Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 1087/20
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Das beklagte Förderungswerk trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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G r ü n d e :
2Der Antrag des beklagten Förderungswerks auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch besondere Schwierigkeiten oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO.
41. Ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Das ist unter Berücksichtigung der mit der Zulassungsbegründung vorgebrachten Rügen nicht der Fall. Das beklagte Förderungswerk zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einem Abbruch der in Syrien aufgenommenen Hochschulausbildung des Klägers ausgegangen ist.
5Ein Ausbildungsabbruch liegt nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 3 Satz 2 BAföG vor, wenn der Auszubildende den Besuch von Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart endgültig aufgibt. Eine Unterbrechung bedeutet dagegen, dass der Auszubildende seine Ausbildung zeitweilig nicht mehr betreibt, das ursprüngliche Ausbildungsziel jedoch nicht aufgibt, sondern nach dem Zeitraum der Unterbrechung weiterverfolgen will. Ob ein Abbrechen oder Unterbrechen der Ausbildung anzunehmen ist, kann nur nach der Vorstellung des Auszubildenden beurteilt werden. Notwendig ist allerdings, dass dieser seine subjektive Entscheidung nach außen erkennbar macht. Der äußeren Kundgabe des Entschlusses des Auszubildenden kommt die ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Tatsache des Abbruchs oder der Unterbrechung und der Zeitpunkt ihres Eintritts sind aus einem diesem Entschluss entsprechenden Verhalten des Auszubildenden herzuleiten. Der Auszubildende muss eindeutig zu erkennen geben, ob er die Ausbildung nur unterbrechen oder aber abbrechen will. Dabei setzt ein Ausbildungsabbruch grundsätzlich voraus, dass sich der Auszubildende exmatrikuliert. In diesem Fall ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Auszubildende seine bisherige Ausbildung abgebrochen hat. Denn für die Beendigung der bisherigen Ausbildung hat förderungsrechtlich die Exmatrikulation eine maßgebende Bedeutung.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2017- 12 A 1214/17 -, juris Rn. 8, m. w. N. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
7Ausgehend davon, dass es für die Abgrenzung zwischen Abbruch und Unterbrechung mithin auf die Vorstellung des Auszubildenden ankommt, die er bei Ausführung seines Entschlusses, die Ausbildung nicht fortzuführen, gehabt und nach außen erkennbar gemacht hat, kann das „nachfolgende tatsächliche Verhalten des Auszubildenden“, auf das die Zulassungsbegründung abstellt, allenfalls dann von Bedeutung sein, wenn sich aus ihm belastbare Rückschlüsse auf die maßgebliche frühere Vorstellung des Auszubildenden ziehen lassen. Das beklagte Förderungswerk trägt indes nichts Stichhaltiges für die Annahme vor, der Kläger habe, als er sich von der Universität in M. exmatrikulierte, bereits vorgehabt, seine Hochschulausbildung - wenn auch im Ausland und gegebenenfalls in einem anderen Studiengang - fortzusetzen. Der Vortrag des Förderungswerks, „eine große Anzahl von Flüchtlingen, die im Heimatland ein Studium durchführten“, strebten „in dem Aufnahmeland wiederum eine Hochschulausbildung an“ und hätten „damit den Besuch der Ausbildungsstättenart Hochschule gerade nicht endgültig mit Beginn der Flucht aufgegeben“, sagt nichts über die individuellen Beweggründe des Klägers aus. Angesichts der Vorbildung des Klägers liegt lediglich nahe, dass er die Absicht hatte, nach seiner Flucht - sobald ihm das wieder möglich sein würde - eine Berufsausbildung aufzunehmen und abzuschließen. Dass es sich hierbei wieder um eine universitäre Ausbildung handeln sollte, ist allerdings nicht mehr als eine Vermutung des beklagten Förderungswerks. „Starke Indizien“, die es dafür sieht, erschließen sich aus seiner Zulassungsbegründung nicht. Zum Mitführen von Zeugnissen hat das beschließende Gericht bereits im vorangegangenen Eilbeschwerdeverfahren ausgeführt, dass solches bei Flüchtlingen, die in einem Schutz gewährenden Staat Fuß fassen wollen, nicht ungewöhnlich ist, ohne dass hieraus auf die Absicht geschlossen werden kann, eine bestimmte Ausbildung fortzuführen oder aufzunehmen (Beschluss vom 12. November 2020 - 12 B 896/20 -). Die Einlassungen des Klägers in seinem Schreiben vom 13. November 2018 deuten zwar darauf hin, dass er im Zeitpunkt der Exmatrikulation entschlossen war, das Studium der Elektrotechnik endgültig aufzugeben, geben aber nichts dafür her, dass er schon damals die Aufnahme eines anderen Studiums plante.
8Hiernach liegen auch die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO nicht vor. Insbesondere fehlt es in Anbetracht der Maßgeblichkeit der Vorstellung des jeweiligen Studierenden an einer Grundsatzbedeutung der vom beklagten Förderungswerk aufgeworfenen Frage, „wie die Exmatrikulation von der Universität im Heimatland in Verbindung mit der nachfolgenden Flucht nach Deutschland, unverzüglichem Spracherwerb sowie Aufnahme eines Studiums in einer anderen Fachrichtung als im Heimatland BAföG-rechtlich zu bewerten ist“.
9Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
10Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
11Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 124 2x
- § 7 Abs. 3 Satz 2 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 1214/17 1x (nicht zugeordnet)
- 12 B 896/20 1x (nicht zugeordnet)