Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 E 258/19
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e
2Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers aus eigenen Recht (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) erhobene Streitwertbeschwerde, die nach der Beschwerdebegründung auf eine Erhöhung des auf die Wertstufe bis 500,00 Euro festgesetzten Streitwerts auf den Auffangstreitwert (5.000,00 Euro) abzielt, hat in der Sache keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens zutreffend festgesetzt. Dieser ist hier in Anwendung des § 52 Abs. 3 GKG auf die Wertstufe bis 500,00 Euro festzusetzen. Es liegen nämlich (jedenfalls) die Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG vor (nachfolgend 1.), was auf einen in die genannte Wertstufe fallenden Streitwert von 82,38 Euro führt. Ob zusätzlich die Voraussetzungen nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG für eine Anhebung des aus einer Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG resultierenden Streitwerts gegeben sind, kann offen bleiben, weil der sich danach höchstens ergebende Streitwert in dieselbe Streitwertstufe fiele (nachfolgend 2.). Mit Blick darauf, dass hier § 52 Abs. 3 GKG einschlägig ist, kann weder auf die Grundregel nach § 52 Abs. 1 GKG noch auf die Auffangregelung des § 52 Abs. 2 GKG zurückgegriffen werden (nachfolgend 3.).
41. Nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ist, wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgebend. Der vorliegend zu berücksichtigende Klageantrag betrifft einen auf eine Geldleistung bezogenen Verwaltungsakt und erfüllt damit die Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
5Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers sind insoweit nicht die mit der Klageschrift nur angekündigten Anträge maßgeblich, sondern ist auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht tatsächlich gestellten Antrag abzustellen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2019 hat der Kläger den Klageantrag gestellt,
6die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 13. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2017 zu verpflichten, die mit Rechnung der S. -Apotheke vom 23. Juni 2017 für humanidentische Hormone entstandenen Aufwendungen in Höhe von 164,75 Euro als beihilfefähig anzuerkennen.
7Dieser Klageantrag zielte objektiv allein auf die Gewährung von Beihilfe zu der in ihm bezeichneten Aufwendung ab, was angesichts des für den Kläger geltenden Beihilfebemessungssatzes (50 v. H.) auf eine zu gewährende Beihilfe in Höhe von (aufgerundet) 82,38 Euro hinauslief. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Inhalt des Verpflichtungsantrags. Die darin erfolgte Beschränkung auf die konkret bezeichnete, mit der Rechnung der S. -Apotheke vom 23. Juni 2017 entstandene Aufwendung verdeutlicht, dass die Verpflichtungsklage nur auf die Klärung der Beihilfefähigkeit dieser Aufwendung gerichtet war. Bestätigt wird dieser Befund durch die im Rahmen des Anfechtungsbegehrens erfolgte konkrete Bezeichnung des angefochtenen Ausgangsbescheides. Dieser Bescheid belastete den Kläger nämlich nur insoweit, als er eine Beihilfe genau zu dieser Aufwendung versagte. Vor diesem Hintergrund ist es erkennbar unerheblich, dass der Verpflichtungsantrag seinem Wortlaut nach auf eine „Anerkennung“ der Beihilfefähigkeit und nicht auf die Gewährung von Beihilfe gerichtet war. Hiervon ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auch erkennbar ausgegangen, indem es das Vorliegen eines Anspruchs auf Gewährung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für die am 6. Juni 2017 verordneten (und am 23. Juni 2017 in Rechnung gestellten) Tabletten geprüft und verneint hat.
8Dazu, dass der Bewertung der Klageantrag so zugrunde zu legen ist, wie ihn das Gericht in seinem Urteil verstanden hat, vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. Juni 1991 – 12 C 91.1681 –, juris (nur LS) = NVwZ 1991, 1198, und Dörndorfer, in: Binz/Dörn-dorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, GKG § 52 Rn. 2.
92. Die Frage, ob vorliegend zusätzlich die Voraussetzungen nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG für eine Anhebung des aus einer Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG resultierenden Streitwerts gegeben sind, muss nicht entschieden werden. Der sich ergebende Streitwert fiele nämlich ebenfalls in die festgesetzte Wertstufe bis 500,00 Euro.
10Nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG ist, wenn der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat, die Höhe des sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ergebenden Streitwerts anzuheben, und zwar um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf.
11Diese Vorschrift kann auch bei beihilferechtlichen Streitigkeiten angewendet werden. Mit den von ihr normierten Voraussetzungen zielt sie auf Verfahren, in denen die Entscheidung in dem aktuellen Streitfall offensichtlich zugleich Auswirkungen in Richtung auf die Entscheidung konkret absehbarer, künftiger (Verwaltungs-)Verfahren mit einem in der Sache eindeutig vergleichbaren, sozusagen „wiederkehrenden“ Gegenstand hat. Erfolgt in derartigen Fällen eine gerichtliche Klärung bereits in dem aktuellen Verfahren, so hat dies eine vorgreifliche Wirkung für konkret zu erwartende künftige Verfahren. Einer erneuten Anrufung der Gerichte bedarf es dann in aller Regel nicht mehr. Insofern geht die wirtschaftliche Bedeutung des aktuellen Verfahrens über seinen (unmittelbaren) Streitgegenstand hinaus.
12Vgl. den Senatsbeschluss vom 19. April 2017– 1 E 49/17 –, juris, Rn. 6 ff. (Anwendbarkeit) und 12 ff. (Voraussetzungen).
13Offensichtlich absehbar i. S. v. § 52 Abs. 3 Satz2 GKG sind die Auswirkungen dann, wenn bereits auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der konkret verwirklichte Sachverhalt auch die Höhe zukünftiger gleichartiger Geldleistungen beeinflusst. Nicht ausreichend ist es, wenn dieselbe rechtliche Problematik zwar auch zukünftig auftreten wird, die Verwirklichung des entsprechenden konkreten Sachverhalts aber nicht hinreichend sicher absehbar ist. Dabei kommt es nach § 40 GKG auf die Bestimmbarkeit der zukünftigen Auswirkungen zum Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung an. Bei dieser Wertung sind die dem Gericht vorliegenden Akten heranzuziehen. Ist anhand dieser Unterlagen nicht eindeutig bestimmbar, dass die Entscheidung Auswirkungen i. S. d. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG haben wird, so scheidet eine Anhebung des Streitwerts nach dieser Vorschrift aus.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2017– 19 E 818/16 –, juris, Rn. 10 f., m. w. N.
15Ob die Behandlung des Klägers nach einem ihr zugrundeliegenden Konzept mehrfach wiederkehrende Beschaffungen des gleichen Hormonpräparats erforderlich gemacht hat und ob dies im Zeitpunkt der Klageerhebung offensichtlich war, kann dahinstehen. Bejahendenfalls könnte der Streitwert zwar höher, nämlich bis zu der Höhe des Dreifachen des Werts nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG festgesetzt werden. Der sich ergebende Wert fiele aber ebenfalls in die vom Verwaltungsgericht festgesetzte Wertstufe, weil er sich auf 247,14 Euro (3 x 82,38 Euro) beliefe.
163. Mit Blick darauf, dass hier nach dem Vorstehenden § 52 Abs. 3 GKG einschlägig ist, ist ein Rückgriff auf die Grundregel nach § 52 Abs. 1 GKG oder gar auf die Auffangregelung des § 52 Abs. 2 GKG aus gesetzessystematischen Gründen ausgeschlossen.
17Das gilt zunächst in Bezug auf § 52 Abs. 1 GKG. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ordnet an, dass die Höhe der „bezifferten Geldleistung“ dann für die Streitwertfestsetzung maßgebend ist, wenn ein Antrag im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende „Bedeutung der Sache“ i. S. d. § 52 Abs. 1 GKG in diesen (speziellen) Fällen identisch ist mit der Höhe der bezifferten Geldleistung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Aus diesem Grund dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 Satz 1 GKG vorliegen, keine weiteren Erwägungen zur „Bedeutung der Sache“ i. S. d. § 52 Abs. 1 GKG angestellt werden.
18Vgl. Hofmann-Hoeppel/Luber/Schäfer, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GKG § 52 Rn. 31.
19Erst recht hat ein Rückgriff auf § 52 Abs. 2 GKG auszuscheiden. Diese Vorschrift darf schon im Verhältnis zu der (spezielleren) Regelung des § 52 Abs. 1 GKG nur herangezogen werden, soweit und solange eine individuelle Bestimmung des Streitwerts nach der Bedeutung der Sache wegen des Fehlens genügender Anhaltspunkte nicht möglich ist. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 2 GKG, der die Anwendbarkeit der Norm vom Fehlen genügender Anhaltspunkte abhängig macht, und ist auch in Rechtsprechung und Literatur geklärt.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 – 7 C 39.87 –, juris, Rn. 18 (noch zu der Vorgängervorschrift § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG a. F.), OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2018 – 1 E 191/18 –, juris, Rn. 4 und 6, sowie Hofmann-Hoeppel/Luber/Schäfer, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GKG § 52 Rn. 18 bis 20, m. w. N.
21Vor dem Hintergrund der dargelegten Gesetzessystematik kann es auf die weiteren, den Regelungen nach § 52 Abs. 1, 2 GKG zuzuordnenden Einwände der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die erfolgte Streitwertfestsetzung nicht mehr ankommen. Namentlich kann weder auf die (subjektiv) hohe Bedeutung der Sache für den Kläger noch auf den (erheblichen) tatsächlichen Aufwand der Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren abgestellt werden. Das wäre im Übrigen schon bei einer (hier nicht möglichen) Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG so. Insoweit käme es bei der Wertbestimmung nämlich nur auf die objektiv und unmittelbar aus dem Antrag folgende Bedeutung der Sache an, nicht aber auf außerhalb dieses Gesichtspunkts liegende Umstände wie etwa den Umfang der Sache, den Aufwand des Gerichts oder die subjektiven Vorstellungen des Klägers.
22Vgl. Toussaint, in: BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, 25. Edition, Stand: 1. März 2019, GKG § 52 Rn. 9, und Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, GKG § 52 Rn. 2 f.
23Nicht berücksichtigungsfähig ist danach ferner die (ohnehin eher rechtspolitische) Erwägung, in Verfahren wie dem vorliegenden müsse der Streitwert deutlich höher– etwa in Orientierung an einer dargestellten Praxis der Sozialgerichte in ähnlichen Verfahren – festgesetzt werden, um eine anwaltliche Vertretung wenigstens kostendeckend zu gestalten und auf diese Weise eine Rechtsverfolgung mit anwaltlicher Hilfe und unter Nutzung einer Rechtsschutzversicherung erst zu ermöglichen.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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