Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 E 776/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch den Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3Die Prozesskostenhilfebeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Recht abgelehnt.
4Soweit sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde zunächst dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Prozesskostenhilfebewilligung als nicht ausreichend nachgewiesen angesehen habe, greift sie insoweit nur eine nicht entscheidungstragende, im Sinne eines „obiter dictum“ gegebene Einschätzung des Verwaltungsgerichts an („Antrag dürfte schon deshalb abzulehnen sein, weil…“, „kann hier jedoch dahinstehen, weil der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch in der Sache abzulehnen ist“).
5Das Beschwerdevorbringen der Klägerin gibt auch keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung, soweit sie sich gegen die allein entscheidungstragende Bewertung im Beschluss vom 10. September 2020 wendet, dass ihre Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
6Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffes einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance indes nur eine entfernte ist. Soweit Tatsachen im Streit stehen und Ermittlungen erforderlich sind, ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Zugleich dürfen schwierige oder ungeklärte Rechtsfragen nicht schon im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe „durchentschieden“ werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen soll.
7Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 22. August 2018 - 2 BvR 2647/17 -, NVwZ-RR 2018, 873, juris, Rn. 14, vom 4. August 2016 - 1 BvR 380/16 -, juris, Rn. 12, und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1323/05 -, NVwZ-RR 2007, 569, juris, Rn. 23; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 - 19 E 752/20 -, juris, Rn. 8 f., und vom 22. September 2020 - 19 E 477/20 -, juris, Rn. 4 f.
8Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Wiederholung der zweiten Wiederholungsklausur im Fach Mathematik – Pflichtmodul „HR1: Arithmetik und ihre Didaktik“ – im Rahmen ihres Lehramtsbachelorstudiengangs habe, da die Festsetzung der Note „nicht ausreichend (5,0)“ für die zweite Wiederholungsklausur der Klägerin nicht zu beanstanden sei. Die Klägerin, die der Klausurbewertung selbst nicht entgegen getreten ist, hat im Klageverfahren geltend gemacht, dass sie aufgrund einer während der Klausurbearbeitung aufgetretenen denkblockierenden Panikattacke von der Prüfung zurückgetreten sei und die als Letztversuch erbrachte Prüfungsleistung daher nicht gewertet werde dürfe. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass sie es bereits versäumt habe, die aus ihrer Sicht einen Rücktritt rechtfertigenden Gründe gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 der Prüfungsordnung für die Lehramtsbachelorstudiengänge an der Technischen Universität E. vom 24. Mai 2018 – BPO unverzüglich schriftlich beim Prüfungsausschuss der Beklagten anzuzeigen (S. 3 ff. des Beschlusses). Die fragliche schriftliche Prüfung unternahm die Klägerin am 19. Februar 2019. Am 20. Februar 2019 suchte sie einen Facharzt auf, der ihr eine denkblockierende Panikattacke während der Klausur bescheinigte. Am 21. Februar 2019 um 14.30 Uhr sei – so das Verwaltungsgericht – das Klausurergebnis auf der hochschuleigenen Onlineplattform bekanntgegeben worden. Am gleichen Tag ging um 15.09 Uhr die Rücktrittserklärung der Klägerin per E-Mail bei der Beklagten ein. Es sei der Klägerin jedenfalls zumutbar gewesen, sich noch am Tag des Arztbesuchs oder spätestens am darauffolgenden Morgen des 21. Februar 2019 per E-Mail an den Prüfungsausschuss zu wenden und den Rücktritt zu erklären. Stattdessen habe die Klägerin ihre Rücktrittserklärung – womöglich in der Hoffnung, die Klausur trotz der erlittenen Panikattacke bestanden zu haben – bis zur Kenntnisnahme von ihrem endgültigen Scheitern hinausgezögert. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht selbstständig tragend festgestellt, dass das seitens der Klägerin vorlegte fachärztliche Attest vom 20. Februar 2019 den in § 18 Abs. 2 Satz 4 BPO normierten Anforderungen nicht genüge, da es keine Angaben darüber enthalte, dass die gesundheitlich bedingte Leistungsbeeinträchtigung für die Klägerin im Zeitpunkt der Prüfung nicht erkennbar gewesen sei und vernünftigerweise kein Anlass bestanden habe, die Leistungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen (S. 5 des Beschlusses).
9Diesen sowohl nach den zugrunde gelegten Maßstäben,
10vgl. zur Unverzüglichkeit eines Prüfungsrücktritts: BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 6 B 36.17 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 432, juris, Rn. 25, und Urteil vom 7. Oktober 1988 - 7 C 8.88 -, BVerwGE 80, 282, juris, Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 7. November 2019 - 14 A 2071/16 -, juris, Rn. 41 ff. jeweils m. w. N.; zu den Anforderungen an ein ärztliches Attest zur Geltendmachung von Prüfungsunfähigkeit: OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2020 - 19 A 3028/15 -, juris, Rn. 43 ff. m. w. N.,
11als auch in der einzelfallbezogenen Würdigung überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hält die Klägerin mit ihrer Prozesskostenhilfebeschwerde nur entgegen, „die weitergehenden Feststellungen des Gerichts“ gingen „bereits über die geforderte summarische Prüfung hinaus“, was „u. a. durch mehrere Bezugnahmen auf höchstrichterliche Rechtsprechung dokumentiert werde“. Dieser Einwand einer Verfehlung der für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe greift nicht durch. Die gerügte Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung spricht nicht für ein „Durchentscheiden“ trotz schwieriger oder ungeklärter Rechtsfragen. Im Gegenteil spricht die – hier zutreffende – Bezugnahme auf bestehende obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung dafür, dass die Rechtsfragen an sich bereits geklärt sind. Auch unabhängig von diesem Einwand hat das Verwaltungsgericht die von Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen Anforderungen an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht überspannt. Die angestellten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen im Beschluss vom 10. September 2020 sind nach dem bisherigen Gang des Verwaltungs- und Klageverfahrens so evident wie naheliegend.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 19 A 3028/15 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 477/20 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2647/17 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 380/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1323/05 1x (nicht zugeordnet)
- 14 A 2071/16 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 752/20 1x (nicht zugeordnet)