Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1859/21
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. X. aus N. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 32.792,55 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist unbegründet. Die beabsichtigte weitere Rechtsverfolgung bietet auch in Ansehung der Zulassungsbegründung – wie nachfolgend unter II. ausgeführt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3II. Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. „Darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Die Zulassungsbegründung soll es dem Oberverwaltungsgericht ermöglichen, die Zulassungsfrage allein auf ihrer Grundlage zu beurteilen, also ohne weitere aufwändige Ermittlungen.
5Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Juni 2019 – 1 A 1559/19 –, juris, Rn. 2, und vom 18. November 2010 – 1 A 185/09 –, juris, Rn. 16 f., m. w. N.; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 186, 194, m. w N.
6Hiervon ausgehend rechtfertigt das – fristgerecht vorgelegte – Zulassungsvorbringen aus dem Schriftsatz vom 6. August 2021 die begehrte Zulassung der Berufung aus keinem der geltend gemachten Zulassungsgründe. Soweit es den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung genügt, greift es der Sache nach nicht durch.
71. Die Berufung kann zunächst nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und konkret aufzeigen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen sie ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will. Diesen Darlegungsanforderungen wird (beispielsweise) nicht genügt, wenn und soweit sich das Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
8Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 – 1 A 249/16 –, juris, Rn. 2 bis 5, m. w. N.
9Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
10Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Kern mit der folgenden Begründung abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die ihm mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht versagte Gewährung von Beihilfe zu den geltend gemachten Aufwendungen für häusliche Behandlungspflege durch Frau I. im Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 20. August 2018 (Tag des Beginns einer stationären Krankenhausbehandlung). Einschlägig sei insoweit § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW, wonach die beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für eine notwendige Berufspflegekraft umfassten, solange die oder der Erkrankte nach ärztlicher Verordnung der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung, ambulante Palliativversorgung und ambulante psychiatrische Krankenpflege) bedürfe. Hier fehle es bereits an einer ärztlichen Verordnung der häuslichen Krankenpflege. Das von dem Kläger insoweit allein vorgelegte, erst nach der Durchführung der Behandlungspflege ausgestellte Attest seiner Hausärztin P. vom 16. April 2019 erfülle die an eine ärztliche Verordnung zu stellenden Anforderungen nicht. Zu diesen Anforderungen zähle nämlich grundsätzlich, dass die Verordnung vor (und nicht erst nach) der Beschaffung des in Rede stehenden Mittels ausgestellt worden sei, weil jede Eigenbeschaffung oder Eigenbehandlung ohne eine erforderliche vorherige ärztliche Bestätigung der Notwendigkeit und Wirksamkeit des betreffenden Mittels eine erhöhte Gefahr des Misserfolgs in sich trage. Von diesem Grundsatz sei hier auch keine Ausnahme zu machen. Eine solche komme nur in Betracht, wenn hinsichtlich des Mittels ein unaufschiebbarer Bedarf bestanden habe, der Betroffene gehindert gewesen sei, sich vorgängig eine ärztliche Verordnung zu beschaffen, und ein Arzt unverzüglich nach Fortfall des Hindernisses die Notwendigkeit und Wirksamkeit des ohne vorherige Verordnung beschafften Mittels bestätige. Der Kläger habe schon keine Gründe vorgetragen, aus denen er gehindert gewesen wäre, seine Hausärztin rechtzeitig zu konsultieren. Für das Vorliegen solcher Gründe spreche auch nichts, weil die Hausärztin dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum gleichwohl das erforderliche Behandlungs-Wundmaterial verordnet habe.Außerdem habe die Hausärztin nach dem Inhalt des Attestes gerade nicht die ärztliche Verantwortung für die Notwendigkeit und Wirksamkeit der erfolgten Behandlungspflege übernommen. Eine solche Aussage enthalte das Attest nicht. Es bestätige lediglich, dass für den Kläger im maßgeblichen Zeitraum laut dessen eigenen Angaben Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch Frau I. durchgeführt worden seien. Darüber hinaus sei das Attest auch ganz allgemein gehalten und benenne weder die konkreten Pflegemaßnahmen noch deren Häufigkeit. Es spreche viel dafür, dass die Hausärztin eine Behandlungspflege des Klägers in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bis zu dessen Antritt des Krankenhausaufenthaltes am 20. August 2018 auch nicht für erforderlich gehalten habe. Ihr (freitextliches) Attest vom 16. April 2019 unterscheide sich nämlich deutlich von ihren Verordnungen häuslicher Krankenpflege, die sie schon ab dem 10. September 2018 ausgestellt habe. Letztere fänden sich auf den dafür vorgesehenen Vordrucken, seien vor den jeweiligen Behandlungszeiträumen ausgestellt und enthielten auch Angaben zu Art und Häufigkeit der Leistungen der verordneten Leistungen. Ungeachtet des danach gegebenen Fehlens ärztlicher Verordnungen sei Frau I. , eine gelernte Krankenschwester, auch keine Berufspflegekraft. Sie habe (unstreitig) nicht als Mitarbeiterin eines Pflegedienstes gehandelt. Sie sei aber auch keine selbständig beruflich tätige Pflegekraft, weil sie ausweislich des Gewerberegisters der Stadt Jever und einer Mitteilung des Finanzamtes Wilhelmshaven nie ein entsprechendes Gewerbe angemeldet habe.
11Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen ist insgesamt nicht geeignet, ernstliche Zweifel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzuzeigen.
12a) Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das hausärztliche Attest genüge nicht den Anforderungen an eine ärztliche Verordnung häuslicher Krankenpflege. Er meint insoweit: Mit ihrem Attest habe die Hausärztin nachträglich die Notwendigkeit der tatsächlich erfolgten Übernahme der Wundversorgung durch einen Dritten anerkannt. Das ergebe sich bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, die die Umstände des Erklärungsgeschehens berücksichtige. Die Hausärztin habe nämlich sowohl den Umfang der bereits erfolgten Pflegeleistungen als auch das Krankheitsbild des Klägers gekannt, das von chronischen Wunden, einer eingeschränkten Bewegungsmöglichkeit und einer Einschränkung des räumlichen Sehens wegen einer faktischen Erblindung am linken Auge gekennzeichnet gewesen sei. Die nachträgliche Verordnung umfasse auch die tatsächlich erbrachten Versorgungseinheiten bzw. die Häufigkeit der Verbandswechsel, weil die Hausärztin die Verbandsmittel verordnet habe. Ferner umfasse sie auch die ermittelbare Stundenzahl, weil jeweils eine gleichartige Pflegeleistung mit bekanntem Umfang erbracht worden sei. Deshalb sei auch eine ausdrückliche Angabe einer Stundenzahl entbehrlich. Die Hausärztin habe schließlich den Zweck des Attestes gekannt, den Beihilfeanspruch zu stützen. Daher sei ihre Äußerung als die Erklärung zu verstehen, dass sie die Angaben des Klägers für glaubhaft halte "und die Verantwortung hierfür" übernehme.
13Dem ist nicht zu folgen. Die gebotene Auslegung der Erklärung der Hausärztin nach dem objektiven Empfängerhorizont führt nicht auf das von dem Kläger für richtig gehaltene Auslegungsergebnis, sondern darauf, dass die Hausärztin eine häusliche Krankenpflege für den streitgegenständlichen Zeitraum gerade nicht nachträglich verordnet hat. Der Text der als "Attest" überschriebenen Bescheinigung, die Frau I. (unstreitig) fehlerhaft als Ehefrau statt als Lebensgefährtin bezeichnet, lautet:
14"Hiermit wird bescheinigt, dass für o. g. Patienten laut eigenen Angaben des Patienten, Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch die Ehefrau, Frau I. (hier bekannte chirurgisch ausgebildete Krankenschwester) durchgeführt wurden. Der Leistungszeitraum betrifft laut Herrn F. die Zeit vom 1.9.2014 – 20.8.2018. Erforderliches Behandlungs-Wundmaterial wurde durch uns verordnet."
15Diese Erklärung stellt sich zunächst nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht als nachträgliche Verordnung dar. Die Hausärztin hat nämlich nicht den für die Verordnung häuslicher Krankenpflege vorgesehenen Vordruck verwendet, obwohl dies unter Kenntlichmachung der Nachträglichkeit der Verordnung möglich gewesen wäre. Außerdem hat sie ihre Erklärung auch nicht als (nachträgliche) Verordnung bezeichnet, sondern lediglich als "Attest". Die Erklärung der Hausärztin kann auch inhaltlich nicht als nachträgliche Verordnung aufgefasst werden. Eine Aussage dazu, dass sie die erfolgte Behandlungspflege durch eine dritte Person für medizinisch notwendig gehalten habe bzw. halte, hat die Ärztin nämlich gerade nicht getroffen, sondern bewusst vermieden. Sie hat vielmehr ausdrücklich kenntlich gemacht, dass die Angaben in dem Attest, Frau I. habe in der Zeit vom 1. September 2014 bis zum 20. August 2018 bei dem Kläger Leistungen der häuslichen Krankenpflege durchgeführt, nur auf den entsprechenden Behauptungen des Klägers beruhten ("laut eigenen Angaben des Patienten"; "laut Herrn F. "), und sich diese Angaben damit gerade nicht zu eigen gemacht. Letzteres wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn sie wegen ihrer Kenntnisse über das Krankheitsbild des Klägers eine Hilfsbedürftigkeit des Klägers aus medizinischen Gründen in dem fraglichen Zeitraum angenommen hätte. Vor diesem Hintergrund kann ein verständiger Erklärungsempfänger das Attest auch nicht mit Blick darauf als Verordnung verstehen, dass die Ärztin das Krankheitsbild des Klägers kannte, zumal das Attest auch jegliche – bei Verordnungen dieser Art aber erforderliche – Spezifizierung der für erforderlich gehaltenen Einzelleistungen nach Art und Häufigkeit vermissen lässt. Eine abweichende Bewertung ergibt sich nicht aus dem letzten Satz des Attestes, der die Verordnung des erforderlichen Behandlungs-Wundmaterials durch die Hausärzte vermerkt. Die damit angesprochenen Verordnungen erlauben nämlich als solche lediglich die Schlussfolgerung auf die ärztliche Einschätzung, dass der Kläger des Materials bedurfte, nicht aber auch auf eine Einschätzung, dass der Kläger nicht selbst in der Lage gewesen wäre, seine Wunden zu versorgen. Ohne Erfolg bleibt ferner das Zulassungsvorbringen, das Attest sei auch deshalb als nachträgliche Verordnung zu verstehen, weil die Ärztin es in dem Wissen abgefasst habe, dass es die Gewährung von Beihilfeleistungen ermöglichen sollte, die vom Vorliegen einer ärztlichen Verordnung abhängig waren. Hat die Hausärztin nämlich, wie gesehen, die erfolgte Behandlungspflege nicht nachträglich verordnet, obwohl ihr der von dem Kläger mit dem erbetenen Attest verfolgte Zweck bewusst war, so spricht dies besonders deutlich dagegen, das Attest als Bescheinigung der Notwendigkeit der behaupteten Behandlungspflege zu verstehen.
16b) Ferner macht der Kläger geltend, "die ärztliche Verordnung" sei anzuerkennen, obwohl sie nachträglich ausgestellt worden sei. Die ohne Verordnung erfolgte Behandlungspflege habe hier nicht die erhöhte Gefahr des Misserfolgs in sich getragen, weil die Hausärztin das Wundmaterial verordnet habe und eine Wundversorgung mit diesem Material durch eine Krankenschwester erkennbar "sachgerechter" habe erfolgen können als durch den Kläger selbst. Auch werde der weitere Zweck des Verordnungszwangs, der Beihilfestelle Gewissheit über die Notwendigkeit einer Behandlung zu verschaffen, hier erreicht, "da die Hausärztin nachträglich die Verantwortung hierfür übernommen" habe.
17Dieses Vorbringen kann bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil das Attest aus den unter 1. a) dargelegten Gründen schon nicht als Verordnung verstanden werden kann, die Hausärztin mithin gerade nicht nachträglich die Verantwortung für die streitige Behandlungspflege übernommen hat. Unabhängig davon könnte es aber auch dann nicht durchgreifen, wenn mit dem Attest eine nachträgliche Verordnung vorläge. Es verfehlt insoweit nämlich schon die Anforderungen an eine hinreichende Darlegung im o. g. Sinne, weil es sich nicht mit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, dass eine nachträgliche Verordnung nur unter den vom Gericht näher dargelegten Voraussetzungen beachtlich sein könne und dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien (UA S. 6 oben).
18c) Schließlich macht der Kläger noch geltend, Frau I. sei entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts eine Berufspflegekraft. Diese arbeite "als Honorarkraft auf der Basis von Dienstleistungsverträgen" und habe "in dem Rahmen ihrer Pflegetätigkeit die Versorgung des Klägers übernommen". Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Gewerbeanmeldung werde von § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW nicht verlangt und könne von dem Beihilfeberechtigten auch nicht zumutbar geprüft werden. Zudem habe ein ambulanter Pflegedienst für den Streitzeitraum nicht gefunden werden können.
19Diesem Zulassungsvorbringen ist bereits deshalb der Erfolg zu versagen, weil es auch in Ansehung des einschlägigen Zulassungsvortrags schon an einer (nachträglichen) Verordnung der erfolgten Behandlungspflege fehlt (s. o.) und es daher nicht mehr darauf ankommen kann, ob zumindest ein weiteres Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW erfüllt ist. Unabhängig davon griffe es aber auch der Sache nach nicht durch. Dabei mag offen bleiben, ob der Begriff der Berufspflegekraft i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW im Falle der behaupteten selbständigen Ausübung notwendig eine Gewerbeanmeldung der betroffenen Person verlangt. Das Zulassungsvorbringen lässt nämlich auch unabhängig davon nicht konkret erkennen, dass die behauptete Pflegetätigkeit der Frau I. beruflicher Art gewesen ist, also eine auf eine gewisse Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit vorgelegen hat.
20Zu dem Begriff des Berufs nach Art. 12 Abs. 1 GG vgl. statt aller und m. w. N. Mann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 45.
21Insbesondere geht aus ihm nicht ansatzweise hervor, dass Frau I. , die den Kläger nur im streitgegenständlichen Zeitraum, nicht aber auch darüber hinaus gepflegt hat, sonstige Behandlungen gegen Entgelt durchgeführt und hiermit die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage angestrebt hat. Außerdem spricht das Gesamtbild des Geschehens eindeutig dafür, dass Frau I. den Kläger im Rahmen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gepflegt und unterstützt hat, nicht aber im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit als selbständige Pflegekraft. Der Beklagte hat mit seiner Zulassungserwiderung vom 15. September 2021 überzeugend und unwidersprochen ausgeführt, dass steuerlich nichts von einer selbständigen Tätigkeit der Frau I. auf Honorarbasis bekannt sei, dass es an einer ein Leistungsangebot darstellenden Internetpräsenz der Frau I. fehle und dass die Annahme realitätsfern sei, eine beruflich tätige Pflegekraft stelle (teilweise wohl bereits verjährte) Honoraransprüche z. T. erst nach mehreren Jahren in Rechnung. Auch die Behauptung des Klägers, im Zeitraum von 2014 bis 2018 habe er keinen geeigneten Pflegedienst finden können, greift ungeachtet der Frage ihrer Relevanz nicht durch. Sie ist schon substanzlos, im Übrigen aber auch lebensfern und damit unglaubhaft.
22d) Das Zulassungsvorbringen, die Rechnungen der Frau I. seien ordnungsgemäß erstellt, ist nach alledem ersichtlich nicht zielführend.
23e) Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der behauptete Beihilfeanspruch, soweit sich dieser auf Aufwendungen für Maßnahmen der Behandlungspflege im Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Dezember 2016 bezieht, unabhängig davon scheitern muss, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung insoweit nicht die zutreffende Fassung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW zugrunde gelegt hat. Einschlägig war insoweit nicht § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW in der Fassung, die er durch die am 1. Januar 2017 in Kraft getretene, für nach dem 31. Dezember 2016 entstehende Aufwendungen geltende Siebte Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 16. Dezember 2016 (GV. NRW. S. 1196) erlangt hat, sondern § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BVO NRW in der zuvor geltenden Fassung. Danach umfassten die beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für eine notwendige Berufspflegekraft, solange der Erkrankte nach dem Gutachten eines von der Festsetzungsstelle bezeichneten Arztes (vorübergehend)
24– das hier in Klammern gesetzte Tatbestandmerkmal wurde mit der am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen, für nach dem 31. Dezember 2015 entstehende Aufwendungen geltenden Sechsten Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung NRW vom 1. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 844) gestrichen –
25der häuslichen Krankenpflege (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) bedurfte, wobei die Grundpflege überwiegen musste. Auch nach dieser insoweit (hinsichtlich der Behandlungspflege: unterstellt) einschlägigen Fassung der Vorschrift bedurfte es nämlich (jedenfalls) der Behandlung durch eine Berufspflegekraft, an der es hier nach der auch in Ansehung des Zulassungsvorbringens zutreffenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts fehlt (s. o.). Zudem verlangte die Norm statteiner ärztlichen Verordnung der Krankenpflege noch ein – hier ersichtlich nicht vorliegendes – Gutachten eines von der Festsetzungsstelle bezeichneten Arztes.
262. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen, mit denen auch bereits das dem Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugeordnete Zulassungsvorbringen gewürdigt worden ist, weist die Rechtssache auch nicht die behaupteten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Insbesondere können die Erfolgsaussichten des angestrebten Rechtsmittels danach nicht schon als offen bezeichnet werden.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
28Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
29Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
30Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 124 1x
- 1 A 1559/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 185/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 249/16 1x (nicht zugeordnet)