Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 E 766/19
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
4Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraus, dass – erstens – die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur eingeschränkt aufbringen kann und dass – zweitens – die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
5Unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers bietet die Klage als beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
6Der für die Bewilligung erforderliche Grad der Erfolgsaussicht darf nicht in einer Weise überspannt werden, dass der Zweck der Prozesskostenhilfe deutlich verfehlt wird, Unbemittelten und Bemittelten weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen. Prozesskostenhilfe ist daher immer schon dann zu bewilligen, wenn die Risikoabschätzung zur Erfolgsaussicht einer ausreichend bemittelten Person in einer vergleichbaren Situation zugunsten der Rechtsverfolgung ausfallen würde. Eine solche Risikoabschätzung setzt zwar nicht die Aussicht eines sicheren Obsiegensvoraus. Erweist sich aber die Rechtsverfolgung in Anknüpfung an das für die Beurteilung der Rechtslage relevante Vorbringen des Rechtsschutzsuchenden ohne vernünftigen Zweifel als aussichtslos, ist also die Erfolgschance in der Hauptsache nur eine entfernte, und stehen keine schwierigen oder ungeklärten Rechtsfragen im Raum, so darf die Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigert werden.
7Vgl. zu diesen Grundsätzen allgemein aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts exemplarisch die Beschlüsse vom 13. März 1990– 2 BvR 94/88 juris, Rn. 23 bis 31, und vom 4. September 2017 – 1 BvR 2443/16 –, juris, Rn. 9 bis 12; ferner etwa OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2018 – 1 E 317/18 –, juris, Rn. 5.
8Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein Erfolg der Klage, mit welcher der Kläger sich gegen die Rückforderung der ihm in Form einer Abschlagszahlung gezahlten Dienstbezüge nach A 3 (Sanitätssoldat Unteroffiziersanwärter/Maatenanwärter) für den Zeitraum vom 3. bis zum 31. Oktober 2015 wendet, fernliegend.
9Der auf § 12 Abs. 2 BBesG i. V. m. §§ 812 ff. BGB gestützte Leistungsbescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2018 ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
10Im Widerspruchsbescheid ist ausgeführt, dass der Kläger die zurückgeforderten Dienstbezüge für den genannten Zeitraum ohne Rechtsgrund erhalten habe, nachdem er sich am 2. Oktober 2015, einen Tag nach Dienstantritt, geweigert habe, seine Ernennungsurkunde zum Soldaten auf Zeit anzunehmen. Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB) sei ihm verwehrt, weil er nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i. V m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 (spätere Kenntniserlangung vom Mangel des rechtlichen Grundes am 2. Oktober 2015) und 820 Abs. 1 Satz 2 BGB (späterer Wegfall des rechtlichen Grundes bei einer unter gesetzlichem Vorbehalt stehenden Leistung) verschärft hafte. Es sei ermessensgerecht, von einer nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG möglichen Herabsetzung des Rückforderungsbetrages abzusehen, weil kein Fehlverhalten der Behörde vorliege. Aus Billigkeitsgründen werde jedoch Ratenzahlung zugestanden, wobei mangels Angaben des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen des eröffneten Ermessens insgesamt drei monatliche, der Höhe nach näher bezeichnete Raten festgelegt würden.
11Diesen Erwägungen, die das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss als zutreffend bewertet und in Bezug genommen hat, hält der am 8. September 1998 geborene Kläger zunächst entgegen, er habe die Annahme der Ernennungsurkunde nicht verweigert; offensichtlich habe die Bundeswehr ihn als seinerzeit gerade17-Jährigen für zu jung befunden, ihr zu dienen. Ferner macht er – offenbar eine Verweigerung der Annahme unterstellend und damit wohl nur hilfsweise – geltend, die Entscheidung über die Annahme der Ernennungsurkunde hätte, da er damals noch minderjährig gewesen sei, rechtswirksam nur durch seine Eltern getroffen werden dürfen, die indes am 1. und 2. Oktober 2015 nicht "dabei" gewesen seien und nichts davon gewusst hätten. Außerdem hätte die Beklagte ihm aus Gründen der Fürsorge die Konsequenzen seines Verhaltens "in Ruhe vor Augen" führen müssen.
12Diese Einwände sind zwar schon im Ansatz nicht geeignet, die von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden zu erschüttern, dass und aus welchen Gründen der Kläger bereicherungsrechtlich verschärft haftet. Sie stellen nämlich nicht in Frage, dass der Kläger ab dem 3. Oktober 2015 objektiv keinen Dienst geleistet und dementsprechend von diesem Tag an keinen Anspruch auf Besoldung mehr gehabt hat, und zeigen ferner nicht auf, dass der Kläger nicht am 2. Oktober 2015 von dem Mangel des rechtlichen Grundes für die weitere Zahlung von Besoldung Kenntnis erlangt hat bzw. dass dieser Wegfall des rechtlichen Grundes keine unter gesetzlichem Vorbehalt stehende Leistung betrifft. Sie sind aber insoweit beachtlich, als mit ihnen ein Fehlverhalten der Behörde behauptet wird. Sollte ein solches Fehlverhalten vorliegen, so müsste sich dies nämlich auf die Ermessensentscheidung über die Höhe des Rückforderungsbetrages auswirken. Dies ist indes nicht der Fall.
13Die Behauptung, nicht er habe die Annahme der Urkunde verweigert, sondern diese sei ihm nicht ausgehändigt worden, greift klar erkennbar nicht durch. Sie ist schon substanzlos, weil der Kläger keinerlei Tatsachen vorträgt, die sie untermauern könnten. Darüber hinaus ist sie aber auch offensichtlich unglaubhaft. Dem Dienstantritt am 1. Oktober 2015 ist zwingend ein durch die Bewerbung des Klägers eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen, während dessen sich der Kläger persönlich vorgestellt, die zuständige Stelle der Bundeswehr die Eignung des Klägers nach näherer Prüfung bejaht und der Kläger den Antrag gestellt hat, eine bestimmte Dienstzeit für ihn festzusetzen (Verpflichtungserklärung).
14Zur Verpflichtungserklärung näher Lucks, in: Scherer/Alff/Poretschkin/Lucks, Soldatengesetz, 10. Aufl. 2018, SG § 40 Rn. 4
15Dass gleichwohl der Kompaniechef X. am 2. Oktober 2015 trotz mangelnder entsprechender Zuständigkeit spontan entschieden haben sollte, der Kläger sei zu jung, um Soldat auf Zeit zu sein, ist abwegig. Dementsprechend liegt es auf der Hand, dass die Darstellung in der Entlassungsverfügung vom 2. Oktober 2015, der Kläger habe die Annahme der Ernennungsurkunde und damit seine erforderliche Mitwirkung bei der Ernennung verweigert, zutreffend ist.
16Dazu, dass die u. a. zur Begründung eines Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SG notwendige Ernennung ein sog. mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt ist, vgl. etwa Poretschkin, in: Scherer/Alff/Poretschkin/Lucks, Soldatengesetz, 10. Aufl. 2018, SG § 4 Rn. 5 bis 7, und Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 40 Rn. 12, Letzterer auch dazu, dass im Falle der Weigerung, die Ernennungsurkunde entgegenzunehmen, trotz eingegangener Verpflichtung ein Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit nicht zustande kommt.
17Der im Widerspruchsbescheid mitgeteilte Umstand, dass die Entlassungsverfügung später aufgehoben worden sei, ändert an der vorstehenden Bewertung nichts. Die Aufhebung ist danach nämlich allein wegen der – zutreffenden – Erwägung erfolgt, dass es mangels Ernennung bereits an einem Dienstverhältnis gefehlt hat, aus dem der Kläger hätte entlassen werden können. Gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers spricht im Übrigen auch, dass dieser seine auf Aushändigung der Ernennungsurkunde gerichtete Klage nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung im Widerspruchsbescheid bereits im Jahre 2016 zurückgenommen hat.
18Nicht gefolgt werden kann auch dem weiteren Beschwerdevorbringen, die Beklagte habe missachtet, dass die Entscheidung über die Annahme der Ernennungsurkunde rechtswirksam nur von den Eltern des Klägers hätte getroffen werden können. Aus ihm ergibt sich nämlich schon nicht, dass der Kläger hinsichtlich der Annahme der Ernennungsurkunde nicht unbeschränkt geschäftsfähig gewesen ist. Nach der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 1 BGB, die auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse und damit auch auf das hier damals angestrebte Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entsprechende Anwendung findet,
19vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 6. November 1969 – 2 C 110.67 –, juris, Rn. 23 ff.; aus der Literatur vgl. etwa Müller, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 113 BGB Rn. 5, und Ahrens/Heicke, BeckOGK, Stand: 1. Juli 2019, BGB § 113 Rn. 24, jeweils m. w. N.,
20ist, wenn der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen ermächtigt, in Dienst oder in Arbeit zu treten, dieser u. a. für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art betreffen. Der Kläger macht schon selbst nicht geltend, dass eine solche Ermächtigung hier nicht vorgelegen hat. Er behauptet nämlich nicht, dass er die dem Dienstantritt notwendig vorausgegangene (s. o.) Bewerbung eingereicht und die spätere Verpflichtungserklärung abgegeben hat, ohne der Bundeswehr bereits die angesichts seiner damals gegebenen Minderjährigkeit erforderliche (vgl. §§ 2, 106 ff. BGB) Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter (der Eltern) nachgewiesen zu haben, obwohl es bekanntermaßen ständiger Übung der Bundeswehr entspricht, in solchen Fällen schon auf dem Bewerbungsbogen eine entsprechende schriftliche Einverständniserklärung zu verlangen.
21Dazu, dass die Abgabe einer Verpflichtungserklärung die volle Geschäftsfähigkeit erfordert und bei beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bedarf, vgl. Lucks, in: Scherer/Alff/Poretschkin/Lucks, Soldatengesetz, 10. Aufl. 2018, SG § 40 Rn. 4.
22Der Kläger hat im Gegenteil ausdrücklich erklärt, der "Vertrag mit der Bundeswehr" sei von ihm, "vertreten durch seine Eltern, abgeschlossen" worden.
23Ist mithin sicher davon auszugehen, dass die Eltern des Klägers diesen i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 BGB ermächtigt haben, als Soldat auf Zeit in den Dienst der Bundeswehr zu treten, so hatte der Kläger die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit für solche Rechtsgeschäfte erlangt, die die rechtverbindliche Begründung dieses Dienstverhältnisses (Eingehung) betrafen, und hätte daher die Ernennungsurkunde ohne Zustimmung seiner Eltern rechtswirksam entgegennehmen können.
24Der verbleibende Beschwerdevortrag (mangelnde Belehrung über die Konsequenzen) ist bereits offensichtlich substanzlos. Er schildert nicht einmal ansatzweise, welche Reaktion der zur Aushändigung der Ernennungsurkunde ermächtigte Soldat angesichts der (unterstellten) Weigerung des Klägers, die Ernennungsurkunde entgegenzunehmen, gezeigt hat, sondern beschränkt sich auf die schlichte und auch nur sinngemäße Behauptung, die anstehenden Konsequenzen seien nicht erläutert worden. Unabhängig davon musste es für einen Siebzehnjährigen, der zuvor das Bewerbungsverfahren erfolgreich durchlaufen hatte, klar auf der Hand liegen, dass die Berufung in das Soldatenverhältnis auf Zeit ungeachtet einer zuvor erfolgten Verpflichtungserklärung scheitern muss (und im Vorgriff gezahlte Dienstbezüge zurückgefordert werden können), wenn die in Rede stehende, ersichtlich erforderliche Mitwirkungshandlung unterbleibt.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch zur Nichterstattung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gibt die Regelung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO wieder.
26Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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