Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 B 1343/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Senat prüft nach § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO nur die fristgerecht dargelegten Gründe. Diese rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorläufig zu verpflichten, den Antragsteller in die Klasse 5 der städtischen L. -Realschule aufzunehmen.
3Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller erfolglos geltend, die Schulleiterin habe die Zahl der in die Klasse 5 aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler (im Folgenden: Schüler) mit Rücksicht auf die Aufnahme von Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf ermessensfehlerhaft auf 84 (3 x 28) begrenzt (1.), insbesondere habe das Verwaltungsgericht seiner davon abweichenden Beurteilung zu Unrecht die Feststellung zugrunde gelegt, eine Begrenzung der Aufnahmekapazität sei bei Schulen des gemeinsamen Lernens regelmäßig erforderlich, damit die Inklusion gelingen könne (2.), und schließlich gehe aus der Begründung weder des Ablehnungs- noch des Widerspruchsbescheids hervor, wie viele Inklusionsschüler sich für eine Aufnahme beworben hätten, wie viele von ihnen die Schulleiterin insgesamt aufgenommen habe und ob sie noch einige von ihnen im Losverfahren ausgewählt habe (3.). Diese Einwände sind unbegründet.
41. Erfolglos bleibt der Antragsteller zunächst mit seiner Rüge, die Schulleiterin habe bei ihrer Ermessensausübung die unterschiedlichen Anforderungen unberücksichtigt gelassen, die je nach Art und Ausmaß des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs gestellt würden. Dabei spiele eine Rolle, in welchem Umfang sonderpädagogische Lehrkräfte an der Schule zur Verfügung stünden und welche Spezialisierungen sie aufwiesen, ebenso die Frage, ob Schüler zielgleich oder zieldifferent unterrichtet würden. Die bloße Festlegung der Anzahl der aufzunehmenden Inklusionsschüler werde den unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht.
5Dieser erstmals im Beschwerdeverfahren erhobene Einwand des Antragstellers geht an dem tatsächlichen Ablauf der Platzverteilung von Inklusionsschülern weitgehend vorbei, wie ihn die Bezirksregierung insbesondere in ihrer Antragserwiderung vom 8. Juli 2021 im Einzelnen beschrieben hat. Danach legen die staatliche Schulaufsicht und die Schulträger im Rahmen der sog. Inklusionsrunden („Kontingentsitzungen“) gerade nicht nur die Anzahl der an einer Inklusionsschule aufzunehmenden Inklusionsschüler fest, sondern diese Schüler werden darüber hinaus einzeln „auf die konkreten Plätze verteilt“, d. h. unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen sonderpädagogischen Förderschwerpunkte den Eltern gerade für diejenigen Schulen zur Anmeldung und Aufnahme vorgeschlagen, deren sonderpädagogische Lehrkräfte auf diese Förderschwerpunkte spezialisiert sind und an denen der Schulträger auch die an diese Förderschwerpunkte angepassten äußeren Lernbedingungen geschaffen hat. Mit seinen oben beschriebenen allgemeinen Ausführungen zu den Besonderheiten bei der Verteilung von Inklusionsschülern auf die Inklusionsschulen zeigt der Antragsteller unter diesen Umständen keinen konkreten Fehler des von der Schulleiterin der L. -Realschule für das Schuljahr 2021/2022 ausgeübten Begrenzungsermessens bei der von ihr vorgenommenen Schülerzahlbegrenzung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW auf. Da er diese Rüge zudem erstmals in seiner Beschwerdebegründung erhoben hat, hatten die Schulleiterin und die Bezirksregierung bislang auch keinen Anlass, ihre in Bezug auf die Förderschwerpunkte und die Spezialisierungen der Lehrkräfte der Inklusionsrunde mitgeteilten Erwägungen in ihren schriftlichen Äußerungen gegenüber dem Antragsteller offenzulegen.
62. Bleiben danach die Einwände des Antragstellers gegen die Ausübung des Begrenzungsermessens nach § 46 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW durch die Schulleiterin erfolglos, kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zu Recht die Feststellung zugrunde gelegt hat, eine Begrenzung der Aufnahmekapazität sei bei Schulen des gemeinsamen Lernens regelmäßig erforderlich, damit die Inklusion gelingen könne. Denn mit dieser Formulierung und seiner Bezugnahme auf andere, vom Senat zwischenzeitlich teilweise korrigierte erstinstanzliche Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht hier ersichtlich keinen fehlerhaften Ermessensmaßstab zugrunde gelegt, insbesondere nicht die Auffassung vertreten, § 46 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW ermächtige den Schulleiter zur Ausübung intendierten Ermessens in dem Sinn, dass die Reduzierung der Aufnahmezahl auf den Klassenfrequenzrichtwert je Parallelklasse regelmäßig ermessensfehlerfrei und daher nicht besonders begründungsbedürftig sei.
7So u. a. noch VG Köln, Beschlüsse vom 18. Juni 2020 ‑ 10 L 773/20 ‑, juris, Rn. 18, und vom 1. August 2017 ‑ 10 L 2997/17 ‑, juris, Rn. 12; dazu OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2020 ‑ 19 B 998/20 ‑, juris, Rn. 6.
8Denn hier liegt keine Reduzierung auf den Klassenfrequenzrichtwert 27 vor und hat das Verwaltungsgericht zudem ausdrücklich festgestellt, die Schulleiterin habe in Ausübung des von ihr erkannten Ermessens die mögliche Absenkung auf diesen Wert bewusst nicht realisiert (S. 5 des Beschlusses).
93. Schließlich setzt sich der Antragsteller mit seinem Einwand, aus der Begründung weder des Ablehnungs- noch des Widerspruchsbescheids gehe hervor, wie viele Inklusionskinder die Schulleiterin insgesamt aufgenommen habe, in offenkundigen Widerspruch zu seinem eigenen früheren Vorbringen. Darin hatte er selbst eingeräumt, aus dem Widerspruchsbescheid ergebe sich, dass sich „in dem gesonderten Anmeldeverfahren der Realschule 9 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf angemeldet“ „und insgesamt 9 Kinder … aufgenommen“ worden seien (Schriftsatz vom 30. Juni 2021). Dieses frühere Vorbringen war auch in der Sache zutreffend. Abgesehen davon hatte der Antragsteller diese Informationen auch schon aus der ihm vor Stellung des Eilantrags gewährten Akteneinsicht.
10Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeit für nicht erstattungsfähig erklärt. Sie hat sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weil sie keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
11Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Bedeutung der Schulaufnahme für den Antragsteller, auf die es nach § 47, § 52 Abs. 1 GKG für die Streitwertfestsetzung ankommt, bestimmt der Senat in ständiger Ermessenspraxis in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 38.4 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Sonderbeilage Januar, S. 11) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit der Hälfte des Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG für jedes der schulpflichtigen Kinder, also hier 2.500,00 Euro.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Mai 2021 ‑ 19 E 428/21 ‑, juris, Rn. 5, und vom 30. November 2016 ‑ 19 B 1066/16 -, NWVBl. 2017, 122, juris, Rn. 47.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 10 L 773/20 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 2997/17 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 998/20 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 428/21 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 1066/16 1x (nicht zugeordnet)