Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 A 267/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der zulässige Antrag ist unbegründet.
2Aus den innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes, auf der das Urteil beruht (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
3Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art, die er mit seinem Antrag angreifen will, bezeichnen und mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. Daran fehlt es hier.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung für einen Carport auf seinem Grundstück X. 1b in X1. zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung für den Carport unter Festsetzung der Geländehöhe auf 187,35 m. ü. NHN zu erteilen, abgelehnt. Das Vorhaben verstoße gegen § 6 Abs. 11 BauO NRW (a. F.), wonach Gebäude an der Grenze, die als Garage, Gewächshaus oder zu Abstellzwecken genutzt würden, mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m über der Geländeoberfläche ausnahmsweise ohne eigene Abstandflächen sowie in den Abstandflächen eines Gebäudes zulässig seien (siehe jetzt § 6 Abs. 8 BauO NRW). Der vom Kläger an der Nachbargrenze geplante Carport überschreite jedoch eine mittlere Wandhöhe von 3 m. Nach § 6 Abs. 4 BauO NRW gelte als Wandhöhe das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Nach § 2 Abs. 4 BauO NRW sei die Geländeoberfläche die Fläche, die sich aus der Baugenehmigung oder den Festsetzungen des Bebauungsplans ergebe, im Übrigen die natürliche Geländeoberfläche. Hier sei auf letztere abzustellen. Insbesondere enthalte die Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage aus dem Jahr 2012 – die Garage wurde nicht gebaut – keine davon abweichende Festsetzung der Geländehöhe. Der vom Kläger nun zur Genehmigung gestellte Carport solle nach seinem Bauantrag entlang der Nachbargrenze eine Höhe von 190,35 m ü. NHN bis 190,17 m ü. NHN und damit eine mittlere Wandhöhe von 190,26 m ü. NHN haben. Aus den von dem Vermessungsingenieur gemessenen Geländehöhen vor und hinter der anfangs geplanten Garage – 186,96 m ü. NHN und 187,07 m ü. NHN – ergebe sich eine mittlere natürliche Geländehöhe von 187,03 m ü. NHN, was, von dieser natürlichen Geländehöhe ausgehend, eine fiktive mittlere Wandhöhe des Carports von 3,23 m und damit über 3 m ergebe. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer von der gemessenen natürlichen Geländeoberfläche abweichenden Höhe nach § 9 Abs. 3 BauO NRW (a. F., siehe jetzt § 8 Abs. 3 BauO NRW) seien nicht erfüllt.
5Ohne Erfolg macht der Kläger auch im Zulassungsverfahren weiterhin geltend, die maßgebliche Geländeoberfläche ergebe sich aus der Baugenehmigung aus dem Jahr 2012. Sie sei dort im amtlichen Lageplan mit 187,35 m ü. NHN festgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber ausführlich hergeleitet, dass mit der Angabe 187,35 m ü. NHN die Höhe des auf der vom Vermessungsingenieur seinerzeit gemessenen Geländeoberfläche zu erstellenden Fußbodens der geplanten Garage (Oberkante des Fertigfußbodens) bezeichnet sei, also die genehmigte Höhe des zukünftigen Garagenbodens, nicht die des vorgefundenen Geländes. Angaben zu einer geplanten beziehungsweise festgesetzten Geländehöhe, die nach der zum Lageplan gehörenden Zeichenerklärung doppelt unterstrichen sein müsse, gebe es nicht.
6Mit diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht auseinander. Sein Vorbringen, mit der Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 sei nicht nur die Oberkante des Fertigfußbodens der Garage mit einer Höhe von 187,35 m ü. NHN genehmigt worden, sondern auch die Zufahrt, die Trittfläche vor dem seitlichen Hauseingang und ein „faktischer“ Stellplatz an der Stelle der nicht errichteten Garage, wobei eine Orientierung an der Nachbarbebauung stattgefunden habe, ist von vornherein nicht geeignet, seine Auffassung zu stützen, aus der Baugenehmigung ergebe sich, dass die nach den §§ 6 Abs. 4, 2 Abs. 4 BauO NRW maßgebliche Geländeoberfläche für den Carport mit 187,35 m ü. NHN anzusetzen sei.
7Der Kläger zeigt mit seinem Zulassungsvorbringen auch nicht auf, dass die Voraussetzungen für die Festsetzung einer von der gemessenen natürlichen Geländeoberfläche abweichenden Geländeoberfläche – sei es auch mit einer Höhe von 187,27 m ü. NHN – erfüllt seien. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass mit der Bescheinigung des Vermessungsingenieurs vom 18. Dezember 2012 nur erklärt werde, dass die Höhe des Rohfußbodens im Erdgeschoss 187,3 m ü. NHN betrage. Hieraus ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für den Carport unter Festsetzung dieser Höhe als Geländehöhe jedoch nicht. Dies gilt auch für die weiteren Ausführungen des Klägers, denen die nach dem Vorstehenden unzutreffende Annahme zugrunde liegt, mit der Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 sei eine von der gemessenen natürlichen Geländehöhe abweichende neue Geländehöhe genehmigt worden. Die Behauptung des Klägers, eine Geländehöhe von 187,35 m ü. NHN sei identisch mit der Geländehöhe auf dem nordöstlich gelegenen Nachbargrundstück, lässt sich anhand der Bauantragsunterlagen nicht bestätigen. Der Kläger trennt auch insoweit nicht zwischen der Geländeoberfläche und der Höhe vorhandener (genehmigter) Bebauung. Aus diesem Grund führen auch seine Äußerungen zur vermeintlichen Notwendigkeit von Geländeabtragungen für den Fall, dass ihm die beantragte Genehmigung nicht erteilt werde, nicht weiter.
8Ebenso wenig ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Eine solche grundsätzliche Bedeutung wäre dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
9Daran fehlt es hier. Der Kläger nimmt in diesem Zusammenhang lediglich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 K 4658/09 –, juris, Rn. 31, Bezug, ohne auch nur sinngemäß eine Frage nach den vorstehend genannten Maßstäben aufzuwerfen.
10Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Wird der Zulassungsantrag mit dem Zulassungsgrund der Divergenz begründet, muss zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter, aber inhaltlich bestimmter Rechtssatz aufgezeigt werden, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung eines der in der Vorschrift genannten Gerichte in Widerspruch steht.
11Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger rügt eine Abweichung von der Rechtsprechung des 7. Senats des Oberverwaltungsgerichts, Beschlüsse vom 25. Juni 2003 – 7 B 13/03 –, juris, Rn. 39 ff., und vom 25. Juni 2003 – 7 A 2584/15 –, juris, Rn. 8, ohne jedoch nach den vorstehenden Maßgaben einen in diesen Entscheidungen aufgestellten Rechtssatz zu benennen, von dem das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung abgewichen sein soll. In den genannten Entscheidungen ist der 7. Senat im Übrigen davon ausgegangen, dass durch die dort in Rede stehenden Baugenehmigungen eine (neue) Geländehöhe genehmigt worden sei. Dass dies hier entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der Fall wäre, ergibt sich – wie oben ausgeführt – aus dem Zulassungsvorbringen jedoch nicht. Auch dass das Verwaltungsgericht im Widerspruch zu der genannten Rechtsprechung des 7. Senats die Anforderungen an die Feststellung, dass sich die Geländeoberfläche im Sinne des § 2 Abs. 4 BauO NRW „aus der Baugenehmigung ergibt“, überspannt hätte, zeigt der Kläger mit seinen systematischen Erwägungen zum Verhältnis dieser Vorschrift zu § 9 Abs. 3 BauO NRW nicht auf.
12Das Vorliegen eines der Beurteilung des Senats unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht.
13Die vom Kläger erhobene Gehörsrüge greift nicht durch. Er trägt insoweit vor, er sei bisher in berechtigter Weise davon ausgegangen, dass er seine Zufahrt auf einer mit der Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 genehmigten Höhe angelegt habe. Das Verwaltungsgericht habe in dem angefochtenen Urteil überraschend zugrunde gelegt, er habe dafür sein Grundstück rechtswidrig aufgeschüttet. Davon sei auch der Beklagte nie ausgegangen. Er, der Kläger, hätte sich hierzu geäußert, wenn das Verwaltungsgericht vor dem Urteil auf seine diesbezügliche Auffassung hingewiesen hätte.
14Eine Gehörsverletzung folgt aus diesem Vorbringen nicht. Das Gebot des rechtlichen Gehörs begründet grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst bei der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Eine gerichtliche Hinweispflicht besteht ausnahmsweise nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2011 – 4 BN 4.11 –, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Dezember 2017 – 10 A 1953/16 –, juris, Rn. 22, und vom 15. Mai 2013 – 10 A 255/12 –, juris, Rn. 36, jeweils mit weiteren Nachweisen.
16Ein solcher Ausnahmefall lag hier nicht vor. Der Kläger musste in Betracht ziehen, dass das Verwaltungsgericht zu dem Schluss kommen würde, mit der Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 sei keine von der gemessenen natürlichen Geländehöhe abweichende Geländehöhe genehmigt worden, und es nachträgliche Veränderungen der Geländeoberfläche als nicht genehmigt ansehen könnte. Die Behauptung des Klägers, dass die Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 einen entsprechenden Inhalt habe, bildete von Anfang an den Kern des Rechtsstreits. Der Berichterstatter des Gerichts hat zudem ausweislich des Protokolls über den Ortstermin am 17. Oktober 2017 damals darauf hingewiesen, dass seiner Auffassung nach im Jahr 2012 „eine Garage auf der gemessenen Geländehöhe genehmigt worden“ und dass „eine Aufschüttung auf die Oberkante des Rohfußbodens der Garage erfolgt“ sei. Der Kläger musste daher ohne Weiteres damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht diese Aufschüttung als nicht genehmigt bewerten würde.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Nach Ziffer 2d) des aktualisierten Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2019 (zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Baurecht vorgesehen), an dem sich der Senat orientiert, beträgt der Streitwert in Verfahren, in denen die Erteilung einer selbstständigen Baugenehmigung für eine Garage beziehungsweise einen Carport begehrt wird, 4.000 Euro je Pkw. Die Ansetzung eines höheren Streitwerts als im Streitwertkatalog vom 17. September 2003 (BauR 2003, 1883), an dem sich der Senat bisher in ständiger Praxis orientiert hat, vorgesehen, erscheint mit Blick auf die Entwicklung der Preise in den vergangenen Jahren als angemessen.
19Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
20Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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