Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 B 1602/18
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, der dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.612,84 Euro und – unter entsprechender Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung von Amts wegen – für das erstinstanzliche Verfahren auf 12.588,71 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Der Senat ist bei der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung auf die Prüfung der von dem Rechtmittelführer fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. Satz 1 und 3 VwGO). Die Gründe, die die Antragsgegnerin mit den innerhalb der Begründungsfrist vorgelegten Schriftsätzen vom 25. Oktober 2018 und 14. November 2018 geltend macht, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den sinngemäß gestellten Antrag des Antragstellers abzulehnen,
4der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die durch Stellenausschreibung Nr. 2017_0486_01 ausgeschriebene, nach A 12 BBesO bewertete Stelle „Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter in der Gruppe 'Wertpapierverwaltung (E. )' (Z 503)“ mit dem Beigeladenen oder einem/einer anderen Bewerber/in zu besetzen und diese/n zu befördern, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
5Das Verwaltungsgericht hat seine stattgebende Entscheidung, soweit es um die von der Beschwerde allein thematisierte Frage des Anordnungsanspruchs geht, im Kern wie folgt begründet: Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei durch die getroffene Auswahlentscheidung verletzt. Die Antragsgegnerin sei fehlerhaft von einem Beurteilungsgleichstand der beiden Bewerber ausgegangen und habe ihre Entscheidung auf der Grundlage dieser Annahme zu Unrecht am konkreten Dienstposten orientiert. Ein Beurteilungsgleichstand der Bewerber könne zwar bei Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen angenommen werden, die den Zeitraum vom 1. April 2016 bis zum 31. März 2017 (Regelbeurteilung des Beigeladenen) bzw. bis zum 18. April 2017 (anlassbezogene fiktive Fortschreibung für den Antragsteller) abdeckten. Denn die um einen Punktwert besser ausgefallene Beurteilung des Beigeladenen im rangniedrigeren Amt A 10 BBesO (Gesamtnote „C“, „Die Normalanforderungen werden teilweise übertroffen“) dürfe der im ranghöheren Amt A 11 BBesO erteilten Beurteilung des Antragstellers (Gesamtnote „D“, „Die Normalanforderungen werden voll erfüllt“) ohne Rechtsfehler gleichgestellt werden. Eine Binnendifferenzierung sei beanstandungsfrei unterblieben, da die fiktive Fortschreibung nur eine Gesamtnote ausweise. Bei der anschließenden Berücksichtigung der jeweils den Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 31. März 2016 betreffenden Vorbeurteilungen der Bewerber habe die Antragsgegnerin aber verkannt, dass der Antragsteller grundsätzlich besser beurteilt sei als der Beigeladene. Beide hätten die Gesamtnote „D“ erreicht; der Antragsteller habe aber ein höheres Amt bekleidet (A 11 BBesO) als der Beigeladene (A 10 BBesO). Unabhängig davon sei die Auswahlentscheidung auch deshalb rechtwidrig, weil die beiden dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers, die dieser jeweils angefochten habe, fehlerhaft und deswegen neu zu erstellen seien. Die Begründung des Gesamturteils in der Vorbeurteilung genüge nicht den an sie zu stellenden Anforderungen. Denn es werde nicht erläutert, wie sich die hier nach den Beurteilungsrichtlinien unterschiedlichen Bewertungsskalen für die zehn Einzelbewertungen (fünfstufig) und für das Gesamturteil (siebenstufig) zueinander verhielten und wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen gebildet worden sei. Vor diesem Hintergrund sei auch die fiktive Fortschreibung der Vorbeurteilung rechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe ihre Auswahlentscheidung auch nicht auf einen weiteren, auf den konkreten Dienstposten bezogenen Qualifikationsvergleich stützen und maßgeblich auf die Ergebnisse der im Auswahlverfahren bearbeiteten schriftlichen Aufgaben und der durchgeführten strukturierten Interviews abstellen dürfen. Es sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Wahrnehmung der Aufgaben des streitigen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetze, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringe und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenerledigung auch nicht verschaffen könne. Einziges eindeutig und unschwer feststellbares und damit konstitutives Element in der Stellenausschreibung sei die Eingrenzung des Bewerberkreises auf Beamte des gehobenen Dienstes der Besoldungsgruppen A 10 bis A 12. Bei den übrigen Anforderungen handele es sich demnach allenfalls um Kriterien, die bei gleicher Eignung der Bewerber maßgeblich berücksichtigt werden sollen. Dieses Verständnis liege auch der Auswahlentscheidung zugrunde, weil die Antragsgegnerin auf der Grundlage ihrer fehlerhaften Annahme eines Leistungsgleichstands in Auswertung der im Auswahlverfahren gezeigten Leistungen nur „weniger gute“ fachliche Kenntnisse und Führungskompetenzen des Antragstellers angenommen habe. Auch mit den insoweit behaupteten Defiziten des Antragstellers sei die Zulässigkeit einer an den Anforderungen des Dienstpostens orientierten Auswahlentscheidung nicht dargetan. Da im Ergebnis beide Bewerber den Anforderungskriterien gerecht würden, müsse es hier maßgeblich auf die durch die dienstlichen Beurteilungen ausgewiesenen Abstufungen in der Qualifikation ankommen. Im Falle einer erneuten, rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung sei der Antragsteller auch nicht chancenlos.
6Hiergegen macht die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend: Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Ihre Auswahlentscheidung sei rechtmäßig. Indem das Verwaltungsgericht implizit einen Beurteilungsvorsprung des Antragstellers (wegen der Vorbeurteilungen) angenommen habe, habe es unzulässig in ihren Beurteilungsspielraum eingegriffen, der ihr bei der Gewichtung der in unterschiedlichen Statusämtern erteilten Beurteilungen zustehe. Sie habe auch in Ansehung der Vorbeurteilungen von einer in etwa vergleichbaren Beurteilungslage ausgehen dürfen, zumal die Vorbeurteilungen nicht mehr aktuell seien und daher ohnehin nur ergänzend herangezogen werden könnten. Es liege im Ermessen bzw. im Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, bei einem nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen gegebenen Leistungsgleichstand nicht auf die nicht mehr aktuellen Vorbeurteilungen, sondern sogleich auf das leistungsbezogene, prognostisch wertvolle Erkenntnismittel eines sog. strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen, das grundsätzlich die gleiche Aussagekraft habe wie Vorbeurteilungen. Dieser Weg sei im Auswahlvermerk beschritten worden. Die dortige Aussage zu den Vorbeurteilungen, bei der in Bezug auf den Beigeladenen irrtümlich von der Gesamtnote „C“ ausgegangen worden sei, habe die Darstellung nur abrunden sollen und sei nicht in die Bewertung der Beurteilungslage bzw. in den Leistungsvergleich eingeflossen. Das werde durch entsprechende Textpassagen auf Seite 2 des Auswahlvermerks belegt. Die Vorbeurteilung des Antragstellers sei mithin für die Auswahlentscheidung nicht unmittelbar von Belang. Sie sei aber auch nicht wegen ihres Charakters als „Ausgangsbeurteilung“ für die fiktive Fortschreibung – mittelbar – relevant. Denn sie weise keine Fehler auf, die sich auf die fiktive Fortschreibung auswirken könnten. Zum einen (Schriftsatz vom 25. Oktober 2018, Seite 5 f., (1), und Seite 6 f., b)) liege der vom Verwaltungsgericht angenommene Begründungsmangel schon nicht vor. Die Bewertung der Leistungen des Antragstellers mit der mittleren von sieben Rangstufen („D“) sei schon deshalb plausibel und dränge sich auf, weil acht der zehn Einzelmerkmale mit der mittleren Ausprägung benotet worden seien und nur bei zwei Einzelmerkmalen eine lediglich um eine Stufe bessere Note vergeben worden sei. Das gelte, obwohl die Notenskalen unterschiedlich seien, da die damit zu 80 Prozent vergebene Einzelnote „entspricht den Anforderungen in vollem Umfang“ wörtlich der Definition der Gesamtnote „D“ („Die Normalanforderungen werden voll erfüllt“) entspreche. Zudem liege eine kurze, aber ausreichende Begründung vor. Zum anderen (Schriftsatz vom 25. Oktober 2018, Seite 6, (2)) sei der mit dem Begründungserfordernis auch verfolgte Zweck, bei einem späteren Leistungsvergleich eine Ausschärfung vornehmen zu können, hier nicht betroffen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich durch eine (nähere) Begründung des Gesamturteils die fiktive Fortschreibung ändern würde, da bei ihr allein auf die Rangstufe (und nicht auf die Bewertung der Einzelkriterien) abgestellt werde. Die prognostische Einschätzung, der Beigeladene sei im Vergleich zum Antragsteller der besser geeignete Bewerber, weil er sich im streng an den Anforderungen der zu besetzenden Stelle orientierten Auswahlverfahren (schriftliche Arbeit, strukturiertes Interview) fachlich besser präsentiert habe, falle in den weiten Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin und sei nicht zu beanstanden.
7Auch in Ansehung dieses Beschwerdevorbringens erweist sich die angefochtene Entscheidung nicht als fehlerhaft. Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) zu. Die zu seinen Lasten getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin verletzt seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (Bewerbungsverfahrensanspruch) (dazu 1.), und seine Auswahl in einem erneuten, rechtsfehlerfreien Auswahlverfahren erscheint zumindest möglich (dazu 2.).
81. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragsstellers wird, wie das Verwaltungsgericht selbständig entscheidungstragend angenommen hat, durch die Annahme verletzt, nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen bestehe ein Leistungsgleichstand. Von einem solchen Gleichstand kann nicht ausgegangen werden, weil (jedenfalls) die insoweit für den Antragsteller in den Vergleich eingestellte „fiktive Beurteilung“ rechtswidrig ist (dazu b)). Diese beruht auf dem nicht hinreichend begründeten Gesamtergebnis der – damit rechtswidrigen – Vorbeurteilung (dazu a)). Vor diesem Hintergrund erweist sich das sonstige Beschwerdevorbringen als nicht erheblich (dazu c)).
9a) Die dem Antragsteller erteilte Regelbeurteilung vom 17. Mai 2016 (Vorbeurteilung) erweist sich gemessen an den Anforderungen, die an eine hinreichende Begründung solcher dienstlicher Beurteilungen zu stellen sind (dazu aa)), als fehlerhaft. Das in dieser Regelbeurteilung ausgeworfene Gesamturteil ist unzureichend begründet (dazu bb)). Ferner wird ergänzend darauf hingewiesen, dass die Regelbeurteilung auch deshalb fehlerhaft ist, weil das Gesamturteils unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG anhand eines auch von den Anforderungen des Dienstpostens abhängigen Gewichtungsmaßstabes gebildet worden ist (dazu cc)).
10aa) Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dabei steht es im Ermessen des Dienstherrn, festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will. Das abschließende Gesamturteil darf sich nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken. Vielmehr kommt im Gesamturteil die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch ihre entsprechende Gewichtung zum Ausdruck. Das abschließende Gesamturteil ist danach durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen, auf die Bestenauswahl bezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf bei sog. Ankreuzbeurteilungen schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Einer – ggf. kurzen – Begründung bedarf es insbesondere dann, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen. Denn hier muss erläutert werden, wie sich die unterschiedlichen Bewertungsskalen zueinander verhalten und wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen gebildet wurde. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018– 2 A 10.17 –, juris, Rn. 42 f., m. w. N., Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 –, juris, Rn. 39, und Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 13.14 –, juris, Rn. 26 bis 31, sowie OVG NRW, Urteil vom 17. August 2018 – 1 A 379/17 –, juris, Rn. 79, und Beschluss vom 5. September 2017 – 1 B 498/17 –, juris, Rn. 33 bis 42.
12bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das in der Vorbeurteilung des Antragstellers ausgeworfene Gesamturteil unzureichend begründet.
13Diese Bewertung beruht nicht schon darauf, dass die Vorgaben fehlerhaft wären, die die seit dem 1. Mai 2010 geltenden „Richtlinien für die Beurteilung der Angehörigen der Deutschen Bundesbank“ (im Folgenden: BRL) zur „Gesamtbeurteilung“ (Nr. 7.3 BRL) machen. Diese Vorgaben erlauben es vielmehr, den o. g. Anforderungen zu entsprechen. Nach Nr. 7.3 Satz 1 BRL ist die Beurteilung mit einer (schriftlichen, vgl. insbesondere den Beurteilungsvordruck nach Nr. 7.1 BRL) zusammenfassenden Würdigung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung abzuschließen, der sich ausweislich des Beurteilungsvordrucks das nach Nr. 7.3 Satz 3 BRL einer der sieben Rangstufen („A“ bis „“G“) zuzuordnende Gesamturteil anschließt. Grundlage der zusammenfassenden Würdigung (und des vergebenen Gesamturteils) sind die Bewertungen der einzelnen, im Ankreuzverfahren nach einer fünfstufigen Bewertungsskala benoteten Merkmale aus der Leistungs- und Potenzialbeurteilung, ihre Gewichtung und ergänzend das Gesamtbild von Leistung und Verhalten (vgl. Nr. 7.1, 7.2 und 7.3 Satz 2 BRL). Die Beurteilungsrichtlinien bestimmen allerdings nicht, nach welchem Maßstab die Einzelbewertungen in ein Gesamturteil „übersetzt“ werden.
14Die in der Vorbeurteilung des Antragstellers erfolgte schriftliche zusammenfassende Würdigung, die die Vergabe eines Gesamturteils der mittleren Rangstufe „D – Die Normalanforderungen werden voll erfüllt“ plausibel aus der Bewertung der einzelnen Leistungs- und Potenzialmerkmale ableiten soll, stellt nur eine Scheinbegründung dar und genügt daher den o. g. Begründungsanforderungen ersichtlich nicht. Sie lautet:
15„Herr X. ist fachlich ein zentraler Keyplayer in der Arbeitseinheit. In seiner strukturierten, analytischen und zielgerichteten Arbeitsweise ist er in der Lage auch komplexe Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Neuen Aufgaben gegenüber ist er jederzeit aufgeschlossen. Sein sehr gutes Querschnittswissen in der IT setzt er nutzbringend zur Unterstützung der Aufgabenerfüllung des Teams ein. Herr X. erfüllt damit insgesamt die mit der Beförderung nach A 11 gestiegenen Anforderungen in vollem Umfang.“
16Der letzte Satz enthält lediglich eine zum vergebenen Gesamturteil passende Behauptung. Aus welchen Gründen die vergebenen Einzelbewertungen und ergänzend das Gesamtbild von Leistung und Verhalten zu dem zuerkannten Gesamturteil geführt haben, wird dagegen nicht erläutert. Die vorangehenden Sätze stellen nur die gesehenen Leistungen bzw. das erkannte Potenzial des Antragstellers auszugsweise dar; eine Gewichtung findet auch hier nicht statt.
17Eine Begründung des Gesamturteils war entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich, weil sich die Vergabe der zuerkannten Gesamtnote – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt. Letzteres kann hier nicht zugrunde gelegt werden. Der Antragsteller hat in Bezug auf die für ihn bewerteten 10 Leistungsmerkmale achtmal die mittlere Note „entspricht den Anforderungen in vollem Umfang“ und zweimal die zweitbeste Note „übertrifft die Anforderungen“ erhalten. Vier der fünf Potenzialmerkmale sind mit der mittleren Note „erkennbar ausgeprägt“ benotet worden, und das Merkmal „analytische und konzeptionelle Fähigkeiten“ ist mit der zweitbesten Note „deutlich ausgeprägt“ bewertet worden. Vor diesem Hintergrund mag es sein, dass die Einzelbewertungen ungeachtet der Unzulässigkeit einer rein arithmetischen Betrachtung in ihrer Summe eine deutliche Tendenz zu der jeweiligen mittleren Einzelnotenstufe aufweisen. Daraus ergibt sich jedoch keinesfalls zwingend (im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null) die Vergabe der mittleren Gesamtnote „D“. Zwar entspricht deren textliche Definition („Die Normalanforderungen werden voll erfüllt“) in etwa der für die Bewertung der Einzelleistungen geltenden mittleren Note („entspricht den Anforderungen in vollem Umfang“). Zu berücksichtigen ist aber, dass die Antragsgegnerin insoweit unterschiedliche Bewertungsskalen verwendet. Es bedarf daher schon generell der Erläuterung, in welchem Verhältnis die Noten für die Einzelmerkmale zu den Noten für das Gesamturteil stehen. Insoweit sind verschiedene „Übersetzungs“-Modelle denkbar. Folgt man etwa dem an der textlichen Beschreibung haftenden Modell der Antragsgegnerin, können die Noten “C“ bis „A“, die sämtlich ein bestimmtes Übertreffen der Normalanforderungen verlangen, nur vergeben werden, wenn der Beamte bei den Einzelmerkmalen überwiegend oder immer eine der beiden textlich korrespondieren besten Noten („übertrifft die Anforderungen“ bzw. „übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße“) erhalten hat. Ohne weiteres möglich (und grundsätzlich näherliegend) ist aber auch ein Modell mit einer von der mittleren Notenstufe „D“ ausgehenden symmetrischen, fächerartigen Spreizung, bei der (idealtypisch) z. B. eine Bewertung der Einzelmerkmale ausschließlich mit der zweitbesten Note zu einer Benotung führt, die bereits zwischen den Gesamtnoten „C“ und „B“ liegt. Hier würden Einzelbewertungen, wie sie der Antragsteller erhalten hat (mittlere Note zu 80 Prozent, zweitbeste Note zu 20 Prozent), zwar im Gesamturteil noch etwas näher an der Note „D“ als an der Note „C“ liegen. Fällt jedoch die von den Beurteilungsrichtlinien vorgeschriebene ergänzende Betrachtung des Gesamtbildes von Leistung und Verhalten besser als das Notenbild aus, könnten die Beurteilenden (Berichtsverfasser und Schlusszeichner) durchaus schon die Gesamtnote „C“ vergeben.
18cc) Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Regelbeurteilung auch deshalb fehlerhaft ist, weil der Bildung des Gesamturteils unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG ein auch von den Anforderungen des Dienstpostens abhängiger Gewichtungsmaßstab zugrunde gelegt worden ist. In der Leistungsbeurteilung sind – richtlinienkonform (vgl. Nr. 7.2.4 BRL) – vier der insgesamt zehn Einzelkriterien durch Ankreuzen als für den Arbeitsplatz bzw. als – so die Formulierung in Nr. 7.2.4 BRL – für die Erfüllung der übertragenen Aufgaben besonders wichtig gekennzeichnet worden. Eine solche einzelfall- und dienstpostenbezogene Gewichtung der Einzelmerkmale verstößt gegen die aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitende Verpflichtung des Dienstherrn, bei der dienstlichen Beurteilung die gezeigten Leistungen einheitlich allein am Maßstab des jeweiligen Statusamtes des zu beurteilenden Beamten zu messen.
19Näher hierzu und m. w. N.: Senatsurteil vom 17. August 2018 – 1 A 379/17 –, juris, Rn. 95, 101 ff.
20b) Die Rechtswidrigkeit der Vorbeurteilung des Antragstellers hat die Rechtswidrigkeit der „fiktiven Beurteilung“ vom 18. Mai 2017 zur Folge. Letzterer liegt die Bildung einer Vergleichsgruppe aus Beamten zugrunde, die zum Beurteilungsstichtag 1. April 2016 mit der Rangstufe „D“ beurteilt worden waren (vgl. die entsprechenden Erläuterungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 26. Oktober 2017, S. 3 bis 5). Ob dies die zutreffende Vergleichsgruppe ist, ist offen, weil es – wie bereits ausgeführt – möglich ist, dass die Beurteilenden im Falle rechtsfehlerfreier Neuerstellung der Vorbeurteilung des Antragstellers die Gesamtnote „C“ vergeben.
21c) Mit Blick auf das Vorstehende kommt es nicht mehr auf das Beschwerdevorbringen zu der – in Auswertung des (allerdings wenig klaren) Auswahlvermerks im Ergebnis wohl zu bejahenden – Frage an, ob die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung in der (hier nicht zugrunde zu legenden, s. o.) Annahme eines nach den aktuellen Beurteilungen gegebenen Leistungsgleichstandes unter Auslassung eines Vergleichs anhand der Vorbeurteilungen sogleich auf die Ergebnisse der schriftlichen Ausarbeitungen und der strukturierten Interviews gestützt hat. Ebenso ist hier die sich anschließende, vom Senat bislang nicht entschiedene rechtliche Frage ohne Bedeutung, ob ein solches Vorgehen grundsätzlich zulässig ist.
22Bejahend OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 29. Mai 2018 – OVG 10 S 66.16 –, juris, Rn. 17 bis 19, m. w. N., und Nds. OVG, Beschluss vom 21. Februar 2007 – 5 LA 171/06 –, juris, Rn. 15 f. und 18 (Gleichrangigkeit der im Falle eines nach Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen gegebenen Leistungsgleichstands in Betracht kommenden ergänzenden, jeweils leistungsbezogenen Kriterien der Ergebnisse früherer dienstlicher Beurteilungen einerseits und der Resultate von Vorstellungsgesprächen oder Auswahlverfahren mit Elementen eines Assessment-Centers andererseits); a. A. Hoffmann, A., in: Schütz/Maiwald, Stand: Dezember 2018, LBG NRW 2016 § 19 Rn. 40 a. E. und Rn. 67 f., wonach das Ergebnis von Assessment-Centern o. ä. als Hilfskriterium (Rn. 40) bzw. als leistungsbezogene, aber nachrangige Erkenntnisquelle (Rn. 67 f.) erst nach einer Auswertung früherer dienstlicher Beurteilungen herangezogen werden darf.
232. Die Auswahl des Antragstellers bei einer erneuten, rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung erscheint bei der gebotenen wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls zumindest möglich.
24Zu diesem Erfordernis näher: Senatsbeschluss vom 23. Mai 2017 – 1 B 99/17 –, juris, Rn. 9 bis 13, m. w. N.
25Der Antragsteller kann im Konkurrenzverhältnis zu dem Beigeladenen nicht als chancenlos eingestuft werden. Nach dem Vorstehenden kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller bei rechtsfehlerfreier fiktiver Fortschreibung der Vorbeurteilung die Gesamtnote „C“ erhält. Der Antragsteller wäre dann, obwohl die zu vergleichenden Gesamturteile beide auf „C“ lauten würden, aktuell besser beurteilt als der im Statusamt A 10 BBesO beurteilte Beigeladene, weil seine Leistungen an den höheren Anforderungen des Statusamtes A 11 BBesO gemessen werden. Bei– wie hier – formal gleichlautenden Gesamturteilen ist die Beurteilung des Beamten im höheren Statusamt grundsätzlich besser als die Beurteilung eines Konkurrenten im niedrigeren Statusamt.
26Hierzu und zu möglichen Ausnahmen von diesem Grundsatz vgl. zuletzt den Senatsbeschluss vom 7. Januar 2019 – 1 B 1792/18 –, BA S. 4 bis 6, demnächst in juris.
27Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die etwaigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist. Im Übrigen steht der Beigeladene auf der Seite der unterlegenen Antragsgegnerin.
28Die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren, welche der Senat in Anwendung der Regelung des § 63 Abs. 3 GKG unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung (Wertstufe bis 16.000,00 Euro) vornimmt, beruht auf den §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Auszugehen ist nach diesen Vorschriften von dem Jahresbetrag (§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG) der Bezüge, die dem jeweiligen Antragsteller nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Antragstellung bekanntgemachten, für Bundesbeamte geltenden Besoldungsrechts unter Zugrundelegung der jeweiligen Erfahrungsstufe fiktiv für das angestrebte Amt im Kalenderjahr der Antragstellung zu zahlen sind. Nicht zu berücksichtigen sind dabei die nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 GKG ausgenommenen Besoldungsbestandteile. Der nach diesen Maßgaben zu bestimmende Jahresbetrag ist wegen § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und wegen der im Eilverfahren nur begehrten vorläufigen Sicherung auf ein Viertel zu reduzieren. Der nach den vorstehenden Grundsätzen zu ermittelnde Jahresbetrag beläuft sich hier angesichts des angestrebten Amtes der Besoldungsgruppe A 12 BBesO und bei Zugrundelegung der Erfahrungsstufe 4 (vgl. den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 13. November 2018) für das maßgebliche Jahr 2017 auf 50.354,83 Euro (Januar 2017: 4.107,75 Euro, für die übrigen 11 Monate jeweils 4.204,28 Euro = 46.247,08 Euro). Nicht einzustellen in die Berechnung dieses Betrages ist eine „Jahressonderzahlung“ von 3.286,20 Euro, die der Antragsteller nach der Mitteilung der Antragsgegnerin in dem vor dem Senat geführten Verfahren 1 E 432/17 im Jahre 2016 erhalten haben soll (dortiger Schriftsatz vom 8. Juni 2017) und die das Verwaltungsgericht bei seiner Streitwertfestsetzung berücksichtigt hat. Denn eine solche oder eine vergleichbare Zahlung außerhalb der monatlichen Tabellenbezüge sehen die auf den Antragsteller anzuwendenden besoldungsrechtlichen Regelungen schon seit 2009 nicht mehr vor (vgl. insoweit auch den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 13. November 2018). Die angesprochene „Jahressonderzahlung“ dürfte tatsächlich vielmehr die Jahressumme der nicht ruhegehaltfähigen, monatlich gezahlten Bankzulage (gewesen) sein. Die Division des o. g. Jahresbetrages mit dem Faktor 4 führt auf den im Tenor festgesetzten Streitwert von 12.588,71 Euro.
29Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den vorzitierten, die erstinstanzliche Festsetzung betreffenden Vorschriften sowie zusätzlich auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der danach zu ermittelnde, auf das Jahr der Beschwerdeerhebung (2018) zu beziehende Vierteljahresbetrag der fiktiv zu zahlenden Bezüge nach A 12 BBesO, Erfahrungsstufe 4, beläuft sich auf den im Tenor festgesetzten Betrag von 12.612,84 Euro (4.204,28 Euro x 3). Bei der Berechnung der Jahresbezüge kann noch nicht auf das Monatsgehalt abgestellt werden, das nach dem Bundesbesoldungs- und ‑versorgungsanpassungsgesetz 2018/2019/2020 vom 8. November 2018 rückwirkend ab dem 1. März 2018 gilt. Denn dieses Gesetz war zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 29. Oktober 2018 noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht; dies ist erst am 13. November 2018 geschehen (BGBl. I S. 1810).
30Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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