Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 E 932/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3Die Klage gegen die Festsetzung von Niederschlagswassergebühren für das Gebührenjahr 2021 in dem Bescheid über Grundbesitzabgaben und andere Abgaben vom 22. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2021 ist voraussichtlich unbegründet.
4Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte den Kläger unter Zugrundelegung einer gebührenwirksam versiegelten Fläche von 310 m² und eines Gebührensatzes von 1,09 Euro/m² zu Niederschlagswassergebühren in Höhe von 337,90 Euro herangezogen. Der Kläger hält die Anwendung des Maßstabes der bebauten und befestigten Fläche für unzulässig, weil das Ergebnis in seinem Fall nicht gerecht sei. Er ist der Auffassung, dass mindestens 90 % der auf das Grundstück treffenden Regenmenge dort versickere und nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelange. Das auf die Dachflächen treffende Regenwasser fange er von April bis November eines jeden Jahres in Regentonnen auf und nutze es zur Gartenbewässerung; auch insoweit fließe das Regenwasser damit nicht in die öffentliche Abwasseranlage. Mit seiner Klage begehrt der Kläger ‑ der Sache nach ‑ eine Reduzierung der Niederschlagswassergebühren.
5Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung spricht nach derzeitigem Sach- und Streitstand Überwiegendes dafür, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Reduzierung der Niederschlagswassergebühren hat.
6Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten vom 22. Dezember 1989 in der hier maßgeblichen Fassung der 17. Änderungssatzung (BGS) erhebt die Beklagte für die Inanspruchnahme der Abwasseranlage im Sinne des § 4 Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 KAG NRW zur Deckung der Kosten im Sinne des § 6 Abs. 2 KAG NRW Benutzungsgebühren (Abwassergebühren). Die hier im Streit stehende Niederschlagswassergebühr bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 Buchst. b) Satz 1 BGS nach der bebauten (bzw. überbauten) und/oder befestigten Grundstücksfläche (m²), von der Niederschlagswasser leitungsgebunden oder nicht leitungsgebunden abflusswirksam in die Abwasseranlage gelangen kann.
7Mit Blick auf die letztgenannte Regelung hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass es sich bei dem Maßstab der bebauten oder befestigten angeschlossenen Grundstücksfläche um einen in der Rechtsprechung anerkannten, grundsätzlich zulässigen Maßstab zur Bemessung der Niederschlagswassergebühr handelt. Er genügt den an einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu stellenden Anforderungen. Denn es besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass umso mehr Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage fließt, je mehr von der Grundstücksfläche auf diese Weise versiegelt ist.
8Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 ‑ 9 A 5715/98 ‑, juris Rn. 21 f. m. w. N.; Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2021, § 6 Rn. 388 f.
9Anders als der Kläger möglicherweise meint, muss die Niederschlagswassergebühr nicht zwingend nach dem Wirklichkeitsmaßstab (§ 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NRW) bemessen werden. Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW kann ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Bemessung der Gebühr herangezogen werden, wenn es ‑ wie hier im Fall der Niederschlagswassergebühren ‑ besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar wäre, die Gebühr nach einem Wirklichkeitsmaßstab, nämlich nach der tatsächlichen Inanspruchnahme der Anlage, zu berechnen.
10Dem Vorbringen des Klägers lässt sich auch im Übrigen nicht entnehmen, dass der von der Beklagten gewählte Gebührenmaßstab unwirksam sein könnte. Denn die Ausführungen des Klägers beziehen sich allein auf seinen Einzelfall, insbesondere die Gegebenheiten auf seinem Grundstück und sein individuelles Verhalten. Weder ist daraus jedoch erkennbar noch ist sonst ersichtlich, dass der gewählte Maßstab generell ungerechtfertigt wäre, etwa weil er im Allgemeinen aufgrund von zahlreichen atypischen Einzelfällen nicht (mehr) zu einer gleichmäßigen Belastung aller Gebührenpflichtigen führt.
11Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19. September 2005 ‑ 10 BN 2.05 ‑, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2007 ‑ 9 A 281/05 ‑, juris Rn. 4 ff.
12Der Kläger hat voraussichtlich keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die in Anwendung der Maßstabsregelung des § 8 Abs. 1 Buchst. b) Satz 1 BGS festgesetzten Niederschlagswassergebühren in seinem Einzelfall wegen der behaupteten geringen Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage reduziert.
13Eine Reduzierung der Gebühren ‑ über eine Reduzierung der angeschlossenen Grundstücksfläche ‑ sieht die Gebührensatzung im Fall der Rückhaltung von Niederschlagswasser nur unter bestimmten Voraussetzungen vor (vgl. § 8 Abs. 7 BGS). Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers voraussichtlich nicht vor.
14Das gilt zunächst mit Blick auf das Vorbringen des Klägers, er fange das auf die Dachflächen treffende Niederschlagswasser teilweise, nämlich von April bis November eines jeden Jahres, in zwei Regentonnen auf und nutze es für die Gartenbewässerung. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Kläger ‑ was für eine Gebührenreduzierung nach der zuvor genannten Vorschrift aber erforderlich wäre ‑ eine Niederschlagswassernutzungsanlage im Sinne von § 8 Abs. 7 Buchst. a) BGS auf seinem Grundstück betreibt. Auch der weitere Einwand des Klägers, große Teile des Niederschlagswassers versickerten nach seinen Beobachtungen auf seinem Grundstück, rechtfertigt voraussichtlich keine Gebührenreduzierung nach § 8 Abs. 7 BGS. Weder behauptet der Kläger noch ist nach Aktenlage ersichtlich, dass auf seinem Grundstück eine Muldenversickerung durch den Oberboden (vgl. § 8 Abs. 7 Buchst. b) BGS), eine Rohr- oder Rigolenversickerung (vgl. § 8 Abs. 7 Buchst. c) BGS) oder eine Schachtversickerung (vgl. § 8 Abs. 7 Buchst. d) BGS) erfolgt.
15Einen Anspruch auf Reduzierung der Niederschlagswassergebühren hat der Kläger voraussichtlich auch nicht nach § 8 Abs. 7a BGS. Danach kann die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen eine Reduzierung der Niederschlagswassergebühr vornehmen, sofern der Gebührenpflichtige nachweist, dass aufgrund der Beschaffenheit des jeweiligen Grundstückes oder der bebauten oder befestigte Flächen des Grundstückes oder sonstiger Umstände des Einzelfalles eine im Vergleich zum tatsächlichen Niederschlagswasseraufkommen wesentlich geringere Niederschlagswassermenge vom jeweiligen Grundstück in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wird.
16Die Beklagte dürfte die Gebührenreduzierung nach dieser Vorschrift ermessensfehlerfrei abgelehnt haben. Sie hat ‑ nach einem Ortstermin Ende Juni 2021, in dem sich zwei Mitarbeiter der Beklagten ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort gemacht haben ‑ im Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2021 die Einwände des Klägers (Versickerung, Rückhaltung) berücksichtigt und insoweit insbesondere mit näherer Begründung ausgeführt, es könne im Fall des Klägers nicht schlüssig nachgewiesen werden, welche Menge des anfallenden Regenwassers regelmäßig nicht der Kanalisation zugeführt werde. Denn die jeweilige Menge werde jährlich aufgrund der Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren variieren.
17Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
18Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 9 A 5715/98 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 281/05 1x (nicht zugeordnet)