Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 B 1390/20
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 13.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.
3Das fristgerecht vorgelegte Beschwerdevorbringen rechtfertigt es nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO, die angefochtene Entscheidung zu ändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen,
4der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, im Rahmen der Wiederholung der Beförderungsrunde 2016 nach Besoldungsgruppe A 9_vz die Beigeladenen auf der Beförderungsliste „Beteiligung intern_TSI_T“ zu befördern, solange nicht über die Beförderung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
5Zur Begründung der stattgebenden Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller könne geltend machen, durch die Auswahlentscheidung in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt zu sein. Die der Entscheidung zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 3. Juli 2020 erweise sich unter Berücksichtigung des derzeitigen Sach- und Streitstandes als fehlerhaft. Auch in dieser Beurteilung seien sowohl die Bewertung der Einzelkriterien als auch das Gesamturteil unzureichend begründet. Die Begründung betreffend die Einzelkriterien lasse nicht erkennen, wie die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben durch den Antragsteller berücksichtigt worden sei. Den Ausführungen lasse sich nicht entnehmen, ob bzw. in welchem Umfang die Bewertung als „Sehr gut“ auf die Ausübung der höherwertigen Tätigkeit zurückzuführen sei. Aus dem bloßen Umstand, dass der Antragsteller keine schlechtere Note erhalten habe, könne jedenfalls nicht ohne weiteres geschlossen werden, er habe die Note „Sehr gut“ (auch) aus Anlass seines höherwertigen Einsatzes erhalten. Hierzu hätte der Beurteiler abstrakt darlegen müssen, welche Anforderungen an die Ausübung der höherwertigen Tätigkeit über diejenigen an die Ausübung seines Statusamtes hinaus gestellt würden. Dies sei nicht erfolgt. Der Beurteiler hätte auch erläutern müssen, inwieweit die Bewertung der Leistung des Antragstellers als „Sehr gut“ auf die Erfüllung der Anforderungen an sein Statusamt zurückzuführen sei, d. h. ob schon dies ausreichend gewesen sei, um die jeweilige Bestnote „Sehr gut“ in den Einzelkategorien zu erlangen oder ob dafür (auch) auf seine Leistungen im höherwertigen Einsatz habe zurückgegriffen werden müssen. Auch solche Ausführungen seien unterblieben. Von einer entsprechenden Begründung habe auch nicht deshalb abgesehen werden können, weil der Antragsteller in den Einzelkategorien bereits die Bestnote erhalten habe. Mit Blick auf die später vorzunehmende „Übersetzung“ der Einzelnoten in eine Gesamtnote und die für das Erreichen des Gesamturteils „Hervorragend“ maßgebliche Bewertung der Arbeitsleistungen bezogen auf die Anforderungen an die höherwertige Tätigkeit wäre dies gerade erforderlich gewesen.
6Auch die rechtlich erforderliche Begründung des Gesamturteils sei unzureichend erfolgt. Die Begründung müsse eine Erläuterung dafür enthalten, wieso auf der Grundlage der Gesamtheit der Einzelfeststellungen im Rahmen von deren Gewichtung und Zusammenführung das ausgeworfene Gesamturteil nebst Ausprägungsgrad vergeben worden sei. Erforderlich seien auch Erläuterungen zur Übertragung der Einzelnoten auf die abweichende Skala der Gesamtnote sowie zu Art und Umfang der Berücksichtigung der höherwertigen Tätigkeit des Antragstellers. Hieran fehle es jedenfalls zum Teil. In der Beurteilung werde nicht erläutert, in welcher Art und Weise, insbesondere in welchem Umfang, die höherwertige Tätigkeit des Antragstellers berücksichtigt worden sei. Zwar führten die Beurteiler an, sie hätten die Höherwertigkeit der Tätigkeit berücksichtigt. Es werde jedoch nicht hinreichend deutlich, inwieweit die Höherwertigkeit der Tätigkeit des Antragstellers bei seiner Beurteilung berücksichtigt worden sei. Die Begründung gebe keinen Aufschluss darüber, wie sich die Höherwertigkeit konkret ausgewirkt habe. Der pauschale Hinweis, dass der Antragsteller aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Einzelmerkmale und im Vergleich zu anderen Beamten der Beurteilungsliste das Gesamtergebnis „Sehr gut ++“ erhalten habe, sei nicht geeignet, den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Begründung gerecht zu werden. Soweit die Beurteiler erläuterten, unter welchen Umständen andere Beamte die Gesamtnote „Hervorragend“ erzielt hätten, könne hierin keine substantielle Begründung für das Gesamturteil des Antragstellers gesehen werden. Die Ausführungen zu den Gründen, aus denen andere Beamte das Beurteilungsergebnis „Hervorragend“ erhalten hätten, gebe keine Erklärung dafür, warum der Antragsteller nicht mit dieser Gesamtnote, sondern mit „Sehr gut ++“ benotet worden sei. Hieraus gehe nicht hervor, wie sich die besser beurteilten Beamten konkret von dem Kläger hätten abheben können. Die unmittelbaren Führungskräfte des Antragstellers hätten nicht die Möglichkeit gehabt, eine Gesamtnote zu vergeben oder jedenfalls Einzelmerkmale mit der Note „Hervorragend“ zu bewerten. Daher sei schon nicht nachvollziehbar, wann von einer „vergleichbaren Leistungseinschätzung“ auszugehen sei. Auch andere Beamte hätten keine besseren Noten in den Leistungseinschätzungen ihrer Führungskräfte erhalten können, da auch der Antragsteller von seiner Führungskraft in allen sechs Einzelkategorien jeweils mit der Bestnote bewertet worden sei. Darüber hinaus sei auch der Antragsteller höherwertig eingesetzt, sodass auch vor diesem Hintergrund die Ausführungen in der dienstlichen Beurteilung keine nachvollziehbare Begründung darstellten. Wenn in der Gesamtnotenbegründung ausgeführt werde, auch Beamte, die eine geringfügig schlechtere Leistungseinschätzung ihrer unmittelbaren Führungsverhalten hätten, jedoch dabei höherwertig eingesetzt gewesen seien, hätten das Gesamtergebnis „Hervorragend“ erhalten, begründe dies nicht, warum solche Beamte eine bessere Gesamtnote als der Antragsteller erhalten hätten. Es bleibe gänzlich offen, wie sich diese Beamten von dem Antragsteller abgesetzt hätten. Mit einem höherwertigen Einsatz allein lasse sich dies nicht erklären, da dies auch auf den Antragsteller zutreffe. Vergleichbares gelte für die Ausführungen, auch Beamte mit einer schlechteren Leistungseinschätzung der unmittelbaren Führungskräfte bei allerdings deutlich höherwertigem Einsatz hätten das Beurteilungsergebnis „Hervorragend“ erhalten. Dies verdeutliche nicht, warum bei diesen Beamten eine Bewertung mit „Hervorragend“ gerechtfertigt gewesen sei. Auch der Antragsteller sei gemessen an seinem Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 deutlich höherwertig und zudem laufbahnübergreifend eingesetzt gewesen. Es sei im Hinblick darauf, dass sogar 36 % der trotz schlechterer Leistungseinschätzung mit „Hervorragend“ bewerteten Beamten wie der Antragsteller in derselben Laufbahngruppe eingesetzt gewesen seien, nicht nachvollziehbar, warum unter diesen Umständen nicht auch dieser mit der Spitzennote beurteilt worden sei. Darüber hinaus habe es auch einer ausführlichen Begründung dahingehend bedurft, warum der Antragsteller, obwohl in den Einzelkategorien jeweils mit der Bestnote bewertet, dennoch nicht im Gesamtergebnis die Bestnote „Hervorragend“ habe erzielen können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller in Bezug auf jede einzelne Kategorie bescheinigt habe, die laufbahnübergreifende Tätigkeit sehr gut „gemeistert“ zu haben, sei eine konkrete Begründung für das Nichterreichen der Bestnote erforderlich gewesen.
7Die Auswahl des Antragstellers bei einer erneuten, die aufgezeigten Rechtsfehler vermeidenden Auswahlentscheidung sei bei der gebotenen wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls auch zumindest möglich. Es sei bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei Neubeurteilung die Gesamtnote „Hervorragend ++“ erhalten werde und sodann bei rechtsfehlerfreier Durchführung des Auswahlverfahrens zu befördern sei. Mit Blick auf die Begründungsdefizite und die in der Stellungnahme seiner unmittelbaren Führungskräfte vergebenen Bestnoten in den jeweiligen Einzelkategorien sei nicht vorherzusehen, welches Gesamturteil der Antragsteller bei ordnungsgemäßer Neubeurteilung erreichen werde. Insbesondere sei nicht auszuschließen, dass er das Gesamturteil „Hervorragend ++“ erreichen werde. Nach der Beurteilungspraxis der Antragsgegnerin sei nicht völlig ungewöhnlich, dass ein Beamter sich bei seiner nächsten dienstlichen Beurteilung um eine Notenstufe verbessere. Eine Beförderungschance des Antragstellers scheitere auch nicht daran, dass es mehr Bewerber mit der Bestnote „Hervorragend ++“ als Beförderungsstellen gebe. Es sei offen, wie sich die Beförderungsliste nach der vorzunehmenden Neubeurteilung darstelle.
8Das hiergegen erhobene Beschwerdevorbringen führt zur Abänderung des angegriffenen Beschlusses. Zwar vermag die Antragsgegnerin mit ihrem Vortrag, die Beurteilung des Antragstellers vom 3. Juni 2020 sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hinreichend begründet und plausibel nicht durchzudringen (dazu 1.). Allerdings verweist die Antragsgegnerin zu Recht darauf, dass eine Beförderung des Antragstellers auch nach Neubeurteilung bei einer Wiederholung der Auswahlentscheidung ausgeschlossen ist (dazu 2.)
91. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevortrags ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Auswahlentscheidung auf der Grundlage der Beurteilung vom 3. Juni 2020 verletze den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers, nicht zu beanstanden. Die Beurteilung genügt nicht den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Begründung der Einzelnoten (dazu a)) und des Gesamturteils sowie des Ausprägungsgrades (dazu b)) zu stellen sind.
10a) In Anbetracht des Umstandes, dass der in einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 befindliche Antragsteller auf einem Dienstposten verwendet wurde, der mit der Besoldungsgruppe A 11 bewertet wurde, sind die Einzelnoten nicht hinreichend begründet.
11Zu den Anforderungen, die an die Begründung der Berücksichtigung der Höherwertigkeit der Tätigkeit im Rahmen der Benotung der Einzelmerkmale zu stellen sind, hat der Senat ausgeführt:
12„Bei einer höherwertigen Beschäftigung des zu beurteilenden Beamten müssen in der dienstlichen Beurteilung mithin die im Rahmen der höherwertigen Tätigkeit bezogen auf die Anforderungen des höherwertigen Arbeitspostens erbrachten Leistungen zunächst in einem ersten Schritt zu den abstrakten Anforderungen des von dem Beamten innegehabten Statusamtes in Beziehung gesetzt werden, bevor sie dann in einem zweiten Schritt den in der Notenskala zum einen für die Einzelmerkmale und zum anderen für das Gesamturteil geltenden Bewertungsstufen zugeordnet werden.
13Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. März 2016 – 1 B 1459/15 –, juris, Rn. 18, vom 2. März 2017 – 1 B 138/17 –, juris, Rn. 9, und vom 12. April 2017– 1 B 226/17 –, juris, Rn. 29.
14Diese Schritte als wesentliche Bestandteile des Bewertungsvorgangs müssen für den beurteilten Beamten (und in einem Rechtsschutzverfahren auch für das Gericht) zumindest in Grundzügen nachvollziehbar gemacht werden, was die angemessene Berücksichtigung des jeweils vorliegenden Grades des höherwertigen Tätigkeit einschließt. Die schlichte Angabe des Bewertungsergebnisses und die Rechtsbehauptung, alle relevanten Gesichtspunkte in den Bewertungsvorgang einbezogen zu haben, reichen dafür nicht.“
15OVG NRW, Beschluss vom 17. August 2017 – 1 B 1132/16 –, juris, Rn. 19 – 21.
16Diesen Anforderungen, an denen festzuhalten ist, genügt die bei den Einzelmerkmalen gegebene Begründung
17„Gespiegelt an seinem Statusamt übernimmt Herr H. erfolgreich eine laufbahnübergreifend höherwertige Tätigkeit, die er sehr gut meistert“
18ersichtlich nicht. Das Vorstehende belegt lediglich, dass die Höherwertigkeit der Tätigkeit Berücksichtigung gefunden hat. Unklar bleibt weiterhin, wie, d. h. in welchem Umfang, sich die Höherwertigkeit der Tätigkeit in der Einzelnoten niedergeschlagen hat. Hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen. In Anbetracht der Abstraktheit der vorstehenden Passage kann keine Rede davon sein, dass „es für den Antragsteller nachvollziehbar und transparent [sei], wie sich die Höherwertigkeit seines Einsatzes in den Bewertungen (…) ausgewirkt“ habe und dass in dieser Darstellung keine wesentliche Information fehle.
19Es trifft zwar zu, dass die Übersetzung der fünfstufigen Notenskala in den Beurteilungen der Einzelmerkmale in die sechsstufige Notenskala des Gesamturteils Teil der Gesamtnotenbegründung ist. Um jedoch die Wertigkeit der für die Einzelmerkmale vergebenen Noten bei dieser Übersetzung zutreffend berücksichtigen zu können, ist erforderlich, den Einfluss der Höherwertigkeit der Tätigkeit bei der Beurteilung der Einzelmerkmale darzulegen.
20b) Auch die Begründung der Gesamtnote einschließlich des Ausprägungsgrades genügt nicht den an sie zu stellenden Anforderungen.
21Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Gesamtnotenbegründung nicht zu entnehmen, wie die Höherwertigkeit der Tätigkeit des Antragstellers bei der Bildung der Gesamtnote konkret berücksichtigt worden ist. Die Gesamtnotenbegründung beginnt mit einer allgemeinen Beschreibung der Tätigkeit des Antragstellers (Seite 4, Abs. 2 bis 4 der Gesamtnotenbegründung), einer Wiederholung eines Teils der Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft (Seite 4, Abs. 5 und Seite 5 Abs. 1) sowie einer allgemeinen Schilderung der Notenskalen (Seite 5 Abs. 2 bis 3). Dies sind Ausführungen, denen nichts dahingehend zu entnehmen ist, inwieweit die Höherwertigkeit der Verwendung des Antragstellers in die Gesamtnotenbildung eingeflossen ist. Auch die nachfolgenden beiden letzten Absätze auf Seite 5 sowie die ersten vier Absätze auf Seite 6 der Beurteilung tragen hierzu nichts Konkretes bei. Soweit diese Ausführungen überhaupt einen Bezug zu dem Antragsteller aufweisen, beschränken sie sich auf den Hinweis, dass der Antragsteller eine höherwertige Tätigkeit ausübt und dass das Gesamturteil „unter Berücksichtigung der Höherwertigkeit der Funktion“ festgesetzt werde. Der Bemerkung, der Antragsteller könne kein besseres Gesamturteil erhalten, weil die in den Vergleich einzubeziehenden Beamten auf derselben Beurteilungsbasis noch bessere Leistungen aufwiesen (Seite 6 Abs. 1), ist ebenfalls nicht hinreichend konkret zu entnehmen, inwieweit die Höherwertigkeit seiner Tätigkeit Berücksichtigung gefunden hat. Soweit in den Abs. 2 bis 4 auf Seite 6 der Beurteilung ausgeführt wird, dass bestimmte Bedienstete mit der Gesamtnote „Hervorragend“ bewertet worden seien, die eine vergleichbare oder (teils geringfügig) schlechterer Leistungseinschätzung ihrer Führungskräfte erhalten hätten, allerdings (teils deutlich) höherwertig eingesetzt gewesen seien, ist der Bezugspunkt dieses Vergleiches (höherwertig im Vergleich zu ihrem Statusamt oder höherwertig im Vergleich zur Wertigkeit der vom Antragsteller wahrgenommenen Tätigkeit) unklar. Insoweit weist das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hin, dass auch der Antragsteller in Bezug auf sein Statusamt höherwertig eingesetzt wurde.
22Diese Anforderungen überspannen auch nicht die Anforderungen an die Begründung. Es geht nicht darum, „jede Offensichtlichkeit und jede Selbstverständlichkeit nochmals zusammenzufassen und wiederzugeben“. Vielmehr ist gerade über die Beschreibung der Leistungen des Antragstellers bei den Einzelmerkmalen im Sinne einer „erneuten Zusammenfassung“ hinaus zu verdeutlichen, inwieweit sich der höherwertige Einsatz bei der Bestimmung der Gesamtnote ausgewirkt hat. Daher kommt auch nicht darauf an, ob in der Beurteilung vom 3. Juni 2020 die Feststellungen aus den Erkenntnisquellen umfassend zusammengefasst worden sind. Von einer Überforderung des beurteilten Beamten durch die Vielzahl der geforderten Darstellungen kann nach alledem keine Rede sein.
232. Die Beschwerde hat jedoch insoweit Erfolg, als die Antragstellerin vorträgt, der Antragsteller sei auch bei einer Neubeurteilung voraussichtlich chancenlos.
24Der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann im Falle einer fehlerbehafteten, sein subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzenden Auswahlentscheidung nur unter der weiteren Voraussetzung eine – mittels einer einstweiligen Anordnung sicherungsfähige – erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn er glaubhaft macht oder sich in Würdigung unstreitiger Sachumstände ergibt, dass seine Aussichten, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird.
25Vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. September 2002 – 2 BvR857/02 –, juris, Rn. 13 f., und vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –,juris, Rn. 19 f.; ferner etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 – 1 B 99/17 –, juris, Rn. 9 bis 13, vom 23. Oktober 2018– 1 B 666/18 –, juris, Rn. 32 f. und vom 9. März 2021 – 1 B 1703/20 –, juris, Rn. 17.
26Bei der Beurteilung der Chancenlosigkeit in diesem Sinne misst der Senat, soweit es um erforderliche Neubeurteilungen geht, in seiner neueren Rechtsprechung der Wertigkeit der Dienstposten, auf denen die Beteiligten eingesetzt waren, eine größere Bedeutung zu als früher. Damit will der Senat stärker den maßgeblichen Annahmen Rechnung tragen, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im Allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind, und dass eine auf einem höherwertigen Dienstposten erzielte Note auf eine bessere Leistung schließen lässt als die identische Note, die auf einem niedriger bewerteten Dienstposten erzielt wurde.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2020 – 1 B 361/20 –, juris, Rn. 7 ff.
28Nach diesem Maßstab erscheint es ausgeschlossen, dass der Antragsteller nach einer Neubeurteilung eine im Vergleich zu den Beigeladenen bessere Gesamtnote erzielen oder auch nur mit diesen gleichziehen kann. Zwar sind sämtliche Beteiligten im Vergleich zu ihrem jeweiligen Statusamt höherwertig eingesetzt. Die Beigeladenen sind jedoch deutlich höherwertiger eingesetzt als der Antragsteller. Die von den Beigeladenen ausgeübte Funktion wurde mit „B09“ bewertet, eine Einstufung, die einem Amt der Besoldungsgruppe A 13 entspricht. Die Tätigkeit des Antragstellers hingegen ist mit „07“ entsprechend einem Amt der Besoldungsgruppe A 11 bewertet worden. Damit haben die Beigeladenen eine im Verhältnis zum Antragsteller um zwei Besoldungsgruppen höherwertige Tätigkeit ausgeübt. Da die Beigeladenen – wie der Antragsteller – von ihren Führungskräften in allen Einzelmerkmalen die Spitzennote „Sehr gut“ erhalten haben, ist den Stellungnahmen der Führungskräfte ein deutlicher Leistungsvorsprung der Beigeladenen zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller diesen Leistungsvorsprung aufholen können wird. Die Stellungnahme seiner Führungskraft gibt hierfür nichts her.
29Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die etwaigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil diese im Verfahren beider Instanzen jeweils keinen Antrag gestellt haben und damit kein Kostenrisiko eingegangen sind (§ 162 Abs. 3 VwGO).
30Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V m. Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG. Auszugehen ist nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GKG von dem Jahresbetrag der Bezüge, die dem jeweiligen Antragsteller nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung (hier: 14. September 2020) bekanntgemachten, für Beamtinnen und Beamte der Postnachfolgeunternehmen geltenden Besoldungsrechts unter Zugrundelegung der jeweiligen Erfahrungsstufe fiktiv für das angestrebte Amt im Kalenderjahr der Beschwerdeerhebung zu zahlen sind. Nicht zu berücksichtigen sind dabei die nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 GKG ausgenommenen Besoldungsbestandteile. Der nach diesen Maßgaben zu bestimmende Jahresbetrag ist wegen § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und wegen der im Eilverfahren nur begehrten vorläufigen Sicherung auf ein Viertel zu reduzieren. Der nach den vorstehenden Grundsätzen zu ermittelnde Jahresbetrag beläuft sich hier angesichts des angestrebten Amtes der Besoldungsgruppe A 9_vz und bei Zugrundelegung der Erfahrungsstufe 8 für das maßgebliche Jahr 2020 auf 42.831,82 Euro (Januar und Februar 2020 jeweils 3.538,06 Euro, für die übrigen Monate jeweils 3.575,57 Euro). Die Division des o. g. Jahresbetrages mit dem Divisor 4 führt (aufgerundet) auf einen Wert von 10.707,96 Euro, der in die im Tenor festgesetzte Streitwertstufe fällt.
31Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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