Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 1464/18
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf bis 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der Kläger stützt ihn auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO. Keiner dieser Zulassungsgründe ist gegeben.
2I. Das Antragsvorbringen weckt zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
3Das Verwaltungsgericht hat - zusammengefasst - festgestellt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Der Erlass eines Vornahmeurteils komme von Vornherein nicht in Betracht. Auch unabhängig hiervon stehe dem Kläger der streitbefangene Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu. Ebenso wenig habe die Klage bezüglich einer - mit dem Klageantrag als "Minus" begehrten - Verpflichtung des beklagten Landes Erfolg, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vornahme- bzw. Neubescheidungsbegehrens sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 54jährige Kläger habe die in seinem Fall einschlägige gesetzliche Höchstaltersgrenze gemäß § 14 Abs. 3 LBG NRW (42 Jahre) überschritten. Die Einstellungshöchstaltersgrenze gemäß § 14 Abs. 3 LBG NRW verstoße ferner weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf ein ausnahmsweises Absehen von der Einstellungshöchstaltersgrenze. Ein solcher Anspruch folge weder aus § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW noch aus § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW. Insoweit seien auch Ermessensfehler nicht erkennbar. Nach Inkrafttreten des § 15a LBG NRW a. F. habe das Ministerium für Schule und Weiterbildung des beklagten Landes mit Erlass vom 4. Januar 2016 (211-1.12.03.03-130435) sein Ermessen in allgemeiner Weise dahingehend ausgeübt, dass in Bezug auf Bewerber, die zum Antragszeitpunkt das 42. Lebensjahr (zuzüglich der Hinausschiebenstatbestände nach § 15a LBG NRW a. F.) bereits vollendet haben, Gründe für eine Ausnahmeentscheidung im Wege der Billigkeit nicht bestünden. Diese allgemeinen Ermessenserwägungen habe sich das beklagte Land auch im Hinblick auf den Verbeamtungsantrag des Klägers vom 23. Juni 2015 mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 3. März 2016 zu eigen gemacht. Sie wiesen die Situation des Klägers betreffend keine erkennbaren Fehler auf. Eine über die in § 14 LBG NRW normierten Ausnahmevorschriften hinausgehende Verpflichtung des beklagten Landes im Wege der Folgenbeseitigung scheide aus.
4Diese näher begründeten Annahmen zieht der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht schlüssig in Zweifel.
51. Ohne Erfolg kritisiert der Kläger den Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts, maßgeblich für die Entscheidung über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts entspricht nicht nur der bisherigen Rechtsprechung des Senats,
6vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2011 - 6 A 57/11 -, juris Rn. 12 ff.,
7sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach haben die Verwaltungsgerichte bei der Beurteilung von Verpflichtungs- und Neubescheidungsbegehren Rechtsänderungen zu beachten, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens in Kraft getreten sind, sofern das neue, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Recht nichts anderes bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltung den Erlass des beantragten Verwaltungsakts rechtswidrig abgelehnt hat, diese Entscheidung aber von einer danach in Kraft getretenen Rechtsänderung gedeckt wird. Relevantes Übergangsrecht, welches die Anwendung älteren, abweichenden Rechts vorsieht, ist hier weder im Landesbeamtengesetz vom 17. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 938; im Folgenden: LBG NRW a. F.) noch in der Neufassung des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, im Folgenden: LBG NRW n. F.) enthalten.
8BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, BVerwGE 156, 180 = juris Rn. 15; OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. Juli 2018 - 6 A 2272/16 -, juris Rn. 3.
9Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Regelungen über die Höchstaltersgrenze in der ab 1. Juli 2016 geltenden Fassung auf das Begehren des Klägers angewandt.
102. Der Kläger macht mit dem Zulassungsantrag ferner erfolglos geltend, das Abwarten des Inkrafttretens einer Neuregelung über die Einstellungshöchstaltersgrenze sei nicht hinnehmbar. Das Zuwarten des beklagten Landes erfüllt insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW n. F.
11Vgl. OVG NRW, etwa Beschluss vom 21. Juli 2017 - 6 A 355/16 -, juris Rn. 12 ff.; entsprechend für die Situation im Jahr 2009 OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2013 - 6 A 368/12 -, juris Rn. 42.
12Vielmehr ist mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 -, BVerfGE 139, 19, die dem Antrag des Klägers vorausging, ein Schwebezustand geschaffen worden, während dessen Verwaltung und Gerichte eine Neuregelung abzuwarten hatten.
13Vgl. weiter BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a. a. O., Rn. 32.
14Es lag deshalb ein zureichender Grund für die Untätigkeit des beklagten Landes im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO vor.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2013 - 6 A 368/12 -, juris Rn. 42.
163. Unverständlich ist das Monitum des Klägers, mit dem er beanstandet, dass sich das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - zu eigen gemacht und dieses passagenweise wörtlich zitiert hat. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit das zur Ergebnisfehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung führen könnte.
174. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht weiter zu Recht entschieden, dass die in § 14 Abs. 3 LBG NRW n.F. bestimmte Höchstaltersgrenze mit dem Grundgesetz und mit Unionsrecht vereinbar ist. Dies entspricht, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des beschließenden Senats.
18BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a. a. O., Rn. 16 ff.; OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. Juli 2018 - 6 A 2272/16 -, juris Rn. 11.
19Danach verstößt die Regelung insbesondere auch nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16) sowie gegen das zur Umsetzung dieser Richtlinie ergangene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897). Der Kläger setzt dem ohne zureichende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen eingehenden Feststellungen lediglich seine abweichende Rechtsauffassung entgegen. Soweit er geltend macht, die Regelung über das Einstellungshöchstalter sei unverhältnismäßig, weil der Gesetzgeber sein Ziel durch mildere Mittel wie Beschränkungen bei der Versorgung und Anpassungen des Beihilferechts erreichen könnte, werden weder diese Mittel näher noch - erst recht - dargelegt, dass diese gleich wirksam wären wie die getroffene Regelung. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV, die auch das letztinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht nicht für geboten erachtet hat, bedurfte und bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
20II. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher eine solche Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Mit dem Vortrag, das Urteil habe "grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Wirksamkeit der landeseinheitlichen Regelung der Höchstaltersgrenze für die Einstellung von Beamten", wird keine konkrete Rechtsfrage formuliert. Hinsichtlich der Frage,
21"ob der Landesgesetzgeber sich darauf (gemeint wohl: auf die Regelung über das Einstellungshöchstalter) beschränken kann, auch im Hinblick darauf, dass geklärt werden muss, ob der Landesgesetzgeber sich darauf beschränken kann, eine Eintrittsaltersregelung zu treffen, wenn es andere mildere Mittel gibt, wie vorstehend dargelegt",
22bleibt eine zureichende Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit aus. Der Kläger lässt es - wie ausgeführt - schon daran fehlen, näher darzutun, welche Mittel das sein sollen und aufgrund welcher Zusammenhänge sie zur Zielerreichung gleich geeignet sind.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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