Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 B 1648/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Der Tenor der Entscheidung wird den Beteiligten wegen der Eilbedürftigkeit der Sache vorab telefonisch bekanntgegeben.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist summarischer Beurteilung zufolge entgegen dem Vorbringen der Antragsteller trotz der fehlenden Unterschrift der Vorsitzenden wirksam. Die Unterschrift wurde in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 1 Satz 3 VwGO i. V. m. § 122 VwGO zulässigerweise ersetzt.
4Vgl. Kilian/Hissnauer in Sodan Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 117 Rn. 40 ff., § 122 Rn. 15.
5Ausweislich der - vom Senatsvorsitzenden in seinem Vermerk vom 2.11.2020 dokumentierten - telefonischen Mitteilung der Vorsitzenden der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts war diese zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beschlusses nicht am Gerichtsort anwesend und an der Hinzufügung ihrer elektronischen Signatur wegen technischer Störungen gehindert.
6Der Beschwerde bleibt auch im Übrigen der Erfolg versagt.
7Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
8die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 30.10.2020 im Verfahren - 10 K 4119/20 - gegen die Festsetzung unmittelbaren Zwangs im Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.10.2020 anzuordnen und
9der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Vollstreckung der Nutzungsuntersagung bezüglich des Gebäudes X.-straße 46a in E. im Wege unmittelbaren Zwangs einzustellen,
10im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, im Hinblick auf die Festsetzung unmittelbaren Zwangs überwiege wegen der fehlenden Erfolgsaussicht der Klage der Antragsteller gegen den Bescheid vom 22.10.2020 das öffentliche Vollzugsinteresse, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe vor dem Hintergrund ebenfalls keinen Erfolg. Rechtsgrundlage für die von der Antragsgegnerin verfügte Festsetzung des unmittelbaren Zwangs seien § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 3, § 64 Satz 1 VwVG NRW. Die zugrundeliegenden Ordnungsverfügungen vom 16./17.1.2014 und 25.4.2018 sowie 27.2.2020 seien bestandskräftig bzw. sofort vollziehbar und damit vollstreckbar. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW angedroht worden. Die Festsetzung des Zwangsmittels sei nicht unverhältnismäßig, insbesondere seien keine gegen die Vollstreckung sprechenden außergewöhnlichen Umstände ersichtlich. Es sei auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht ersichtlich, dass es den Antragtellern nicht zumutbar sein könnte, die Wohnnutzung im streitgegenständlichen Gebäude aufzugeben.
11Diese Würdigung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert.
12Soweit sich die Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagungen wenden und (erneut) geltend machen, das Verwaltungsgericht sei von einem unvollständigen Akteninhalt ausgegangen, die Baugenehmigung von 1958 sei nicht erloschen, es handele sich nicht um einen Schwarzbau, da eine Genehmigung zur Errichtung vorliege, die Antragsgegnerin habe die Wohnnutzung aktiv geduldet und die Bestandskraft der Ordnungsverfügung vom 16.1.2014 sei nur infolge einer arglistigen Täuschung durch die Antragsgegnerin eingetreten, führt dies nicht dazu, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung hinter ihrem Aussetzungsinteresse zurückbleibt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat dazu auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom 17.9.2020 - 7 B 912/20 -, der u. a. die Androhung unmittelbaren Zwangs zum Gegenstand hatte.
13Soweit die Antragsteller vortragen, die Zwangsmaßnahme sei aufgrund des von ihnen gestellten Bauantrages vom 19.10.2020 nicht erforderlich, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es fehlt schon an der erforderlichen Darlegung, dass der behauptete neuerliche Bauantrag nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig sein könnte.
14Vgl. zum Erfordernis der Annahme der Genehmigungsfähigkeit durch die Baugenehmigungsbehörde: OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2015 - 7 B 583/15 -, juris.
15Die von den Antragstellern mit Blick auf den Bund-Länder-Beschluss vom 28.10.2020 zum "coronabedingten Lockdown" und ihre wirtschaftliche Situation geltend gemachte drohende Obdachlosigkeit, rechtfertigt weiterhin nicht die Annahme außergewöhnlicher Umstände. Auch mit dem aktuellen Beschwerdevorbringen haben die Antragsteller die Unrichtigkeit der Wertung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend dargetan, dass in E. trotz der Corona-Pandemie ein funktionierender Wohnungsmarkt existiere. Der Senat verweist auch insoweit auf die Gründe seines Beschlusses vom 17.9.2020 - 7 B 912/20 -. Soweit die Antragsteller mit eidesstattlicher Versicherung geltend machen, sie hätten keine Ersatzunterkunft zur Verfügung, ist es im übrigen Sache der Antragsgegnerin, zur Vermeidung von Obdachlosigkeit ggfs. für eine Unterbringung der Antragsteller zu sorgen.
16Unabhängig davon hat die Beschwerde auch dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn der Senat zugunsten der Antragsteller unterstellt, die Erfolgsaussichten ihrer Klage gegen die Verfügung vom 22.10.2020 seien offen. Auch dann überwiegt wegen der nach den Feststellungen der Antragsgegnerin bestehenden akuten Brandschutzmängel das öffentliche Interesse an der unverzüglichen Räumung des Gebäudes. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Ordnungsverfügung vom 27.2.2020 (61/5-1-041524 – A. H.) u. a. ausgeführt, eine Legalisierung des baurechtswidrigen Zustandes des Gebäudes sei nach der derzeitigen Aktenlage nicht möglich, da ein zweiter Rettungsweg nicht vorhanden sei. Die baulichen Anforderungen an die Rettungswege könnten auf dem Grundstück selbst nicht erfüllt werden. Das in Rede stehende Gebäude befinde sich im hinteren Grundstücksbereich in einer Insellage. Eine "Entfluchtung" im Brandfall zu den Nachbargrundstücken scheide aus. Zur öffentlichen Wegefläche betrage der Abstand mehr als 30 m und es müsse dabei das seit Jahren leerstehende und baurechtlich nicht genehmigte Gebäude X.-straße 46 durchquert werden. Auch der erste Rettungsweg entspreche nicht den bauordnungsrechtlichen Bestimmungen. Ausgehend von diesen - mit dem Beschwerdevorbringen nicht widerlegten - Feststellungen zur Sachlage ist eine akute Gefahr für das Leben und die Gesundheit der sich in dem Gebäude aufhaltenden Personen in Rechnung zu stellen, der nur durch die Räumung des Gebäudes begegnet werden kann. Mit der Entstehung eines Brandes muss grundsätzlich jederzeit gerechnet werden. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist, belegt nicht, dass insofern keine Gefahr besteht.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.2.2010, - 7 A 1235/08 -, BRS 76 Nr. 131 = BauR 2010, 1568.
18Kommt es zu einem solchen jederzeit möglichen Brand, ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Gefährdung von Leben und Gesundheit der Personen zu rechnen, die sich in dem hier in Rede stehenden Gebäude aufhalten.
19Aufgrund der zuvor beschriebenen akuten Gefahrenlage sah sich der Senat gehalten, schon vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und trotz der Ankündigung weiteren Beschwerdevorbringens über die Beschwerde zu entscheiden.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Referenzen
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- 7 B 583/15 1x (nicht zugeordnet)
- 10 K 4119/20 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 117 1x
- § 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 122 1x
- § 64 Satz 1 VwVG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 A 1235/08 1x (nicht zugeordnet)