Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1240/20
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 3.4.2020 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
5die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18.12.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger antragsgemäß eine glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle „Halle II“ in V. , I. Straße 24-26, zu erteilen,
6abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für seine Spielhalle „Halle II“, weil er diese im Verbund mit der (erlaubten) Spielhalle „Halle I“ betreibe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV vom Verbundverbot. Für eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift fehle es an jeglichem Anhalt. Da der Kläger die Spielhallen erst im Jahr 2017 übernommen habe und zudem durch die Beklagte auf die bevorstehende Neuregelung des Glücksspielrechts hingewiesen worden sei, habe er schon innerhalb der fünfjährigen Übergangsfrist verlässliche Planungen dazu anstellen können, welche seiner beiden Spielhallen er künftig aufgeben wolle. Auf städtebauliche Aspekte komme es bei der Härtefallentscheidung nicht an; zudem könne aufgrund der am selben Standort erlaubten Spielhalle „Halle I“ keine Rede davon sein, dass keine hinreichende Alternative legalen Glücksspiels verbleibe. Die Anordnung der Schließung der Spielhalle „Halle II“ sei ebenfalls rechtmäßig, weil diese ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben werde. Unerheblich sei dabei, ob die Voraussetzungen der fehlenden Erlaubnis in absehbarer Zukunft vorliegen könnten. Solange die Spielhalle „Halle I“ im gleichen Gebäude betrieben werde, werde die Erlaubniserteilung für die weitere Spielhalle des Klägers auch künftig an einem Verstoß gegen das Verbundverbot scheitern.
7Diese Einschätzungen werden durch das Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt.
8Der Einwand des Klägers, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien fehlerhaft, weil es den unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte nicht konkretisiert und städtebauliche Aspekte sowie den Kanalisierungseffekt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV bei der Auslegung für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines glücksspielrechtlichen Härtefalls nicht berücksichtigt habe, bleibt ohne Erfolg.
9In der Rechtsprechung ist für das nordrhein-westfälische Landesrecht im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung zum steuerrechtlichen Härtebegriff wiederholt entschieden worden und geklärt, dass die gesetzliche Regelung einer unbilligen Härte nicht dem allgemeinen Ausgleich von Verlustausfällen dienen, sondern ausschließlich dann eingreifen soll, wenn die Anwendung eines verfassungsgemäßen Gesetzes im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die dem Belastungsgrund des Gesetzgebers zuwiderlaufen.
10Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 115 ff., m. w. N.
11Die Härteregelung für Altfälle setzt einen atypischen Einzelfall voraus, in dem gerade auf Grund des Vertrauens in die frühere Rechtslage für den Betrieb und somit auch für den jeweiligen Betreiber besondere unvermeidbare Belastungen gegeben sind, denen andere Betriebe von Bestandsspielhallen, die der gesetzlichen Regelung entsprechend nach Ablauf von fünf Jahren geschlossen werden müssen, grundsätzlich nicht ausgesetzt sind.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 117 ff., m. w. N.
13Wirtschaftliche Risiken, die ein Erwerber nach Inkrafttreten der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags eingeht, finden somit keine Berücksichtigung.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.6.2021 ‒ 4 A 1870/20 ‒, juris, Rn. 15 f., m. w. N.
15Mithin können Investitionen oder Belastungen, sofern sie ‒ wie hier ‒ in Kenntnis der Neuregelung aufgewandt bzw. eingegangen worden sind, keinen atypischen Einzelfall zugunsten des Weiterbetriebs der Spielhalle „Halle II“ des Klägers darstellen. Der Kläger hat die im Verbund betriebenen Spielhallen erst im Jahr 2017 übernommen und mit gewerberechtlichen Erlaubnissen vom 24.1.2017 betrieben.
16Ebenso wenig kommt es nach dem oben genannten Regelungszweck auf städtebauliche oder planungsrechtliche Aspekte an. Sofern bei Härtefallentscheidungen nach § 29 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 GlüStV der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i GewO sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen sind, wird dadurch gerade zum Ausdruck gebracht, dass die für atypische Einzelfälle vorgesehene Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Positionen der Spielhallenbetreiber für einen angemessenen Zeitraum über die fünfjährige Übergangsfrist hinaus im Rahmen von Härtefallentscheidungen nur unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 GlüStV in Betracht kommt. Dies ändert aber nichts daran, dass eine Härte einen atypischen Einzelfall voraussetzt, in dem auf Grund des Vertrauens in die frühere Rechtslage für den Betrieb und somit auch für den jeweiligen Betreiber besondere unvermeidbare Belastungen gegeben sind, denen andere Betriebe von Bestandsspielhallen, die nach Ablauf von fünf Jahren geschlossen werden müssen, grundsätzlich nicht ausgesetzt sind. Im Gegenteil ging es dem Gesetzgeber maßgeblich darum, nach Ablauf der Übergangsfrist die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung sowie den Jugend- und Spielerschutz (§ 1 GlüStV) im Bereich der Spielhallen insbesondere durch das ‒ nur noch in atypischen Einzelfällen ausnahmsweise mit Blick auf frühere Investitionen vereinzelt zu durchbrechende ‒ Verbot von Mehrfachkonzessionen und die Regelung von Mindestabständen zu erreichen. Auch die mit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2012 beabsichtigte Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs der Bevölkerung durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot (§ 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV) sollte gerade im Bereich der Spielhallen dadurch geschaffen werden, dass Mehrfachspielhallen verboten und Mindestabstände eingeführt wurden. Es ist keine Frage einer unbilligen Härte, ob der Kanalisierungseffekt durch großzügigere Spielhallenzulassungen besser erfüllt werden könnte. Härten, die der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen hat und die dem Gesetzeszweck entsprechen, können nämlich keinen Härtefall begründen.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.3.2020 – 4 B 977/18 –, ZfWG 2020, 274 = juris, Rn. 22 ff., m. w. N.
18Der weitere Einwand des Klägers, mit Blick auf die geplanten Gesetzesänderungen durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021 sei seine Spielhalle vollumfänglich genehmigungsfähig und scheitere nicht an dem Verbot baulicher Verbünde, so dass ein weiterer Härtefallgrund vorliege und auch die Schließungsanordnung der Spielhalle „Halle II“ fehlerhaft sei, verfängt ebenfalls nicht.
19Eine Härte ergibt sich zweifelsfrei nicht aus der aktuell für die Zeit nach dem 1.7.2021 beschlossenen staatsvertraglichen Neuregelung zur Glücksspielregulierung für am 1.1.2020 bestehende Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen, denen auf gemeinsamen Antrag der Betreiber für bis zu drei Spielhallen je Gebäude oder Gebäudekomplex abweichend vom Verbundverbot eine Erlaubnis in Aussicht gestellt wird.
20Vgl. § 29 Abs. 4 GlüStV 2021 vom 28.4.2021, GV. NRW. S. 459; Art. 1 Nr. 20 des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags vom 12.3.2021, LT-Drs. 17/12978, S. 37 f.
21Derartige Planungen des Gesetzgebers für zukünftiges Recht sind für den auf der Grundlage des geltenden Rechts zu entscheidenden Rechtsstreit unerheblich. Deren Umsetzung ist von dem Kläger abzuwarten.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 4700/19 ‒, juris, Rn. 81.
23Aus der lediglich die Frage des sofortigen Vollziehungsinteresses im Eilverfahren thematisierenden gerichtlichen Verfügung vom 29.1.2020, auf die sich der Kläger beruft, ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon ist in Nordrhein-Westfalen gerade nicht geplant, dass von der ausweislich der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 ausdrücklich (nur) dem Bestandsschutz dienenden Neuregelung auch solche Spielhallen profitieren sollen, deren Betrieb untersagt oder für die ein Erlaubnisantrag abgelehnt worden ist, falls die Untersagung beziehungsweise die Ablehnung vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 bestandskräftig wird.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.5.2021 – 4 A 1938/20 –, juris, Rn. 30 f., unter Hinweis auf Art. 1 Nr. 20 des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags vom 12.3.2021, LT-Drs. 17/12978, S. 37 f.
25Ebenso wenig ist die Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 15 Abs. 2 GewO deshalb fehlerhaft, weil dem Kläger nach der noch nicht in Kraft getretenen Rechtslage gegebenenfalls ein Erlaubnisanspruch zustehen könnte.
26Eine Schließungsanordnung nach § 15 Abs. 2 GewO ist grundsätzlich bereits gerechtfertigt, solange unklar ist, ob die Erlaubnisvoraussetzungen vorliegen. Erst die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis, nicht schon ein hierauf gerichteter Antrag oder eine entsprechende Klage, schließt ein Einschreiten nach dieser Vorschrift aus. Zweck der Ermächtigung in § 15 Abs. 2 GewO ist es gerade, den Erlaubnisvorbehalt zur Sicherung des Geschäftsverkehrs durchzusetzen, also die vorherige Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Wird von dieser Ermächtigung fehlerfrei Gebrauch gemacht, ist dem jeweiligen Antragsteller deshalb zuzumuten, den regulären Abschluss des Erlaubnisverfahrens abzuwarten.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.4.2021 – 4 A 3462/20 –, juris, Rn. 10 f., m. w. N.
282. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
29Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind dann gegeben, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.4.2021 – 4 A 3435/20 –, juris, Rn. 33 f., m. w. N.
31Das ist hier nicht der Fall. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass sich die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen bereits im Zulassungsverfahren klären lassen.
323. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
33Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.2.2021 – 4 A 968/20 –, juris, Rn. 24 f., m. w. N.
35Daran fehlt es hier. Die von dem Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage „der Bewertung und Würdigung der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes“ der unbilligen Härte ist in der Rechtsprechung des Senats, wie oben dargelegt, geklärt.
36Die weiteren Fragen „der Beachtung des GlüStV 2021 im Wege der Achtung der Grundsätze des intertemporalen Rechts sowie die Überlegung, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Klarheit über den Gesetzestext des GlüStV 2021 hinsichtlich des aktuellen § 29 Abs. 4 S. 4 GlüStV nicht eine unbillige Härte darstellen könnte, nunmehr für 11 Monate einen Bestandsspielhallenbetrieb i. S. d. § 29 Abs. 4 S. 2 GlüStV zu schließen, obwohl dieser möglicherweise erlaubnisfähig wäre“, würde sich in einem Berufungsverfahren ebenfalls nicht stellen, weil der Glücksspielstaatsvertrag 2021 zwar schon beschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten ist. Überdies sieht er die Erlaubnisfähigkeit der streitgegenständlichen Spielhalle nicht einmal vor.
37Abgesehen davon kommt eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache bezogen auf die streitgegenständliche Übergangsregelung in § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV, die ohnehin in Kürze geändert werden soll, nicht in Betracht, weil Rechtsfragen zu auslaufendem oder ausgelaufenem Recht oder zu Übergangsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung haben. In Fällen dieser Art kann in einem Berufungs- oder Revisionsverfahren keine für die Zukunft richtungsweisende Klärung erreicht werden.
38Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2021 – 6 BN 2.20 –, juris, Rn. 6, m. w. N.
39Auch mit Blick auf § 15 Abs. 2 GewO ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht ansatzweise aufgeworfen.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
42Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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