Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 4022/19
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.8.2019 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 30.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Zulassungsvorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 –, NVwZ 2021, 325 = juris, Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 – 7 AV 4.03 –, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 = juris, Rn. 9.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
6die Befristung der Erlaubnisse nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV der Beklagten vom 22.11.2017 für die beiden Spielhallen in 00000 C. H. , I.----straße 00, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, diese glückspielrechtliche Erlaubnis für die beiden Spielhallen über den Zeitraum der Befristung bis zum Ende des Glückspielstaatsvertrages bis zum 30.6.2021 zu erteilen,
7als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer glückspielrechtlichen Erlaubnis für seine beiden Spielhallen unter Befreiung von dem Mindestabstandsgebot und dem Verbundverbot bis zum Ablauf des Glückspielstaatsvertrags am 30.6.201. Die Befristung der dem Kläger erteilten Erlaubnis bis zum 30.6.2018 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV die Erlaubnis befristet. Ein Anspruch auf eine weitergehende Befreiung bestehe nicht. Es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt eine unbillige Härte vorliege, weil der Kläger die Spielhallen erst nach dem Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrags übernommen habe. Der Kläger habe darüber hinaus nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen eine weitergehende Befreiung erforderlich sei, um die von ihm behauptete unbillige Härte zu vermeiden.
8Diese Einschätzung wird durch das Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt.
9Der Einwand des Klägers, gegen die Regelung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV bestünden verfassungs- und europarechtliche Bedenken, der Glückspielstaatsvertrag und das Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages in NRW seien nicht kohärent, greift nicht durch.
10Dass die mit den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des dazu ergangenen Ausführungsgesetzes einhergehenden Grundrechtseingriffe in die Rechte der Spielhallenbetreiber aus Art. 12 Abs. 1, 14 und 3 Abs. 1 GG gerade auch mit Blick auf die Bestimmungen über Härtefälle verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind, hat der Senat, dem Bundesverfassungsgericht folgend, bereits mehrfach entschieden.
11Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 44 f. und 114 ff., m. w. N.
12Der pauschale Vorhalt verfassungsrechtlicher Bedenken vermag diese Einschätzung nicht zu erschüttern.
13Ebenso hat der Senat bereits in umfangreicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entschieden, dass Härtefallübergangsfristen für Spielhallen nach dem Glücksspielstaatsvertrag unionsrechtlich zulässige, insbesondere auch im Lichte der konkreten Anwendungsmodalitäten kohärente Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Glücksspielbereich darstellen.
14Vgl. OVG Urteil, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 4700/19 –, juris, Rn. 58 ff., 71 ff., m. w. N., und Beschluss vom 16.8.2019 – 4 B 659/18 –, juris, Rn. 9 ff., 13 ff., m. w. N.
15Eine Inkohärenz dieser Regelungen in der tatsächlichen Anwendung ergibt sich nicht schon aus der im Detail verschiedenen Umsetzung durch die Bundesländer und Kommunen, weil deren jeweilige Zuständigkeit einschließlich der der lokalen Selbstverwaltung verbleibenden Ermessensspielräume nach Art. 4 Abs. 2 EUV unionsrechtlich zu achten ist.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 48 f., m. w. N.
17Die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wird auch nicht insoweit ernstlich in Frage gestellt, als das Verwaltungsgericht Zweifel daran geäußert hat, ob bei dem Kläger, der die Spielhallen erst nach dem Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrags von dem bisherigen Betreiber übernommen hat, überhaupt eine unbillige Härte vorliegt (Urteilsabdruck, Seite 9, zweiter und dritter Absatz). Das Verwaltungsgericht hat daneben eigenständig tragend darauf abgestellt, dass der Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen habe, warum über die gewährte Frist hinaus (nur) die von ihm begehrte "Befristung" erforderlich und angemessen sei, um die von ihm behauptete unbillige Härte zu vermeiden (Urteilsabdruck, Seite 9, letzter Absatz, bis Seite 10, erster Absatz). Dem ist der Kläger nicht mit durchgreifenden Argumenten entgegengetreten. Sein Verweis darauf, dass er mit der Schließung beider Spielhallenbetriebe seine einzige nennenswerte Einnahmequelle verliere, vermag keinen Härtefall zu begründen.
18In der Rechtsprechung ist für das nordrhein-westfälische Landesrecht im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Härtebegriff geklärt, dass die gesetzliche Regelung einer unbilligen Härte nicht dem allgemeinen Ausgleich von Verlustausfällen dienen, sondern ausschließlich dann eingreifen soll, wenn die Anwendung eines verfassungsgemäßen Gesetzes im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die dem Belastungsgrund des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte sollen, wovon das Verwaltungsgericht auch ausgeht, (nur) atypische, vom Gesetzgeber nicht ausreichend berücksichtigte, besonders gelagerte Fallkonstellationen, in denen die Anwendung der gesetzlichen Vorgaben zu einer nicht intendierten Härte führen würde, einer die widerstreitenden Interessen abwägenden Einzelfallentscheidung zugeführt werden können.
19Vgl. OVG Urteil, vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 117 f., m. w. N.
20Ein danach für die Annahme einer unbilligen Härte erforderlicher atypischer Einzelfall, in dem besondere unvermeidbare Belastungen gegeben sind, denen andere Betriebe von Bestandsspielhallen, die nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist geschlossen werden müssen, grundsätzlich nicht ausgesetzt sind, hat der Kläger mit dem Hinweis auf die alle Spielhallenbetreiber, deren Erlaubnisantrag abgelehnt wird, treffende Gefahr des Verlusts der wirtschaftlichen Existenzgrundlage nicht dargelegt.
21An dieser Bewertung ändert auch der Einwand des Klägers nichts, allein die Möglichkeit der Versagung einer Spielhallenerlaubnis nach dem Ablauf der Übergangsfrist stelle für einen Unternehmer keinen Grund dar, seinen Betrieb aufzugeben. Soweit der Kläger bis zu einer Auswahlentscheidung der Beklagten nicht verlässlich absehen konnte, ob er den Betrieb einer seiner Spielhallen letztlich werde fortsetzen können oder aufgeben müssen, hat die Beklagte dem hier hinreichend Rechnung getragen. Sie hat dem Kläger Gelegenheit gegeben, die Auswahlentscheidung, die ohnehin allenfalls zu Gunsten einer Spielhalle ausgehen könnte, vor der tatsächlichen Schließung gerichtlich überprüfen zu lassen. Darüber hinaus hat sie im vorliegenden Verfahren erklärt, sie werde beide von einer Härtefallerlaubnis betroffenen Spielhallen bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung dulden.
22Der Gesetzgeber hat in § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV zur Vermeidung einer unbilligen Härte eine Befreiung von den Abstandsgeboten für einen angemessenen Zeitraum zwar auch geschaffen, um die nach einer negativen Auswahlentscheidung ggf. noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 131.
24Schon wegen der überobligatorischen Duldung beider Spielhallen liegen die Voraussetzungen einer unbilligen Härte hier aber nicht in diesem Sinne vor, dass jenseits der von der Beklagten ausgesprochenen Duldung und einer im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Schließungsverfügung noch gesondert einzuräumenden kurzen Abwicklungsfrist die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter Befreiung vom Mindestabstandsgebot erforderlich ist. Einer weiteren Abwicklungsfrist bedarf der Kläger daneben aktuell auch deshalb nicht, weil eine Härtefallbefreiung wegen des geplanten Auslaufens dieser Regelung zum 1.7.2021 ohnehin nur noch bis zum 30.6.2021 in Betracht kommt.
25Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor, weil die Rechtssache aus den vorgenannten Gründen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, die einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen. Insbesondere ergeben sich solche Schwierigkeiten nicht schon aus dem Hinweis des Klägers auf den erheblichen Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts zum Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte. Das Verwaltungsgericht hat mit seinen Ausführungen ausschließlich die obergerichtliche Rechtsprechung zu diesem Merkmal wiedergegeben und angewandt. Eine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Streitsache lässt sich daraus nicht ableiten.
26Die Berufung ist schließlich nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Diese ist ausschließlich behauptet, nicht jedoch entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt und auch nicht sinngemäß dem sonstigen Vorbringen zu entnehmen.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Das Begehren, eine unbefristete Erlaubnis zu erhalten, entspricht für die Zeit nach Ablauf der angegriffenen Befristung der Sache nach dem Verlangen nach einer Neuerteilung einer Erlaubnis für die beiden Spielhallen des Klägers. Deshalb zieht der Senat in Orientierung an dem Vorschlag unter Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [NVwZ-Beilage 2013, 58 (68)] den dort genannten Mindestbetrag für den Jahresgewinn von 15.000,00 Euro je Spielhalle als Grundlage der Wertfestsetzung heran.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.9.2020 ‒ 4 A 973/20 ‒, juris, Rn. 24 f., m. w. N.
30Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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