Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 800/19
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1951 geborene Kläger, ein Soldat im Ruhestand, begehrt die Neubescheidung seines Antrags, die Einsatzzeiten im Ausland bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge doppelt zu berücksichtigen.
3Der Kläger schied mit Ablauf des 30. November 2010 wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze aus dem Dienstverhältnis als Soldat der Bundeswehr aus. Mit Bescheid vom 25. November 2010 wurden seine Versorgungsbezüge festgesetzt. Unter dem 6. Januar 2017 beantragte er unter Hinweis auf die Neuregelung in § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG die nachträgliche doppelte Anerkennung von Einsatzzeiten im Auslandseinsatz anlässlich eines KFOR-Einsatzes in der Zeit vom 3. Oktober 1999 bis 3. April 2000. Das Verwaltungsgerichts Karlsruhe habe im September 2016 entschieden, dass auch Auslandseinsätze in der Zeit vor der Gesetzesänderung von dieser Regelung erfasst würden.
4Mit Bescheid vom 27. Juni 2017 lehnte die Generalzolldirektion, Service Center T. , den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die Festsetzung der Versorgungsbezüge sei bestandskräftig und die Vorgaben des § 51 VwVfG lägen nicht vor.
5Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2017 zurückgewiesen. Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liege nicht vor. Die Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen nach § 63c SVG sei erstmals durch das Einsatzversorgungsgesetz rückwirkend zum 1. Dezember 2002 geregelt worden. Durch das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz vom 5. Dezember 2011 sei § 25 Abs. 2 SVG dahingehend ergänzt worden, dass Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung nach § 63c Abs. 1 SVG bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden können. Da das Einsatzversorgungsgesetz ab dem 1. Dezember 2002 gelte, könnten die Zeiten des Klägers in den Jahren 1999 und 2000 nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim änderten nicht die Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Auch eine Rücknahme nach §§ 51 Abs. 5, 48 VwVfG sei nicht zu prüfen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid geworden rechtswidrig sei.
6Der Kläger hat am 19. Oktober 2017 Klage erhoben.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Generalzolldirektion vom 27. Juni 2017 und deren Widerspruchsbescheides vom 20. September 2017 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit unter Anrechnung von Einsatzzeiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
9Die Beklagte hat schriftsätzlich um Klageabweisung gebeten und ergänzend auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. April 2018– Au 2 K 17.1265 – hingewiesen, wonach § 25 Abs. 2 Satz 2 SVG nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen der Versorgungsbezug zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bereits bestandskräftig festgesetzt worden sei.
10Das Verwaltungsgericht hat der Klage in dem angefochtenen Urteil mit der Begründung stattgegeben, der Kläger habe Anspruch auf die begehrte Neubescheidung. Die Beklagte habe ihr hier allein maßgebliches Ermessen, ob der bestandskräftige Versorgungsfestsetzungsbescheid zurückgenommen werde, bislang nicht ausgeübt. Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG komme nicht Betracht, weil die Änderung der Rechtsprechung keine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage begründe.
11Der bestandskräftige Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 25. November 2010 sei mit dem Inkrafttreten des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG am 13. Dezember 2011 rechtswidrig geworden, weil die Einsatzzeiten des Klägers im Ausland nicht nach § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG i. V. m. § 63c Abs. 1 SVG berücksichtigt worden seien. Maßgeblich sei zwar grundsätzlich an, ob der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen sei. Abweichendes gelte jedoch für Verwaltungsakte – wie hier – mit Dauerwirkung. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts gelte hier im Zweifel neues Recht ab seinem Inkrafttreten auch für bereits unter früherem Recht begründete Rechtsverhältnisse, soweit diese nicht endgültig abgeschlossen sind. So liege der Fall hier. Der Auslandeinsatz des Klägers erfülle ferner die Vorgaben des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG. Eine Ermessensreduktion auf Null liege allerdings nicht vor.
12Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung bekräftigt die Beklagte unter Hinweis auf entsprechende verwaltungsgerichtliche und obergerichtliche Rechtsprechung ihre Auffassung, Einsatztage vor Inkrafttreten des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG könnten nur dann versorgungsrechtlich berücksichtigt werden, wenn es sich um Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung im Sinne von § 63c SVG handele. Diese Vorschrift sei jedoch – rückwirkend – erst zum 1. Dezember 2002 in Kraft getreten mit der Folge, dass vor diesem Zeitpunkt liegende Zeiten einer Auslandsverwendung, wie sie der Kläger abgeleistet habe, nicht berücksichtigungsfähig seien. Eine Doppelanrechnung solcher Zeiten komme zudem nur für solche Soldaten in Betracht, die, anders als der Kläger, erst nach dem 5. Dezember 2011, dem Inkrafttreten des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG, in den Ruhestand versetzt worden seien.
13Die Beklagte beantragt,
14das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 30. Januar 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2020 mit Blick auf das beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 C 1.20 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. September 2021 – 2 C 1.20 –, juris, ist das Verfahren wieder aufgenommen worden.
18Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende als Berichterstatterin einverstanden erklärt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die Vorsitzende kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten als Berichterstatterin über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, vgl. § 125 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO.
22Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
23Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Versorgungsfestsetzungsverfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (dazu 1.) noch auf ein Wiederaufgreifen i. w. S. nach § 51 Abs. 5 i. V. m § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (dazu 2.), vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.
241. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG auf Wiederaufgreifen des aufgrund des Bescheides vom 25. November 2010 bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge. Die der Festsetzung dieser Versorgungsbezüge zugrundeliegende Rechtslage hat sich nicht nachträglich zu seinen Gunsten geändert. Die nach Bestandskraft des Versorgungsfestsetzungsbescheids aufgrund des Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetzes vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2458) am 13. Dezember 2011 in Kraft getretene Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG ändert die Rechtslage nicht nachträglich zugunsten des bereits mit Ablauf des 30. November 2010 in den Ruhestand getretenen Klägers. Maßgeblich für die Beurteilung der versorgungsrechtlichen Ansprüche eines Soldaten und Beamten ist grundsätzlich die Rechtslage im Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung. Es gilt das sog. Versorgungsfallprinzip.
25Vgl. hierzu und zu Folgendem m. w. N. BVerwG, Urteile vom 9. September 2021 – 2 C 4.20 –, juris, Rn. 11 ff., und – 2 C 1.20 –, juris, Rn.14, wonach § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG allerdings keine zeitliche Beschränkung auf Einsatzzeiten vor dem 1. Dezember 2002 enthält.
26a) Der Anwendung des Versorgungsfallprinzips steht nicht entgegen, dass der Versorgungsfestsetzungsbescheid ein Dauerverwaltungsakt ist. Die Regel, dass Dauerverwaltungsakte nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen sind, steht unter dem Vorbehalt abweichender gesetzlicher Bestimmungen. Eine solche abweichende Bestimmung enthält die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 SVG in der hier maßgeblichen Fassung vom 16. September 2009, wonach Anspruch auf Ruhegehalt grundsätzlich nach Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand besteht. Maßgeblich für die Berechnung des Ruhegehaltsanspruchs nach § 16 SVG sind damit die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Ruhestands.
27b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der am 13. Dezember 2011 in Kraft getretenen Regelung über Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG.
28aa) Dem Wortlaut von § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG ist nicht zu entnehmen, dass abweichend vom Versorgungsfallprinzip eine doppelte Berücksichtigung besonderer Auslandsverwendungen bei der Bemessung der Versorgungsbezüge auch dann erfolgen soll, wenn der Versorgungsfall bereits vor dem Inkrafttreten der Vorschrift eingetreten ist.
29bb) Auch eine entsprechende Übergangsregelung findet sich für den zeitlichen Geltungsbereich von § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG nicht. Sie ist auch nicht in der Bezugnahme auf die Legaldefinition der "besonderen Auslandsverwendung" in § 63c Abs. 1 SVG enthalten. Im Übrigen gibt es im Beamtenversorgungsrecht eine Parallelvorschrift zu § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG, nämlich § 13 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG. Auch diese Vorschrift ist mit Wirkung vom 13. Dezember 2011 – damals als § 13 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG – in das Gesetz eingefügt worden. Wenn für Beamte, die vor diesem Stichtag in den Ruhestand versetzt wurden, diese Vorschrift wegen des Versorgungsfallprinzips nicht zur Anwendung kommt, dann muss dies wegen derselben Rechtslage in gleicher Weise auch für Soldaten gelten.
30cc) Die gesetzliche Systematik rechtfertigt ebenfalls kein abweichendes Ergebnis. Aus den Regelungen über die Höhe des Ruhegehalts nach § 26 Abs. 2 und 3 SVG ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die sich aus dem Erreichen der besonderen Altersgrenzen für Soldaten ergebenden Nachteile im Verhältnis zur Versorgungsrechtslage von Beamten bei Erreichen der für sie geltenden allgemeinen Altersgrenze ausgleichen wollte. Auch das Beamtenrecht kennt besondere Altersgrenzen, im Bundesrecht etwa für Polizeivollzugsbeamte nach § 5 Abs. 1 und 2 BPolBG oder für Feuerwehrbeamte nach § 51 Abs. 3 BBG die Vollendung des 60. bis 62. Lebensjahres. Auch dem Landesbeamtenrecht sind besondere Altersgrenzen nicht fremd, etwa für Polizeivollzugsbeamte und Beamte des Vollzugsdienstes und des Werkdienstes im Justizvollzug und des Abschiebungshaftvollzugsdienstes. Für diese Beamtengruppen kennt das Versorgungsrecht der Beamten dem Versorgungsrecht der Soldaten in § 26 SVG inhaltlich entsprechende Ausgleichsregelungen.
31dd) Aus der Entstehungsgeschichte zum Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz, mit dem § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG im Dezember 2011 in das Soldatenversorgungsgesetz eingefügt wurde, lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs auf bereits im Ruhestand befindliche Soldaten entnehmen. Die Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drs. 17/7143 S. 14) erweist sich insoweit als unergiebig, weil sie zur Frage der zeitlichen Geltung des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG insgesamt keine Angaben enthält. Auch der Einzelbegründung zu § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG (vgl. BT-Drs. 17/7143 S. 15) lässt sich keine Aussage zum zeitlichen Anwendungsbereich und damit auch keine Anordnung der Rückwirkung auf bereits im Ruhestand befindliche Soldaten entnehmen.
32ee) Eine andere Auslegung legen schließlich auch Sinn und Zweck von § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG nicht nahe. Das gilt insbesondere für Gesichtspunkte der Altersdiskriminierung und der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) im Hinblick auf die besonderen Altersgrenzen für Berufssoldaten nach § 45 Abs. 2 SG. Die unterschiedliche versorgungsrechtliche Behandlung von vor Inkrafttreten der Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG im Verhältnis zu den nach dem 13. Dezember 2011 in den Ruhestand getretenen Berufssoldaten ist sachlich gerechtfertigt. Sie knüpft nicht an das jeweilige Alter der Soldaten im Ruhestand an, sondern an den unterschiedlichen Zeitpunkt ihres Eintritts in den Ruhestand. Das schließt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ebenso aus wie eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach §§ 1 und 3 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ungeachtet der Frage, ob diese Richtlinie auf Soldaten anzuwenden ist.
33Auch für eine mittelbare Diskriminierung der Soldaten nach §§ 1 und 3 Abs. 2 AGG und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG – unterstellt diese Vorschriften sind auf Soldaten anwendbar – ist nichts ersichtlich. Die besonderen Altersgrenzen – hier für Berufssoldaten nach § 45 Abs. 2 SG – stellen zwar eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG dar. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters indes zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine – nicht abschließende – Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. In dem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die Festsetzung von besonderen Altersgrenzen für die Zurruhesetzung aufgrund besonderer körperlicher Belastungen der Dienstverrichtung als grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel i. S. v. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ansieht.
34Das alles ist mit Unionsrecht vereinbar. Für die besondere Altersgrenze von Mitgliedern der Berufsfeuerwehr und Verkehrspiloten hat der EuGH entschieden, dass es im Fall der Verkehrspiloten wesentlich ist, dass sie insbesondere über besondere körperliche Fähigkeiten verfügen, da körperliche Schwächen in diesen Berufen beträchtliche Konsequenzen haben können und diese Fähigkeiten unbestreitbar auch mit zunehmendem Alter abnehmen. Daraus folgt, dass für die Ausübung dieser Berufe das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i. S. v. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden kann und dass diese Fähigkeiten altersabhängig sind. Diese Rechtsprechung zu den besonderen körperlichen Fähigkeiten, derer Feuerwehrmänner und Verkehrspiloten bedürfen, lässt sich ohne Weiteres auf die an Berufssoldaten zu stellenden besonderen körperlichen Anforderungen übertragen.
35ff) Für die versorgungsrechtliche Anknüpfung an den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand sprechen schließlich zwei weitere rechtliche Gesichtspunkte. Zum einen ist dies die Rechtsklarheit, die den betroffenen Soldaten und Beamten eine Prüfung ihres Versorgungsanspruchs erleichtert. Zum anderen vermittelt die Anknüpfung an den konkreten Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand sowohl den Soldaten und Beamten wie auch ihren Dienstherrn Rechtssicherheit.
362. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Neuregelung seiner Versorgung im Wege eines Wiederaufgreifens im weiteren Sinne gemäß § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Beklagte ist schon deshalb nicht zu einer Neuentscheidung über seine Versorgung verpflichtet, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht vorliegen. Der bestandskräftig gewordene Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 25. November 2010 ist nicht nachträglich rechtswidrig geworden. Er entspricht vielmehr – wie unter 1. dargelegt – der im Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand geltenden Rechtslage. Der Bescheid hat danach die Zeiten besonderer Auslandsverwendungen zu Recht nicht bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt. Die hierfür erforderliche rechtliche Grundlage ist mit § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG 2011 nur für solche Soldaten geschaffen worden, die nach dessen Inkrafttreten am 13. Dezember 2011 in den Ruhestand eingetreten sind. Zwar kann diese differenzierte zeitliche Anwendung der Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG 2011 in Einzelfällen dazu führen, dass Zeiten besonderer Auslandsverwendungen von Soldaten, die im selben Auslandseinsatz im selben Zeitraum verwendet wurden, bei dem einem, vor dem 13. Dezember 2011 in den Ruhestand eingetretenen Soldaten nur einfach berücksichtigt werden, bei einem anderen, nach dem 13. Dezember 2011 in den Ruhestand eingetretenen Soldaten hingegen doppelt. Dies ist aber – wie oben dargestellt – rechtlich nicht zu beanstanden.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 87 Abs. 2 SVG i. V. m § 172 BBG und § 127 BRRG nicht erfüllt sind.
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