Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 A 1343/18
Tenor
Der Nichtigkeitsantrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens.
Der Streitwert für das Wiederaufnahmeverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Senat versteht den von der Klägerin entsprechend der Überschrift des § 153 VwGO als „Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens“ bezeichneten außerordentlichen Rechtsbehelf bei sachgerechter Auslegung ihres Begehrens entsprechend § 88 VwGO als Nichtigkeitsantrag nach § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 ZPO. Denn sie beruft sich ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund in § 579 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, macht hingegen keinen Restitutionsgrund nach § 580 ZPO geltend. Der Nichtigkeitsantrag richtet sich gegen den den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 21. September 2012 (Az.: 10 K 2090/12) ablehnenden Beschluss des Senats vom 9. Juli 2015 (Az.: 19 A 2496/12) sowie gegen den Beschluss vom 16. Oktober 2015 (Az.: 19 A 1706/15) über die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge.
3Das Wiederaufnahmeverfahren ist seinem Zweck entsprechend, ausnahmsweise aus Gründen materieller Gerechtigkeit nicht mehr anfechtbare Gerichtsentscheidungen aufzuheben, auch gegen der Rechtskraft fähige verfahrensbeendende Beschlüsse statthaft. An die Stelle der nach dem Wortlaut der gemäß § 153 Abs. 1 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 578 Abs. 1 ZPO nur gegen rechtskräftige Endurteile möglichen Nichtigkeitsklage tritt in diesem Fall ein entsprechender Antrag, über den seinerseits im Beschlussverfahren zu entscheiden ist.
hts">4pan>BVerwG, Beschluss vom 8. April 2015 - 1 A 7.15 -, juris, Rn. 2 m. w. N.
5Der hiernach statthafte und innerhalb der Frist des § 586 ZPO analog gestellte Nichtigkeitsantrag der Klägerin hat jedoch keinen Erfolg.
6Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 2 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen leitet die Klägerin daraus her, dass die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. M. ; wegen einer erstinstanzlichen Vorbefassung im Verfahren 10 K 2090/12 nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung ihres Richteramts in der zweiten Instanz kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen sei und sie dennoch in ihrer Eigenschaft als Berichterstatterin Einfluss auf den Ausgang der Verfahren 19 A 2496/12 und 19 A 1706/15 genommen habe.
7Die Richterin war jedoch nicht von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen.
8Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Eine solche Vorbefassung mit der Sache in einer früheren Instanz ist nur gegeben, wenn die frühere Tätigkeit als erkennender Richter die angefochtene Entscheidung betrifft, die der Beurteilung des Rechtsmittelgerichts unterliegt. Ausgeschlossen ist nur der im früheren Rechtszug „erkennende“ Richter, nicht der vorbereitend tätig gewordene Richter, der an dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht mitgewirkt, also in der Vorinstanz entschieden hat und jetzt zur Nachprüfung eben dieser Entscheidung berufen wäre. Dass der Richter ohne Beteiligung an der in diesem Sinne „angefochtenen Entscheidung“ mit der Sache befasst war ‑160;etwa an der Entscheidung über Prozesskostenhilfe, an Beweisbeschlüssen und Beweisaufnahmen oder der Urteilsverkündung mitgewirkt hat ‑, reicht hingegen nicht aus.
9BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2017 – XII ZB 602/15 ‑, NJW-RR 2017, 454, juris, Rn. 12, und vom 24. Juli 2012 - II ZR 280/11 -, NJW-RR 2012, 1341, juris, Rn. 2; BSG, Beschlüsse vom 30. November 2006 - B 9a SB 14/06 B -, juris, Rn. 7, und vom 14. April 2004 - B 9 VG 3/03 BH -, juris, Rn. 4; Stackmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 41 Rn. 24-26; Bendtsen in: Saenger, ZPO, 8. Auflage 2019, § 41 Rn. 16.
10Die Mitwirkung der Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. M. war im erstinstanzlichen Verfahren auf die Beschlussfassung am 21. September 2012 über die Befangenheitsgesuche der Klägerin gegen den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. C. 0; , den Richter am Verwaltungsgericht T. und die Richterin U. beschränkt. An dem die erste Instanz abschließenden Endurteil hat sie nicht mitgewirkt.
11Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der den Anhörungsrügebeschluss des Senats vom 16. Oktober 2015 betreffende Hilfsantrag der Klägerin schon deshalb unstatthaft ist, weil es sich dabei um einen mit dem Nichtigkeitsantrag nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 579 Abs. 1 ZPO nicht angreifbaren Beschluss handelt. Dafür spricht, dass der Entscheidung über eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO keine einem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellende verfahrensbeendende Wirkung zukommt. Das Verfahren ist vielmehr durch die der Anhörungsrüge vorausgegangene Sachentscheidung beendet. Mit der Zurückweisung der Anhörungsrüge wird lediglich die Fortführung des beendeten Verfahrens abgelehnt.
12In diesem Sinne Nieders. OVG, Beschluss vom 14. November 2017 – 13 ME 367/17 -, juris, Rn. 8.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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