Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 247/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat - ungeachtet der Frage, ob er nach Beendigung seines Landtagsmandats noch im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist - keinen Erfolg.
3Die sinngemäß allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
4Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
5Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Januar 2017 ‑ 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19, und vom 9. Juni 2016 ‑ 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 16, jeweils mit weiteren Nachweisen.
6Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag des Klägers,
7das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Juli 2016 zu verpflichten, seinen Antrag vom 13. Juli 2016 in vollständiger Form zu beantworten,
8zu Recht abgewiesen.
9Der Kläger hat den auf § 4 IFG NRW gestützten Informationsantrag vom 13. Juli 2016 in seiner (damaligen) Eigenschaft als Landtagsabgeordneter gestellt. Er hat den Antrag auf seinem mit dem Landeswappen versehenen offiziellen Briefbogen als Mitglied des Landtags (Mitglied des Innenausschusses, Mitglied des Ausschusses für Kommunalpolitik) verfasst. Mit diesem Zusatz hat der Kläger den Antrag auch unterzeichnet. Als Korrespondenzadresse hat er überdies nicht seine Privatanschrift, sondern das Postfach des Landtags angegeben. Entsprechendes gilt für seine Erreichbarkeit per Telefon und per E-Mail.
10Jedoch sind Abgeordnete des Landtags NRW - und damit auch der Kläger - in dieser Eigenschaft nicht nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt.
11Nach § 4 Abs. 1 IFG NRW hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
12Ein Landtagsabgeordneter, dem im Verhältnis zur Landesregierung (ausschließlich) organschaftliche Statusrechte zustehen, ist in dieser Eigenschaft keine „natürliche Person“ im Sinne von § 4 Abs. 1 IFG NRW.
13Vgl. zur Unterscheidung zwischen einer organschaftlichen Rechtsstellung und dem Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bereits OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2003 - 8 A 4282/02 -, juris Rn. 19; ebenso Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 511 a. E.
14Dies folgt aus der Zielsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW, einen umfassenden verfahrensunabhängigen Anspruch auf Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen zu schaffen, der als eigenständiger Bürgerrechtsanspruch charakterisiert wird. Mit ihm soll dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Informationen und dem Transparenzgebot der öffentlichen Verwaltung Rechnung getragen werden. Dabei soll nicht nur die Transparenz des behördlichen Handelns durch den Zugang zu Informationen erhöht, sondern auch die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz behördlicher Entscheidungen und der zugrunde liegenden politischen Beschlüsse erhöht werden. Ferner wird als Motiv für die Einführung eines Informationszugangsrechts genannt, die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf das Handeln der staatlichen Organe dadurch zu optimieren, dass ihnen eine verbesserte Argumentationsgrundlage an die Hand gegeben wird.
15Vgl. die Begründung des Entwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes NRW, LT-Drs. 13/1311, S. 9.
16Diese Zielsetzung erfasst Landtagsabgeordnete in ihrer spezifischen, statusrechtlich geprägten (Innen-)Rechtsstellung nicht. Ihr Informationsbedürfnis im Rahmen ihrer parlamentarischen (Kontroll-)Tätigkeit wird durch Art. 30 Abs. 2 LVerf NRW gewährleistet, der einen grundsätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung von an die Landesregierung gerichteten parlamentarischen Anfragen einschließt.
17Vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 19. August 2008 ‑ 7/07 -, juris Rn. 244, und vom 4. Oktober 1993 ‑ 15/92 -, juris Rn. 95 ff.
18Demgegenüber betrifft das Informationsfreiheitsgesetz NRW nur das Außenrechtsverhältnis des Bürgers zu den anspruchsverpflichteten öffentlichen Stellen.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2003 - 8 A 4282/02 -, juris Rn. 22; in diese Richtung auch Shirvani, Verhältnis zwischen Fragerechten nach IFG und Auskunftsrechten von Abgeordneten nach der Landesverfassung NRW am Beispiel des BLB NRW - Gutachten im Auftrag des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags Nordrhein-Westfalen, Mai 2015, S. 36.
20Dass dies nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (Bund) anders beurteilt wird, weil dort der Kreis der Anspruchsberechtigten mit dem Terminus „Jeder“ weiter gefasst ist,
21vgl. für eine Fraktion eines Abgeordnetenhauses Bay. VGH, Urteil vom 22. April 2016 - 5 BV 15.799 -, juris Rn. 21 ff.; sowie Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 83 (für Bundestagsabgeordnete); im Weiteren auch OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2003 - 8 A 4282/02 -, juris Rn. 19,
22beeinflusst die Interpretation von § 4 Abs. 1 IFG NRW mit Blick auf dessen engeren Wortlaut nicht.
23Entsprechendes gilt für die klägerseits in Bezug genommene Datenschutz-Grundverordnung mit ihren einem jeweils eigenen Binnenverständnis unterliegenden Begrifflichkeiten sowie für das Gesetz zur Anpassung des allgemeinen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Nordrhein-Westfälisches Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU - NRWDSAnpUG-EU) vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. S. 243).
24Eine Rechtsschutzlücke entsteht infolge der Auslegung des Begriffs „natürliche Person“ in § 4 Abs. 1 IFG NRW nicht. Dem Kläger war es unbenommen, wie er es später auch getan hat, den Informationsantrag als einfacher Bürger ‑ und nicht als Mandatsträger ‑ zu stellen. Sollte der Kläger die Beantwortung seiner (als Landtagsabgeordneter gestellten) Kleinen Anfrage an die Landesregierung als verfassungsrechtlich defizitär angesehen haben, hätte er zudem um Rechtsschutz im Wege des Organstreitverfahrens nach Art. 75 Nr. 2 LVerf NRW, §§ 43 ff. VGHG NRW,
25vgl. insoweit etwa VerfGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, juris Rn. 63 f.
26vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen nachsuchen können.
27Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 -, juris Rn. 21 ff., ergibt sich nichts anderes. Das dort angesprochene Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG als verfassungsrechtlicher Hintergrund der einfachgesetzlichen Informationszugangsansprüche stand dem Kläger in seiner Funktion als Abgeordneter nicht zu.
28Ob Art. 30 Abs. 2 LVerf NRW darüber hinaus als besondere Vorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zu qualifizieren ist, kann nach alledem dahinstehen.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
30Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
32Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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