Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 2692/20.A
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 3 f., m. w. N.
5Eine Grundsatzrüge, die sich auf tatsächliche Verhältnisse stützt, erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 5.
7Es ist nicht Aufgabe des Senats, (neue) Erkenntnisse einzuholen, um die für den Kläger günstigen Gesichtspunkte zusammenzutragen.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 6 f. m. w. N.
91. Gemessen hieran rechtfertigt die von dem Kläger zunächst als grundsätzlich bedeutsam erachteten Frage,
10ob eine Person ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiäre Kontakte in Süd-Mali ein Existenzminimum sicherstellen kann;
11die Zulassung der Berufung nicht.
12Diese Frage ist in dieser Pauschalität einer grundsätzlichen Klärung schon nicht zugänglich. Ob eine Person ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiäre Kontakte in Süd-Mali ihr Existenzminimum sicherstellen kann, hängt von diversen weiteren Umständen des konkreten Einzelfalls ab, wie etwa dem Alter, dem Geschlecht, den wirtschaftlichen Verhältnissen, dem Gesundheitszustand oder der Schulbildung sowie sonstigen Kenntnissen und Fähigkeiten.
13Der Kläger legt auch keine Erkenntnismittel vor, aus denen geschlossen werden könnte, dass ohne Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiäre Kontakte in Süd-Mali niemand in der Lage wäre, das Existenzminimum sicherzustellen. Aus dem mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. September 2020 mit dem Titel „Ist die Medizin verheerender als die Krankheit?“ ergibt sich zwar, dass manche vor den negativen Folgen der Einschränkungen aufgrund der Maßnahmen gegen die Pandemie warnen und die Bevölkerung Malis durch die Maßnahmen hart getroffen werde. Der Artikel gibt jedoch lediglich die Befürchtung wieder, dass die schwache Wirtschaft zusammenbrechen könnte. Hieraus ergibt sich nicht, dass kein Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Kontakte in Süd-Mali sein Existenzminimum sicherstellen kann. Der Artikel vom 3. Mai 2020 mit dem Titel „Mali: Wie Corona alles noch schwieriger macht“ (zdf.de) betrifft weniger die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, als vielmehr den Einsatz der Bundeswehr.
142. In Bezug auf die weiter als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
15ob die Auswirkungen der Corona-Pandemie dazu geführt haben, dass die Auskünfte und Berichte über die Situation in Süd-Mali bis zum Jahr 2020 heute nicht mehr werthaltig seien, so dass eine grundsätzliche Neubewertung der Lage angezeigt sei,
16zeigt das Zulassungsvorbringen einen Klärungsbedarf nicht auf.
17Es bedarf zunächst keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse berücksichtigen muss.
18Vgl. etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Dezember 2020 – 2 BvR 2187/20 –, juris, Rn. 2.
19Der Kläger hat darüber hinaus den Klärungsbedarf der von ihm aufgeworfenen Frage nicht entsprechend der oben dargestellten Anforderungen dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat ausweislich seiner Ausführungen neben den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen auch – wenn auch nicht näher bezeichnete – aktuelle Berichte berücksichtigt (Urteilsabdruck, S. 6). Der Kläger benennt – wie bereits unter 1. aufgezeigt – keine Erkenntnisquellen, aus denen sich derartige Auswirkungen der Corona-Pandemie ergeben würden, dass ältere Erkenntnisse generell nicht mehr aussagekräftig sein könnten.
20Im Übrigen liegen mittlerweile neuere Erkenntnisse wie etwa der Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali vom 7. April 2021 (Stand: März 2021) vor, so dass auch insoweit die Erforderlichkeit einer Klärung der Aussagekraft älterer Erkenntnisse nicht ersichtlich ist.
21Der Kläger rügt letztlich die seiner Ansicht nach fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht und bringt damit (ernstliche) Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vor. Hierbei handelt es sich nicht um einen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG.
223. Auch im Hinblick auf die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
23ob der Militärputsch vom 18. August 2020 dazu geführt hat, dass sich die humanitäre Lage im Süden des Landes grundlegend verschlechtert hat,
24ist ein Klärungsbedarf nicht dargelegt. Der Kläger legt insoweit keinerlei Erkenntnisse vor, aus denen sich eine derartige Verschlechterung der humanitären Lage aufgrund des Militärputsches vom 18. August 2020 ergeben könnte.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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Referenzen
- § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 1854/19 3x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2187/20 1x (nicht zugeordnet)