Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 A 3008/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.
4Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 ‑ 9 C 46.84 ‑, BVerwGE 70, 24 = juris, Rn. 16 (zu § 32 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG a. F.), und Beschluss vom 19. Juli 2011 ‑ 10 B 10.11, 10 PKH 4.11 ‑, juris, Rn. 3.
6Die von der Klägerin formulierte Frage,
7„welche Anforderungen an ein Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit zu stellen sind, wenn der Aufnahmebewerber ursprünglich ‑ bei Ausstellung des ersten sowjetischen Inlandspasses ‑ nicht die Möglichkeit hatte, sich dort mit deutscher Nationalität eintragen zu lassen“,
8bzw.
9„ob die vom BVerwG aufgestellten erhöhten Anforderungen an ein Bekenntnis auch dann gelten, wenn der Betroffene ursprünglich keine Möglichkeit hatte, in seinem Inlandspass die deutsche Nationalität zu wählen“,
10bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren; vielmehr lässt sie sich anhand der zu § 6 Abs. 2 BVFG ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren beantworten.
11Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass allein durch den Nachweis von Deutschkenntnissen ein Bekenntnis auf andere Weise nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG nur erbracht werden könne, wenn der Betroffene kein ausdrückliches Bekenntnis zu einem anderen Volkstum abgegeben habe. Liege ein derartiges Gegenbekenntnis vor, genüge nicht ein Verhalten, das nach dem Willen des Gesetzgebers ein Bekenntnis auf andere Weise darstellen könne, sondern bedürfe es eines glaubhaften Abrückens von diesem Gegenbekenntnis.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2021 ‑ 1 C 5.20 ‑, NVwZ-RR 2021, 592 = juris, Rn. 21 ff.
13Entgegen der in der Zulassungsbegründung vertretenen Auffassung ist nicht zu „unterscheiden zwischen einem bloßen Bekenntnis zu einer anderen als der deutschen Nationalität und einem Gegenbekenntnis, wobei letzterenfalls der Betroffene sich ‑ wegen der gegebenen Wahlmöglichkeit - bewusst zugleich gegen die deutsche Nationalität entscheidet.“ Ein „die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum“ liegt vielmehr bereits (allein) „in der Angabe einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen“.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 ‑ 9 C 391.94 ‑, BVerwGE 99, 133 (141) = juris, Rn. 22, m. w. N.; ebenso BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2021 ‑ 1 C 5.20 ‑, NVwZ-RR 2021, 592 = juris, Rn. 22.
15Daher „sind bei einem ausdrücklichen Gegenbekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum auch weiterhin besondere Anforderungen an die Ernsthaftigkeit eines späteren Bekenntniswandels und dessen äußere Erkennbarkeit zu stellen“, wenn lediglich von einem bekenntnisneutralen Verhalten, nämlich dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse, auf ein Bekenntnis auf andere Weise geschlossen werden soll.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 C 5.20 ‑, NVwZ-RR 2021, 592 = juris, Rn. 25.
17In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist weiter geklärt, dass ein Volkstumsbekenntnis nicht das Bewusstsein voraussetzt, zwischen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichem Volkstum „wählen“ zu können. Aus dem Bekenntnisbegriff selbst folgt nicht, dass ein Bekenntnis zu einem bestimmten Volkstum wirksam nur bei einer Möglichkeit der freien Wahl zwischen mehreren Bekenntnissen erfolgen könnte. Ein wirksames Bekenntnis zu einem bestimmten Volkstum legt vielmehr auch derjenige ab, für den ‑ aus welchen Gründen auch immer ‑ subjektiv keine Möglichkeit besteht, zwischen verschiedenen Bekenntnissen zu wählen. Ein positives Bekenntnis „zu“ einer bestimmten Nationalität durch Erklärung, dieser zuzugehören, liegt auch dann vor, wenn die von einem bestimmten, subjektiven Volkstumsbewusstsein getragene Erklärung nach der empfangenen Bewusstseinsprägung als alternativlos, selbstverständlich oder unausweichlich erscheint. Das in einer Nationalitätenerklärung, etwa aus Anlass einer Passausstellung, liegende „Willensmoment“, sich zu einer bestimmten Nationalität zu erklären, ist zumindest in den Fällen, in denen diese Willenserklärung frei von äußerem Zwang abgegeben worden ist, unabhängig davon, wie und auf Grund welcher Umstände dieser Wille (objektiv) gebildet worden ist. Stimmen im Zeitpunkt der Erklärung (äußerer) Erklärungsinhalt und (inneres) Volkstumsbewusstsein überein, fehlt dieser Erklärung der „Bekenntnischarakter“ nicht deswegen, weil objektiv keine Wahlmöglichkeit bestanden hat.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 2003 ‑ 5 C 40.03 ‑, BVerwGE 119, 192 (197 f.) = juris, Rn. 20.
19Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht ein Bekenntnis zum russischen Volkstum sogar in einem Fall angenommen, in dem dem Erklärenden infolge Adoption seine deutsche Abstammung zum Zeitpunkt der Abgabe des Bekenntnisses unbekannt war.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 2003 ‑ 5 C 40.03 ‑, BVerwGE 119, 192 = juris.
21Daraus ergibt sich in der Zusammenschau, dass es für die Annahme eines Gegenbekenntnisses nicht darauf ankommt, ob der Betroffene ursprünglich bei Ausstellung seines ersten sowjetischen Inlandspasses die Möglichkeit hatte, sich dort mit deutscher Nationalität eintragen zu lassen.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
24Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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