Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 2700/20
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 25.8.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
3Das Zulassungsvorbringen weckt nicht die ausschließlich geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 –, juris, Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 – 7 AV 4.03 –, juris, Rn. 9.
5Daran fehlt es hier. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der mit Bescheid vom 17.9.2019 ausgesprochene Widerruf der dem Kläger unter dem 19.2.2013 erteilten und unter dem 1.3.2016 erweiterten Erlaubnis gemäß § 34c GewO sei wegen seiner sich aus erheblichen Steuerrückständen ergebenden wirtschaftlichen Unzuverlässigkeit, wegen Erfüllung eines Regelbeispiels nach § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO und wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse im Sinne von § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO ermessensfehlerfrei ergangen, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
6Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe ihn fehlerhaft wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit als unzuverlässig angesehen, greift nicht durch.
7Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Dabei rechtfertigen Zahlungsrückstände gegenüber Sozialversicherungsträgern und Steuerbehörden die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, insoweit von Bedeutung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Ein derartiges Sanierungskonzept liegt nach anerkannter Rechtsprechung etwa dann vor, wenn ein verbindlicher und von den Gläubigern akzeptierter Tilgungsplan existiert, dem konkrete Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der (gesamten) Rückstände zu entnehmen sind, der Schuldner vereinbarten Ratenzahlungen nachkommt und währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (können).
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3.9.2020 ‒ 4 A 2461/19 ‒, juris, Rn. 7 ff., und vom 30.9.2016 ‒ 4 B 601/16 ‒, juris, Rn. 11 ff., jeweils m. w. N.
9Hiervon ausgehend war die zu dem für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung vom 17.9.2019 als letzter behördlicher Entscheidung,
10vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.7.1993 ‒ 1 B 105.93 ‒, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 30.9.2016 ‒ 4 B 601/16 ‒, juris, Rn. 11 f.,
11getroffene Prognose gerechtfertigt, der Kläger werde auch künftig sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß betreiben.
12Insbesondere hat der Kläger seine Behauptung, seine öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten bei den Städten T. , E. , I. und X. sowie beim Finanzamt X. erwiesen sich zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung mit insgesamt knapp 15.000 Euro als weitaus geringer als von der Beklagten angegeben, nicht im Ansatz belegt. Sie steht auch in Widerspruch dazu, dass seine Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Einleitung des Widerrufsverfahrens im Jahr 2018 nach Mitteilung der Stadt I. rund 73.000 Euro betrugen, zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung im September 2019 von der Beklagten mit rund 89.000 Euro ermittelt worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass seine Forderungen falsch ermittelt worden sein und stattdessen nur die erstmals im Zulassungsverfahren vom Kläger behauptete, im Vergleich zu amtlichen Auskünften deutlich geringere Höhe gehabt haben könnten, sind nicht aufgezeigt. Der Kläger ist auch weder den ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgehaltenen Aufstellungen, wonach bis August 2020 Steuerschulden in Höhe von über 140.000 Euro aufgelaufen waren, noch der Mitteilung der Beklagten in der Zulassungserwiderung entgegengetreten, im November 2020 seien seine Steuerschulden schon auf über 205.000 Euro weiter angestiegen.
13Unverständlich ist der Einwand des Klägers, es sei bei einem Gewerbebetrieb ausschließlich in E. und S. nicht nachvollziehbar, warum er Gewerbesteuern in vier Städten schulde. Er hat selbst in seiner Rückstandsaufstellung Verbindlichkeiten auch gegenüber der Stadt T. aufgeführt, wo er einen Gewerbebetrieb unterhalten hat. Im März 2019 hatte er noch gegenüber der Beklagten erklärt, mit den Städten S. , I. , T. und E. Vereinbarungen getroffen bzw. an diese Zahlungen geleistet zu haben.
14Seine weitere Behauptung, mit einem zügigen Abbau der von ihm abweichend benannten Rückstände sei zu rechnen, bleibt ebenfalls ohne jeden Beleg. Insbesondere trägt der Kläger weder vor noch weist er nach, dass ein Sanierungskonzept im oben beschriebenen Sinne bestehe, nach dessen Vorgaben er eine etwaige Schuldentilgung vornehme.
15Der nicht weiter erläuterte Einwand des Klägers, das Schuldnerverzeichnis sei teilweise bereinigt worden und werde weiter bereinigt, kann die Annahme geordneter Vermögensverhältnisse im September 2019 nicht belegen. Ungeachtet dessen ist die Zahl der Eintragungen nach zwischenzeitlicher teilweiser Bereinigung sogar wieder angewachsen. Für den Kläger waren im Zeitpunkt des Widerrufs 42 Eintragungen im Vollstreckungsportal aufgeführt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger von 22 bestehenden Eintragungen berichtet. Nach den Ermittlungen der Beklagten war die Anzahl der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis im November 2020 schon wieder auf 33 angestiegen. Dieser zuletzt erteilten Auskunft der Beklagten ist der Kläger ebenfalls nicht mehr entgegengetreten.
16Ebenso wenig führt die Annahme des Klägers zu einer anderweitigen Einschätzung, die Beklagte habe nicht auf die Verurteilung wegen Betruges abstellen dürfen, weil die Straftat nicht im Zusammenhang mit seiner gewerblichen Tätigkeit gestanden habe. Ein derartiger Zusammenhang ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.
17Der Widerruf einer Maklererlaubnis nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW in Verbindung mit § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Gewerbetreibende besitze nicht die für diesen Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit. Die Unzuverlässigkeit muss also auf die Tätigkeit im Sinne des § 34c Abs. 1 GewO bezogen sein, ohne dass die sie begründenden Tatsachen bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit eingetreten sein müssten.
18Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.12.1994 – 1 B 234.94 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16.1.2019 ‒ 4 B 1485/18 ‒, juris, Rn. 19 f.
19Der Kläger hat mit seinem strafrechtlich sanktionierten Verhalten gezeigt, dass er seine persönlichen Interessen höher bewertet als die Achtung von Vermögenswerten Dritter. Diese Tatsache wirkt sich auf die ordnungsgemäße Führung des von ihm ausgeübten Gewerbes aus, welche mit einem treuhänderischen Umgang mit Vermögenswerten Dritter einhergeht.
20Aufgrund der Unzuverlässigkeit des Klägers ist auch eine konkrete Gefährdung des öffentlichen Interesses gegeben.
21§ 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW ermächtigt zum Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW genügt es der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, also zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist. Durch die Fernhaltung unzuverlässiger Makler aus dem Gewerbe sollen solche wichtigen Gemeinschaftsgüter geschützt werden: Nach § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO ist die sog. Maklererlaubnis zwingend u. a. dann zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Die Vorschrift dient vornehmlich der Abwehr von Gefahren für die Ordnungsmäßigkeit des Grundstücksverkehrs und dem Schutz vor wirtschaftlichen Schäden, die erhebliche Größenordnungen erreichen können. Damit sind wichtige Gemeinschaftsgüter betroffen. Das Merkmal der Unzuverlässigkeit setzt voraus, dass der Makler nach dem Gesamtbild seines Verhaltens wahrscheinlich zukünftig seinen Pflichten nicht nachkommen wird. Ist dies zu erwarten, sind die durch § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO geschützten Rechtsgüter gerade wegen der Unzuverlässigkeit gefährdet. Dann ist die Entziehung der gewerberechtlichen Erlaubnis auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Die Behörde ist dann ohne weiteres zum Widerruf der Erlaubnis berechtigt.
22Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.8.1993 – 1 B 112.93 –, juris, Rn. 5 f.
23Schließlich ergeben sich aus der pauschalen Behauptung, die Entscheidung der Beklagten zum Widerruf sei nicht geeignet, erforderlich und angemessen gewesen, keine Hinweise für eine im Streitfall gegebene Unverhältnismäßigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
26Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
- GewO § 34c Makler, Bauträger, Baubetreuer 3x
- 4 A 2461/19 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2426/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 1485/18 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 601/16 2x (nicht zugeordnet)