevante Entziehung des gesetzlichen Richters liegt nicht schon dann vor, wenn ein aktenkundig intern vor der Sachentscheidung gefasster Übertragungsbeschluss lediglich deshalb nicht rechtzeitig wirksam geworden ist, weil er irrtümlich den Beteiligten erst zusammen mit oder nach der Sachentscheidung formlos bekannt gegeben worden ist. Ein lediglich die Bekanntgabe und deren Zeitpunkt betreffender Mangel stellt die Gewährleistung des gesetzlichen Richters mangels objektiver Willkür und mangels jeglicher Manipulationsabsicht nicht in Frage.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2001 - 8 B 104.01 -, juris Rn. 7 f.; OVG NRW, Beschluss vom 2. November 2017 - 4 B 891/17 -, juris Rn. 12 ff., m. w. N.
7Ausgehend davon hat der Einzelrichter hier seine Zuständigkeit nicht unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angenommen. Der Einzelrichterübertragungsbeschluss stammt ausweislich seines Datums vom 2. August 2018. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieses Datum unzutreffend sein könnte und die Richter diesen Beschluss tatsächlich etwa gleichzeitig mit dem Eilbeschluss am 23. August 2018 oder noch später unterschrieben haben könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das bloße Bestreiten in der Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht. Der Einzelrichterübertragungsbeschluss ist zwar – aus nicht erkennbaren Gründen – den Beteiligten erst zusammen mit dem Eilbeschluss vom 23. August 2018 zugestellt worden. Darin liegt ein Bekanntgabefehler. Es ist aber nicht objektiv willkürlich oder manipulativ, dass der Einzelrichter schon von seiner Zuständigkeit ausgegangen ist, nachdem die Kammer den Einzelrichterübertragungsbeschluss unterschrieben hatte, der Beschluss aber noch nicht zugestellt worden war.
82. Die Rüge, die angefochtene Entscheidung verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht hätte ihn aufgrund seiner Bitte darauf hinweisen müssen, wenn es seinen „formalen“ Einwendungen gegen die Ordnungsverfügung nicht folgen sollte; in diesem Fall hätte er erstinstanzlich zur materiellen Rechtslage vorgetragen. Dies greift nicht durch.
9Die Hinweispflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und zielt mit dieser Funktion insbesondere darauf, Überraschungsentscheidungen zu vermeiden. Allerdings folgt daraus keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten schon vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem bzw. mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 -, juris Rn. 20, m. w. N.
11Gemessen daran ist das rechtliche Gehör nicht verletzt worden. Das Verwaltungsgericht musste den Antragsteller trotz seiner Bitte nicht darauf hinweisen, wie es die Bestimmtheit der Ordnungsverfügung beurteilen würde. Jedenfalls nachdem die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 6. Februar 2018 die Meinung vertreten hatte, dass die Ordnungsverfügung trotz der Falschbezeichnung des Grundstücks hinreichend bestimmt sei, musste der Antragsteller auch ohne einen Hinweis des Gerichts damit rechnen, dass diese Argumentation bei der gerichtlichen Entscheidung relevant sein könnte.
12Unabhängig vom Vorstehenden führte eine Gehörsverletzung nicht zum Erfolg der vorliegenden Beschwerde, weil der Senat deren Erfolg auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens eigenständig prüft und dabei auch die erstmals vorgetragenen Einwände gegen die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Ordnungsverfügung berücksichtigt.
133. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ordnungsverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt ist i. S. v. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW.
14Hinreichende inhaltliche Bestimmtheit im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Der Verwaltungsakt muss eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012- 7 VR 10.12 -, juris Rn. 10, und Urteil vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, juris Rn. 53.
16Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die in Rede stehende Ordnungsverfügung hinsichtlich der Bezeichnung des Flurstücks noch hinreichend bestimmt. Die Antragsgegnerin hat das Grundstück in der Ordnungsverfügung zwar falsch bezeichnet. Statt auf dem Flurstück X der Flur X, Gemarkung E. , sollte der Antragsteller eine befestigte Fläche auf dem Flurstück Y der Flur Y, Gemarkung C. , zurückbauen. Dass dieses Flurstück gemeint war, konnte der Antragsteller aber aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren ihm bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen schließen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Die beiden genannten, dem Antragsteller gehörenden Grundstücke grenzen unmittelbar aneinander. Die im Bescheid genannte Adresse „I. Straße Z“ lässt sich ohne Weiteres auch auf das Flurstück Y beziehen, weil die Zufahrt für Besucher des Hotels bzw. der Gaststätte sowie für die Feuerwehr über den straßennahen Teil des Flurstücks Y auf das Flurstück X führt. Dass es um die Fläche geht, die auf dem Flurstück Y für weitere Parkplätze angelegt worden ist, ergibt sich für den Antragsteller, der als Grundstückseigentümer und Betreiber des dortigen Hotels mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist, auch aus der Begründung des Bescheides. Dort hat die Antragsgegnerin angeführt, dass sie im Oktober 2016 festgestellt habe, dass eine zusätzlich befestigte Fläche von etwa 130 m² frisch angelegt und von Aufwuchs/Gehölzbestand befreit worden sei. Nach den insoweit unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin war dies die einzige dort neu angelegte befestigte Fläche. Außerdem hat die Antragsgegnerin in der Begründung des Bescheides auf den Bauantrag „Umbau und Erweiterung eines bestehenden Gastronomiebetriebes“ verwiesen. In dem entsprechenden Antrag des Ingenieurbüros I1. sei bereits angekündigt worden, dass durch ein erhöhtes Gästeaufkommen weitere Flächen, die sich [auf dem Flurstück Y] im Landschaftsschutzgebiet befänden, in Anspruch genommen werden sollten. Auch daraus konnte der Antragsteller entnehmen, dass es um die Fläche auf dem Flurstück Y ging. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung des Antragstellers auch ein objektiver Dritter ermitteln, welches Grundstück von dem angegriffenen Bescheid erfasst ist, und kann dieser deshalb Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung sein.
174. Soweit der Antragsteller behauptet, er habe lediglich die Fläche im Grenzbereich der beiden Flurstücke wiederhergestellt, die sein Vater bereits im letzten Jahrhundert befestigt habe, führt dies schon deswegen nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil er dies in keiner Weise belegt oder glaubhaft gemacht hat (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Abgesehen davon widerspricht diese Behauptung den historischen Luftbildern zu diesem Grundstück. Auf Luftbildern aus den Jahren 1999 und 2007, einem Luftbild aus dem Jahre 2005 und dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen Luftbild aus dem Jahre 2014 ist klar zu erkennen, dass die in Rede stehende Fläche jeweils dicht bewachsen war, insbesondere auch im Jahre 2005, als der Landschaftsplan Wuppertal-Nord in Kraft trat.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts. Die Zwangsgeldandrohung bleibt bei der Festsetzung des Streitwerts nach Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 außer Betracht.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.