Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 1294/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 7.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.
5Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Entlassungsverfügung der Beklagten vom 23. September 2015 aufgehoben, da diese rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Zwar könnten Beamte auf Widerruf nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG jederzeit aus einem sachlichen Grund entlassen werden. Nach Satz 2 der Vorschrift solle jedoch die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden. Unzureichende Leistungen könnten danach zwar die vorzeitige Beendigung des Vorbereitungsdienstes rechtfertigen. Dies erfordere aber die auf eine tragfähige Grundlage gestützte Prognose, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes - den Erwerb der Laufbahnbefähigung - aufgrund nachhaltig unzureichender Leistungen auch bei wohlwollender Betrachtung aller Voraussicht nach nicht erreichen werde und die Fortsetzung der Ausbildung damit sinnlos oder absehbar sei, dass der Beamte die persönlichen Eignungsanforderungen für die angestrebte Laufbahn nicht erfüllen werde. Da die hier noch maßgebliche Ausbildungsordnung - Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes im Lande Nordrhein-Westfalen (vom 15. Dezember 2009, in Kraft bis zum 31. Dezember 2015, GV. NRW. S. 857, geändert durch VO vom 23. November 2012, GV. NRW. S. 640, im Folgenden: VAPmD-Feu) - dem Beamtenbewerber eine Wiederholungsmöglichkeit einräume, sei in diesem Stadium der Ausbildung kein Raum für eine Entlassung aufgrund mangelhafter Leistungen gewesen. Sie lasse sich auch nicht aufgrund der von der Beklagten angeführten Leistungsbewertungen im Übrigen rechtfertigen, da die Bestimmungen der VAPmD-Feu maßgeblich für die zu fordernden Leistungsnachweise und die Nichtbestehensfolgen seien. Diese Vorgaben könnten weder durch weitere, außerhalb der Anforderungen der VAPmD-Feu stehende Bewertungen noch durch die Ergebnisse in Ausbildungsabschnitten, in die der Kläger nicht hätte überwiesen werden dürfen, umgangen werden. Im Übrigen zeige der zeitliche Ablauf, dass Grund für die Entlassung nicht die mangelhafte Leistung gewesen sei, sondern der Umstand, dass die Beklagte die erforderliche Wiederholung des Ausbildungsabschnitts organisatorisch nicht zeitnah entsprechend den Vorgaben der VAPmD-Feu habe umsetzen können. Die in § 3 VAPmD-Feu vorgesehene zeitliche Obergrenze für die Ausbildung von zwei Jahren stehe dem nicht entgegen, da deren Anwendung dem Kläger die ihm grundsätzlich eingeräumte „zweite Chance“ interessenwidrig verwehre und dies eine unverhältnismäßige Beschränkung seiner unter dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG stehenden Rechtsposition bedeutete.
6Die gegen diese näher begründeten Annahmen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Deren Zulassungsvorbringen macht nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht die Entlassungsverfügung vom 23. September 2015 zu Unrecht aufgehoben hat.
7Die Beklagte irrt, wenn sie geltend macht, ihr habe bei der Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ein weiter, nur durch das Willkürverbot begrenzter Ermessensspielraum zugestanden, den das Verwaltungsgericht in rechtswidriger Weise eingeengt habe.
8Zwar können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG jederzeit entlassen werden. Jedoch wird das dem Dienstherrn in Bezug auf die Entlassung eingeräumte weite Ermessen durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass eine Entlassung während des Vorbereitungsdienstes nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig ist. Beamten im Vorbereitungsdienst - wie dem Kläger - soll nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden. Daher kommt eine Entlassung eines Widerrufsbeamten während des Vorbereitungsdienstes nur ausnahmsweise in Betracht. Die Entlassung ist nur dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juni 2017 - 6 B 1450/16 -, juris Rn. 7, vom 1. Februar 2016 - 6 A 1891/14 -, NWVBl 2016, 283 = juris Rn. 19, und vom 20. August 2012 - 6 B 776/12 -, juris Rn. 13.
10Das (eingehende) Vorbringen zum nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG bestehenden weiten Spielraum des Dienstherrn, zu dem die Beklagte eine Entscheidung des Bayerischen VGH sowie den Beck Onlinekommentar zitiert, geht ins Leere. Denn es liegt - wie die Beklagte selbst erkennt - ein Fall des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG vor, in dem jener Spielraum deutlich eingeschränkt ist. Auch ist die streitgegenständliche Entlassung - wie auch die Beklagte einräumt - nicht auf die mangelnde charakterliche Eignung des Klägers gestützt, worauf sich die genannten Fundstellen jedoch nur beziehen. Die Erwägungen sind auch nicht - wie die Beklagte meint - im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auf die Entlassung mangels fachlicher Eignung übertragbar; vielmehr geht die Ausbildungsordnung mit der Einräumung von Wiederholungsmöglichkeiten davon aus, dass sich fachliche Defizite beheben lassen. Dies gilt für charakterliche Eignungsmängel allenfalls sehr eingeschränkt.
11Mit dem Verweis auf „objektiv manifestierte Schlechtleistungen“ des Klägers zeigt die Beklagte ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der angegriffenen Entscheidung auf. Zur Begründung führt sie lediglich tabellarisch die Ergebnisse in den bislang erbrachten Leistungsnachweisen sowie in weiteren Lernerfolgskontrollen und Leistungsbewertungen an. Dieses Vorbringen führt schon deswegen nicht weiter, weil es nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf die Ergebnisse dieser Leistungsnachweise und Lernerfolgskontrollen hier nicht ankommt. Es hat insoweit ausgeführt, dass die von der Beklagten angeführten Leistungsbewertungen, die nach der VAPmD-Feu nicht vorgesehen seien, für eine (negative) Prognose nicht herangezogen werden dürften. Das betreffe ebenso Leistungsnachweise in Ausbildungsabschnitten, für die der Kläger noch gar nicht zugelassen gewesen sei. Entsprechendes gelte für den nicht bestandenen Ausbildungsabschnitt nach der VAPmD-Feu, da der Kläger diesen hätte wiederholen dürfen. Die vom Verwaltungsgericht angenommene mangelnde Berücksichtigungsfähigkeit der genannten Leistungen wird mit dem Zulassungsvorbringen, das sich damit nicht auseinandersetzt, nicht schlüssig in Frage gestellt.
12Zur Begründung ihrer Auffassung, die der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes entgegenstehenden Gründe müssten dienstherrnbezogen sein, verweist die Beklagte lediglich auf die entsprechende Kommentierung bei Reich, BeamtStG (wohl: 3. Auflage 2018), § 23 Rn. 31, die ihrerseits ebenfalls ohne Begründung bleibt. Wäre diese - mit der Senatsrechtsprechung und anderer Literatur nicht in Einklang stehende - Ansicht richtig, entzöge die Beklagte zunächst ihrem eigenen Vorbringen die Grundlage, die schlechten Leistungen des Klägers schlössen die Einräumung einer Nachprüfungsmöglichkeit aus. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Auffassung ist aber nicht nur aufgrund der unzureichenden Darlegung, sondern auch deshalb entbehrlich, weil (auch) das Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen hat, dass der Dienstherr hier auf seinen Bereich bezogene, der Einräumung einer Nachprüfungsmöglichkeit entgegen stehende Gründe geltend machen kann; es hat sie indessen angesichts der grundrechtlich geschützten Rechtsposition des Klägers als unbeachtlich angesehen.
13Nicht zum Erfolg führt der Einwand der Beklagten, ihr sei es unter Beachtung von § 3 VAPmD-Feu aus organisatorischen Gründen faktisch unmöglich gewesen, den Kläger weiter auszubilden; eine über den zeitlichen Rahmen des § 3 VAPmD-Feu hinausgehende Verlängerung des Vorbereitungsdienstes auf insgesamt mehr als zwei Jahre sei ihr nicht zumutbar gewesen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr rechtsfehlerfrei angenommen, eine Entlassung wegen der ansonsten nicht einzuhaltenden zeitlichen Obergrenze des § 3 VAPmD-Feu sei eine unverhältnismäßige Beschränkung der Rechtsposition des Klägers und damit ermessensfehlerhaft. Aus § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VAPmD-Feu folgt, dass von dem Beamten im Fall des Nichtbestehens eines Ausbildungsabschnitts die - der Empfehlung des Ausbildungsleiters entsprechenden - Teile der Ausbildung zu wiederholen sind und die Ausbildungszeit in dem erforderlichen Umfang zu verlängern ist; erst nach Wiederholung des Ausbildungsabschnitts und zusammenfassender Beurteilung des Beamten mit weniger als 5,0 Punkten endet sein Beamtenverhältnis. Die Beklagte überschreitet ihr Ermessen, wenn sie die dem Kläger danach zustehende Möglichkeit auf Fortsetzung der Ausbildung (allein) wegen der anderenfalls drohenden Überschreitung der höchstens zulässigen Ausbildungszeit versagt. Eine solche Abwägung würde nicht hinreichend berücksichtigen, dass mit der vorzeitigen Beendigung des Vorbereitungsdienstes auf Seiten des Klägers eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen ist, deren Verwirklichung allein von der Organisation der Ausbildung durch die Beklagte abhängt, auf die der Kläger keinen Einfluss hat.
14Die Beklagte macht insoweit erfolglos geltend, die VAPmD-Feu solle einen Interessenausgleich herstellen, in dem auch das Interesse des Dienstherrn an einer überschaubaren Ausbildungsdauer mit begrenztem finanziellen Aufwand nicht vollkommen ausgeblendet werden könne. Dem Verordnungsgeber dürfte - so die Beklagte weiter - bei der Festlegung der Höchstdauer der Ausbildung bekannt und bewusst gewesen sein, dass die Feuerwehrausbildung eine Gruppenausbildung sei und dies die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten praktisch erschweren oder sogar unmöglich machen könne.
15Daran ist richtig, dass die VAPmD-Feu
16- nicht grundlegend verändert, sondern sogar noch weitergehend im Übrigen die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des zweiten Einstiegsamtes der Laufbahngruppe 1 des feuerwehrtechnischen Dienstes im Land Nordrhein-Westfalen, in Kraft getreten am 1. Januar 2016 (GV. NRW. 2015 S. 749); geändert durch Verordnung vom 29. September 2016 (GV. NRW. S. 796), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Juli 2016, im Folgenden: VAP1.2-Feu, s. dort §§ 8 Abs. 2 Sätze 3 und 5, 3 Abs. 3 Nrn. 2 und 4 -
17einerseits in § 8 Abs. 1 Satz 3 die Wiederholung nicht bestandener Leistungsnachweise und darüber hinaus - im wiederholten Misserfolgsfall - in § 9 Abs. 2 Satz 2 die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten unter Verlängerung der Ausbildungszeit vorsieht. Andererseits ist die Verlängerung der Ausbildung gemäß § 3 Abs. 2, 1. Hs. VAPmD-Feu auf höchstens sechs Monate beschränkt. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Dienstherr die Ausbildung für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst als (nur) einmal jährlich beginnende Gruppenausbildung ausgestaltet hat, sind diese beiden rechtlichen Vorgaben - bei Beibehaltung jener Ausgestaltung - nicht gleichzeitig zu erfüllen; denn soweit der Ausbildungsabschnitt erst im darauffolgenden Jahr wiederholt werden kann, ist die höchstmögliche Verlängerungsdauer unmittelbar überschritten. Dafür, dass dem Verordnungsgeber dieses Problem bekannt war, spricht die in § 3 Abs. 2, 2. HS VAPmD-Feu eröffnete Möglichkeit der Wiederholung von Zeiten der Ausbildung bei einer anderen Ausbildungsbehörde (jetzt § 3 Abs. 2 Satz 2 VAP1.2-Feu). Dies löst das Problem aber nur teilweise, wenn nämlich - was hier nicht der Fall war - eine andere Ausbildungsbehörde dazu bereit und in der Lage ist. Dazu, wie mit den in einer Konstellation wie der vorliegenden widersprüchlichen Rechtsregeln umzugehen ist, gibt die VAPmD-Feu keine Antwort. Der Zulassungsantrag macht nicht erkennbar, aufgrund welcher Zusammenhänge in dieser Konstellation der in § 9 Abs. 2 Satz 2 VAPmD-Feu verbürgte Anspruch des Auszubildenden zurückzutreten hätte. Hiergegen sprechen vielmehr die vom Verwaltungsgericht angeführten Erwägungen, insbesondere der Umstand, dass die Rechtsposition des Klägers grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist.
18Ohne Erfolg bleibt schließlich das Vorbringen der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe ihr „vorgeworfen“, dass die Ausbildung des Klägers nicht durch Überweisung in den nächsten Ausbildungsabschnitt hätte fortgesetzt werden dürfen. Das Verwaltungsgericht hat die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Ausbildung im nächsten Abschnitt im Zusammenhang damit angeführt, dass die dort erbrachten (unzureichenden) Leistungen nicht zu Lasten des Klägers in die Prognose einfließen dürften, ob er die Laufbahnbefähigung erreichen werde. Dagegen ist nichts zu erinnern. Es ist vielmehr nachvollziehbar, dass bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsabschnitten das Nichtbestehen von Leistungsnachweisen in einem späteren Ausbildungsabschnitt keine hinreichende Aussagekraft für das Erreichen des Ausbildungsziels hat, wenn der Beamte in diesen noch gar nicht hätte eintreten dürfen, weil er einen früheren Ausbildungsabschnitt noch nicht abschließend durchlaufen bzw. erfolgreich absolviert hat.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
21Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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