Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 D 15/20.NE
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
3Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Der Ausgang des Rechtsstreits ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand offen.
4Ob die in Rede stehende Verordnung – unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.6.2020 – 8 CN 3.19 –, BVerwGE 168, 356 = juris – mit geltendem Recht in Einklang gestanden hat, kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilt werden.
5Bei Ladenöffnungen im Zusammenhang mit örtlichen Veranstaltungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LÖG NRW muss nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gewährleistet sein, dass die Veranstaltung ‒ und nicht die Ladenöffnung ‒ das öffentliche Bild des betreffenden Sonntags prägt. Um das verfassungsrechtlich geforderte Regel-Ausnahme-Verhältnis zu wahren, muss die im Zusammenhang mit der Ladenöffnung stehende Veranstaltung selbst einen beträchtlichen Besucherstrom auslösen. Ferner müssen Sonntagsöffnungen wegen einer Veranstaltung in der Regel auf deren räumliches Umfeld beschränkt werden, nämlich auf den Bereich, der von der Ausstrahlungswirkung der jeweiligen Veranstaltung erfasst wird und in dem die Veranstaltung das öffentliche Bild des betreffenden Sonntags prägt. Die prägende Wirkung muss dabei von der Veranstaltung selbst ausgehen. Die damit verbundene Ladenöffnung entfaltet nur dann eine lediglich geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheint. Das kann für den Fall angenommen werden, dass die Ladenöffnung innerhalb der zeitlichen Grenzen der Veranstaltung ‒ also während eines gleichen oder innerhalb dieser Grenzen gelegenen kürzeren Zeitraums ‒ stattfindet und sich räumlich auf das unmittelbare Umfeld der Veranstaltung beschränkt. Von einem Annexcharakter kann nur die Rede sein, wenn die für die Prägekraft entscheidende öffentliche Wirkung der Veranstaltung größer ist als die der Ladenöffnung. Die öffentliche Wirkung hängt wiederum maßgeblich von der jeweiligen Anziehungskraft ab. Die jeweils angezogenen Besucherströme bestimmen den Umfang und die öffentliche Wahrnehmbarkeit der Veranstaltung einerseits und der durch die Ladenöffnung ausgelösten werktäglichen Geschäftigkeit andererseits. Daher lässt sich der Annexcharakter einer Ladenöffnung kaum anders als durch einen prognostischen Besucherzahlenvergleich beurteilen. Erforderlich ist dabei, dass die dem zuständigen Organ bei der Entscheidung über die Sonntagsöffnung vorliegenden Informationen und die ihm sonst bekannten Umstände die schlüssige und nachvollziehbare Prognose erlauben, die Zahl der von der Veranstaltung selbst angezogenen Besucher werde größer sein als die Zahl derjenigen, die allein wegen einer Ladenöffnung am selben Tag ‒ ohne die Veranstaltung ‒ kämen. § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW entbindet von einer auf die jeweiligen Besucherzahlen bezogenen Prognose im Einklang mit Verfassungsrecht nur dann, wenn gewährleistet ist, dass atypische Sachverhaltsgestaltungen nicht in die Nachweiserleichterung einbezogen werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.10.2020 – 4 B 1443/20.NE –, juris, Rn. 16 f., unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 11.11.2015 – 8 CN 2.14 –, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 24 f., und vom 22.6.2020 – 8 CN 3.19 –, juris, Rn. 15 ff., 17 ff., 21, 23, 25 f.
7Ob diese Voraussetzungen gegeben waren, lässt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht beurteilen. Die Antragsgegnerin ist in der Vorlage Nr. 2020/3375 vom 12.12.2019 davon ausgegangen, dass der Großteil der Besucherinnen und Besucher wegen des Bekanntheitsgrads der Veranstaltungen in die Leverkusener City komme, was die internen, stichprobenartigen Zählungen der Werbegemeinschaft City Leverkusen e. V. und einiger Händler in der gesamten Fußgängerzone Wiesdorf während des Frühlingsfestes am 29.4.2018 belegten. An diesem Sonntag sei ein Besucherstrom im hohen fünfstelligen Bereich verzeichnet worden, obwohl aufgrund einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Geschäfte hätten geschlossen bleiben müssen und das Frühlingsfest mit „LiveART“ erst zum vierten Mal stattgefunden habe. Die Nachvollziehbarkeit dieser Prognose lässt sich nicht schon nach Aktenlage beurteilen. Die genannten internen, stichprobenartigen Zählungen sind dem Rat der Antragsgegnerin, soweit ersichtlich, nicht vorgelegt worden und die aus der Anlage zur Vorlage ersichtlichen Lichtbilder nicht hinreichend aussagekräftig. Aus dem vorliegenden Material lässt sich auch keine so außerordentlich hohe Zahl von Veranstaltungsbesuchern für das Frühlingsfest – für die weiteren Veranstaltungen sind noch weniger Daten vorhanden – erkennen, dass dies den Mangel etwaiger tatsächlicher und für eine Prognose im Grundsatz erforderlicher Daten zu kompensieren geeignet wäre. Mit Blick auf die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist für eine weitere Aufklärung und Prüfung der prognostischen Beurteilung durch den Senat kein Raum.
8Bezogen auf die hier von der Antragsgegnerin gleichfalls angeführten Ziele nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 LÖG NRW ist bereits letztinstanzlich für das Landesrecht und mit Bundesrecht in Einklang stehend geklärt, dass sie in der Regel allenfalls dann das verfassungsrechtlich erforderliche Gewicht aufweisen können, wenn aus anderen Gründen ohnehin mit einem besonderen Besucherinteresse zu rechnen ist und über den davon erfassten Bereich hinaus zum Ausgleich besonderer örtlicher Problemlagen oder struktureller Standortnachteile der Freigabebereich auf hiervon betroffene Bereiche erweitert werden soll.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.10.2020 – 4 B 1443/20.NE –, juris, Rn. 18 ff., unter Hinweis auf OVG NRW, Urteil vom 17.7.2019 – 4 D 36/19.NE –, GewArch 2019, 396 = juris, Rn. 40, 91 ff. 106 ff., m. w. N., ausdrücklich als nicht zu restriktiv interpretiert bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 22.6.2020 ‒ 8 CN 3.19 ‒, juris, Rn. 33.
10Ohne verlässliche Beurteilung, ob und für welchen konkreten Bereich die Voraussetzungen für eine Ladenöffnung im Zusammenhang mit örtlichen Veranstaltungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LÖG NRW gegeben waren, war die Ladenöffnung danach jedenfalls nicht allein nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 5 LÖG NRW gerechtfertigt, zumal die Vermutungsregelung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW entgegen der bisherigen Annahme des Senats in seinem Beschluss vom 16.3.2020 – 2 B 273/20 – im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach der oben erwähnten höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Blick auf die große Verkaufsfläche der Rathaus-Galerie nicht eingreifen dürfte.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.3.2020 – 4 B 273/20.NE –, juris, Rn. 18,
12Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Für die Freigabe der Ladenöffnung an Sonntagen zieht der Senat in ständiger Praxis je Sonntag den Auffangstreitwert heran.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE –, StGR 2019, Nr. 6, 34 = juris, Rn. 78, und vom 10.6.2016 – 4 B 504/16 –, NVwZ-RR 2016, 868 = juris, Rn. 48 ff., m. w. N.
14Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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