Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 162/18.A
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 7.11.2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
3Die vom Kläger geltend gemachte Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
4Das in Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verankerte Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht diesen Anforderungen genügt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.8.2017 ‒ 4 A 1904/17.A –, juris, Rn. 2 ff., m. w. N.
6Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil das Vorbringen des Klägers wiedergegeben und gewürdigt (Urteilsabdruck, Seite 2, dritter Absatz, bis Seite 4, dritter Absatz, sowie Seite 7, vorletzter Absatz, bis Seite 8, zweiter Absatz). Dass es dieses anders als der Kläger gewertet hat, begründet keinen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs.
7Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen des Klägers, er sei bereits in der Vergangenheit unberechtigt inhaftiert gewesen und in Haft gefoltert worden, für unglaubhaft gehalten. Seine Schilderungen seien insoweit oberflächlich, vage und ohne jegliche Details geblieben; er habe nicht glaubhaft vermitteln können, etwas eigens Erlebtes zu schildern. Dem von ihm vorgelegten Haftbefehl von 2013 komme schon deshalb nur ein geringer Aussagewert zu, weil jedes Dokument ‒ auch Haftbefehle ‒ mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle käuflich erworben werden könnten. Der Kläger habe auch keine nachvollziehbaren Angaben dazu gemacht, wie er an den Haftbefehl gekommen sei. Schließlich sei weder ein Grund für den Haftbefehl ersichtlich noch, ob er überhaupt noch in Kraft sei.
8Indem der Kläger dem entgegen hält, er habe keineswegs oberflächlich vorgetragen und das von ihm vorgelegte Schreiben der Polizei von 2013 sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht gekauft, erschöpfen sich seine Einwände in Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Einwände gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts sind aber dem sachlichen Recht zuzurechnen und rechtfertigen, sofern sie ‒ wie hier ‒ nicht von Willkür geprägt ist, von vornherein nicht die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.2.2010 ‒ 10 B 21.09 ‒, juris, Rn. 13, und vom 2.11.1995 ‒ 9 B 710.94 ‒, NVwZ-RR 1996, 359 = juris, Rn 5.
10Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wird auch nicht mit dem Einwand des Klägers aufgezeigt, das Verwaltungsgericht hätte zumindest durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amts überprüfen müssen, ob das Schreiben tatsächlich echt sei. Die damit erhobene Aufklärungsrüge betrifft nicht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich ‒ so auch hier ‒ weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO. Dies gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2016 ‒ 4 A 2203/15.A ‒, juris, Rn. 24 f., m. w. N.
12Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte zumindest in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass es von einer Fälschung des polizeilichen Dokuments ausgehe. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht nicht notwendig von einer Fälschung ausgegangen ist, sondern die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, dass es sich um ein ‒ allerdings gekauftes ‒ Dokument handelt, das von der zuständigen Stelle ausgestellt wurde, bestand keine entsprechende Hinweispflicht. Das Recht auf rechtliches Gehör begründet keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Eine gerichtliche Hinweispflicht ‒ zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ‒ besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht.
13Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18.12.2017 ‒ 6 B 52.17 ‒, juris, Rn. 6, und vom 29.1.2010 ‒ 5 B 21.09 u. a. ‒, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 61 = juris, Rn. 18, m. w. N.
14Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste schon mit Blick auf die im Wesentlichen gleichartige Würdigung in dem im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom 7.7.2017 ‒ 5 L 2105/17.A, VG Köln ‒ (Beschlussabdruck, Seite 4, dritter Absatz) damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht dem vorgelegten Haftbefehl, selbst wenn er echt wäre, auch im Hauptsacheverfahren ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nur einen geringen Aussagewert beigemessen könnte, weil Haftbefehle und andere Dokumente in der D. R. Kongo mit dem gewünschten Inhalt von der zuständigen Stelle käuflich erworben werden können.
15Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo vom 21.6.2017, S. 23.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.
17Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
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