Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 5 F 18/21
Tenor
Das Verwaltungsgericht Arnsberg wird als zuständiges Gericht bestimmt.
Gründe:
1Nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO wird das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 VwGO richtet und verschiedene Gerichte in Betracht kommen.
21. Das Verfahren betrifft eine Streitigkeit aus dem Bereich des Rundfunkbeitragsrechts. Die örtliche Zuständigkeit für eine Verpflichtungsklage auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht richtet sich dabei nach § 52 Nr. 3 Sätze 5 und 2 VwGO nach dem Wohnsitz des Klägers.
3Vgl. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 F 3/20 –, Seite 2 des Beschlussabdrucks, n.v.; OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 29. November 2016 – 12 S 80.16 –, Seite 4 des Beschlussabdrucks, n.v.; Bay. VGH, Beschluss vom 15. November 2013– 7 S 13.2254 –, juris, Rn. 6; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 4. Januar 2017 – 3 K 1245/15 –, juris, Rn. 4; VG Berlin, Beschluss vom 18. November 2016 – 27 K 358.16 –, Seite 2 des Beschlussabdrucks, n.v.; vgl. auch VG Regensburg, Beschluss vom 18. Januar 2018 – RO 3 K 17.02217 –, juris, Rn. 3; a.A. VG Sigmaringen, Beschluss vom 13. März 2014 – 5 K 514/14 –, Seite 2 des Beschlussabdrucks, n.v.
4§ 52 Nr. 3 VwGO ist vorliegend anwendbar. Wie von seinem Wortlaut verlangt, liegt kein Fall der Nummern 1 und 4 vor. Insbesondere ist § 52 Nr. 1 VwGO nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist in Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
5Ein hier allein in Betracht zu ziehendes ortsgebundenes Rechtsverhältnis ist anzunehmen, wenn eine weitergehende Verbindung zwischen dem streitigen Recht und dem Territorium anzunehmen ist, auf dem es ausgeübt wird. Dabei ist den Gesetzgebungsmaterialien zu § 52 Nummer 1 VwGO (Bundestags-Drucksache 3/55, Seite 35, zu § 53 VwGO-E) zu entnehmen, dass durch diese Regelung nicht nur die sog. radizierten Realrechte, sondern auch andere Rechte erfasst werden sollen, die zu einem bestimmten Territorium in besonderer Beziehung stehen. Es genügt auch eine bloß mittelbare Beziehung des Rechtsstreits zu dem Ort, wenn diese prägend ist.
6Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 1996– 7 AV 11.96 u.a. –, juris, Rn. 3, und vom 24. Juli 1962 – VII ER 420.62 –, BayVBl 1962, 382; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 2. Auflage 2016, § 52 Rn. 3; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 52 Rn. 11; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 8.
7Ein solcher prägender Ortsbezug ist im vorliegenden Fall des Streits um die Rundfunkbeitragspflicht (hier für eine Zweitwohnung) nicht anzunehmen. Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist zwar im hier maßgeblichen privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Die Beitragspflicht knüpft damit an das Vorhandensein und die Inhaberschaft einer Wohnung an. Dies führt aber regelmäßig nicht dazu, dass eine hinreichende Beziehung zwischen dem Rechtsverhältnis und der Örtlichkeit entsteht.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 F 3/20 –, Seite 3 des Beschlussabdrucks, n.v.; anders VG Sigmaringen, Beschluss vom 13. März 2014– 5 K 514/14 –, Seite 2 des Beschlussabdrucks, n.v.
9Insoweit kommt es nämlich nicht auf die Beurteilung der besonderen örtlichen Begebenheiten und auf eine besondere – jedenfalls leichter verschaffbare – Ortskenntnis des Gerichts an.
10Vgl. zu diesem Kriterium: BVerwG, Urteil vom 3. März 1989 – 8 C 98.85 –, juris, Rn. 38; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 8.
11Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht ist vielmehr die Wohnung als solche, deren Vorhandensein angesichts der sehr umfassenden Regelungen in § 3 RBStV jedenfalls in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle keiner weiteren Aufklärungsmaßnahmen bedarf. Ist der gesetzlichen Wertung aber zu entnehmen, dass diese wegen der normativ angelegten Austauschbarkeit des Bezugsobjektes nicht mit der hinreichenden Nachhaltigkeit standortbezogen ist, also das Rechtsverhältnis nicht mit gerade diesem Standort „steht und fällt“, handelt es nicht um ein ortsbezogenes Rechtsverhältnis in der vorgenannten Form.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 F 3/20 –, Seite 3 des Beschlussabdrucks, n.v.; vgl. zu diesem Maßstab im Rahmen des § 52 Nr. 1 VwGO: BVerwG, Beschlüsse vom 29. Mai 2017– 3 AV 2.16 –, juris, Rn. 8, und vom 10. Dezember 1996 – 7 AV 11.96 –, juris, Rn. 3
13Ob dies auch in Fällen anzunehmen ist, in denen gerade das Vorhandensein einer Wohnung im Sinne der §§ 2, 3 RBStV streitig ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
14Vgl. zu dieser Frage (noch zur Rundfunkgebühr) VG Koblenz, Beschluss vom 3. August 2006 – 1 K 487/06.Ko und VG Würzburg, Urteile vom 28. Juli 2011 – W 3 K 11.351 bis 11.353 –, für betriebliche Geräte; Berstermann, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 52. Edition, Stand: 1. Januar 2020, § 52 Rn. 6; vgl. allgemein zur einheitlichen Bewertung verschiedener Aspekte eines Rechtsverhältnisses: BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 2017 – 3 AV2.16 –, juris, Rn. 9 ff.
152. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Fall des § 52 Nr. 3 Satz 5 und 2 VwGO nach dem Wohnsitz des Klägers. Danach kommt hier die örtliche Zuständigkeit von zwei Verwaltungsgerichten in Betracht.
16Vgl. nur Bay. VGH, Beschluss vom 15. November 2013 – 7 S 13.2254 –, juris, Rn. 6.
17Der verwendete Begriff des Wohnsitzes entspricht dem in § 7 BGB definierten.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 F 3/20 –, Seite 4 des Beschlussabdrucks, n.v.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 52 Rn. 29.
19§ 7 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Wohnsitz einer Person an einem Ort begründet wird, an dem sie sich ständig niederlässt, wobei nach § 7 Abs. 2 BGB der Wohnsitz auch an mehreren Orten gleichzeitig bestehen kann. Letzteres setzt voraus, dass an diesen Orten jeweils eine dauernde Unterkunft besteht und diese in der Weise wechselnd genutzt werden, dass der jeweilige Ort zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse wird. Ob es sich um einen Haupt- oder Nebenwohnsitz im melderechtlichen Sinn handelt, ist hierbei nicht entscheidend.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. April 2019 – 2 AV 1.19 –, juris, Rn. 14; Spickhoff, in: MüKoBGB, 8. Auflage 2018, § 7 Rn. 37.
21Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht, unterhält der Kläger in T. und in B. eine dauernde Unterkunft und hält sich an beiden Orten dergestalt auf, dass während dieser Zeit der Lebensmittelpunkt am jeweiligen Ort liegt. Nach § 17 Nr. 2 JustizG NRW ist für den Wohnsitz in B. das Verwaltungsgericht Arnsberg örtlich zuständig, für den Wohnsitz in T. gemäß § 17 Nr. 3 JustizG NRW das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
223. § 53 Abs. 1 VwGO enthält keine Regelung, nach welchen materiellen Kriterien das zuständige Gericht zu bestimmen ist. Die Entscheidung ist daher nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit zu treffen und hat sich an den Wertungen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung sowie dem Gebot einer effektiven und sachgerechten Verfahrensdurchführung zu orientieren. Wertungsgesichtspunkte sind für den Gerichtsstand etwa die räumliche Entfernung der in Betracht kommenden Gerichte zu dem betreffenden Ort, die örtliche Nähe eines Gerichts für Kläger und/oder Beklagten oder Aspekte wie etwa der Schwerpunkt einer angegriffenen Planung.
23Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. April 2019 – 2 AV 1.19 –, juris, Rn. 16, und vom 13. März 2009 – 7 AV 1.09 u.a. –, juris, Rn. 3.
24Mit Blick auf das Gebot effektiver und sachgerechter Verfahrensdurchführung ist es angezeigt, das Verwaltungsgericht Arnsberg als zuständiges Gericht zu bestimmen. Dabei ist insbesondere maßgeblich, dass vorliegend die Befreiung des Klägers von dem Rundfunkbeitrag für die Zweitwohnung in B. streitentscheidend ist, welche im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Arnsberg liegt. Dass dem Kläger die Prozessführung erheblich erleichtert würde, wenn das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geführt würde, ist nicht erkennbar. Selbst wenn sich der Kläger zum Zeitpunkt einer mündlichen Verhandlung in seiner Wohnung in T. aufhalten sollte, steht die größere räumliche Distanz zu dem Verwaltungsgericht Arnsberg angesichts der Verkehrsverbindungen einer Teilnahme nicht erkennbar entgegen. Schließlich hat – ohne dass es hierauf regelmäßig maßgeblich ankommt – der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen Kanzleisitz in B. . Der Beklagte tritt ohnehin vor allen Verwaltungsgerichten des Landes regelmäßig auf.
25Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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Referenzen
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- § 17 Nr. 3 JustizG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 1 RBStV 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Nr. 2 JustizG 1x (nicht zugeordnet)