Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 A 4702/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1Der zulässige Antrag ist unbegründet.
2Aus den innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, auf der das Urteil beruht (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder ein der Beurteilung des beschließenden Senats unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
3Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art, die er mit seinem Antrag angreifen will, bezeichnen und mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. Daran fehlt es hier.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin gegen die der Beigeladenen von dem Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 23. November 2016 für die beantragte Änderung der Nutzung des „Herrenhaus C.“ genannten Gebäudekomplexes auf dem Grundstück in C1., Gemarkung B., Flur 42, Flurstück 6 in eine Event-Gastronomie (im Folgenden: Vorhaben) abgewiesen. Die Baugenehmigung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie sei nicht zu ihren Lasten unbestimmt. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Bauplanungsrechts, die dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt seien, liege nicht vor. Das Vorhabengrundstück und das Grundstück der Klägerin befänden sich im Außenbereich. Ein Verstoß gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot sei nicht gegeben. Das Vorhaben verursache keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf dem Grundstück der Klägerin. Dies gelte auch für die von dem Vorhaben voraussichtlich ausgehenden Geräuschimmissionen. Die für das Wohnhaus der Klägerin prognostizierten vorhabenbedingten Beurteilungspegel von 43 dB(A) tags und 34 dB(A) nachts lägen weit unter den von der TA Lärm unter Nr. 6.1 Buchstabe d) vorgegebenen Immissionsrichtwerten von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts für Kern-, Dorf- und Mischgebiete, die hier heranzuziehen seien. Dass die Immissionsprognose von fehlerhaften Annahmen ausgegangen sei, lasse sich nicht feststellen. Einer konkreten Prognose des von der Musikanlage des Vorhabens ausgehenden tieffrequenten Schalls habe es nicht bedurft. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass mit der Nutzung des Vorhabens schädliche Umwelteinwirkungen in Form von tieffrequenten Geräuschen verbunden sein könnten. Eine Überschreitung des für den Schutz der Klägerin maßgeblichen Immissionsrichtwerts für die Nachtzeit von 45 dB(A) wäre selbst bei einem Verstoß gegen die dem Immissionsschutz dienenden Auflagen zur Baugenehmigung nicht unmittelbar zu befürchten. Die Einhaltung der Auflagen könne darüber hinaus gewährleistet werden.
5Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Baugenehmigung sei nicht zu ihren Lasten unbestimmt, zieht die Klägerin nicht durchgreifend in Zweifel.
6Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Auflage Nr. 3, wonach die Einhaltung eines Rauminnenpegels bei Beschallung des Wintergartens von maximal 92 dB(A) zur Tagzeit (bis 22.00 Uhr) und 87 dB(A) zur Nachtzeit (nach 22.00 Uhr) durch einen Limiter mit Messmikrofon und Zeitschaltuhr sicherzustellen ist, eindeutig so zu verstehen sei, dass sie auch für eine Beschallung durch Live-Musik gelte. Die Klägerin hält dem entgegen, dass bei Veranstaltungen, wie sie im Herrenhaus C. stattfänden, möglicherweise auch Live-Musik gespielt werde, die sich nicht limitieren lasse. Der Sache nach rügt die Klägerin damit, dass nach den realen Verhältnissen mit der Einhaltung der Auflage Nr. 3 nicht gerechnet werden könne und sie deshalb untauglich sei, den Schutz der Anwohner vor unzumutbaren vorhabenbedingten Lärmbeeinträchtigungen zu gewährleisten. Eine Unbestimmtheit der Auflage Nr. 3 lässt sich hiermit jedoch nicht begründen.
7Dass die Baugenehmigung hinsichtlich der Nutzung der Außenflächen des Vorhabengrundstücks zu ihren Lasten unbestimmte Regelungen enthalte, zeigt die Klägerin nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass insbesondere nach der Betriebsbeschreibung eine Nutzung der Außenflächen zur Nachtzeit, mit Ausnahme des Raucherbereichs im nordwestlichen Innenhof, zweifelsfrei nicht zulässig sei. Die Klägerin setzt sich hiermit nicht weiter auseinander, sondern trägt lediglich vor, die Baugenehmigung enthalte kein Verbot, die übrigen Außenflächen nach 22.00 Uhr zu nutzen. Eines ausdrücklichen Verbots dieser Art bedarf es aber nicht, um auch insoweit den Schutz der Anwohner vor unzumutbaren vorhabenbedingten Lärmbeeinträchtigungen zu wahren, denn maßgeblich ist, was die Baugenehmigung, zu der die Betriebsbeschreibung gehört, an Nutzungen konkret zulässt. Die pauschale Rüge der Klägerin, die gewerbliche Nutzung der Außenflächen als Veranstaltungsflächen sei auch im Übrigen nicht beschränkt, genügt ebenfalls nicht im Ansatz, um eine Rechtsverletzung wegen einer zu ihren Lasten gehenden Unbestimmtheit der Baugenehmigung darzulegen.
8Auch soweit sie weiterhin bemängelt, dass die nach der Baugenehmigung im Herrenhaus C. möglichen Veranstaltungen ihrer Art nach nicht hinreichend konkret beschrieben seien, legt sie keine Unbestimmtheit der Baugenehmigung dar. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch eine fehlende Spezifizierung der zugelassenen Veranstaltungen in ihren Rechten verletzt sein könnte, wenn die für alle Veranstaltungen geltenden Auflagen eingehalten würden. Dem setzt die Klägerin nichts Erhebliches entgegen. Soweit sie auch in diesem Zusammenhang bezweifelt, dass die Auflagen geeignet seien, unzumutbare vorhabenbedingte Geräuschimmissionen auf ihrem Grundstück zu verhindern, ergibt sich daraus – wie oben bereits ausgeführt – keine Unbestimmtheit der Baugenehmigung zu ihren Lasten.
9Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die mit der Nutzung des Vorhabens vermutlich verbundenen Geräuschimmissionen für sie nicht zumutbar seien.
10Sie rügt zwar, die Einhaltung der einschlägigen Auflagen sei nicht sichergestellt, setzt sich aber mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass selbst bei einem Verstoß gegen diese Auflagen eine Überschreitung des für ihr Grundstück maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) nachts nicht unmittelbar zu befürchten sei, nicht auseinander.
11Dass die Einhaltung der Auflage Nr. 4, wonach die Fenster und Türen des Eventraumes sowie die des Wintergartens ab 22.00 Uhr geschlossen zu halten sind, nicht gewährleistet werden könne, zieht sie im Übrigen nur insoweit in Zweifel, als sie meint, deren Umsetzung kollidiere zwangsläufig mit brandschutzrechtlichen Anforderungen. Inwieweit sich hieraus eine Rechtsverletzung zu ihren Lasten ergeben könnte, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
12Dass eine Überwachung der Einhaltung der Auflage Nr. 3 im laufenden Betrieb nicht voraussetzt, dass etwaig betroffene Nachbarn „selbst durch einfache Wahrnehmungen deren Einhaltung prüfen und Verstöße dagegen dokumentieren können“, hat das Verwaltungsgericht zutreffend und ohne, dass hierin eine Abweichung von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts liegen würde (hierzu unten), ausgeführt. Im Übrigen unterstellt die Klägerin, der Betreiber der Event-Gastronomie im Herrenhaus C. werde Live-Bands mit ihrem eigenen Equipment ohne Limiter spielen lassen. Ein solcher Verstoß gegen die Auflage Nr. 3 wäre jedoch durch die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen einer Überwachungsmaßnahme ohne Weiteres festzustellen.
13Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es habe im Baugenehmigungsverfahren keiner konkreten Prognose des bei der Nutzung des Vorhabens möglicherweise verursachten tieffrequenten Schalls bedurft, zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat unter Auswertung der vorliegenden gutachterlichen Äußerungen ausführlich erläutert, warum es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gebe, dass von dem Betrieb der genehmigten Musikanlage schädliche Umweltauswirkungen in der Gestalt von tieffrequenten Geräuschen zu erwarten seien. Es hat unter anderem Bezug genommen auf die Stellungnahme des Gutachters der L. T. GmbH, wonach bei einer Kontrollmessung am Wohngebäude C2. 2 – das Wohngebäude der Klägerin ist circa 130 m weiter von dem Vorhabengrundstück entfernt – die Beschallung des Wintergartens bei geöffneten Türen die nach Nr. A.1.5 des Anhangs zur TA Lärm ermittelte Differenz LCeq – LAeq den Wert von 20 dB unterschritten habe. Messungen der Firma D. J. mbH vor Umsetzung der Lärmschutzauflagen hätten dieses Ergebnis bestätigt. Die Klägerin tritt dem allein mit der Behauptung entgegen, die besagten Messungen hätten nicht bei einer Beschallung durch Live-Musik ohne Regulierung der Lautstärke stattgefunden. Dass eine solche Live-Musik entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nach der Baugenehmigung zulässig wäre, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen – wie bereits ausgeführt – nicht. Dass in der in Nr. A.1.5 des in Nr. 7.3 TA Lärm in Bezug genommenen Anhangs enthaltenen Auflistung der Schallquellen, die tieffrequente Geräusche verursachen können, Musikanlagen nicht aufgeführt werden, wohl aber im Anhang A des Beiblatts zur DIN 45680, war für das Verwaltungsgericht im Übrigen nicht ausschlaggebend.
14Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
15Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden.
16Dass der Ausgang des Rechtsstreits in diesem Sinne offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht feststellen, denn die Klägerin stellt die Richtigkeit des angefochtenen Urteils unter den von ihr in diesem Zusammenhang angesprochenen Aspekten wie vorstehend ausgeführt nicht ernsthaft in Frage.
17Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Wird der Zulassungsantrag mit dem Zulassungsgrund der Divergenz begründet, muss zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter, aber inhaltlich bestimmter Rechtssatz aufgezeigt werden, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung eines der in der Vorschrift genannten Gerichte in Widerspruch steht.
18Dass das Verwaltungsgericht von einem in den Entscheidungen des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 3. November 2015 – 4 B 652/15 – und Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 4 A 1852/14 –) aufgestellten Rechtssatz abgewichen wäre, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Der von der Klägerin formulierte vermeintliche Rechtssatz „Auflagen, die der Gewährleistung des Schutzes von Nachbarn einer Gastronomie dienen, müssen eine wirksame Kontrolle auch durch die durch die Nebenbestimmungen geschützten Personen ermöglichen, beispielsweise dadurch, dass Verstöße leicht zu dokumentieren sind“, findet sich in den genannten Entscheidungen nicht. Auch der von ihr insbesondere in Bezug genommenen Passage in dem Beschluss vom 3. November 2015 – 4 B 652/15 –, juris, Rn. 54, lässt sich unter Berücksichtigung des Kontextes nicht entnehmen, der 4. Senat habe die allgemeine Anforderung aufstellen wollen, dass Lärmschutzauflagen in einer (gaststättenrechtlichen) Genehmigung nur dann effektiv seien, wenn deren Einhaltung auch durch betroffene Nachbarn kontrolliert, im besten Fall ein Verstoß fotografisch dokumentiert werden könne. Eine solche Anforderung machte für eine ganze Reihe von Lärmschutzauflagen ersichtlich keinen Sinn.
19Es liegt schließlich auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.
20Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht den von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt hat. Es hat die unter Beweis gestellte Frage als nicht entscheidungserheblich betrachtet, weil sie ein Szenario unterstelle, das von der Baugenehmigung, die die Nutzung nicht limitierter Musikanlagen ausschließe, nicht gedeckt sei. Dies ist ausgehend von der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Klägerin hält dem ihre abweichende Auffassung vom Inhalt der Baugenehmigung, insbesondere vom Inhalt der Auflage Nr. 3 entgegen beziehungsweise beruft sich auch in diesem Zusammenhang darauf, die Einhaltung der Auflage Nr. 3 sei nicht sichergestellt. Hieraus ergibt sich jedoch nichts dafür, dass die Ablehnung des Beweisantrags wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit fehlerhaft gewesen sein könnte.
21Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
23Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
24Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- 4 A 1852/14 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 652/15 2x (nicht zugeordnet)