Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 1162/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 20,53 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung, auf deren Prüfung der Senat im Zulassungsverfahren beschränkt ist, nicht.
31. Die Berufung ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensmangels in Gestalt eines Begründungsmangels (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
4Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Den Entscheidungsgründen kommt eine doppelte Aufgabe zu. Sie sollen zum einen die Beteiligten über die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts unterrichten und ihnen die Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Zum anderen sollen sie die Nachprüfung des Urteils im Rechtsmittelverfahren ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung, wenn die Entscheidungsgründe diese doppelte Aufgabe nicht mehr erfüllen können, also den Beteiligten, aber auch dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen. Hingegen liegt ein Verstoß gegen § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann vor, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind.
5St. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - 9 B 412.98 -, NJW 1998, 3290, juris Rn. 5, vom 25. September 2013 - 1 B 8.13 -, juris Rn. 16, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 23.Januar 2020 - 9 A 950/19.A -, juris Rn. 3.; vgl. auch Neumann/Korbmacher, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 217.
6Geht das Gericht auf einen Vortrag nicht ein, auf den es nach seinem Rechtsstandpunkt nicht ankam, stellt dies weder einen Begründungsmangel dar noch folgt daraus ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2019 - 9 C 4.18 -, juris Rn. 101 f.
8Die Klage richtet sich gegen den auf Nr. 209 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt - (Verwarnung u.a. nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StVG) gestützten Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2016. Die diesem Gebührenbescheid zugrunde liegende Verwarnung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG ist nach übereinstimmender und im Übrigen zutreffender Auffassung der Beteiligten,
9vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2006 - 3 B 49.06 -, NJW 2007, 1299, juris Rn. 5 (zur Vorgängerregelung)
10kein Verwaltungsakt und deshalb nicht eigenständig anfechtbar. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Gebührenbescheid mit der Begründung abgewiesen, dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des die Kostenpflicht auslösenden Verwaltungshandelns in Form der Überprüfung des Punktestandes allein im Rahmen einer etwaigen Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolge; eine Überprüfung finde in dem gegen den Gebührenbescheid gerichteten Klageverfahren nicht statt. Selbst wenn man von einer eingeschränkten Überprüfbarkeit des Punktestandes ausginge, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, weil Fehler der Berechnung auch bei summarischer Überprüfung des Punktestandes weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich seien. Konkrete Fehler habe der Kläger nicht aufgezeigt.
11Ausgehend von der an erster Stelle genannten Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass der Punktestand überhaupt nicht zur Überprüfung stehe, kam es auf den gegen die Richtigkeit der Punkteberechnung gerichteten Vortrag des Klägers nicht an. Die Rüge, das Verwaltungsgericht lasse in seiner Urteilsbegründung offen, ob und wie es sich inhaltlich mit der Punkteberechnung befasst habe, führt nicht auf einen Begründungsmangel. Das Verwaltungsgericht hat ausweislich der im Indikativ formulierten Aussage ("Überprüfung … findet nicht statt") selbständig tragend und unter Hinweis auf eine gleichlautende Auffassung des Verwaltungsgerichts Regensburg,
12VG Regensburg, Urteil vom 18. November 2014 - RO 8 K 14.1583 -, juris Rn. 16,
13sowie eine Kommentarmeinung darauf abgestellt, dass die Punkteberechnung überhaupt nicht zu überprüfen sei. Das ist eindeutig und genügt den oben aufgezeigten formellen Anforderungen an eine Urteilsbegründung. Im Rahmen der hier allein erhobenen Verfahrensrüge kommt es nicht darauf an, ob diese Rechtsauffassung überzeugend begründet oder gar zutreffend ist, was im Übrigen nicht der Fall ist.
14Zu Nr. 209 des Gebührentarifs der GebOSt, jeweils unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 VwKostG: BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 3 C 33.11 -, NJW 2013, 552, juris Rn. 14; Bay.VGH, Beschluss vom 15. April 2015 - 11 BV 15.134 -, NJW 2015, 2139, juris Rn. 17.
15Die in § 1 GebOSt vorausgesetzte, für die Entstehung einer Gebührenpflicht erforderliche Sonderrechtsbeziehung kann nur dann angenommen werden, wenn die Amtshandlung ihrerseits rechtmäßig ist (vgl. § 14 Abs. 2 VwKostG i.V.m. § 6 GebOSt).
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. November 2007 - 9 A 4822/05 -, NWVBl. 2008, 231, juris Rn. 18 f.
17Ihrer Rechtmäßigkeit steht gleich, wenn sie mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann und deshalb zwischen den Beteiligten Bestand hat.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2017 - 9 E 289/14 -, juris Rn. 6 f.; sowie allgemein zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von nicht bestandskraftfähigen Amtshandlungen: OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2017 - 9 A 2655/13 -, NWVBl. 2017, 338, juris Rn. 65 f., und Beschluss vom 8. März 2017 - 9 A 232/15 -, NWVBl. 2017, 428, juris Rn. 12 (mit Hinweis auf § 14 Abs. 2 GebG NRW und Art. 20 Abs. 3 GG).
19Ob die im Konjunktiv formulierte Hilfserwägung des Verwaltungsgerichts, dass auch bei einer summarischer Prüfung Berechnungsfehler nicht ersichtlich seien, den formellen Begründungsanforderungen mit Blick auf den erstinstanzlichen Vortrag des Klägers gerecht wird, kann hier dahinstehen, weil jedenfalls die entscheidungstragende Hauptbegründung mit der allein geltend gemachten Verfahrensrüge nicht erfolgreich angegriffen worden ist.
202. Das Antragsvorbringen gibt auch keinen Anlass, die Berufung mit Blick auf den unzutreffenden Prüfungsansatz des Verwaltungsgerichts – gleichsam von Amts wegen – wegen eines vom Kläger nicht benannten und auch nicht dargelegten Zulassungsgrundes (etwa § 124 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Dies kommt nur in Betracht, wenn der zur Zulassung führende Mangel der erstinstanzlichen Entscheidung schwerwiegend und offenkundig ist.
21Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 203 f., m. w. N.
22Das ist hier nicht der Fall. Denn abgesehen davon, dass die entscheidungstragende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts immerhin von (mindestens) einem weiteren Verwaltungsgericht geteilt worden ist, ergeben sich aus der Antragsbegründung auch keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass das angegriffene Urteil im Ergebnis falsch ist. Der Kläger verweist lediglich auf seine erstinstanzlichen Schriftsätze, aus denen sich seiner Auffassung nach – trotz der gegenteiligen Stellungnahmen des Beklagten – ergeben soll, dass dessen Punkteberechnung fehlerhaft sei. Die Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen reicht zur Darlegung von Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils indessen nicht aus. Die Fehlerhaftigkeit der Berechnung liegt aber ohne nähere Erläuterung auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- VwGO § 124 1x
- 9 A 950/19 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 2 GebG 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 232/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 2 VwKostG 2x (nicht zugeordnet)
- 9 A 2655/13 1x (nicht zugeordnet)
- 9 E 289/14 1x (nicht zugeordnet)
- StVG § 4 Fahreignungs-Bewertungssystem 2x
- 9 A 4822/05 1x (nicht zugeordnet)