Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 B 1566/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bezogen auf die Untersagung des Inverkehrbringens der von ihr vertriebenen CBD-Öle „für Katzen und kleine Hunde 2,5 %“, „für große Hunde 5 %“ sowie „für Pferde 10 %“ ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 16 K 5005/20 (VG Düsseldorf) gegen die ‑ für sofort vollziehbar erklärte ‑ Untersagungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheides vom 22. Juli 2020 wiederherzustellen,
5im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtmäßig. Sie genüge dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn nach summarischer Prüfung sei die Untersagungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheides vom 22. Juli 2020 voraussichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage für diese Verfügung sei Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b, Abs. 2 Satz 1 (insb. lit. d) VO (EU) 2017/625 i. V. m. § 39 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Nr. 3 LFGB. Die Antragstellerin verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1831/2003 (im Folgenden: FuttermittelzusatzstoffVO), weil sie mit den streitgegenständlichen CBD-Ölen für Tiere einen Futtermittelzusatzstoff ohne eine entsprechende Zulassung nach der Futtermittelzusatzstoffverordnung in Verkehr bringe. Das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung überwiege ‑ trotz mangelnder Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren ‑ auch nicht aus sonstigen Gründen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Dabei sei nicht entscheidend, ob es konkrete Hinweise dafür gebe, dass die Produkte der Antragstellerin in spezifischer Zusammensetzung und Dosierung gesundheitsschädlich sein könnten. Maßgeblich sei vielmehr, dass ein Suspensiveffekt die Antragstellerin berechtigen würde, einen Futtermittelzusatzstoff unter Unterlaufen des vorgesehenen Zulassungsverfahrens in den Verkehr zu bringen.
6Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht durchgreifend in Frage gestellt.
71. Zunächst hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner im Bescheid des M. vom 22. Juli 2020 dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Die hierauf bezogenen, unter 1. der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände der Antragstellerin gehen an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbei. Weder zum Begründungserfordernis im Allgemeinen noch zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Einzelfall hat das Verwaltungsgericht Ausführungen gemacht, wie sie die Antragstellerin auf Seite 2 der Beschwerdebegründung im Konjunktiv wiedergibt; derartige (angebliche) Annahmen des Verwaltungsgerichts lassen sich der Entscheidung auch nicht sinngemäß entnehmen. Insbesondere haben weder das Verwaltungsgericht noch der Antragsgegner darauf „verwiesen, dass Produkte, die den regulatorischen Vorgaben des Futtermittelrechts nicht entsprechen, als nicht sicher gelten müssen“. Zur Frage der Sicherheit der streitgegenständlichen CBD-Öle für Tiere hat sich das Verwaltungsgericht im Übrigen in der gesamten Entscheidung nicht verhalten. Unzutreffend ist auch der Einwand, dass „lediglich“ darauf verwiesen werde, dass beim Abwarten bis zum Abschluss des Klageverfahrens weiterhin nicht zugelassene Futtermittelzusatzstoffe in den Verkehr gebracht würden. Dieser Aspekt (des Schutzes des Verbrauchers vor nicht zugelassenen Futtermittelzusatzstoffen) war nur eine Erwägung des Antragsgegners für die Anordnung des Sofortvollzugs. Daneben hat er auf mögliche Risiken für die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere beim Inverkehrbringen von Futtermittelzusatzstoffen ohne Zulassungsverfahren verwiesen sowie darauf, dass die Anordnung des Sofortvollzugs unabdingbar sei, um bei anderen Futtermittelunternehmen nicht den Anschein zu erwecken, dass die Verwendung von CBD-Extrakt als Futtermittel oder in Futtermitteln rechtmäßig sei. Zu der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass diese, auch auf den Einzelfall der Antragstellerin abstellenden Erwägungen dem rein formalen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügen, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
82. Ohne Erfolg bleiben auch die Einwände der Antragstellerin gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung.
9a) Die Antragstellerin meint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich die Untersagungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheides des M. vom 22. Juli 2020 bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweise. Sie macht in diesem Zusammenhang ‑ der Sache nach ‑ geltend, sie verstoße entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegen Art. 3 Abs. 1 FuttermittelzusatzstoffVO. Mit dem diesbezüglichen Vorbringen stellt die Antragstellerin allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage, dass sie mit den streitgegenständlichen CBD-Ölen für Tiere einen Futtermittelzusatzstoff ohne die erforderliche Zulassung in Verkehr bringt.
10Der Einwand der Antragstellerin, bei den streitgegenständlichen CBD-Ölen handele es sich nicht um Futtermittelzusatzstoffe, weil nicht nachgewiesen sei, dass sie eine oder mehrere der in Art. 5 Abs. 3 FuttermittelzusatzstoffVO genannten Funktionen erfüllten, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf diesen Einwand der Antragstellerin zutreffend darauf hingewiesen (vgl. Beschlussabdruck S. 6), dass es nach der maßgeblichen Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) FuttermittelzusatzstoffVO nicht darauf ankommt, ob der in Rede stehende Stoff ‑ hier das CBD-Öl bzw. der verwendete Hanf-Extrakt ‑ eine oder mehrere der in Art. 5 Abs. 3 FuttermittelzusatzstoffVO genannten Funktionen nachgewiesenermaßen erfüllt. Erforderlich ‑ aber auch ausreichend ‑ für die rechtliche Einordnung als Futtermittelzusatzstoff ist vielmehr, dass der betreffende Stoff bewusst Futtermitteln oder Wasser zugesetzt wird, „um insbesondere (…)“ eine entsprechende Funktion „zu erfüllen“. Eine nachgewiesene Funktion im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FuttermittelzusatzstoffVO ist danach nicht Begriffsmerkmal eines Futtermittelzusatzstoffs. Sie ist nur bzw. erst Bedingung für seine Zulassung (vgl. Art. 5 Abs. 1 FuttermittelzusatzstoffVO). Um „Zulassungsfragen“ geht es aber, anders als die Antragstellerin möglicherweise meint, vorliegend nicht. Entgegen der Beschwerdebegründung hat das Verwaltungsgericht dementsprechend auch nicht die Auffassung vertreten, dass die streitgegenständlichen CBD-Öle eine oder mehrere der in Art. 5 Abs. 3 FuttermittelzusatzstoffVO genannten Funktionen erfüllen. Es hat vielmehr nur angenommen, dass die Antragstellerin mit den CBD-Ölen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) FuttermittelzusatzstoffVO bezweckt, eine dieser Funktionen, namentlich diejenige unter Buchst. f (positive Beeinflussung des Wohlbefindens der Tiere), zu erfüllen. Es hat ausdrücklich ausgeführt, dass unerheblich sei, ob eine Steigerung des Wohlbefindens auch tatsächlich eintrete. Dass die Antragstellerin mit den CBD-Ölen bezweckt, das Wohlbefinden der Tiere positiv zu beeinflussen, stellt die Beschwerdebegründung nicht in Frage. Angesichts der über den Onlineshop der Antragstellerin nach wie vor im Internet abrufbaren und bereits vom Verwaltungsgericht gewürdigten Beschreibungen der Antragstellerin zum Einsatz und zur Wirkungsweise der von ihr vertriebenen CBD-Öle bei Tieren bestehen hieran auch keine Zweifel.
11Der Hinweis der Antragstellerin auf die „Empfehlungen des Ständigen Ausschusses der Europäischen Kommission für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel“ führt nicht weiter. Es ist schon unklar, ob die Antragstellerin damit die Empfehlung der Kommission vom 14. Januar 2011 zur Festlegung von Leitlinien für die Unterscheidung zwischen Einzelfuttermitteln, Futtermittelzusatzstoffen, Biozid-Produkten und Tierarzneimitteln (2011/25/EU) ansprechen will oder aber eine Empfehlung des Ständigen Ausschusses der Europäischen Kommission für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCPAFF), möglicherweise die vom Verwaltungsgericht erwähnte Empfehlung unter Punkt A.03.3., dritter Aufzählungspunkt, im zusammenfassenden Bericht über die in Brüssel vom 11. bis 13. September 2017 abgehaltene Sitzung des SCPAFF. Jedenfalls legt die Antragstellerin nicht dar, dass sich aus Empfehlungen der Kommission oder des SCPAFF ergeben würde, nur Stoffe mit nachgewiesener Funktion im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FuttermittelzusatzstoffVO fielen unter den Begriff der Futtermittelzusatzstoffe nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) FuttermittelzusatzstoffVO. Hierfür ist unter Berücksichtigung sowohl der Empfehlung 2011/25/EU als auch der Empfehlung des SCPAFF aus September 2017, wonach CBD-Öl eher als Futtermittelzusatzstoff denn als Einzelfuttermittel angesehen werden sollte, auch nichts ersichtlich. Dass es sich jeweils (nur) um unverbindliche Leitlinien bzw. Empfehlungen handelt, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich berücksichtigt (Beschlussabdruck S. 5 unten und Seite 7 Mitte). Es hat die Empfehlungen nur als ergänzende Argumentation für seine Rechtsauffassung herangezogen, dass es sich bei den streitgegenständlichen CBD-Ölen um Futtermittelzusatzstoffe (und nicht um Einzelfuttermittel) handelt.
12b) Die Einwände der Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass auch aus sonstigen Gründen ‑ trotz fehlender Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs ‑ das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung überwiege, rechtfertigen ebenfalls keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
13Aus den beiden von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg (Beschlüsse vom 26. März 2019 ‑ 9 S 1668/18 ‑ und vom 17. September 2020 ‑ 9 S 2343/20 ‑) lässt sich insoweit nichts herleiten. Die Entscheidungen betreffen schon andere Sachverhalte und verhalten sich inhaltlich zu hier nicht entscheidungserheblichen Fragen (aus dem Arzneimittel- bzw. Lebensmittelrecht). Zudem hat das Gericht in den genannten Verfahren den Ausgang des Hauptsacheverfahrens jeweils als offen angesehen und deshalb eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs unabhängige Interessenabwägung vorgenommen. Von einer solchen Situation ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen. Es hat vielmehr angenommen, dass die Klage gegen die Untersagungsverfügung wegen deren Rechtmäßigkeit voraussichtlich ohne Erfolg bleiben werde und bereits deshalb die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausgehe.
14Ausgehend von der mit der Beschwerde nach den oben gemachten Ausführungen nicht erfolgreich angegriffenen Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen CBD-Öle nach Art. 3 Abs. 1 FuttermittelzusatzstoffVO unzulässig ist, hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Antragstellerin weiter zu Recht angenommen, dass es auf die Frage, ob die von der Antragstellerin vertriebenen CBD-Öle „sicher“ bzw. „nicht gesundheitsschädlich“ sind, nicht ankommt. Das Verbot des Inverkehrbringens eines Futtermittelzusatzstoffes wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 FuttermittelzusatzstoffVO erfolgt nicht etwa deshalb, weil der betreffende Futtermittelzusatzstoff nicht sicher wäre oder schädliche Auswirkungen hätte, sondern weil es an der erforderlichen Zulassung des Futtermittelzusatzstoffs fehlt. Ob der Zusatzstoff schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Tier und Mensch oder auf die Umwelt hat, wird (u. a.) vielmehr erst im Zulassungsverfahren selbst geprüft (vgl. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) FuttermittelzusatzstoffVO). Nur ergänzend weist der Senat mit Blick auf die Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift zur angeblichen „Sicherheit“ von CBD-Ölen darauf hin, dass ein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 bzw. Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009 vorliegend nicht in Rede steht. Auf diese Vorschriften hat sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Untersagungsverfügung nicht gestützt; auch das Verwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen diese Vorschriften nicht angenommen.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
16Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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