Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 2501/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 8.131,94 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013– 1 A 106/12 –, juris, Rn. 2 m. w. N.
5Hiervon ausgehend rechtfertigt das fristgerechte Zulassungsvorbringen der Beklagten die begehrte Zulassung der Berufung aus keinem der geltend gemachten Zulassungsgründe. Soweit es den Anforderungen an die Darlegung dieser Gründe genügt, greift es in der Sache nicht durch.
61. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2Nr. 1 VwGO zuzulassen.
7Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2Nr. 1 VwGO sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2018– 1 A 249/16 –, juris, Rn. 2, vom 9. Juli 2018 – 1 A 2592/17 –, juris, Rn. 2, vom 5. Januar 2017 – 1 A 2257/15 –, juris, Rn. 9 f., und vom 29. Januar 2016– 1 A 1862/14 –, juris, Rn. 3 f., jeweils m. w. N.
9Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinander setzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will. Diesen Darlegungsanforderungen wird nicht genügt, wenn sich sein Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
10Vgl. Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 206 m. w. N.
11Diese Maßgaben zugrunde gelegt, führt das Zulassungsvorbringen der Beklagten nicht zu der Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
12Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf die Gewährung der begehrten weiteren Beihilfe. Seine schnellstmögliche Verbringung in die nächstgelegene Klinik stelle sich wegen des erlittenen Hinterwandinfarkts als zur Lebensrettung unerlässliche und alternativlose Sofortmaßnahme dar. Die Erstattung der durch eine derartige Notfallbehandlung entstandenen Aufwendungen werde auch nicht durch § 10 Abs. 2 Satz 2 BVO NRW in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 9. Dezember 2011 ausgeschlossen. Ein Verweis auf Kosten, die in einem öffentlichen Krankenhaus entstanden wären, sei nur in den Fällen zulässig, in denen der Beamte tatsächlich die Möglichkeit habe, eine kostengünstigere Behandlung in Anspruch zu nehmen. Soweit eine solche Kostenbeschränkung auch medizinische Leistungen im Rahmen einer Notfallbehandlung im Ausland erfasse, verstoße sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG und verlasse ihre gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Der Unanwendbarkeit der Norm in derartigen Fällen stehe schließlich auch nicht § 10 Abs. 7 BVO NRW entgegen. Allein der Umstand, dass Auslandsbehandlungen versicherbar seien, rechtfertige es nicht, die Angemessenheit medizinisch gebotener Aufwendungen auf einen Betrag zu begrenzen, zu dem Leistungen am Unfallort nicht angeboten würden. Es verstoße gegen die dem Dienstherrn obliegende Fürsorgepflicht, die Erstattung der angefallenen Kosten mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Auslandskrankenversicherung zu verweigern. Dies gelte auch dann, wenn die Aufwendungen für eine Auslandskrankenversicherung in Höhe eines symbolischen Betrages beihilfefähig seien. Durch die Verweisung des Beihilfeberechtigten auf einen privaten Versicherungsträger könne sich der Dienstherr seiner originären und grundsätzlichen Verpflichtungen zur Gewährung von Beihilfen für Aufwendungen in Krankheitsfällen nicht entziehen.
13Das Zulassungsvorbringen der Beklagten, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2011 – 2 C 14.10 – (juris) habe sich auf die Rechtslage in Baden-Württemberg bezogen und lasse sich auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen nicht übertragen, rechtfertigt keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des weiteren Einwandes, der nordrhein-westfälische Gesetzgeber habe auf eine explizite gesetzliche (Ausschluss-) Regelung zugunsten einer Kompensation durch die Erstattung einer Auslandskrankenversicherung in § 10 Abs. 7 BVO NRW in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Dezember 2015 verzichtet.
14Das Zulassungsvorbringen setzt sich zunächst nicht mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass schon aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn weder die bloße Möglichkeit, Auslandsbehandlungen zu versichern, noch die Beihilfefähigkeit der entsprechenden Aufwendungen in Höhe eines symbolischen Betrages rechtfertigten, die Angemessenheit medizinisch gebotener Aufwendungen auf einen Betrag zu begrenzen, zu dem Leistungen am Unfallort nicht angeboten würden. Gleiches gilt für die Feststellung im angefochtenen Urteil, dass sich der Dienstherr durch die Verweisung des Beihilfeberechtigten auf einen privaten Versicherungsträger nicht seiner originären und grundsätzlichen Verpflichtungen zur Gewährung von Beihilfen für Aufwendungen in Krankheitsfällen entziehen könne.
15Der Beklagte hat im Übrigen nicht dargelegt, warum die grundsätzlichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 17. Oktober 2011 – 2 C 14.10 –, juris, Rn. 17 ff., nicht auf das nordrhein-westfälische Beihilfesystem übertragen werden könnten. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass eine allgemeine Kostenbegrenzungsregelung für Notfallbehandlungen im Ausland – wie sie § 10 Abs. 1 BVO NRW enthält – den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletze, weil sie ohne zureichenden Grund medizinisch gebotene und angemessene Aufwendungen von der Beihilfe ausschließe; durch Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüsse dürfe sich der Vorschriftengeber nicht zu seiner grundsätzlichen Entscheidung in Widerspruch setzen, Beihilfe zu gewähren, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sei; allein Gründe der Verwaltungsvereinfachung, der Kostenbeschränkung oder der Umstand, dass Auslandsbehandlungen versicherbar seien, rechtfertigten nicht, die Angemessenheit medizinisch gebotener Aufwendungen auf einen Betrag zu begrenzen, zu dem Leistungen am Unfallort nicht angeboten würden.
16Einer vertieften Begründung, warum diese Erwägungen für den vorliegenden Fall nicht gelten sollten, hätte es allein schon deshalb bedurft, weil der Grundsatz, dass Behandlungskosten in Krankheitsfällen im Rahmen der Notwendigkeit und Angemessenheit beihilfefähig sind, selbstverständlich auch im nordrhein-westfälischen Beihilfesystem gilt, vgl. § 3 Abs. 1 BVO NRW. Der bloße Hinweis auf die Regelung des § 10 Abs. 7 BVO NRW reicht ersichtlich nicht aus. Der Annahme, notwendige und angemessene Kosten für eine Notfallbehandlung könnten dadurch pauschal abgegolten werden, dass die jährlichen Versicherungsbeiträge für eine Auslandskrankenversicherung bis zu einem bestimmten Betrag beihilfefähig sind, steht der anerkannte Grundsatz entgegen, dass jeder Ausschluss von Leistungen einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage bedarf.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 – 5 C 2.14 –, juris, Rn. 35.
18Auch die in § 10 Abs. 7 BVO geregelte Kompensation schließt die Beihilfeleistungen im Ergebnis aus.
192. Die Berufung ist auch nicht wegen der von der Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
20Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage entweder schon auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden oder aber (ggf. ergänzend) auf der Basis bereits vorliegender Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt.
21Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2018– 1 A 2092/16 –, juris, Rn. 34, und vom 13. Februar 2018 – 1 A 2517/16 –, juris, Rn. 32.
22In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht vor.
23Die von der Beklagten als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage,
24ob in Fällen einer Notfallbehandlung von dem Grundsatz des § 10 Abs. 1 BVO NRW abgewichen werden muss, obwohl dies in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht explizit gesetzlich geregelt ist,
25rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Diese Frage lässt sich, wie sich aus den Ausführungen unter Gliederungsziffer 1. dieses Beschlusses ergibt, auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes beantworten und ist somit nicht klärungsbedürftig. Die Fragestellung ist im Übrigen ersichtlich zirkulär. Der Beklagte weist selbst darauf hin, dass die Ausnahmeregelungen für Notfallbehandlungen in den anderen Bundesländern gerade deshalb erlassen wurden, weil eine allgemeine Kostenbegrenzungsregelung für Behandlungen im Ausland dem Grundsatz der Beihilfefähigkeit notwendiger und angemessener Aufwendungen widerspricht.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
27Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.
28Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
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