Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 B 302/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch den Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Senat prüft nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe. Diese rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht den Aussetzungsantrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ordnungsverfügung des U. -I. -Gymnasiums F. vom 19. November 2020 betreffend seine Entlassung von der Schule nach § 53 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchulG NRW abgelehnt hat.
4Die seitens des Antragstellers gegen die tatsächlichen und rechtlichen Bewertungen des der Entlassungsentscheidung zugrunde liegenden Geschehensablaufs durch das Verwaltungsgericht vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Soweit er geltend macht, der fragliche Vorfall vom 3. November 2020, der Gegenstand der Teilkonferenz vom 11. November 2020 war, hätte sich auch anders als vom Verwaltungsgericht festgestellt zutragen können und insoweit auf eine Stellungnahme seiner Eltern gegenüber der Bezirksregierung vom 12. November 2020 verweist, stellt dies die konkreten Tatsachenbewertungen des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses nicht durchgreifend in Frage. Diese Stellungnahme vom 12. November 2020 hat bereits das Verwaltungsgericht in seine Würdigung miteinbezogen und den Sachverhalt – auch ausgehend hiervon – in einer für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich hinreichenden summarischen Prüfung,
5BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 23. Mai 2019 - 1 BvR 1724/18 -, NVwZ 2019, 1506, juris, Rn. 22, und vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 -, NVwZ 2017, 149, juris, Rn. 20; BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2018 - 1 VR 11.17 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 74, juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 19 B 1562/19 -, NVwZ-RR 2020, 537, juris, Rn. 6 f.,
6mit der erforderlichen Gewissheit unter Bezugnahme auf dokumentierte Zeugenaussagen von den Vorfall beobachtenden Schülern gegenüber Lehrkräften sowie Befragungen der beteiligten Schüler einschließlich des Antragstellers selbst bewertend festgestellt.
7Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die auf diese Tatsachenbewertung gestützte Einschätzung des Verwaltungsgerichts, er habe im Zuge des fraglichen Vorfalls Anfang November 2020 demonstriert, dass er nicht in der Lage sei, die von anderen gesetzten Grenzen einzuhalten, sondern diese vielmehr in respektloser Weise durch zum Teil körperlich hartes und unkontrolliertes Gebaren überschreite, auch nicht „überzogen“, sondern eine sachlich nachvollziehbare und unter Berücksichtigung des konkreten Schülerverhaltens getroffene Würdigung im Einzelfall. Von daher geht auch der Vorwurf des Antragstellers, ein solcher Sachverhalt werde gleichsam zum „Regelfall“ künftiger auf § 53 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchulG NRW gestützter Schulentlassungen führen, ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat gerade keinen „Automatismus“ zwischen eskalierten Spielesituationen und darauf gestützten Ordnungsmaßnahmen postuliert, sondern in einer einzelfallbezogenen Gesamtwürdigung die hier konkret festgestellten Grenzüberschreitungen des Schülers in den Blick genommen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat der Antragsteller den Wunsch des Mitschülers, das Fangspiel zu beenden, ignoriert, ihn verbal bedroht und daran gehindert, in den Unterricht zurückzugehen, und ihn schließlich körperlich angegriffen und ihm erhebliche Schmerzen zugefügt. Dies ist kein „alltägliches Geschehnis“, wie der Antragsteller geltend macht, sondern vom Verwaltungsgericht zutreffend bewertet worden.
8In diesem Zusammenhang ist auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Entlassung von der Schule sei gemäß § 53 Abs. 1 Satz 3 SchulG NRW verhältnismäßig und auch im Übrigen unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, frei von Rechtsfehlern. Der Antragsteller beruft sich insoweit vor allem auf die „Alltäglichkeit des Geschehnisses“ vom 3. November 2020. Er lässt dabei außer Betracht, dass das Verwaltungsgericht nicht isoliert auf die Schwere des Fehlverhaltens an diesem Tag, sondern auf die Häufigkeit und die Wiederholung grenzüberschreitenden Verhaltens des Antragstellers abgehoben hat. Die seitens des Antragstellers bezogen auf die früheren Vorfälle und deren Kulminierung in eigenständigen Ordnungsmaßnahmen erhobenen Vorwürfe, man habe seitens der Schule nur auf den „‚letzten Tropfen‘, der das Fass zum Überlaufen bringt, gewartet“, finden in den Verwaltungsvorgängen keine Grundlage und sind mangels dafür sprechender tatsächlicher Anhaltspunkte spekulativ erhoben.
9Schließlich vermag auch der Einwand des Antragstellers, der hier geahndete Vorfall sei gerade auch im Vergleich zu anderen vom beschließenden Senat entschiedenen Fällen von Schulentlassungen von „vergleichsweise harmloser Natur“, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Den in der Beschwerdebegründung genannten Verfahren lagen zwar tatsächlich im Vergleich zum vorliegenden Fall „gewalttätigere“ Geschehnisse zugrunde, jedoch lässt die Beschwerde außer Betracht, dass dort jeweils die Entlassung von der Schule ohne vorherige Androhung verfügt wurde. Eine Entlassung von der Schule ohne vorherige Androhung ist nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats aber nur in begründeten Ausnahmefällen verhältnismäßig, nämlich wenn zu dem in § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW vorausgesetzten schweren oder wiederholten Fehlverhalten weitere erschwerende Umstände wie insbesondere gewalttätiges Handeln oder schweres kriminelles Tun hinzu kommen.
10OVG NRW, Beschlüsse vom 22. September 2020 - 19 E 477/20 -, juris, Rn. 16, vom 27. März 2020 - 19 B 264/20 -, juris, Rn. 6 und vom 6. Juni 2006 - 19 B 742/06 -, NWVBl. 2006, 429, juris, Rn. 8.
11Ein solcher Fall liegt nach den insoweit nicht mit der Beschwerde angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vor. Aufgrund seines wiederholten Fehlverhaltens hatte die Schule dem Antragsteller bereits im Juni 2020 einen schriftlichen Verweis erteilt und im September 2020 die Entlassung von der Schule angedroht (S. 6 des Beschlusses).
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
13Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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Referenzen
- § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1724/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1335/13 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 1562/19 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 477/20 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 264/20 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 742/06 1x (nicht zugeordnet)