Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 B 1745/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. April 2019 zur Errichtung einer Kindertagesstätte auf dem Grundstück G.‑straße 15 in C. (im Folgenden: Vorhaben) im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Baugenehmigung verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts.
4Das Vorhaben ist bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung wegen des vorhabenbedingten Kraftfahrzeugverkehrs nicht etwa der Antragstellerin gegenüber deshalb rücksichtslos, weil sich dadurch die Erschließungssituation ihres Grundstücks unzumutbar verschlechtern würde. Dass es auf innerstädtischen öffentlichen Straßen immer wieder zu einer zeitweisen Verdichtung des Verkehrs und zu Staus kommen kann, gehört zu den nachteiligen Auswirkungen einer mobilen, auf den individuellen Kraftfahrzeugverkehr ausgerichteten Gesellschaft und beeinträchtigt regelmäßig weder die Erschließung eines an einer solchen Straße gelegenen Grundstücks im rechtlichen Sinne noch den von der Antragstellerin bemühten Anliegergebrauch. Es gibt grundsätzlich unter keinem der beiden Aspekte einen rechtlich schützenswerten Anspruch des an einem Grundstück dinglich Berechtigten darauf, dass dieses Grundstück über die öffentliche Straße, an der es liegt, zu jeder Zeit ohne jegliche Verzögerung und ohne vorübergehende Behinderung durch andere Verkehrsteilnehmer, die die öffentliche Straße ebenfalls ordnungsgemäß für die Durchfahrt oder als Anlieger zu einem anderen Grundstück nutzen, mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen ist.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 10 B 56/18 –, juris, Rn. 16.
6Dass dies hier ausnahmsweise anders sein könnte, ist nicht erkennbar. Soweit das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin ihren Vortrag zu den beengten Verkehrsverhältnissen und den fehlenden Parkmöglichkeiten in der Umgebung des Vorhabengrundstücks wiederholt, sieht der Senat bei Auswertung des Lichtbild- und Kartenmaterials keinen Anlass, die Würdigung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Ihr Hinweis auf einem Beschluss des Nds. OVG vom 20. Dezember 2013 – 1 ME 21/13 –, in dem in einem „Ausnahmefall“,
7vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 1 ME 145/14 –, juris, Rn. 14,
8der Leistungsfähigkeit einer Straße wegen ihrer Gestaltung als verkehrsberuhigter Bereich und ihrer geringen Breite außerordentlich enge Grenzen gesetzt waren,
9vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 1 ME 214/13 –, juris, Rn. 14,
10gibt für die Beurteilung der hier maßgeblichen Einzelfallumstände nichts her.
11Sollte die Antragstellerin zwischen dem für ein Wohngebiet typischen und dem vorhabenbedingten Verkehr der geplanten Kindertagesstätte unterscheiden wollen, verkennt sie, dass Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten, auch wenn sie nicht im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen, als Anlagen für soziale Zwecke (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) ausnahmsweise und in allgemeinen Wohngebieten (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) allgemein zulässig sind. Bei der hier gebotenen Abwägung ist von der Typisierung von Nutzungen in der Baunutzungsverordnung als einer insoweit sachverständigen Konkretisierung allgemeiner städtebaulicher Grundsätze auszugehen und somit auf die Vorschriften des ersten Abschnitts (§§ 1 bis 15) der Baunutzungsverordnung als Auslegungs- oder Orientierungshilfe zurückzugreifen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2010 – 4 C 7.10 –, juris, Rn. 18; OVG Schl.-H., Beschluss vom 1. Februar 2019 – 1 MB 1/19 –, juris, Rn. 17.
13Daraus folgt, dass Nachbarn auch in Wohngebieten regelmäßig nicht nur Geräuscheinwirkungen von Kindertageseinrichtungen (vgl. § 22a Abs. 1a BImSchG); sondern auch den mit solchen Einrichtungen verbundenen Verkehr regelmäßig hinzunehmen haben.
14Die aus der Luft gegriffenen Behauptungen der Antragstellerin zu dem zu erwartenden Verhalten der Eltern der in der Kindertagesstätte betreuten Kinder im öffentlichen Straßenverkehr führen insoweit nicht weiter. Auch die Kritik an der von dem Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Annahme, in der Kindertagesstätte würden insgesamt zehn Personen beschäftigt, ist unzutreffend, weil sich diese Zahl den genehmigten Bauvorlagen entnehmen lässt.
15Soweit die Antragstellerin schließlich auch die Lärm- und Abgasimmissionen durch die Nutzung der für das Vorhaben genehmigten acht Stellplätze entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze bis weit in den Ruhebereich ihres Grundstücks hinein beklagt, sind zwar Beeinträchtigungen für ihr Grundstück, die sich grundsätzlich nicht mit einem Vergleich mit den Immissionen von straßennah errichteten Stellplätzen und Garagen von Wohngebäuden in der Umgebung abtun lassen, nicht von der Hand zu weisen, doch kann insoweit auch nicht – wie die Antragstellerin vorträgt – von einer „stundenlangen Elternnutzung bei laufendem Motor im Minutentakt“ ausgegangen werden. Vielmehr dürften die Beeinträchtigungen durch die Nutzung der Stellplätze in der Regel, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auf die Bring- und Abholzeiten morgens und nachmittags und auf die Werktage beschränkt und der Antragstellerin daher zumutbar sein.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
17Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
18Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- 1 ME 21/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 MB 1/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 ME 214/13 1x (nicht zugeordnet)
- 10 B 56/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 ME 145/14 1x (nicht zugeordnet)