Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 B 1120/20
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
3Die gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts fristgerecht vorgebrachten Gründe, auf deren Überprüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, diesen zu ändern und den sinngemäß gestellten, in erster Instanz erfolgreichen Antrag des Antragstellers abzulehnen,
4die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 6. März 2020 gegen die Versetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19. Februar 2020 anzuordnen.
5Die insoweit gebotene, auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt nämlich auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Es ist dem Antragsteller im Ergebnis nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten und die angefochtene Versetzungsverfügung (vorläufig) gegen sich gelten zu lassen.
6Das Verwaltungsgericht hat seine stattgebende Entscheidung im Kern wie folgt begründet: Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, weil sich die angefochtene, auf der Grundlage der §§ 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG, 28 Abs. 2 BBG ergangene Versetzungsverfügung in einem Hauptsacheverfahren mit hinreichender Sicherheit als rechtswidrig erweisen werde. Die Antragsgegnerin habe, wie eine summarische Überprüfung ergebe, das ihr insoweit eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie habe den zu erwartenden Auswirkungen der Versetzung auf die Gesundheit des Antragstellers nicht hinreichend Rechnung getragen. Die der von der Antragsgegnerin veranlasste arbeitsmedizinische Untersuchung des Antragstellers habe ergeben, dass dieser in seiner Mobilität eingeschränkt sei. Der "Ärztlichen Bescheinigung" der Betriebsärztin Dr. C. vom 13. Mai 2019 sowie deren unter dem gleichen Datum erstellter "Ärztlicher Zusatzbescheinigung für Beamtin/Beamten" sei zunächst zu entnehmen, dass die zumutbare Fahrzeit bei Fahrten mit dem Pkw oder öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen dem Wohnort und der Dienststelle auf eine Stunde inklusive Umsteige- und Wartezeiten zu begrenzen sei. Demnach scheide ein tägliches Pendeln des Antragstellers zwischen seinem Wohnort C1. und dem neuen Dienstort C2. wegen Überschreitung dieser zeitlichen Grenze (unstreitig) aus. Die Betriebsärztin habe ferner die Möglichkeit eines wöchentlichen Pendelns mit Übernachtungsmöglichkeit am Dienstort und einen Umzug ausgeschlossen, Letzteres wegen der Gefahr einer psychischen Destabilisierung. Diese Situation habe die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft dahingehend gewürdigt, der Antragsteller könne dem anstehenden Wechsel des Dienstortes zumutbar durch einen Umzug Rechnung tragen. Einer solchen Annahme stehe nämlich der eindeutige Wortlaut der von ihr selbst veranlassten betriebsärztlichen Stellungnahme entgegen, an der sie sich hier festhalten lassen müsse. Soweit sie Mängel der Begutachtung rüge, sei sie darauf zu verweisen, dass ihr die Möglichkeit weiterer Aufklärung offen gestanden habe und weiterhin offen stehe. Ihr Einwand, der Antragsteller habe die "Ärztliche Zusatzbescheinigung" erst im Eilverfahren und nicht schon im Verwaltungsverfahren vorgelegt und dieses damit verzögert, sei für die Aussetzungsentscheidung unerheblich. Diese habe sich nämlich vorrangig an den Aussichten des Antragstellers, in einem Hauptsacheverfahren zu obsiegen, zu orientieren. Im hier mangels Widerspruchsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung spreche aber angesichts der klaren ärztlichen Aussage zur Unzumutbarkeit eines Umzugs Überwiegendes für einen Erfolg des Antragstellers in einem Hauptsacheverfahren.
71. Gegen diese Erwägungen wendet die Antragsgegnerin der Sache nach (wenig geordnet) zunächst ein: Das "stellenweise unleserliche" Gutachten der Betriebsärztin zeige entgegen der fehlerhaften Bewertung des Verwaltungsgerichts keine der Versetzung entgegenstehenden medizinischen Gründe auf und erlaube nicht einmal die Annahme einer unklaren, noch weitere Aufklärung gebietenden Lage. Zunächst sei es ungeeignet, die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zu stützen, ein Umzug sei allein aus psychischen Gründen ausgeschlossen. Das Gutachten lasse nämlich nicht die für die Meinungsbildung des Arztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen, da es als Diagnose "allein körperliche Einschränkungen" benenne "und allein in einem Seitenaspekt (…) eine geringe psychologische Einschränkung" anführe. Die von der Betriebsärztin angeführten Gründe, "die Versorgung vor Ort und Erhalt des sozialen Umfeldes + die Gefahr einer Destabilisierung bei einem Umzug", seien unschlüssig und medizinisch nicht tragfähig. Die Versorgung vor Ort sei in der Rechtsprechung nicht als schützenswerte Position anerkannt. Ein Umzug sei auch nicht generell mit dem Verlust des sozialen Umfelds verbunden und habe ferner (im Falle seiner Unfreiwilligkeit) stets Auswirkungen auf die Gesundheit, weshalb es hier einer Abgrenzung von dem "hinnehmbaren allgemeinen Lebensrisiko" bedurft hätte. Das Gutachten unterscheide nicht zwischen einer Korrelation oder Koinzidenz auf der einen und einer Kausalität der Umstände und des Umzugs auf der anderen Seite für die angenommene Gefahr der Destabilisierung. Eine medizinische Kontraindikation ergebe sich aus der Stellungnahme "daher logischerweise nicht". Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass alle Einschränkungen, die es– fehlerhaft – aus dem Gutachten abgeleitet habe, durch ein "wöchentliches Pendeln" vermieden werden könnten. Die gegenteilige Feststellung der Betriebsärztin stehe dem nicht entgegen, weil sie nicht mit einer Begründung versehen sei. Die Betriebsärztin habe vielmehr sogar Geschäftsreisen, Tagesreisen, mehrtägige Reisen und auswärtige Übernachtungen für medizinisch möglich gehalten. Insbesondere führe ein Pendeln auch nicht zu einer nennenswerten Entfernung aus dem bisherigen sozialen Umfeld, weil der Großteil des sozialen Lebens in der Regel am arbeitsfreien Wochenende erfolge.
8Dieses Vorbringen greift insgesamt nicht durch.
9Fehlerhaft ist bereits sein Ansatz, die Betriebsärztin habe in ihrer – hier übrigens durchweg lesbaren – "Ärztlichen Zusatzbescheinigung für Beamtin/Beamten" vom 13. Mai 2019 eine psychische Einschränkung des Klägers nur als "Seitenaspekt" erwähnt. Die auf einer eigenen Untersuchung und auf der Heranziehung von fachärztlichen Fremdbefunden beruhende Feststellung der relevanten Diagnosen und Erkrankungen lautet:
10"Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, OSG-Arthrose bds., Z. n. OSG-Fraktur re. mit Teilversteifung, Gonarthrose re., chronisch-rezidiv. Cervikalsyndrom bei degener. Veränderungen, Spondylose der HWS, chronisch-rezidiv. Lumbalsyndrom bei degener. Veränderungen".
11Bei der festgestellten psychischen Erkrankung handelt es sich um eine solche von erheblichem Gewicht. Die "Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren" zählt nach der Klassifizierung in ICD-10-GM Version 2021 zu den Somatoformen Störungen (F45.-) und dabei zu den Anhaltenden Schmerzstörungen (F45.4-) und wird unter F45.41 geführt. Nach den dortigen Erläuterungen gilt für das Krankheitsbild insoweit Folgendes:
12"Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen seit mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht (wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation)."
13Vor dem Hintergrund der in Rede stehenden Diagnose und der weiteren Feststellung der Betriebsärztin zur Schwere der Erkrankungen, nach der sich die Psyche abhängig von der Belastungssituation zwischen leicht und schwer beeinträchtigt zeigt, ist die Schlussfolgerung nachvollziehbar, ein Umzug könne dem Antragsteller gesundheitlich, und zwar aus rein psychischen Gründen, nicht zugemutet werden. Ist nämlich davon auszugehen, dass der Antragsteller bei Belastungen, die er als erhebliche Beeinträchtigung erlebt, psychisch schwer beeinträchtigt wird, erschließt sich ohne Weiteres, dass ein Umzug, der die bisherige Einbettung in bestimmte Lebensumstände (insbesondere: soziales Umfeld, fachärztliche Betreuung durch Dr. C3. in C1. ) nachhaltig beeinträchtigt, die von der Betriebsärztin hervorgehobene Gefahr einer psychischen Destabilisierung mit sich bringt.
14Die insoweit erhobenen Einwände der Antragsgegnerin greifen ersichtlich nicht durch. Zwar stellt eine gegebene "Versorgung vor Ort" grundsätzlich keine Rechtsposition dar, die ein Bundesbeamter einer einen Umzug erfordernden Versetzung mit Erfolg entgegensetzen kann, und muss ein Bundesbeamter grundsätzlich auch hinnehmen, dass mit einer solchen Versetzung auch ein (abhängig von den Lebensumständen teilweiser oder vollständiger) Verlust des bisherigen sozialen Umfelds verbunden ist. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn diese regelmäßigen Folgen eines Umzugs aufgrund einer bestehenden psychischen Erkrankung mit einer erheblichen Gefahr für die psychische Gesundheit des Beamten einhergehen, wie dies hier nach Einschätzung der Betriebsärztin der Fall ist. Nicht gefolgt werden kann auch dem weiteren Vortrag der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das Gutachten nicht zwischen einer Kausalität eines Umzugs für die Gefahr einer psychischen Destabilisierung und einer bloßen Korrelation oder Koinzidenz dieser Umstände abgrenze bzw. aus einer bloßen Korrelation oder Koinzidenz fehlerhaft auf eine Kausalität schließe ("cum hoc ergo propter hoc"). Angesichts der attestierten psychischen Erkrankung des Antragstellers und seiner daraus resultierenden psychischen Vulnerabilität liegt es nämlich auf der Hand, dass die Betriebsärztin die Belastung durch einen Umzug als Ursache der befürchteten psychischen Destabilisierung angesehen hat.
15Nicht zum Erfolg führt ferner der Einwand der Antragsgegnerin, alle Einschränkungen, die das Verwaltungsgericht dem Gutachten fehlerhaft entnommen habe, könnten entgegen der nicht begründeten Einschätzung der Betriebsärztin durch ein "wöchentliches Pendeln" vermieden werden, zumal die Betriebsärztin sogar Geschäftsreisen etc. für gesundheitlich zumutbar gehalten habe und ein Großteil des sozialen Lebens bei "wöchentlichem Pendeln" erhalten bleibe. Wie dem Gutachten unschwer zu entnehmen ist, hält die Betriebsärztin Geschäftsreisen in Form von Tagesreisen oder mehrtägigen Reisen mit auswärtiger Übernachtung nur unter der Bedingung für möglich, dass eine solche Reise maximal einmal pro Monat stattfindet. Diese Einschränkung verdeutlicht, dass dem Antragsteller ein häufigeres Hin- und Herreisen pro Monat wegen der damit vor allem verbundenen höheren physischen Belastungen (vgl. die "Ärztlichen Zusatzbescheinigung für Beamtin/Beamten", Punkt 3.: "Arbeitsweg und Mobilität: orthop. + psychisch ableitbar, vorwiegend orthop.") nicht zugemutet werden kann. Dann aber liegt es auf der Hand, dass die hauptsächlich wegen der orthopädischen Erkrankungen bestehenden gesundheitlichen Gründe auch einem "wöchentlichen Pendeln" entgegenstehen und dass dem zeitweiligen Verlust des sozialen Umfelds während der Arbeitswoche insoweit (anders als bei einem Umzug) nach der nachvollziehbaren gutachterlichen Einschätzung keine maßgebliche Bedeutung zukommt.
162. Ferner macht die Antragsgegnerin noch geltend, dass die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts selbst dann fehlerhaft sei, wenn man davon ausgehen könnte, dass die gesundheitliche Zumutbarkeit der Versetzung noch weiter aufzuklären wäre oder der Versetzung sogar gesundheitliche Gründe entgegenstünden. Das Verwaltungsgericht hätte nämlich zu Lasten des Antragstellers bewerten müssen, dass dieser die "Ärztliche Zusatzbescheinigung" rechtsmissbräuchlich und pflichtvergessen erst im gerichtlichen Eilverfahren vorgelegt habe. Wenn ein solches "destruktives Verhalten" zugelassen würde, würde dies für einen arbeitsunwilligen Beamten fortan das Mittel der Wahl darstellen, um eine Tätigkeit selbst bei nur leicht unklarer medizinischer Gutachtenlage möglichst lange abzuwenden. Zudem würde die Ermessensausübung des Dienstherrn abgeschnitten und im Ergebnis auf die Gerichte übertragen. Hier hätten die erst nach Vorlage der "Ärztlichen Zusatzbescheinigung" möglich gewordenen notwendigen Nachfragen bei der Betriebsärztin sogar nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist beantwortet werden können.
17Auch dieses Beschwerdevorbringen greift nicht durch. Für die Erwägung der Antragsgegnerin, die verspätete Vorlage der "Ärztlichen Zusatzbescheinigung" durch den Antragsteller müsse aus den von ihr angeführten Gründen durch eine (allgemeine) Interessenabwägung zulasten des Antragstellers gleichsam sanktioniert werden, ist vorliegend schon grundsätzlich kein Raum. Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung wird sich die in Rede stehende Versetzungsverfügung in Ansehung des Vorstehenden nach dem derzeitigen Erkenntnisstand, der gerade auch von der "Ärztlichen Zusatzbescheinigung" geprägt wird, in einem Hauptsacheverfahren eindeutig als ermessensfehlerhaft und damit als rechtswidrig erweisen. Bei einem solchen Stand des Verfahrens hat die von § 80 Abs. 5 Satz 1 Fall 1 VwGO verlangte Interessenabwägung auch in einem – hier nach §§ 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG, 126 Abs. 4 BBG gegebenen – Fall der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Gesetz (unter entsprechender Anwendung des Maßstabs nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO) grundsätzlich immer zugunsten des Suspensivinteresses auszufallen, weil an dem Vollzug eindeutig rechtswidriger Verwaltungsakte schon aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit kein öffentliches Interesse bestehen kann.
18Vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 146 ff., insb. Rn. 146 und 148, Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 80 Rn. 384, und 386, und Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 967, jeweils m. w. N.
19Unabhängig davon hat die Antragsgegnerin auch bereits nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie nicht in der Lage gewesen sein soll, sich die Zusatzbescheinigung durch Anforderung derselben bei der von ihr selbst beauftragten Betriebsärztin zu verschaffen. Sollte dies tatsächlich (rechtlich) unmöglich gewesen sein, hatte sie angesichts der (kaum erklärlichen) "Verweigerungshaltung" des Antragstellers, wie sie selbst in ihrem an den Antragsteller gerichteten Anforderungsschreiben vom 7. Juni 2019 ausführt, die Möglichkeit, die Bewertung der persönlichen Belange des Antragstellers nur auf der Grundlage der ihr vorliegenden Erkenntnisse bzw. Unterlagen zu treffen. Sie hätte daher die ihr vorliegende, nur das Ergebnis der betriebsärztlichen Untersuchung, aber keine Gründe festhaltende "Ärztliche Bescheinigung" vom 13. Mai 2019 als nicht nachvollziehbar bewerten und ohne langes Zuwarten die– kraft Gesetzes sofort vollziehbare und daher unverzüglich zu befolgende – Versetzung verfügen können. Es war dann Sache des Antragstellers, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellen und diesem im eigenen Interesse die "Ärztliche Zusatzbescheinigung" beizufügen; dies ist hier schließlich (am 18. Mai 2020) auch so geschehen. In dieser Situation hätte es der Antragsgegnerin mangels erfolgter Widerspruchsentscheidung freigestanden, ihr – keineswegs "abgeschnittenes" – Ermessen im Lichte der Zusatzbescheinigung zu betätigen und die Versetzungsverfügung ggf. aufzuheben. Im Falle einer solchermaßen herbeigeführten Erledigung hätte das Gericht im Rahmen der nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung den Umstand berücksichtigen können, dass die Erledigung auf eine mangelhafte Mitwirkung des Antragsstellers vor Erlass der Versetzungsverfügung zurückzuführen war. Es war der Antragsgegnerin bei sorgfältiger Prozessführung auch nicht unmöglich, vor einer erneuten Ermessensentscheidung zunächst Nachfragen an die Betriebsärztin zu richten und deren Ergebnis in das Verfahren einzubringen. Sie hätte solche Nachfragen nämlich schon nach Erhalt der Antragsschrift nebst Anlagen, zu denen auch die Zusatzbescheinigung gezählt hat, am 18. Mai 2020 (bzw. nach Anforderung und Zugang eines leserlichen Exemplars dieser Bescheinigung) formulieren können. Zugleich hätte sie das Gericht bitten können, zunächst den von ihr beabsichtigten ergänzenden Vortrag abzuwarten, statt lediglich eine Stellungnahme wie die vom 9. Juni 2020 abzugeben, die sich neben einer– rudimentären – Auseinandersetzung mit der Zusatzbescheinigung darauf beschränkt hat, schon wegen der verspäteten Vorlage der Zusatzbescheinigung eine Interessenabwägung zulasten des Antragstellers zu verlangen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.
21Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.